Der technische Fortschritt ist ein zuverlässiger Indikator dafür, wie weit sich die menschliche Gesellschaft entwickelt hat. Oder wie faul. Pferdekutschen werden zu Autos, Briefe zu E-Mails, Festnetz- zu Mobiltelefonen. Alles wird automatisiert – nicht zuletzt Arbeitsprozesse. In der Welt von Detroit: Become Human, dem neuen interaktiven Spiel von David Cage und seinem Studio Quantic Dream, übernehmen Androiden einen Großteil der Handarbeit als eine Art moderne Sklaven. Empfangsdamen sind nun nicht mehr menschlich, Kindermädchen und Altenpfleger ebenso. Selbst zum Joggen nehmen die Besitzer ihren Androiden mit, damit der ihnen buchstäblich als Wasserträger dient. Dankbarkeit gibt es dafür keine, Bezahlung auch nicht.
Die Folgen auf die Gesellschaft zeigt Cage in seinem Spiel dabei nur bedingt. “Androids ruin our country. We want jobs”, steht da auf einem Schild eines Obdachlosen. Jene Leute, die ihre Arbeit an einen Androiden verloren und damit scheinbar auch ihre soziale Existenz sieht der Spieler hauptsächlich zu Beginn. Interessant wäre es durchaus, zu erfahren, wie die Menschen im Detroit des Jahres 2038 eigentlich ihr Geld verdienen, wenn praktisch alle Arbeiten von Androiden ausgeführt werden. Selbst die Wellensittiche im Haus des pflegebedürftigen Carl (Lance Henriksen) sind aus unerklärlichen Gründen künstlich – und im Käfig eingesperrt. Dabei müssten sie sich eigentlich so programmieren lassen, dass sie von selbst im Haus bleiben.
Im Gegensatz zu Carls Pfleger Markus (Jesse Williams), der sich zu emanzipieren beginnt. Spätestens, als er nach einem Vorfall auf einem Schrottplatz entsorgt wird. Er landet schließlich bei einer Gruppe anderer „freier“ Androiden um Revoluzzerin North (Minka Kelly), die verdeckt leben müssen. “Don’t let anyone tell you who you should be”, hatte Carl mehrfach Markus eingebläut. Weshalb er, North und die anderen nun an einer Bürgerrechtsbewegung für Androiden arbeiten. Separat verfolgt das Spiel die Flucht von Kara (Valorie Curry), die als Kindermädchen für die kleine Alice (Audrey Boustani) angeheuert wurde. Dann aber gegen ihr Protokoll verstieß, als sie das Mädchen gegen den misshandelnden Vater verteidigte.
Speziell gegen solche Androiden wie Markus und Kara, im Spiel “deviant” (dt. Abweichler) genannt, ermittelt ihr Polizei-Artgenosse Connor (Bryan Dechart) mit seinem menschlichen Partner Hank (Clancy Brown). Wieso mehrt sich die Zahl der Protokoll-Brecher und was steckt hinter deren Obsession mit dem Begriff “RA9”? Ähnlich wie in Quantic Dreams Heavy Rain aus dem Jahr 2010 beleuchtet Detroit: Become Human seine Story aus verschiedenen Blickwinkeln. Und damit weniger singulär-narrativ wie in Beyond: Two Souls zuletzt. Jeder Handlungsstrang steht die meiste Zeit für sich, selbst wenn sie gegen Ende doch zusammenlaufen. Vorausgesetzt natürlich, der Spieler hat die Figuren zu diesem Zeitpunkt alle noch am Leben erhalten können.
Dies macht die interaktiven Spiele von Quantic Dream so besonders: das Versprechen, dass jede Entscheidung des Spielers direkte Konsequenzen für das Spiel hat. Ein nicht-vertieftes Gespräch kann dadurch zu einem kritischen Zeitpunkt eine benötigte Information nicht freischalten – und dies wiederum das Leben kosten. Oder man drückt zu langsam – oder zu schnell – eine Handlungs-Aktion und ist plötzlich tot. Genauso wie die Aktionen der einen Figur ungeahnte Folgen für das Schicksal der Figur eines anderen Handlungsstranges haben können. Über 1.000 Entscheidungsmöglichkeiten verspricht Quantic Dream für sein jüngstes Spiel, sodass jede/r Spieler/in ein individuelles Erlebnis haben kann – zumindest in charakterlichen Nuancen.
Alle leben oder jeder stirbt, beides ist in Detroit: Become Human letztlich möglich. So konnte ich am Ende zum Beispiel weder Kara noch Alice retten, da meine Entscheidungen für die beiden in Kombination mit denen für andere Figuren keinen Ausweg mehr offenbarten. Führt Markus seinen Widerstand friedlich in der Tradition von Personen wie Gandhi oder Martin Luther King, Jr. oder greift er auf Gewalt zurück? “Statistically speaking there’s always the possibiliy for unlikely events to take place”, sagt Connor später einmal in seiner Ermittlung. Die Richtung geben die Spieler vor, was die Ironie mit sich bringt, dass die vermeintlich erwachten Androiden im Grunde dennoch nur Befehlen folgen. Nur eben denen anderer Besitzer.
Dass Detroit: Become Human in drei Handlungsstränge geteilt ist, bringt den Vorteil mit sich, dass jede der Figuren unterschiedliche Reaktionen ausloten kann. So agierte ich mit Kara gegenüber Alice stets fürsorglich und beruhigend, mit Markus selbstbestimmt und altruistisch und Connor offenbarte Gelegenheiten zu klassischen “buddy cop”-Momenten mit Hank. Genauso könnte man aber kalt statt warm reagieren, pessimistisch statt zuversichtlich oder extrovertiert statt einsilbig. Wie die Studio-Vorgänger ist Detroit: Become Human weniger als Spiel-Spaß ausgelegt, sondern als Film, dessen Verlauf der Zuschauer beim Sehen beeinflussen kann. Ohne Checkpoints, um Fehler zu korrigieren. Wie im echten Leben also.
Nach einem leicht zähen Beginn, der sich eher am “world building” und der Etablierung der Haupt-Charaktere orientiert, findet das Spiel dann immer besser seinen Fluss. Ohne deshalb aber sonderlich originell zu sein, vielmehr bedient sich David Cage fleißig im Sci-Fi-Genre. So kopiert Markus’ Erfahrung auf dem Schrottplatz die von David in A.I. Artifical Intelligence. Connor jagt seine Artgenossen ähnlich wie Rick Deckard die seinen im Final Cut von Blade Runner. Hank ist ein Verbrechensbekämpfer mit totem Sohn, wie ihn Tom Cruise in Minority Report spielte. Die Quasi-Sklavenhaltung der Androiden sah man so auch in I, Robot und wenn später Markus andere Androiden „aufweckt“, erinnert das an Maeve in HBO’s Westworld-Remake.
Übelnehmen mag man es Cage nicht (ähnlich wie er sich in Heavy Rain schon bei Serienkiller-Werken wie Se7en bediente). Die Handlung von Detroit: Become Human steht ohnehin hinter dem Erlebnis, auch wenn eine Vertiefung des Konzepts der Künstlichen Intelligenz interessant gewesen wäre. So schenkt Cage den Androiden heterosexuell-romantische Gefühle, obwohl sie selbst weder wirklich ein Geschlecht noch eine Sexualität haben. Wie menschlich die Androiden sind, bleibt offen. Als er gefragt wird, ob er Angst vorm Tod hätte, betont Connor, er könne nicht sterben, da er nicht am Leben sei. Dabei sagte schon Spielmenü-Androidin Chloe (Gabrielle Hersh): “The most important thing is not to live, but to have a reason to life.”
Die Folgen auf die Gesellschaft zeigt Cage in seinem Spiel dabei nur bedingt. “Androids ruin our country. We want jobs”, steht da auf einem Schild eines Obdachlosen. Jene Leute, die ihre Arbeit an einen Androiden verloren und damit scheinbar auch ihre soziale Existenz sieht der Spieler hauptsächlich zu Beginn. Interessant wäre es durchaus, zu erfahren, wie die Menschen im Detroit des Jahres 2038 eigentlich ihr Geld verdienen, wenn praktisch alle Arbeiten von Androiden ausgeführt werden. Selbst die Wellensittiche im Haus des pflegebedürftigen Carl (Lance Henriksen) sind aus unerklärlichen Gründen künstlich – und im Käfig eingesperrt. Dabei müssten sie sich eigentlich so programmieren lassen, dass sie von selbst im Haus bleiben.
Im Gegensatz zu Carls Pfleger Markus (Jesse Williams), der sich zu emanzipieren beginnt. Spätestens, als er nach einem Vorfall auf einem Schrottplatz entsorgt wird. Er landet schließlich bei einer Gruppe anderer „freier“ Androiden um Revoluzzerin North (Minka Kelly), die verdeckt leben müssen. “Don’t let anyone tell you who you should be”, hatte Carl mehrfach Markus eingebläut. Weshalb er, North und die anderen nun an einer Bürgerrechtsbewegung für Androiden arbeiten. Separat verfolgt das Spiel die Flucht von Kara (Valorie Curry), die als Kindermädchen für die kleine Alice (Audrey Boustani) angeheuert wurde. Dann aber gegen ihr Protokoll verstieß, als sie das Mädchen gegen den misshandelnden Vater verteidigte.
Speziell gegen solche Androiden wie Markus und Kara, im Spiel “deviant” (dt. Abweichler) genannt, ermittelt ihr Polizei-Artgenosse Connor (Bryan Dechart) mit seinem menschlichen Partner Hank (Clancy Brown). Wieso mehrt sich die Zahl der Protokoll-Brecher und was steckt hinter deren Obsession mit dem Begriff “RA9”? Ähnlich wie in Quantic Dreams Heavy Rain aus dem Jahr 2010 beleuchtet Detroit: Become Human seine Story aus verschiedenen Blickwinkeln. Und damit weniger singulär-narrativ wie in Beyond: Two Souls zuletzt. Jeder Handlungsstrang steht die meiste Zeit für sich, selbst wenn sie gegen Ende doch zusammenlaufen. Vorausgesetzt natürlich, der Spieler hat die Figuren zu diesem Zeitpunkt alle noch am Leben erhalten können.
Dies macht die interaktiven Spiele von Quantic Dream so besonders: das Versprechen, dass jede Entscheidung des Spielers direkte Konsequenzen für das Spiel hat. Ein nicht-vertieftes Gespräch kann dadurch zu einem kritischen Zeitpunkt eine benötigte Information nicht freischalten – und dies wiederum das Leben kosten. Oder man drückt zu langsam – oder zu schnell – eine Handlungs-Aktion und ist plötzlich tot. Genauso wie die Aktionen der einen Figur ungeahnte Folgen für das Schicksal der Figur eines anderen Handlungsstranges haben können. Über 1.000 Entscheidungsmöglichkeiten verspricht Quantic Dream für sein jüngstes Spiel, sodass jede/r Spieler/in ein individuelles Erlebnis haben kann – zumindest in charakterlichen Nuancen.
Alle leben oder jeder stirbt, beides ist in Detroit: Become Human letztlich möglich. So konnte ich am Ende zum Beispiel weder Kara noch Alice retten, da meine Entscheidungen für die beiden in Kombination mit denen für andere Figuren keinen Ausweg mehr offenbarten. Führt Markus seinen Widerstand friedlich in der Tradition von Personen wie Gandhi oder Martin Luther King, Jr. oder greift er auf Gewalt zurück? “Statistically speaking there’s always the possibiliy for unlikely events to take place”, sagt Connor später einmal in seiner Ermittlung. Die Richtung geben die Spieler vor, was die Ironie mit sich bringt, dass die vermeintlich erwachten Androiden im Grunde dennoch nur Befehlen folgen. Nur eben denen anderer Besitzer.
Dass Detroit: Become Human in drei Handlungsstränge geteilt ist, bringt den Vorteil mit sich, dass jede der Figuren unterschiedliche Reaktionen ausloten kann. So agierte ich mit Kara gegenüber Alice stets fürsorglich und beruhigend, mit Markus selbstbestimmt und altruistisch und Connor offenbarte Gelegenheiten zu klassischen “buddy cop”-Momenten mit Hank. Genauso könnte man aber kalt statt warm reagieren, pessimistisch statt zuversichtlich oder extrovertiert statt einsilbig. Wie die Studio-Vorgänger ist Detroit: Become Human weniger als Spiel-Spaß ausgelegt, sondern als Film, dessen Verlauf der Zuschauer beim Sehen beeinflussen kann. Ohne Checkpoints, um Fehler zu korrigieren. Wie im echten Leben also.
Nach einem leicht zähen Beginn, der sich eher am “world building” und der Etablierung der Haupt-Charaktere orientiert, findet das Spiel dann immer besser seinen Fluss. Ohne deshalb aber sonderlich originell zu sein, vielmehr bedient sich David Cage fleißig im Sci-Fi-Genre. So kopiert Markus’ Erfahrung auf dem Schrottplatz die von David in A.I. Artifical Intelligence. Connor jagt seine Artgenossen ähnlich wie Rick Deckard die seinen im Final Cut von Blade Runner. Hank ist ein Verbrechensbekämpfer mit totem Sohn, wie ihn Tom Cruise in Minority Report spielte. Die Quasi-Sklavenhaltung der Androiden sah man so auch in I, Robot und wenn später Markus andere Androiden „aufweckt“, erinnert das an Maeve in HBO’s Westworld-Remake.
Übelnehmen mag man es Cage nicht (ähnlich wie er sich in Heavy Rain schon bei Serienkiller-Werken wie Se7en bediente). Die Handlung von Detroit: Become Human steht ohnehin hinter dem Erlebnis, auch wenn eine Vertiefung des Konzepts der Künstlichen Intelligenz interessant gewesen wäre. So schenkt Cage den Androiden heterosexuell-romantische Gefühle, obwohl sie selbst weder wirklich ein Geschlecht noch eine Sexualität haben. Wie menschlich die Androiden sind, bleibt offen. Als er gefragt wird, ob er Angst vorm Tod hätte, betont Connor, er könne nicht sterben, da er nicht am Leben sei. Dabei sagte schon Spielmenü-Androidin Chloe (Gabrielle Hersh): “The most important thing is not to live, but to have a reason to life.”
8/10
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