14. Mai 2014

Godzilla

Your courage will never be more needed than it is today.

Jedes Teilchen hat sein Antiteilchen. Und so bescherten die 1990er Jahre Filmfans zwar auf der einen Seite die als Meisterwerke erachteten Fight Club und The Matrix, andererseits aber eben auch Joel Schumachers Batman-Filme und Roland Emmerichs Godzilla. Letzterer hinterließ zwar Eindrücke an den Kinokassen, gilt jedoch - ungerechtfertigter Weise - sowohl bei Kritikern als auch bei Fans der Riesenechse als Flop. Wenn nicht gar als Tiefpunkt der Godzilla-Reihe. Nun heißt es wie so oft in Hollywood: alles auf neu. Gareth Edwards, der vor einigen Jahren mit Monsters einen Arthouse-Monsterfilm drehte, durfte für Godzilla einen erneuten Versuch für das US-Kino wagen, den König der Monster ins Kino zu bringen.

Zuvorderst geht es im neuen Godzilla aber nicht um Godzilla. Sondern um Cloverfield-Monster, die Atombomben fressen und in San Francisco ein Nest bauen wollen. Blöd, dass dort Elle Brody (Elizabeth Olsen) mit ihrem Sohn lebt, die Familie von US-Soldat Ford Brody (Aaron Taylor-Johnson), einem Bombenexperten. Der hat vor 15 Jahren in Japan seine Mutter (Juliette Binoche) bei einem Kernreaktorunfall verloren – ein Erlebnis, das bis heute seinen Vater, Nuklearphysiker Joe Brody (Bryan Cranston), nicht loslässt. Er forscht auf eigene Faust nach, was eigentlich vor sich geht und wird dabei auf ein geheimes Militärprojekt von Dr. Ishiro Serizawa (Ken Watanabe) und seiner Kollegin (Sally Hawkins) aufmerksam.

Grob versucht sich Edwards dabei an Honda Ishirōs Gojira von 1954 zu orientieren. Hier wie dort ist Godzilla ein Urtier aus vergangenen Zeiten, das unter dem Meer in einer Höhle haust. Also kein durch Atomversuche mutierter Riesen-Iguana wie bei Emmerich. Allerdings fokussiert sich dieser Godzilla nicht ausschließlich auf die Bedrohung durch die Echse, die bei Honda vor 60 Jahren noch als Metapher für die Atomkraft stand, die Japan nach den Bomben auf Hiroshima und Nagasaki schwer erschüttert zurückgelassen hat. Später durfte Godzilla sich mit anderen Monstern, so genannten Kaijū, kloppen. In Mothra vs. Godzilla 1964 noch als Antagonist, im Anschluss in Ghidorah, the Three-Headed Monster dann als Held.

Im Mittelpunkt der Handlung, was fraglos auch an Kostengründen lag, standen jedoch die menschlichen Figuren. So im Original das junge Paar Emiko und Ogata sowie Dr. Serizawa, dessen Erfindung des Oxygen-Zerstörers – eine Nachgeburt der Atombombe, die wiederum Gojira freigesetzt hatte – schließlich des Rätsels Lösung sein sollte. Edwards hat zwar auch einen Dr. Serizawa, aber einen völlig anderen Fokus. Sein Film dreht sich um Familienzusammenführung, sei es die von Ford und Elle Brody oder die der Cloverfield-Viecher (im Film M.U.T.O. genannt). In einer Sequenz darf sich sogar eine japanische Familie inmitten eines zerstörten Hawaii wiederfinden, damit die Botschaft auch bloß an keinem vorbeigeht.

Sie zählt zu den vielen teils lächerlichen, teils absurden Einstellungen, die Edwards sich für sein Bombast-Spektakel erdacht hat. Und die sich immer wieder wiederholen und einreihen in eine Handlung, die selten wirklich Sinn ergeben will. Zugleich aber auch so behäbig voranschreitet, dass man nicht umhin kommt, sich über sie Gedanken zu machen. Da werden Atombomben von einem Ort zum nächsten befördert – erst per Zug, als der dann angegriffen wird, doch lieber per Helikopter. Mit Flugzeugen fliegt man generell gerne in Godzilla, selbst wenn es gegen einen Gegner geht, der einen elektromagnetischen Puls aussenden kann (und das, Urtier hin oder her, auch zu wissen scheint und entsprechend bisweilen anwendet).

Ungeachtet dessen ist die bevorzugte Reaktion der Militärs dennoch, auf die Monster mit MGs zu schießen, wenn nicht gerade Schulkinder über genau die Brücken evakuiert werden, die auf dem Weg der Monster liegen. Großartig sind auch etwaige Einstellungen, in denen Edwards vermeintlich Kinder oder Hunde in Gefahr bringt, diese dann aber natürlich doch rettet – während im Hintergrund Dutzende Erwachsene sterben. Das Ganze als „strunzdoof“ zu bezeichnen, wäre überzogen. Immerhin strotzten auch andere Godzilla-Filme nicht vor ausgeklügelten Plots, egal ob Mini-Mädchen Rieseneier zurückhaben wollen oder Marsianer Mordkomplotte auf der Erde austragen. Anstrengend ist die Handlung dieses Films dennoch.

Gerade, weil der Film gefühlt drei Stunden dauert, da die sehr sporadische Dramaturgie sich fortbewegt wie Godzilla selbst – als wäre sie ein klobiges Riesentier. Der eigentliche Star des Films taucht in diesem eher peripher auf und will optisch nicht recht gefallen, wirkt er doch oft wie ein aufgedunsener Riesen-Turtle. Und auch wenn Edwards der Figur eine Motivation aufs Auge drückt, kann diese am Ende nicht überzeugen. Sie wirkt wie nahezu alles in Godzilla beliebig konstruiert. Eben so, wie es praktisch ist und sich anderswo an den Kinokassen bereits als erfolgreich erwiesen hat. Eine echte Botschaft wie Hondas Gojira besitzt dieser Godzilla nicht. Genauso wenig den Unterhaltswert seines US-Vorgängers.

Der nahm sich – wie die meisten Godzilla-Filme – nicht zu ernst. Was sich von Gareth Edwards’ Version nicht sagen lässt. Sonderlich berühren will das Zwischenmenschliche in seinem Film dennoch nicht, auch die Monster-Action im veraschten Chinatown San Franciscos begeistert nur bedingt, wenn auch durchaus gefällige Szenen existieren (darunter Godzillas Silhouette unter einem Kriegsschiff oder ein Fallschirmsprung mitten durch einen Kaijū-Kampf). Wer sehen will, wie sich riesige CGI-Geschöpfe eins auf die Zwölf geben, dürfte bei Pacific Rim aber womöglich doch besser aufgehoben sein. Dieser Godzilla wirkt jedenfalls wie ein Antiteilchen zur US-Version von ´98. Für manche dürften das wohl gute Nachrichten sein.

4/10

2 Kommentare:

  1. Im Prinzip haben wir ganz ähnliche Kritikpunkte, wenngleich ich sie auch weniger schwerwiegend fand bzw. die positiven Aspekte für mich doch deutlich überwogen haben. War vielleicht aber auch der Thrill nach 5 Monaten einmal wieder im Kino gewesen zu sein... ;-)

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    1. Da kann man dem Film ja letztlich nur dankbar sein für, dann bin ich mal gespannt, was trotz ähnlicher Kritikpunkte am Ende unter deinen Worten stehen wird :)

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