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19. Juni 2014

Summer School

Who wants gum?

Für die meisten Menschen ist Mark Harmon vermutlich schlicht: NCIS’ Leroy Jethro Gibbs. Für mich dagegen ist er seit über 25 Jahren Shoop. Genauer: Freddy Shoop. In Carl Reiners Komödie Summer School gab Harmon vor 27 Jahren einen Sportlehrer, der von Phil Gills (Robin Thomas), dem Vize-Rektor seiner Schule, zum Englischdozent für einen Ferienkurs (engl. summer school) verdonnert wurde. Dabei wollte Shoop, ein Laisser-faire-Lehrer par excellence, eigentlich mit seiner Freundin nach Hawaii. Doch die Letzten bestraft das Leben – in diesem Fall sprichwörtlich. Will Shoop eine Festanstellung an seiner High School, muss er den Ferienkurs übernehmen. Auf den hat der Sportlehrer aber genauso wenig Lust wie seine Schüler.

Summer School avancierte mit seiner simplen Prämisse letztlich in den USA zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres 1987. Mit einem Einspiel von 35 Millionen Dollar landete man knapp hinter Mel Brook’s Spaceballs, ließ dafür aber unter anderem Steven Spielbergs Empire of the Sun, Joe Dante’s Innerspace sowie den als Kult verehrten The Princess Bride hinter sich. Roger Ebert mag darüber zum Jahresende den Kopf geschüttelt haben, gab er Summer School zur damaligen Zeit doch nur einen halben Stern und warf dem Film vor, witzlos zu sein und keine Existenzberechtigung zu haben. Harte Worte, wenn man bedenkt, dass dies derselbe Kritiker ist, der Alex Proyas’ Knowing einen der besten Filme des Jahres 2009 nannte.

Grundsätzlich verdient Summer School natürlich nicht mehr oder weniger seine Existenz wie jeder andere Film. Und was man aus ihm zieht, hängt vermutlich auch davon ab, was man in ihn hineinbringt. Am Ende ist es ein Film, der alle seine Protagonisten weiterentwickelt, die Figuren ihr wahres Potential erkennen lässt. Sei es Mark Harmons Freddy Shoop, der zwar Lehrer ist, aber erst lernt, was dies wirklich heißt. Oder seien es seine Schüler, allen voran wohl der Maskenafficionado und Alkoholiker Francis Gremp (Dean Cameron), der sich lieber “Chainsaw” nennt – nach seinem Lieblingsfilm, dem Carl Reiner zu Beginn des dritten Akts sogar ganz speziell Referenz erweisen wird. Aber auch der Rest der Klasse verbessert sich.

Dabei widmet sich der Film nicht allen Schülern ausführlich, sondern lediglich einer Handvoll. Und selbst hier bleiben Figuren wie Courtney Thorne-Smith als surfende und ihrem Lehrer – in vielerlei Hinsicht ein Gleichgesinnter – verfallende Pam. Ihre Anhimmelei wird dem kathartischen Finale geopfert oder fiel vielleicht auch nur dem Schnitt zum Opfer. Dabei begeht das Filmende nicht den Fehler, zum vollkommenen Happy End zu geraten. Dass Shoop am Ende aber seine Biologie-Kollegin Robin Bishop (Kirstie Alley) aus den Fängen von Vize-Rektor Gills rettet, versteht sich in diesem Genre praktisch von selbst. Zugleich steht die Romanze jedoch hinter der Beziehung zurück, die Shoop während des Films zu seiner Klasse entwickelt.

Die Figuren sind dabei allesamt sympathisch, ihre Weiterentwicklung im Rahmen des Films glaubhaft. Witzlos ist Summer School zudem keineswegs, man darf eben nur nicht humorlos sein. Wenn im ersten Akt ein Charakter verschwindet, um im Finale wieder aufzutauchen, ist das ein kleines Highlight für sich. Aber auch eine Szene, in der eine Aushilfslehrerin mittels gorigem Make-up à la Stan Winston aus eigener Schule von den Schülern verschreckt werden soll, ist wie zuvor ein Monty Python-Zitat derselben Sparte einer der Höhepunkte dieses Films. Der wird die meiste Zeit problemlos von Mark Harmons lässig-liebevollen Shoop allein geschultert, allerdings fügen sich auch die übrigen (Jung-)Darsteller überzeugend ein.

Man könnte sagen, der Erfolg gab Carl Reiners Film – der Regisseur hat zu Beginn einen, die Handlung auslösenden, Cameo – Recht. Denn Summer School ist eine locker-leichte Schulkomödie, die im Vergleich zu heutigen Genrevertretern (beispielsweise Superbad) natürlich sehr viel handzahmer daherkommt. Aber auch das macht eben ihren Charme aus, wie ihn die (Schul-)Komödien der Achtziger à la The Sure Thing und Just One of the Guys eben besaßen. Sicherlich mit einer gewissen Portion Nostalgiebonus, aber eben auch, weil die Erinnerungen der Kindheit 15 Jahre später bestätigt wurden, ist Summer School mit Mark Harmons Shoop ein Film, den ich nicht missen will. Zumindest für mich ist das Existenzberechtigung genug.

9.5/10

17. August 2009

Fear and Loathing in Las Vegas

You won’t need much. Just a tiny taste. 

“We were somewhere around Barstow, on the edge of the desert, when the drugs began to take hold” – so beginnt die Odyssee von Raoul Duke (Johnny Depp) und seinem Anwalt Dr. Gonzo (Benicio Del Toro), basierend auf Hunter S. Thompsons Roman Fear and Loathing in Las Vegas. Terry Gilliam, durch Werke wie 12 Monkeys als Regisseur abgedrehter Geschichten etabliert, versuchte zurecht gar nicht, Thompsons Handlung in einen rationalen Rahmen zu verordnen. Auf welche Reise man sich mit den beiden Hauptfiguren begibt, machen die gleich zu Beginn deutlich. Ausgerüstet mit zwei Beuteln Gras, 75 Kügelchen Meskalin, fünf Löschblättern mit extra starkem Acid, einem Salzstreuer halb voll mit Kokain, einem ganzen Spektrum vielfarbiger Uppers, Downers, Heuler und Lacher, zwei Dutzend Poppers, sowie jeweils einer Flasche Rum und Tequila, einer Kiste Bier und einem halben Liter Äther machen sie sich auf nach Las Vegas.

Dort soll Duke formal als Journalist das MINT 400 zu dokumentieren, das „höchstdotierte Wüstenrennen für Motorräder und Strandbuggys“ – im Grunde will er aber einfach nur raus aus Los Angeles. Gonzo rät ihm zur Übernahme des redaktionellen Auftrags, begleitet seinen Mandaten zugleich gen Sin City. Die Drogen, die sie unterwegs bereits zu sich nehmen, wirken nicht nur, sie nehmen alsbald überhand – verstärkt verliert das Duo immer mehr die Kontrolle über sein Verhalten sowie seine Gefühle. So gerät Fear and Loathing in Las Vegas zu einer kruden Mischung aus Alice im Wunderland und Dantes Inferno, markiert zugleich einem gelungenen Anti-Kriegsfilm, der die US-Einsätze in Vietnam anprangert. Unterstrichen dadurch, dass Duke immer wieder den Krieg im Fernsehen verfolgt, dieser aber auch nun Einzug in sein eigenes Leben erhält, via wahnhaften Erscheinungen oder der ständigen Präsenz des Star-Spangled Banners.

In der Mitte des Filmes platziert Gilliam einen sehr subtilen Dialog zwischen Duke und Gonzo, der die Anti-Kriegs-Thematik gekonnt akzentuiert. “I hate to say this, but this place is getting to me. I think I’m getting the fear”, erklärt ein aufgelöster Dr. Gonzo. “Nonsense”, wischt Duke dessen Ängste beiseite. “We came here to find the American Dream, and now we’re right in the vortex you want to quit. You must realize that we’ve found the main nerve.” Doch Gonzo lässt sich nicht überzeugen: “That’s what gives me the fear.” Ein Jahr vor dem Roman hatten sich die Kent-State-Vorkommnisse ereignet, als vier Studenten bei einer friedlichen Demonstration gegen den Krieg von den eigenen Soldaten erschossen wurden. Wenn Duke an anderer Stelle Sätze spricht wie “had we deteriorated to the level of dumb beasts?”, ist das weniger Ausdruck seines Rausches, als eine Momentaufnahme der US-amerikanischen Gesellschaft zu Beginn der 1970er Jahre.

In der zweiten Filmhälfte rück die subtile Kritik an der US-Politik in den Hintergrund, weichen den Drogeneskapaden. Zum Beispiel wenn sich Duke um eine gesetzliche Verfolgung wegen Verführung Minderjähriger in Person der jungen Lucy (Christina Ricci) sorgt. Letztlich ist der Film jedoch ein wunderbares Bild von zwei Männern, die erfolglos versuchen, dem heimatlichen Wahnsinn durch Drogen zu entfliehen und dabei grandios scheitern. Im Grund ist überall “bat country”, was Duke am Ende schließlich einsieht, wenn er sich selbst nur als “just another freak in the freak kingdom” bezeichnet. Dass es Thompson und Gilliam gelingt, die politische Kritik in ihre ansonsten durchgeknallte Odyssee derart gelungen einzubetten, macht Fear and Loathing in Las Vegas zu einem der unerwartet überzeugenden Beitrag des Anti-Kriegsfilm-Genres, auch wenn man dies dem Film wohl wegen seiner Inszenierung nicht unbedingt ansehen möchte. 

Seine Ursprünge fand die Geschichte, zuerst im Oktober 1971 als Titelgeschichte im Rolling Stone Magazin erschienen, ein halbes Jahr zuvor, als sich Hunter S. Thompson und sein Anwalt Oscar Zeta Acosta nach Las Vegas aufgemacht, wo Thompson das MINT 400 dokumentieren sollte. Herausgekommen war ein weiteres Gonzo-Werk des Journalisten, das durch Satire und Überspitzung die tatsächlichen Ereignisse zu verweben versuchte. Entstanden nach William Faulkners Zitat, dass Fiktion meist realer sei als die Wirklichkeit, begründete Thompson den Gonzo-Journalismus damals mit der Erklärung, er könne den Redaktionsschluss zeitlich nicht einhalten, weshalb er nur seine Notizen abdrucken ließ. Während Thompsons Roman zeitnah auf den Fuß folgte, kam Terry Gilliams Film sicherlich 20 Jahre zu spät, wenn man alleine von seiner politischen Botschaft ausgeht, in die man sich Ende der 1990er Jahre historisch wieder zurückversetzen musste. 

Was den Film abseits seiner Gesellschafts- und Politikkritik hervorhebt, sind einerseits seine schrulligen Gastauftritte (darunter Tobey Maguire, Cameron Diaz und Ellen Barkin), aber vor allem der durch die Drogen evozierte Humor. Allein Del Toros Dr. Gonzo ist ein kleines Kunstwerk für sich, wenn er mit seiner ausufernden Paranoia überall Verschwörer wittert und mit seinem Kultzitat (“As your attorney, I advise you”) einen amüsanten Running Gag erschafft. Aber auch Depp spielt wunderbar auf, als schrulliges Alter Ego von Thompson, dessen Originalkleider er aufträgt und den er monatelang vor den Dreharbeiten studiert hat. Somit ist Fear and Loathing in Las Vegas zu Recht ein Kultfilm, der auch Jahrzehnte nach Kinostart noch zu gefallen weiß und, bedenkt man die Bush-Politik im Irak und ihre Folgen Anfang des Jahrtausends, vielleicht doch aktueller ist, als man denken möchte. In diesem Sinne bleibt also nur eines: “Buy the ticket, take the ride.”

8.5/10