Posts mit dem Label Radha Mitchell werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Radha Mitchell werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

16. November 2009

Henry Poole Is Here


Not everything needs an explanation.

Mark Pellington ist ein Mann, der scheinbar ein Faible für Verschwörungen hat. In seinem kleinen Meisterwerk Arlington Road musste sich Jeff Bridges einer terroristischen Verschwörung erwehren – oder ergeben, wenn man so will – und in Pellingtons Nachfolgefilm The Mothman Prophecies bekam es Richard Gere mit Mottenmännern und Brückeneinstürzen zu tun. Nachdem dieser Mystery-Thriller auf wenig Gegenliebe gestoßen war, zog sich Pellington für die nächsten sechs Jahre wieder zu seiner Musikvideo-Regie zurück. Lediglich für einige Episoden Cold Case ließ er sich wieder ins Business zurückschleifen, ehe er im vergangenen Jahr sein Glück erneut an einer kleinen Verschwörungsgeschichte versuchen wollte. Henry Poole Is Here erzählt von einem Mann – sinnigerweise Henry Poole benannt -, der sich einer Verschwörung von ganz Oben zu erwehren versucht. Und mit seiner Glaubensparabel beweist der Regisseur letztlich – obschon Kritiker und Zuschauer wenig begeistert waren -, dass er wieder unter den Lebenden wandelt.

Eigentlich wollte Henry Poole (Luke Wilson) sein altes Elternhaus kaufen, doch die Besitzer gaben es nicht her. Stattdessen also eine marode Bude am andern Ende der Straße. Die Maklerin (Cheryl Hines) will noch ein kleines Sparpaket für Henry rausschlagen, doch dieser weist sie strikt zurück. „You need to just let this go“, erklärt er und verfällt anschließend in sein wieder und wieder geäußertes Mantra: „I’m not gonna be here that long.“ Henry stirbt. Eine unheilbare europäische Krankheit. Mehr erfährt man nicht. Braucht man aber auch nicht. Henry hat mit seinem Leben abgeschlossen. Verbringt die Tage in seinem Garten oder auf der Couch mit Vodka und Margaritas. Seine extrovertierte Nachbarin Esperanza (Adriana Barraza) geht ihm dabei nur auf den Keks. Speziell als sie glaubt, in einem Wasserfleck an seiner Hauswand das Antlitz Jesu Christi auszumachen. Mit derlei schnödem religiösen Hokuspokus will sich Henry nicht aufhalten und auch die Freundlichkeit der Supermarktangestellten Patience (Rachel Seiferth) nervt ihn eigentlich nur. Lediglich seine andere Nachbarin, Dawn (Radha Mitchell), und ihre kleine Tochter Millie können den Misanthropen etwas aus seiner Lethargie befreien.

Mit Henry Poole Is Here ist Pellington erneut ein klitzekleines Meisterwerk gelungen. Anstatt sich nach dem missglückten Mothman Prophecies auf ewig in seine Musikvideos zu verkriechen, hat sich der Amerikaner wieder heran gekämpft. Auch wenn sein Film wenig ankam, in Deutschland nicht einmal in den Kinos lief. Was Pellingtons Film vor allem anderen auszeichnet, ist sein Spiel mit Worten und Musik. Selten hat man einen Film gesehen, dessen Soundtrack stimmiger zusammengestellt wurde als hier. Nicht nur passen sich die musikalischen Noten an die Stimmung der jeweiligen Szenen an, sondern die Songtexte wirken wie ein verlängerter Arm des Drehbuchs, wenn sie nicht nur beschreiben, was offensichtlich ist, sondern auch einen Einblick in das Innenleben der Figur geben. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass Drehbuchautor Albert Torres entweder sein Skript auf Basis der Lieder geschrieben hat oder die Musiker ihre Songs explizit für Pellingtons vierten Spielfilm komponiert haben. Denn diese hier auftretende Synergie zwischen Film und Musik erlebt man nur sehr selten.

Es singen die Eels zu Beginn „Don’t got a lot of time, don’t give a damn“ (Love of the Loveless), wenn Henry im Supermark einen Einkaufswagen voller Alkohol an die Kasse schiebt. Da kreischt Damon Albarn mit seiner Band Blur die Textzeile „well I lie and I’m easy, all of the time but I’m never sure when I need you – pleased to meet you“ (Song 2) als Henry mit einem Gartenschlauch versucht das Antlitz Jesu von seiner Wand zu spritzen. Und Bob Dylan stimmt Liedzeilen wie „my sense of humanity has gone down the drain“ und „I was born here and I’ll die here against my will“ (Not Dark Yet) an, wenn Henry in der Mitte des Filmes sein altes Elternhaus begutachtet. Als er dann Dawn und Millie schließlich in sein Herz geschlossen hat, erklingt Golden State und singt traurig-schön „I don’t want to go that way“ (All Roads Lead Home). Womit an dieser Stelle nur einige Textzeilen von manchen der Lieder namentlich angeführt werden sollen.

Auch sonst hält sich Torres nicht mit Symbolik zurück. So erhält die Supermarktangestellte, die Henry als erste Mitgefühl und Zuneigung entgegenbringt, den Namen Patience, während schließlich die designierte neue Liebe in seinem Leben auf den vielversprechenden Namen Dawn hört. Seine gläubige Nachbarin und Stein des Anstoßes heißt dann wie selbstverständlich Esperanza (span. Hoffnung). Über all diese Figuren verrät Torres letztlich mehr als über Henry. Dieser meint, sein Elternhaus sei der letzte Ort, an dem er glücklich gewesen sei. Dabei stellt sich heraus, dass er ein Scheidungskind ist, das vor den elterlichen Ehestreits Zuflucht in den Flusskanälen von Los Angeles suchte. „Never felt at home“ besangen die Eels zu Beginn, wenn sie quasi von Henry berichten, der kaum Freunde hat und meist alleine ist. Wieso er so ist, verrät uns der Film nicht. Er beschränkt sich darauf Henry als gefühlslose Figur zu zeichnen, die ihren Glauben verloren hat. Dabei geht es trotz all der christlichen Metaphorik nicht zwingend um das Christentum. „It doesn't say that religious beliefs are real. It simply says that belief is real”, hat Roger Ebert in seiner Kritik zum Film richtig konstatiert.

„You are not looking“, fleht Esperanza Henry an, als dieser sich immer wieder weigert, dem Wasserstigmata eine Chance zu geben. Und Patience resümiert später, dass man manchmal traurig sein muss, um sich daran zu erinnern, am Leben zu sein. „Better than feeling nothing, right?“ Aber Henry kämpft dagegen an. Kämpft gegen den reinen Aberglauben, gegen den Funken Hoffnung. Als er eines Tages vor dem Wasserfleck steht, die Hände zur Berührung ausgefahren, bricht er weinend zusammen. Er will nicht schon wieder enttäuscht werden, wie er wohl seiner Zeit an die Rettung der elterlichen Ehe geglaubt hat. „I still got the scars that the sun didn’t heal“, hatte Bob Dylan zuvor noch gesungen. Das Charakterensemble selbst stellt in Henry Poole Is Here ein Mosaik dar. Über Geduld findet Henry zu Hoffnung und die Hoffnung wiederum mündet schlussendlich in der Morgendämmerung eines neuen Tages. „I chose to believe“, bringt es Patience für Henry am Ende auf einen einfachen Nenner.

Sicher, Pellingtons Film rutscht zum Finale hin ein wenig ins Pathetische ab. Wie auch die Romanze zwischen Henry und Dawn relativ schnell ins Rollen kommt. Und auch wenn es um den Glauben an sich geht, nehmen die christlichen Elemente manchmal überhand. Nichtsdestotrotz ist Henry Poole Is Here aber ein außerordentlicher Film, der natürlich etwas Märchenhaftes sprich Religiöses an sich hat. Der aber durch seine positive Geschichte der Hoffnung des Glaubens oder des Glaubens an die Hoffnung zu bestechen weiß. Ein Film, in dessen exzellent aufspielendem Ensemble die großartige Adriana Barraza noch hervorsticht und der wie schon angesprochen insbesondere durch den überragenden Soundtrack funktioniert. Es bleibt zu hoffen, dass sich Pellington wegen der negativen Stimmen (nur 27% bei Rotten Tomatoes, ein weltweites Einspielergebnis von nicht mal zwei Millionen Dollar) nicht schon wieder sechs Jahre verkriecht, sondern alsbald einen ebenso starken Film abliefern kann, wie er in Henry Poole Is Here zu finden ist.

8/10

19. August 2009

Pitch Black - Director’s Cut

You’re not afraid of the dark, are you?

Als Überraschungserfolg oder im englischen sleeper hit qualifiziert sich etwas, in der Kinolandschaft ein Film, der unerwarteten Erfolg mit sich bringt, sei es in finanzieller oder kultureller Hinsicht. Ein Beispiel wäre Kevin Smiths Clerks, Nia Vardolos’ My Big Fat Greek Wedding oder auch Gus Van Sants Good Will Hunting. Überraschungserfolge sind somit eigentlich eine Win-Win-Situation, weil der Künstler selbst zu unerwarteten Ruhm gelangt und das Studio bzw. die Produzenten selbst weitaus mehr Gewinn abgeworfen bekommen, als erhofft. Nun gibt es auch bei Überraschungshits solche und solche, denn während The Hangover in den USA gerade die 300-Millionen-Dollar-Grenze überschreitet, spielte David Twohys Pitch Black vor neun Jahren lediglich ein Zehntel dessen in den USA ein. Dennoch wurde der Sci-Fi-Horror zum Erfolg und stieß die Tür zu Hollywood für Vin Diesel auf. Diesel sollte seinen neugewonnen Ruhm in den kommenden beiden Jahren mit den Kassenknüllern The Fast and the Furious sowie xXx nochmals ausbauen. Da war es durchaus blanke Ironie, dass ausgerechnet die Fortsetzung zu Pitch Black seiner Karriere vier Jahre später einen Sturz verleihen sollte, von dem sich der markige New Yorker auch fünf Jahre danach noch nicht vollends erholt hat.

Eine Variation von Murphys Gesetz lautet: „Früher oder später wird die schlimmstmögliche Verkettung von Umständen eintreten“. Da mag man es als zurückblickende Erzählstimme ansehen oder als vorausschauende Ahnung, wenn zu Beginn von Pitch Black der geflüchtete Strafgefangene Richard B. Riddick (Vin Diesel) erklärt, dass das ihn beherbergenden Raumschiff eine größere Strecke ohne Zwischenstopp zurücklegen muss. „A long time for something to go wrong...“, meint er süffisant und entlässt den Zuschauer damit in die Handlung, die anschließend durch einen Meteoriteneinschlag startet. Der Kapitän des Schiffes stirbt, die Außenhülle ist beschädigt. Co-Pilotin Carolyn Fry (Radha Mitchell) versucht frisch aus dem Tiefschlaf den Absturz abzuwenden. Doch das Schiff ist zu schwer und nachdem sie die Ladungskabinen abgeworfen hat, will sie auch die Passagierkabine loslösen. Mehr schlecht als recht gelingt es dem Schiff zu landen und 13 Menschen, darunter auch Fry und Riddick, überleben. Doch mit der Notlandung auf dem verlassenen Planeten Hades und der Flucht Riddicks aus den Fängen des Kopfgeldjägers Johns (Cole Hauser) beginnt die Geschichte von Pitch Black erst. Als ein Planet eine Sonnenfinsternis herbeiführt, erwachen tausende von todbringenden Kreaturen.

Im Grunde handelt es sich bei der ersten Hälfte – nahezu punktgenau – des Filmes um die Exposition, die im Nachhinein mit fünfzig Minuten sicherlich etwas lang geraten ist. Twohy nutzt die Zeit, um die unterschiedlichen Charaktere aufeinander prallen zu lassen und insbesondere, um Riddick als ambivalente Figur einzuführen. Obschon auf der Flucht, hält sich dieser dennoch die ganze Zeit in der Gegenwart der Gruppe auf. Nach dem Vorwurf, einen der Überlebenden umgebracht zu haben, muss sich Riddick erst einmal wieder rehabilitieren. Während dieser Zeit wird er beinahe ausschließlich als stille Bedrohung charakterisiert. Als kräftiger Esel in den Augen von Johns und als hilfreiche Unterstützung nach Meinung von Fry. Riddick selbst zeichnet sich im Grunde den ganzen Film lang durch seine Coolness aus (die, bezieht man Chronicles of Riddick mit ein, angeboren zu sein scheint). Dadurch verteilt Twohy schon früh die Seiten für Johns und Riddick, kommt Ersterer unentwegt als Arschloch daher (auch die Erklärung für die Morphiumsucht will keine Sympathien aufkommen lassen). Der Regisseur unterstützt das positive Bild von Riddick nochmals, wenn er die junge Jack (Rhiana Griffith) den glatzköpfigen Muskelprotz unentwegt anhimmeln lässt.

Nachdem schließlich in die Handlung eingeführt wurde, beginnt nach 50 Minuten die eigentliche Prämisse des Filmes einzusetzen. Die Sonnenfinsternis naht, die geflügelten Kreaturen kommen nachts heraus und das rettende Raumschiff ist mehrere Kilometer entfernt, während der Solarbuggy naturgemäß den Geist aufgegeben hat. Die Konstruktion der Geschichte, dass ausgerechnet im Jahr der Sonnenfinsternis der Absturz erfolgt und praktischerweise mit Riddick jemand an Bord ist, der aufgrund einer Tapetum-Operation über Nachtsicht verfügt, verleiht Pitch Black seinen ungemeinen Charme. Während schon in der Mitte der Exposition das Zehn-Kleine-Jägermeister-Prinzip begonnen wurde, zieht Twohy das Tempo nun nochmals an. Erst sterben die beiden Geologen, dann müssen die Islam-Schüler des Imam (Keith David) dran glauben, während unentwegt das schützende Licht- und Feuermaterial zur Neige zu gehen droht. Das Schema ist von Natur aus nicht sonderlich spannend, da vorhersehbar, aber Twohy weiß sehr geschickt mit der Dunkelheit und der darin lauernden Gefahr zu spielen. Ohnehin ist es der Einsatz von Licht und Dunkel, auch in ihren Facetten, der den Film auszeichnet. Verwendete Twohy in der Exposition aufgrund der drei Sonnen mal einen hellen, mal einen blauen Farbfilter, kommt in der zweiten Hälfte nun noch Riddicks Tapetum-Sicht und die Sonarbilder der Kreaturen hinzu.

Bedenkt man, dass Twohy für seinen Sci-Fi Horror lediglich 20g Millionen Dollar zur Verfügung hatte, wissen die Spezialeffekte durchaus zu überzeugen. Mitunter sieht man den Kreaturen in der einen oder anderen Einstellung an, dass sie grobschlächtig am PC entstanden sind, doch weitestgehend funktioniert das Szenario. Mehr als gelungen dagegen ist die kosmische Hintergrundgestaltung, die ihren Höhepunkt in der wunderschönen Sonnenfinsternis-Szene hat. Generell weiß also der Look von Pitch Black zu gefallen, seien es die Effekte oder auch die Porträtierung der Figuren. Neben der funktionierenden Story sind es auch besonders die Dialoge und ihr meist trockener Humor, der zusätzlich den Film sehr sympathisch gestaltet. Schon allein der „looks clear“-Moment zwischen Riddick und Johns dürfte wohl nie alt werden. Es sind hierbei eigentlich ausschließlich die beiden zynischsten Figuren, Riddick und Johns, die mit ihren smarten Einzeilern die Stimmung aufzulockern wissen. So kommt Pitch Black in der Tat eigentlich durchweg als sehr cooler Horrorfilm daher, dem nicht nur seine Charaktere – allen voran natürlich der einprägsame Riddick – sondern neben seinen Effekten auch seine Handlung ausgesprochen gut zu Gesicht stehen. Da ist dann letztlich auch das Ende nur konsequent, insbesondere in Hinblick auf den Filmbeginn. Ingesamt ist Pitch Black daher ein durchaus gelungenener Genrefilm.

7.5/10