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29. Oktober 2016

American Honey

Everybody get choices / I choose to get money, I’m stuck to this bread.
(E-40, “Choices”)


Der erste Eindruck kann weitreichende Folgen haben. Sei es im Jobinterview oder in der Eröffnung eines Films. So wussten schon die musikalisch perfekt unterlegten und narrativ die Marschroute vorgebenden Einstiege in Drive und Spring Breakers zu überzeugen. Und auch Andrea Arnolds jüngster Film American Honey beginnt mit einem gefälligen ersten Eindruck, indem das Bild ein Format von 1.37:1 präsentiert. So erfreulich dieses inzwischen kaum mehr vorzufindende Bildformat auch ist, kristallisiert sich in der folgenden fast dreistündigen Laufzeit heraus, dass American Honey sonderlich mehr nicht zu bieten hat. Selbst wenn sich der Feuilleton wie so oft beim Independent-Darling Andrea Arnold mal wieder im Lob überschlägt.

Im Zentrum der Geschichte steht die 18-jährige Star (Sasha Lane), die mit ihren zwei jüngeren Geschwistern Dumpster Diving betreibt und am Existenzminimum lebt. Bis sie im Supermarkt auf Jake (Shia LaBeouf) und seine White-Trash-Truppe von Handlungsreisenden Jugendlichen trifft, die für die leicht bekleidete Anführerin Krystal (Riley Keough) mit Zeitschriftenabos hausieren gehen. Angetan von der zelebrierten Freiheit ihrer Altersgenossen lädt Star ihre Geschwister bei ihrer abgewrackten Mutter ab und schließt sich Jakes Gruppe an. Von Krystal wegen ihrer sexuellen Avancen zu Jake eher skeptisch beäugt, schickt sich dieser an, Star in die richtige Technik für ihre Arbeit einzulernen, während das Mädchen nach Größerem strebt.

So kann American Honey, den Arnold zum Großteil mit Laiendarstellern – darunter auch Newcomerin Sasha Lane – drehte, im Grunde als White Trash Road Movie gesehen werden, das sicher gerne Porträt einer Generation ohne echte Träume und dementsprechend Coming-of-Age-Story zugleich wäre. Für Star sind Jake und die anderen Teenager ein Ausweg aus der Einbahnstraße ihres Lebens. Ihre kaputte Mutter hat die jüngeren Geschwister der Ältesten aufgebürdet, die für sich selbst befürchten muss, ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Bezeichnend eine spätere Szene, in der Star in einer ärmlichen Gegend ein Magazin-Abo verkaufen will, nur um den Kindern des Haushalts gegenüber zu stehen, da die Mutter sich in ihrem Drogenrausch verliert.

Als Folge kauft Star für die Kinder ein, ihre eigene Herkunft reflektierend. Nur lässt die Figur ihre beiden Geschwister für ihr eigenes vermeintliches Wohl eingangs im Stich und in einer ungewissen Zukunft. Nicht der einzige Widerspruch, denn so knapp das Geld in Stars Haushalt ist, für mehrere Tätowierungen und Hunde reicht es dennoch. Jegliche Verpflichtung gegenüber ihrer Familie kann die 18-Jährige dann opfern, als die designierte Romanze mit Jake und das Leben mit seinem Trupp (endlich) Freiheit verspricht. Die kommt natürlich nicht umsonst, wie Krystal ihr klarmacht. Verkauft sie nicht genug Abonnements, wird sie auf der Straße ausgesetzt. Ungeschickt ist daher, dass Star mit Jakes Verkaufsmethode hadert.

Der kritisiert die übrigen Verkäufer für ihre auf Mitleid basierenden Strategie, arbeitet aber selbst mit einer. Wo die einen ihre an Krebs verstorbene Mutter oder den im Irak gefallenen Vater anführen, lügt Jake hinsichtlich eines Uni-Stipendiums, das er durch das Abo erlangen will. Statt auf Schmerz rührt sein Lügenkonstrukt auf Hoffnung, wird von Star aber dennoch abgelehnt (obschon sie selbst ihre eigene Flucht vor den Geschwistern mit einer Lüge einleitete). Star versucht ihre Abos durch Ehrlichkeit zu verkaufen, reagiert aber dennoch schnippisch, wenn dies ergebnislos bleibt. Erfolgreich ist sie dann, wenn dieser Erfolg auf sexuellen Untertönen gegenüber ihrem Kunden fußt, sei es mit einer Gruppe Cowboys oder einem Ölfeldarbeiter.

Inwieweit Prostitution beim Überleben der Jugendlichen eine Rolle spielt, lässt Arnold offen. Ob die rund ein Dutzend Personen umfassende Gruppe, die sich täglich Marihuana und Alkohol hingibt, tatsächlich von ihren Abo-Verkäufen leben kann, ist mehr als fraglich. So gesehen ist es eine teuer erkaufte Freiheit, die die Charaktere in American Honey an den Tag legen. Wobei sich der Film um sie ohnehin nicht wirklich schert. Jenseits von Star und Jake interessiert sich Arnold kaum für ihr Ensemble, selbst Krystal kommt über die Rolle einer eindimensionalen romantischen Widersacherin kaum hinaus. Was umso erstaunlicher ist, da der Film mit ausufernden 160 Minuten Zeit genug hätte, um auch die anderen Figuren zu begleiten.

Stattdessen verliert sich American Honey etwas in Repetition, zwischen dem Gezicke von Star und Jake, ihren sexuellen Versöhnungen, Eifersüchteleien und Gewaltausbrüchen. Sonderlich viel zu sagen hat Arnold dabei nicht. Die Gruppe um Star entstammt der finanziell schwachen Gesellschaftsschicht, der trotz ihrer weißen Hautfarbe eine wenig rosige Zukunft blüht. Trotz ihres musikalischen Faibles für Rap-Musik bestehen die Träume dieser jungen Menschen dabei weniger aus Ruhm und Reichtum, sondern drehen sich um die Unabhängigkeit im eigenen Haus inklusive einem Stück Land. Die Freiheit versprechende Illusion des Vagabunden-Daseins wird aber konterkariert von der Drogenabhängigkeit der Jugendlichen, der sie auch so verfallen wären.

Auf 90 Minuten komprimiert besäße das vermutlich sogar eine mitreißende und bewegende Aussagekraft einer Generation ohne Zukunft und Träume, auf fast die doppelte Laufzeit ausgedehnt verliert sich diese Botschaft jedoch verstärkt, da Arnold ihrer Geschichte wenig Neues einimpfen kann. Und selbst das, was vorliegt, arbeitet die Auteurin nicht aus. So ist unklar, was Star an Jake und Jake an Star findet, jenseits einer rein körperlichen sexuellen Anziehung. Die Charaktere in American Honey besitzen keine Seele, sondern ordnen sich den dramaturgischen Wünschen der Regisseurin unter. So sagt Jake zwar, Krystal sei nett wenn man sie erst kennenlernt, der Film gibt einem hierzu in 160 Minuten allerdings nicht die Chance.

Vielleicht waren die wenig ausgearbeiteten Figuren auch nötig, damit sie Laiendarsteller spielen konnten. Die machen ihren Job dann in ihrer geringen Präsenz solide, allen voran natürlich Sasha Lane. Dennoch vermag American Honey nicht an das Generationenporträt eines Kids oder Spring Breakers heranzureichen. Zu leblos sind hierzu die Charaktere geraten, zu schwach die Botschaft, die der Film in seiner überbordenden Laufzeit versucht, dem Zuschauer zu vermitteln. Am Ende bleibt von American Honey also zuvorderst das klassische 4:3-Bildformat durch das Seitenverhältnis 1.37:1 positiv im Bewusstsein. Und die Erkenntnis, dass an dem Sprichwort der erste Eindruck zählt, womöglich doch mehr dran ist als man gedacht hat.

6/10

3. Januar 2016

Filmjahresrückblick 2015: Die Top Ten

Used properly, cinema is the coolest thing in the world.
(Jacques Audiard)

Besser spät als nie erfolgt nun auch auf diesem kleinen bescheidenen Blog ein Rückblick zum bereits vergangenen Filmjahr. Die Verzögerung war der Tatsache geschuldet, dass 2015 ein ausgesprochen wenig berauschender Jahrgang war, in der Folge suchte ich bis kurz vor knapp nach einigen verbliebenen Perlen – und war zum Abschluss dankenswerter Weise nochmal erfolgreich. Aber es soll beim Filmjahresrückblick nicht nur ein persönliches Fazit mit Bestenliste gezogen werden, sondern auch ein Ausblick auf den internationalen Kinokonsum geben. Die treuen Blogleserinnen und -leser kennen das Spiel ja zur Genüge aus den Vorjahren. Wer es nicht abwarten kann oder will, darf nach unten zur Top Ten scrollen. Der Rest folge mir.

Wer sich erinnert, ich beklagte schon 2014 die zurückgehende Qualität der Kinofilme. Daran hat sich auch in diesem Jahr nichts geändert, eher das Gegenteil. Dass ich dennoch mit 150 Filmen aus 2015 in etwa so viele gesehen hab wie vergangenes Jahr, habe ich oben bereits kurz erklärt. Ursprünglich hätte ich gar nicht (mehr) mit einem derartigen Konsum gerechnet. Meine Kinobesuche sind dabei wieder mal zurückgegangen: von zuletzt 19 auf nur noch 16. Also quasi ein Kinobesuch alle drei Wochen. Auch die Pressevorführungen sind lediglich ein kleiner werdender Anteil an dieser Zahl, sechs Sichtungen verdanken sich diesem Zugang. 135 Filme – zwei mehr als 2014 – basierten unterdessen auf Heimkinosichtungen.

Für Fans von Originalfassungen respektive Synchronisationsablehner wie mich stellen die Mediatheken von Netflix und iTunes dabei eine Bereicherung dar – obschon es natürlich schön wäre, die Möglichkeit zu haben, alle diese Filme auf der großen Leinwand zu sehen. Die ist jedoch meist den Blockbustern vorbehalten, allen voran Star Wars: The Force Awakens, dem Remake-Sequel aus dem Hause Disney. Mit einer Wertung von 8.4/10 (Stand: 3. Januar 2016) stand der Film in der Gunst der Nutzer der Internet Movie Database (IMDb) am höchsten. Auf Platz 2 landete einer der wenigen originell(er)en Blockbuster dieses Jahr: Pixars Inside Out mit einem Wert von 8.3/10. Bronze geht derweil aufgrund einer 8.1/10 an Mad Max: Fury Road.

Weniger eindeutig ist (noch) das Bild bei den erfolgreichsten Filmen des Jahres, da es seit Lord of the Rings Tradition geworden ist, vermeintliche Box Office Giganten kurz vor Weihnachten von der Leine zu lassen. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass sich Star Wars: The Force Awakens im Laufe der nächsten Wochen noch vor Jurassic World auf Platz 1 der weltweiten Kinojahrescharts vorarbeiten wird. Immerhin bricht J.J. Abrams’ jüngste Franchise-Frischzellenkur auch sonst die erst im Sommer aufgestellten Rekorde von Colin Treverrows Jurassic World. Beide Filme eint, ihre Originalfilme nachzuäffen, ohne mit eigenständigen Ideen aufzuwarten. In gewisser Weise ließe sich auch Furious 7 auf Platz 3 Repetition vorwerfen.

Weitere Franchise-Werke folgen auf den nächsten Plätzen: von The Avengers: Age of Ultron über Spectre und Mission: Impossible – Rogue Nation bis hin zu The Hunger Games: Mockingjay – Part II. Umso löblicher, dass mit Ridley Scotts The Martian ein verhältnismäßig verkopfter Sci-Fi-Film in die Top Ten vordringen konnte, die von den Animationsfilmen Inside Out und Minions komplettiert wird. Trotz aller Rekorde setzte sich das neueste Star Wars-Abenteuer dabei (bislang) nur in den USA und Ozeanien an die Spitze der Jahrescharts. Stattdessen regieren international im Grunde die Minions als Despicable Me-Spinoff. Von Argentinien und Chile über Mexiko, Russland, Portugal, Spanien bis Frankreich waren die gelben Tic-Tacs der Hit.

In eigenen Sphären spielte Spectre im 007-Reich von Großbritannien. Aber auch Griechenland, die Schweiz, Kroatien und die Niederlande waren James Bond hörig im vergangenen Jahr. Cineastische Außenseiter finden sich dagegen in Kolumbien (The Hunger Games: Mockingjay – Part II), Rumänien und Finnland (beide Furious 7) sowie Brasilien (Age of Ultron). In Japan trieb wohl der Frozen-Wahn(sinn) aus dem Vorjahr die Menschen in Kenneth Branaghs Cinderella – der dennoch Jurassic World am Ende den Vorzug lassen musste. Das Land der aufgehenden Sonne hat eben eine Tradition mit vor Riesenechsen davonlaufenden Menschen. Die Italiener interessierten sich derweil für Kinderemotionen und schenkten Inside Out ihr Interesse.

In Deutschland gab sich das Volk unterdessen mal wieder patriotisch: Bora Dagtekins Fack Ju Göhte 2 lockte mit 7,6 Millionen Besuchern dabei gut 200.000 mehr Menschen in die Kinos als der Vorgänger zwei Jahre zuvor. Ebenfalls einheimische Ware zogen die Chinesen (Monster Hunt, knapp vor Furious 7), Südkoreaner (Beterang) und Norweger (Bølgen) vor – genauso wie Polen (Listy do M. 2), Dänen (Klovn Forever) und Türken (Dügün Dernek 2), wo wie in Deutschland nationale Sequels das Rennen machten. Knapp am Chartplatz 1 scheiterten letztlich Fifty Shades of Grey in Schweden – En man som heter Ove zog zum Jahresende noch vorbei – und The Last Witch Hunter in Tschechien, wo ebenfalls die Minions aufzutrumpfen vermochten.

Geht es um die Gewinner des Jahres, zählt dazu wohl die Filmindustrie mit gleich fünf Filmen, die 2015 mit Leichtigkeit die Milliarden-Dollar-Marke übersprangen. Lange an der Spitze war Colin Treverrow, der vom Indie-Film Safety Not Guaranteed zum Rekordbrecher avancierte – und zum Dank Star Wars – Episode IX inszenieren darf. Geht es um reine Präsenz, führte dieses Jahr irgendwie wenig an Alicia Vikander, Domhnall Gleeson und Oscar Isaac vorbei – alle drei zudem vereint in Alex Garlands Ex Machina. Weniger Glück hatte Max Landis, der mit American Ultra und Victor Frankenstein auf der Nase landete. Genauso wie Josh Tranks Fantastic Four, Cameron Crowes Aloha, Brad Birds Tomorrowland und Jupiter Ascending der Wachowskis.

Ähnlich wie die Kinolandschaft verlebte auch das Medium Fernsehen ein etwas ruhiges Jahr. Noch im Vorjahr kleine Giganten, bauten die zweiten Staffeln von Fargo (etwas weniger) und True Detective (enorm) ab. Dagegen war Game of Thrones – Season 5, mein erster voller Ausflug nach Westeros, semi-solide – speziell im Vergleich zu den Vorgängerstaffeln. Überraschend positiv fiel das Breaking Bad-Spinoff Better Call Saul aus, der Titel der besten Serie des Jahres geht allerdings an den finalen Abschied von Parks and Recreation, die im 7. Jahr nochmal ein Feuerwerk abbrannte. Nicht nur Kino und TV hadern derzeit, auch der Videospielmarkt. So war das beste Game des Jahres passend mit Uncharted 2 ein PlayStation-4-Remaster.

Nach vielen Jahren hatte ich mir diesmal die Oscars gespart. Nicht zuletzt, da die Gewinner bereits im Vorfeld klar sind und die Veranstaltung längst keine Reize mehr versprüht. Wie so oft drängen sich dieses Jahr nicht gerade männliche Schauspieler auf, die besonderen Eindruck bei mir hinterlassen haben. Am ehesten wohl noch Peyman Moaadi als renitenter Guantanamo-Insasse in Camp X-Ray an der Seite einer erneut starken Kristen Stewart. Schauspielerin des Jahres ist für mich jedoch Rinko Kikuchi in Kumiko, the Treasure Hunter als Frau auf der Suche nach Reichtum, buchstäblich verspult dank Fargo. Und Arielle Holmes avancierte als den Drogen und der Liebe verfallenes Mädchen in Heaven Knows What zum Newcomer des Jahres.

Ansonsten bleibt, dasselbe Leid wie immer zuletzt zu klagen. Sequels und Franchises dominieren den Markt – was weniger wild wäre, wenn sie zumindest Originalität an den Tag legen würden. So kopieren die beiden erfolgreichsten Filme des Jahres, Star Wars: The Force Awakens und Jurassic World, lediglich ihre Originalfilme, Avengers: Age of Ultron wiederum seinen direkten Vorgänger. Gehyped bis zum geht nicht mehr stellt selbst George Millers Mad Max: Fury Road lediglich eine einzige überlange Actionszene ohne Inhalt dar. Kreativität ist gewagt, da nicht gefragt – so scheint es. Das mussten die Wachowskis mit ihrem Sci-Fi-Mashup Jupiter Ascending ebenso erfahren wie Brad Birds filmischer Appell ans Erfindertum Tomorrowland.

Entsprechend frustrierend war jedenfalls für mich oft der Filmkonsum und das Finden von Beiträgen, die eine exponierte Stellung verdienen. Wehmütig erinnere ich mich da an 2008, wo es ein Vicky Cristina Barcelona mit 8.5/10-Bewertung nicht in die Top Ten schaffte (nebst zwei weiteren Filmen). Da sind die Ansprüche heutzutage sehr viel niedriger. Qualität muss man – zumindest ich – vermehrt abseits in Indie-Nischen oder im asiatischen Kino suchen. Auf lobenswerte Filme stieß ich dennoch, daher nun ohne weitere Umschweife zu meinen persönlichen zehn liebsten Filmen des Jahres. Eine ausführliche Liste mit Ranking aller 150 Werke gibt es bei Letterboxd, Runner Ups sowie meine Flop Ten finden sich wie gewohnt in den Kommentaren:


10. Beyond the Lights (Gina Prince-Bythewood, USA 2014): Der Film zum Filmjahr 2015 quasi, zeigt uns Gina Prince-Bythewood doch eine Welt, in der es Produkte zu vermarkten und Originalität klein zu halten gilt, wenn Pop-Sternchen Noni (wunderbar gespielt von Gugu Mbatha-Raw) in Beyond the Lights unter der Künstlichkeit ihrer Branche zu zerbrechen droht. Der Auftakt für eine zarte Romanze zwischen ihr und Nate Parkers sympathischem Politik-affinen Polizisten Kaz. Bodyguard trifft auf eine Meta-Pop-Reality.

9. Omoide no Mânî (Yonebayashi Hiromasa, J 2014): Den Wert von etwas weiß man dann zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist. Im Fall von Studio Ghibli kannte man ihn seit jeher. Im Zuge von Miyazaki-sans Rente zieht sich auch Ghibli erstmal zurück – und feuert mit Omoide no Mȃnî nochmal aus allen Rohren. In dem visuell wie narrativ schönsten Animationsfilm des Jahres muss die Hauptfigur ihre Selbstzweifel überwinden, um wieder zu sich selbst zu finden (“I’ll be fine on the outside”, singt Priscilla Ahn da am Ende).

8. Maggie (Henry Hobson, USA 2015): Wer aus der Masse herausragen will, muss anders als die Masse sein – gerade bei Genrefilmen. Wie es richtig geht, bewies Henry Hobson in Maggie, ein zurückgenommenes, fast schon privates Zombie-Drama. In diesem fängt Arnold Schwarzenegger auf seine alten Tage noch das Schauspielen an, wenn er sich mit der Infektion seiner von Abigail Breslin kongenial gespielten Tochter abfinden muss. Das Ergebnis ist außergewöhnlich und der wohl meist unterschätzte Film des Jahres.

7. Sicario (Denis Villeneuve, USA 2015): Die Summe, die von den USA jedes Jahr in den Kampf gegen Drogen gepumpt wird, entspricht in etwa dem Umsatz der Kartelle. Ein vermeintlich aussichtsloser Kampf, weshalb sich Emily Blunts FBI-Agentin in Denis Villeneuves atmosphärisch-dichtem Thriller Sicario auf eine so riskante wie ungewisse Allianz einlässt. Eine angespannte Situation folgt – für die Hauptfigur wie den Zuschauer. Auch dank dem heimlichen Star des Films: der Musik von Komponist Jóhann Jóhannsson.

6. Amy (Asif Kapadia, UK/USA 2015): Irgendwie hatte man es kommen sehen, bis es dann wirklich passierte – der Eintritt von Amy Winehouse in den Club 27. Nach drei Jahren Auf und Ab mit Drogen- und Beziehungsproblemen sowie vieler abgesagter Konzerte. Ein Leben und eine Karriere, der sich Regisseur Asif Kapadia wie im brillantem Senna mittels Archiv- und Privataufnahmen widmet. Amy bietet intime Einblicke ins Leben einer Frau, die geschaffen war für die Musik, aber nicht für den resultierenden Erfolg.

5. Fort Tilden (Sarah-Violet Bliss/Charles Rogers, USA 2014): Eigentlich wollen Bridey Elliot and Claire McNulty lediglich einen Tag am Strand verbringen – und vielleicht dabei einen heißen Kerl abschleppen. Doch ihr Rad-Ausflug gerät in der Folge vom Regen in die Traufe, während die Freundschaft der beiden Frauen strapaziert wird. Was dramatisch klingt, ist die wohl lustigste Komödie des Jahres – mit dem besten Soundtrack –, wenn Sarah-Violet Bliss und Charles Rogers in Fort Tilden der Generation Y ein Denkmal setzen.

4. The Look of Silence (Joshua Oppenheimer, USA/UK/RI u.a. 2014): Nochmals widmet sich Joshua Oppenheimer nach The Act of Killing dem Massenmord an Kommunisten im Indonesien der Jahre 1965/1966 – nur macht er dieses Mal richtig, was er seinerzeit falsch machte. Der Bruder eines damals Ermordeten konfrontiert die Täter von einst mit ihren Gräueltaten, im Bestreben, weniger eine Entschuldigung zu erhalten als Einsicht zu erzeugen. The Look of Silence ist ein beklemmender Ausflug in die menschliche Psyche.

3. Mistress America (Noah Baumbach, USA 2015): Geht es um feingeschliffene und pointierte Dialoge, macht Noah Baumbach niemand etwas vor. Ebenso wenig darin, sich in die Welt von Menschen zu versetzen, die um die 30 sind – und auf dem Weg vom einst erhofften hin zum realen Lebensentwurf. Mistress America ist dabei Baumbachs Meisterstück Frances Ha eine Spur weitergedacht, wenn Lola Kirke das Dilemma von Greta Gerwigs zu Scheitern drohendem Restaurant für das eigene literarische Profil ausnutzt.

2. Tu dors Nicole (Stéphane Lafleur, CDN 2014): Ähnlich wie die Damen in Fort Tilden hat sich auch die bezaubernde Julianne Côté ihren Sommer etwas anders vorgestellt, als sie nach ihrem Studium eigentlich nur die Ruhe des verlassenen Elternhauses genießen will. Stéphane Lafleur skizziert in Tu dors Nicole das Porträt einer planlosen jungen Frau, die im Gegensatz zu ihrer unmittelbaren Umwelt noch keine Zielrichtung für ihr Leben entdeckt hat, als pointierte Repräsentation einer ganzen Generation im Wartestand.

1. Umimachi Diary (Koreeda Hirokazu, J 2015): Authentischer als in Umimachi Diary lässt sich das Leben wohl kaum auf die Leinwand bannen. Koreeda-san untermauert mit seiner Manga-Adaption seinen Ruf als filmgeistiger Nachfolger von Ozu Yasujirō, wenn er einen Haushalt von vier Schwestern und ihr Zusammenleben über mehr als ein Jahr lang begleitet. Das Ergebnis ist dann ein weiteres (be-)ruhig(end)es Meisterstück von Koreeda, so lebendig und wunderschön wie eine Allee voller Kirschblütenbäume.