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18. September 2014

The Zero Theorem

Everything adds up to nothing.

Warum sind wir hier, was ist der Sinn unserer Existenz? Fragen, so alt wie die Menschheit selbst, die aufgrund unzureichender Antworten irgendwann der Einfachheit halber die Religion erfand. Die Sinnfrage beschäftigt auch den Protagonisten in The Zero Theorem, dem jüngsten Film von Terry Gilliam, der diesen als Abschluss seiner Dystopie-Trilogie sieht, zu der Brazil und 12 Monkeys gehören. In einem futuristischen London ist Qohen Leth (Christoph Waltz) einer von vielen Angestellten der Firma Mancom und berechnet für diese Einheiten. Qohen strebt danach, als arbeitsunfähig deklariert zu werden, damit er von daheim – einer verlassenen Kirche – arbeiten kann. Dort erwartet er den Anruf einer höheren Autorität.

Diese wollte die Antwort auf die alles entscheidende Frage geben, doch der Anruf wurde frühzeitig beendet. “All we want is our call”, wiederholt Qohen – der von sich selbst in der 1. Person Plural spricht – mehrfach im Film. Weil die Firmenärzte ihm die Arbeitsunfähigkeit nicht bestätigen, sondern lediglich mit dem Psychiater-Programm Dr. Shrink-Rom (Tilda Swinton) nach Hause schicken, sucht Qohen das Gespräch mit dem Management (Matt Damon). Auf einer Feier seines Vorgesetzten Joby (David Thewlis) erhält Qohen seine Chance – wird jedoch zuerst nicht erhört. Immerhin lernt er die verführerische Bainsley (Mélanie Thierry) kennen, die ihn später dazu einlädt, mit ihr Cyber-Tantra-Sex zu haben. Dann meldet sich Management.

Qohen darf von daheim arbeiten, wenn er für Mancom das Zero Theorem knackt. “Zero must equal one hundred percent”, rattert der Computer daraufhin monatelang runter, während Qohen die entscheidende Gleichung bis auf knapp 98 Prozent pusht. Wirklich vorwärts kommt er jedoch nicht, sodass er irgendwann wieder in eine Sinnkrise fällt. Etwas, das Management nicht zulassen kann und Qohen unentwegt beobachtet. Die Antworten, die Qohen anstrebt, treiben uns letztlich alle um. Bieten können sie ihm weder das Management (“you’re quite insane”) noch Dr. Shrink-Rom (“you’re a tough nut to crack”). Und dennoch erhält Qohen Ansätze, wenn auch abseits des Zero Theorems. Schlichtweg, indem er lebt und interagiert.

Der zurückgezogen lebende Glatzkopf, der Körperkontakt vermeidet, weicht auf, als ihm Management seinen Progammierer-Sohn Bob (Lucas Hedges) zur Seite stellt. Genauso wie bei seinen Online-Dates im Cyberspace. Anstatt nach dem Sinn des Lebens zu fragen, lebt Qohen einfach. Doch das vermeintliche Glück – insofern existent – ist nur von kurzer Dauer. Prinzipiell ist The Zero Theorem also eine Allegorie auf das Leben selbst, welches wir zu Beginn des Films in ziemlich übersteigerter Form erleben. Penetrante Straßenreklame, eine Gesellschaft, abhängig von ihren Mobilgeräten – selbst auf Partys. Schrill-schräg ist diese Welt, die Gilliam entsprechend bunt zelebriert. Was jedoch eine gewisse billige Künstlichkeit mit sich bringt.

In der Tat sieht The Zero Theorem aus, als wäre er 20 Jahre alt, was sicher dem geringen Budget des Films geschuldet sein dürfte. Dessen grundsätzlich interessante Ideen und Ansätze vermag Gilliam bedauerlicherweise nicht zu transportieren. Qohen ist eine irritierende Figur, deren Spleen nicht recht greifbar ist. Wir erfahren später, dass er einst verheiratet war und nun geschieden ist, was angesichts seines Charakters verwundert – diesen womöglich aber auch erklärt. Grundsätzlich kann und soll die Figur wohl als Spiegelbild der Menschen gelesen werden, daher auch die Referenz auf sich selbst in der 1. Person Plural. Die philosophische Dichte, die der Intention des Ansatzes innewohnt, will sich derweil nicht wirklich einstellen.

Während Qohen nach einem Fixpunkt sucht, um seiner Existenzangst Einhalt zu gebieten, soll er für Management zugleich mit dem Zero Theorem die Big Crunch-Theorie bestätigen. “Everything adds up to nothing”, fasst es Joby eingangs zusammen. Für die Menschheit eine unnatürliche Vorstellung: ein Leben aus dem Nichts ins Nichts. “What’s the point?”, entgegnet Qohen daher. Später wird Management ihn bei der Arbeit mittels einer Kamera beobachten, die auf den Torso eines Kruzifix’ angebracht ist. Eine höhere Macht, die uns unentwegt beobachtet und kontrolliert. Eine der wenigen netten Ideen des Films, zu der auch Tilda Swintons Cameo als Psycho-Programm und David Thewlis im Monty-Python-Gedächtnis-Modus gehören.

Zugleich hadert der Film auch mit seinen Figuren. Christoph Waltz wirkt fehl am Platz oder nicht in seinem Element. Der ursprünglich vorgesehene Billy Bob Thornton wäre hier ebenso die bessere Wahl gewesen wie Management tatsächlich von Al Pacino statt Matt Damon spielen zu lassen. Gastauftritte von typische gilliamschen Figuren wie einem Doktoren-Trio (u.a. Peter Stormare und Ben Whishaw) oder Werbefiguren (darunter Rupert Friend) verpuffen, da sie keinem wirklichen Zweck dienen und nicht weiter verfolgt werden. Ohnehin wird die Welt des Films nicht erforscht – wofür man aufgrund des billigen Looks gleichzeitig irgendwie aber auch wieder dankbar sein muss. Richtig überzeugen kann The Zero Theorem jedenfalls nicht.

Zu Gute halten mag man dem Film, dass er immerhin originäre Ideen umsetzt – auch wenn viele Elemente mitunter an Brazil erinnern. Mit seinen dystopischen Kollegen aus Gilliams Œuvre kann sich The Zero Theorem jedenfalls nicht messen, dafür fehlt ihm das inhaltliche Momentum wie auch die visuelle Überzeugungskraft. Der Output des Ex-Python im 21. Jahrhundert vermag folglich nicht mehr mit seinen Werken aus den 1980er und 1990er Jahren mitzuhalten. Dies wiederum gibt wenig Hoffnung für sein wiedererwecktes Don-Quixote-Projekt, für das der Regisseur seit Jahren um Finanzierung kämpft. Aber zumindest scheint das Projekt Gilliams Schaffen einen Sinn zu geben. Und das ist doch wiederum schließlich auch etwas.

4/10

2. Oktober 2009

Kurz & Knackig: Nazi Swines

Romper Stomper

“Fuck off!“, schreit der Skinhead in die Kamera, untermalt mit gehobenem Mittelfinger und Geifer am Mundwinkel. Wie tollwütige Tiere werden Skins gerne in Filmen dargestellt. Nichtmal Hobbes hätte sich seinen Naturmensch wohl so vorgestellt. Da sitzen sie, die Skins und in vollkommener Unordnung trinken sie Milch direkt aus der Flasche und die Hälfte geht am Mund vorbei. Läuft übers Kinn, auf die Brust, zu Boden. Da hat es fast schon etwas von liebevoller Zartheit, wenn Anführer Hando (Russell Crowe) den auf dem Boden schlafenden Davey (Daniel Pollock) ein Kissen unter den Kopf legt und ihn mit dessen Bomberjacke zudeckt. Um jedoch nicht zu viele Sympathien aufzuwecken, lässt Regisseur Geoffrey Wright Crowe kurz darauf in der nächsten Szene bei der Verabschiedung eines Freundes den Arm zum Hitlergruss heben. Scheint also doch nicht so nett zu sein, der Hando. Dessen Wohnstätte sieht dann auch aus wie ein chaotischer Pausenraum der Hitlerjugend. Davey, der immerhin deutsche Nachfahren hat, rennt mit dem Deutschlandadler auf dem Shirt durch die Gegend und Hando selbst hat nicht nur ein, sondern gleich zwei Swastika-Tattoos auf dem Körper. Zudem hängt noch ein „Deutschland erwache!“-Swastika-Banner über seinem Bett. An dieses klammert er sich dann gar, als er seine neue Freundin Gabrielle (Jacqueline McKenzie) von hinten zum Orgasmus bringt. Da lächelt dann auch der Führer selbst, im eingerahmten Photo.

Skinheads per se sind noch relativ jung, wobei für Manche wohl schon ein zu langes Ärgernis. Ursprünge finden sich in den sechsziger Jahren und in der Neo-Nazi-Szene. Wobei der Neo-Nazi generell auch ein interessantes Objekt ist bzw. eher der Grad des „Neuem“ am Nationalsozialismus. Denn ob der Führer mit diesem „Pack“ zufrieden gewesen wäre, ist anzuzweifeln. Blond und blauäugig war gestern, heute heißt es kahlrasiert und tätowiert. Was bleibt ist der Hass auf Ausländer und ein daraus resultierendes Streben nach Gemeinsamkeit unter Gleichgesinnten. Der Rest ist wildes Pogo-Tanzen und Prügeleien untereinander. Der Stress muss schließlich raus, denn Arbeiten tun weder Hando noch Davey. Wahrscheinlich wurden ihnen ihre Jobs von Vietnamesen („Gooks“) weggenommen. Oder sie sind einfach zu beschränkt. Jetzt mag man sich fragen, wie jemand wie Hando eine Freundin kriegen kann. Und weil man ihm wohl keinen Nina-Hagen-Verschnitt wie bei den anderen weiblichen Figuren in Wrights Romper Stomper an die Seite stellen wollte, ist Gabrielle ein von ihrem Vater Martin (Alex Scott) sexuell missbrauchtes Mädchen, das seinen seelischen Schmerz in Drogeneskapaden zu ertränken versuchte. Adolf Hitler scheint ihr nichts zu sagen und wenn sie den Worten aus „Mein Kampf“ lauscht, dann wohl eher weil Hando diese vorträgt. Nun ist Romper Stomper aber nur nebenbei eine – erstaunliche zarte – Liebes- bzw. Dreiecksgeschichte. Übergeordnet versucht sich Wright daran, die destruktive Kraft seiner Skinheads zu portraitieren.

Die kriegen wiederum Nichts auf die Reihe. Als einige Vietnamesen verprügelt werden, weil diese die Stammkneipe von Hando und Co. kaufen, fliehen die Skins schließlich als sich die „Gooks“ in Massen organisieren. Einige Gruppenmitglieder bleiben zurück, manche von ihnen sterben. Jetzt ist Hando natürlich angepisst und will sich Waffen besorgen. Doch der (stark an A Clockwork Orange erinnernde) Raub bei Martin läuft deshalb schief, weil sich die Romper Stomper (dt. Ausländerschläger) zu lange in der Garage austoben. Erst konnten sie keine Ausländer verkloppen, jetzt nichtmal ein sicheres Ding drehen. Als die Gruppe dann an die Polizei verraten wird, ist der Niedergang schließlich besiegelt. Dass Wright die Skins in einem negativen Licht zeigen will, ist nur konsequent und wohl auch richtig. Eine wirkliche Handlung bietet er dem Publikum jedoch nicht an und an der Skinhead-Szene selbst, kratzt er stets nur leicht an der Oberfläche. Hando bleibt dabei genauso blass wie die anderen Figuren. Man erfährt nichts über ihn, seine Motivation und seine Hintergründe. So verkommt Romper Stomper die meiste Zeit nur zur lauten Pseudo-Sozialstudie, mit eingebetter Liebesgeschichte rund um Daveys Gefühle für Gabrielle. Dass der Film für neun australische Filmpreise nominiert war, muss dabei nicht mehr heißen als es bei den hiesigen Preisträgern der Fall ist. Russell Crowe in seiner Durchbruchsrolle bleibt als eindimensionaler Skin jedoch hinter dem Lob seiner Auszeichnung als Bester Hauptdarsteller zurück. Im Vergleich zu analytischeren Genrebeiträgen wie This is England oder American History X enttäuscht Wrights zweiter Spielfilm somit etwas.

5.5/10

Inglourious Basterds

Der Feuilleton liebt ihn, für Georg Seeßlen ist er der Usain Bolt des Gegenwart-Kinos. Die Rede ist von Quentin Tarantino, dem ehemaligen Videothekenangestellten, der seither für seine dialogreichen Filme mit exquisitem Soundtrack berühmt geworden ist. Manche halten ihn für überbewertet, andere lieben alles was er macht, wohl weniger wegen dessen Inhalt, sondern einfach weil es „tarantino“ ist. Zudem weiß jedes Jahr mit zumindest einem sinnlos gehypten Film daherzukommen, wie man es letztes Jahr mit The Dark Knight erlebt hat. Und wenn sich dann Tarantino und der alljährliche Hype treffen, dann kann man schnell ins Kreuzfeuer geraten. Tarantinos Neuer, Inglourious Basterds, war - oder ist – neben James Camerons Avatar (vom britischen Empire Magazin sogar schon als Film des Jahrzehnts beschrieen) der The Dark Knight von 2009. Das Projekt, welches der Amerikaner schon seit Jahren geplant hatte (u.a. mit Michael Madsen, Eddie Murphy und Adam Sandler), wurde nun endlich Realität, weil man für eine der Hauptrollen den Österreicher Christoph Waltz gewinnen durfte. Dieser habe ihm seinen Film gerettet, meinte Tarantino und Waltz (in seinem österreichischen Naturell?) ließ sich das gleich zu Kopf steigen, weshalb er seine Figur des Hans Landa in einem Interview mit der FAZ zur unerreichten Krönung im Tarantino-Universum erhob. Aber die Worte „Tarantino“, „überbewertet“ und „Hype“ fielen ja bereits.

Dass Tarantino weitaus mehr Material gedreht haben muss als er am Ende in den Film integrierte, merkt man Inglourious Basterds im Grunde unentwegt an. Speziell im letzten Drittel häufen sich die Handlungsstränge, die aus dem Nicht beginnen oder ins Nichts verlaufen. Handlungslücken und Logikfehler inklusive. Vom großen Regisseur, der jede Szene sorgsam auswählt, ist zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr zu sehen. Seinen unübersichtlichen Höhepunkt hatte der Auteur da bereits in seiner vorab gerühmten Kneipenszene erreicht. Diese, die er zuvor als Reservoir Dogs auf Deutsch anpries, ist in ihrer Auflösung so stümperhaft zusammengeschnitten, dass man es zwei Mal aufblitzen sieht, ehe scheinbar jeder einem Mexican-Shoot-Out zum Opfer gefallen ist. Wie genau dies nun passiert ist, fragt man sich vergeblich. Denn Tarantino zeigt einfach, platziert bloß. Sinn- und zwecklos, möglichst effekthaschend, aber im Nachhinein ohne Verstand. Da passt es nur perfekt, dass mancher Handlungsstrang, allen voran der der Engländer, eigentlich bedeutungslos ist für das, was Inglourious Basterds erzählen will. Wobei man von Tarantinos Film nicht wirklich sagen kann, dass er überhaupt eine Geschichte erzählen möchte, zumindest keine, die man in einem David-Bowie-Musikvideo nicht auch hätte platzieren können.

Dabei beginnt der Film in der Tat recht stark, wenn Waltz, der an sich die meiste Zeit als einziger der Schauspieler überzeugen kann, in fließendem Französisch und später Englisch in seiner Rolle als SS-Oberst und Judenjäger Landa den französischen Milchbauern Perrier LaPadite (Denis Menochet) verhört. Was die beiden Männer hier an Schauspielkunst bieten, verdanken sie auch dem exzellent geschriebenen Dialog von Tarantino. Dessen wahres Talent wird innerhalb der nächsten zwei Stunden lediglich in Landas Szenen in Erscheinung treten, während die Szenen der anderen Beteiligten oft so blass sind, dass sich quasi von jedem x-beliebigen Regisseur stammen könnten. Dass Tarantino seinen Film hierzu – natürlich überflüssigerweise – in vier Kapitel einteilt, erschafft seiner ohnehin schwachen Narration einen weiteren engen Rahmen, in dem sich seine Geschichte anschließend kaum bewegen kann. Nachdem kurz die Basterds um Aldo Raine (Brad Pitt) und den Bärenjuden Donowitz (Eli Roth) gezeigt wurden, darf sich schnell noch ein geschminkter Mike Myers als britischer Offizier schauspielerisch blamieren, bevor Inglourious Basterds mit einer potentiellen Liebesgeschichte zwischen dem deutschen Scharfschützen Fredrick Zoller (Daniel Brühl) und der heimlichen Jüdin Shosanna (Mélanie Laurent) wieder etwas an Höhenluft gewinnt. Doch als der Film erneut in die stümperhafte „Operation Kino“ verfällt, beginnt eine langsame Talfahrt, die schließlich vom enttäuschenden Finale abgeschlossen wird.

Was Inglourious Basterds, der abgesehen von einigen stumpfsinnig expliziten Gewaltszenen relativ wenig Action bietet, neben seinem schwachen Drehbuch am meisten das Genick bricht, ist seine Besetzung. Authentizität ist schön und gut, aber wenn man unentwegt Nulltalenten wie Til Schweiger und Diane Kruger (deren Deutsch eigentlich sogar noch schlechter ist, als ihr Englisch) und unterdurchschnittlichen TV-Schauspieler wie Gedeon Burkhard zusehen/-hören muss, will man am liebsten seine eigenen Ohren fressen. Dass an sich auch der Rest, allen voran natürlich der (in jeglicher Hinsicht) vollkommen talentfreie Eli Roth, hier enttäuscht (sei es, weil wie im Falle von B.J. Novak - der zudem auch mies spielt - oder Michael Fassbender die Figur keine Rolle spielt), wundert da schon gar nicht mehr. Pitt weiß erst in der Premierenszene etwas zu gefallen. Somit sind es lediglich Waltz, Laurent und August Diehl, die dem Film durch ihr Spiel gelegentlich Akzente zu verleihen wissen. Letztlich ist Inglourious Basterds ein Film mit vielen erzählerischen Schwächen (Zoller erschießt also in 3 Tagen 250 Soldaten, die zu dumm sind, seinen Turm zu sprengen?, Zoller trägt eine Waffe auf einer Premierenfeier mit sich? Von Hammersmark plant „Operation Kino“ bereits seit zwei Jahren, im Wissen, dass Goebbels irgendwann eine Kinopremiere organisieren wird?), hauptsächlich schlechten Darstellern (wenn die Kruger stirbt, ist das wie Weihnachten, Ostern und Chanukka zusammen), einer miesen musikalischen Untermalung und damit hat man die Spitze des Eisbergs gerade ein Mal abgearbeitet. So setzt Tarantino, der zuletzt mit Jackie Brown einen guten Film abzuliefern wusste, seinen Abwärtstrend fort.

4.5/10

American History X

Wie heißt es immer so schön: als Rassist wird man nicht geboren, zum Rassisten wird man erzogen. Das passt wohl auch zu Tony Kayes Debütfilm American History X, in dem zwei Brüder in den Fängen einer Neo-Nazi-Gruppe landen. Eingeleitet wird der Film mit Derek Vinyard (Edward Norton), dem zweiten Mann einer kalifornischen Neo-Nazi-Bewegung rund um deren charismatischen Führer Cameron Alexander (Stacy Keach). Als eines Nachts zwei Afroamerikaner Dereks Auto klauen wollen, ballert dieser den einen kurzerhand über den Haufen und zertritt dem Anderen den Schädel in einem der erinnerungswürdigsten Totschläge der Filmgeschichte. Peu a peu bewegt sich Kaye dann in die Vergangenheit und deckt Schicht für Schicht von Dereks Maske ab. Da heult ein unbärtiger und langhaariger Derek in die Fernsehkamera, weil sein Vater, ein Feuerwehrmann, scheinbar von einem Mitglied einer ethnischen Minderheit erschossen wurde. Etwas später, schon fast gegen Ende, sieht man Derek dann mit seinem Vater beim Abendessen sitzen. Derek schwärmt von seinem neuen Lehrer, dem Afroamerikaner Sweeney (Avery Brooks), der den intelligenten Jungen begeistert. Für Dereks Vater hingegen bedeutet die Tatsache, dass sein Sohn ein Buch über eine afroamerikanische Figur lesen muss, dass „weiße Werte“ verloren zu gehen drohen.

Ist es bei Derek der Verlust des Vaters, der ihn in die Szene führt, so ist es für Dereks jüngeren Bruder Danny (Edward Furlong) der „Verlust“ des Bruders, der bei ihm dasselbe bewirkt. Kaye zeichnet die Grundlage der Neo-Nazis als Perspektivlosigkeit. Dereks Vater klagt, dass zwei kaukasische Anwärter trotz eines besseren Testergebnisses ihre Plätze wegen „political correctness“ an zwei Afroamerikaner verloren haben. Derek selbst klagt zu Beginn in einer Rückblende an, dass Weiße in einem Lebensmittelladen rausgeflogen seien, weil Einwanderer ihnen die Jobs weggenommen hätten. Mit dem Land geht es bergab. Keine Jobs, keine Sicherheit – alles ist scheiße. Später resümiert Derek: „I'm tired of being pissed off.“ Seine Katharsis erlebt Derek dann schließlich im Gefängnis und hier wird Kayes Schreibe plötzlich ziemlich schlampig. Die Neo-Nazis bzw. Skins im Knast, sind nicht sonderlich nationalsozialistisch eingestellt, machen sogar Drogendeals mit den Latinos. Derek entfremdet sich von seiner Gruppe und öffnet sich seinem afroamerikanischen Arbeitskollegen Lamont (Guy Torry). Dann wendet sich das Blatt. Zur Strafe wird Derek von seiner eigenen „Rasse“ in der Dusche vergewaltigt, als er sich daraufhin vollends isoliert, ist es Lamonts Zutragen, dass sich die Afroamerikaner im Knast nicht seiner entledigen.

Der Umschwung in Dereks Charakter – er liegt flennend mit blutendem Arsch auf der Liege und lässt sich von Sweeney bequatschen – ist unglaublich flach. Nicht weniger konstruiert ist die Katharsis von Danny, bei dem schon die Story von der Vergewaltigung bzw. natürlich allgemein Dereks Erinnerungen reichen, um sich von den Neo-Nazis abzuwenden. So überzeugend Kaye in American History X auch eine Subkultur zu sezieren weiß, die Katharsen sind im Vergleich enttäuschend schwach. Das Finale wiederum – in einer konträren Spirale des Hasses verfällt einer von Dannys afroamerikanischen Mitschülern der Gewalt – ist stimmig und überzeugend. Auch wenn ein Mord auf einer Schultoilette während der Pause dann doch ein sehr dümmliches Szenario darstellt. Das Schauspielensemble agiert eigentlich durchweg überzeugend, insbesondere Brooks und Jennifer Lien. Kaye selbst wollte seinen Namen aus dem Projekt tilgen, weil Norton scheinbar – wie er es seitdem gerne tut – den Film umschneiden ließ, um seine Rolle stärker zu betonen. Eine etwas ungünstige Entscheidung, da Norton speziell in den hochemotionalen Szenen (TV-Interview, Camerons Büro, Krankenstation) schlichtweg überfordert ist. Dafür ist der Moment, wenn er aus der Dusche steigt und sich im Spiegel mit der Swastika auf seiner Brust für immer mit seiner Vergangenheit konfrontiert sieht, eigentlich der Höhepunkt des Filmes. Grundsätzlich verfügt American History X also über sehr gute Ansätze, scheitert in seiner Parabel jedoch an den unglaubwürdigen Katharsen der Hauptfiguren.

7/10

Made in Britain

Alan Clarke hat eine sehr schöne Szene in seinem Skinhead-Drama Made in Britain integriert. Ein Polizeiinspektor (Geoffrey Hutchings) sucht den 16-jährigen Skin Trevor (Tim Roth) in seiner Arrestzelle auf und erklärt ihm über eine Schieferntafel seinen Teufelskreis. Sechs Chancen habe die Gesellschaft ihm gegeben, von den Eltern über die Schule bis hin zur Jugendhilfe. Alle habe er, Trevor, ausgeschlagen. Wenn er sich jetzt nicht ändert, begibt er sich in die tödliche Spirale aus Gefängnis und Kriminalität. Trevor hört zu, eigentlich aufmerksam, aber dennoch geht es ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus. Trevor hat seinen Entschluss bereits gefasst bzw. hat Regisseur Clarke den Entschluss für ihn gefasst. Trevor ist ein hoffnungsloser Fall. Ein Querulant, ein Taugenichts. Intelligent sei er, ja. Das steht in seiner Akte und das zweifelt auch niemand an, obschon der Film selbst zu keinem Zeitpunkt einen Anhaltspunkt für jene Intelligenz liefert. Aber Erklärungen will Clarke nicht liefern. Er will nicht hinter die Fassade schauen, hinter die Swastika, die sich Trevor zwischen die Augen hat tätowieren lassen. Trevor ist ein eindimensionales, negatives Exempel.

Kein Wunder also, dass Made in Britain als Lehrfilm an britischen Schulen lief. Nach dem Motto: nur Rumlungern und keine Schule macht Trevor zum stumpfen Jungen. Warum Trevor ein Skinhead ist, erfährt man nicht. Vermutlich weiß Trevor es nicht einmal selbst. Hauptsache gegen das System wenden und sich dabei jemandem anschließen, der selbst möglich anti-systematisch eingestellt ist. Trevor will keine Hilfe, er will kein Entgegenkommen. Kurzzeitig flammt zwar mal Hoffnung auf, als ihn sein Heimbetreuer (Sean Chapman) mit zu einem Autorennen nimmt. Trevor lacht, Trevor strahlt, Trevor hat Spaß. Solange bis der Motor absäuft, ihn das (mechanische) System im Stich lässt. Hoffnungslos. Er büxt wieder aus, macht ein wenig Krawall und Remmidemmi, sucht am Ende der Nacht seinen Sozialarbeiter Harry (Eric Richard) auf. Die einzige Person, die Trevor nicht aufgegeben hat und zu der der Junge so etwas wie einen Bezug hat. In den Knast will er bzw. akzeptiert es als seine Strafe für seine nächtlichen Straftaten. Als Harry ihn zu einer Polizeistation schicken will, die auf Trevor nicht gut zu sprechen ist, bettelt Trevor kurz, doch fällt schnell in sein anarchisches Grinsen zurück. Wie gesagt, für Clarke ist Trevor ein hoffnungsloser Fall.

Grundsätzlich fängt der Film viele schöne und auch authentische Momente ein. Das Rebellieren zum Selbstzweck, um des Rebellierens Willen, ungeachtet der teils entgegenkommenden Angebote (z.B. wenn Errol ihm doch das Bett anbietet, dass Trevor zuerst haben wollte). Oder die – wenn auch größtenteils selbstverschuldete – Perspektivlosigkeit des jungen Protagonisten. Was Made in Britain als Schulfilm dann allerdings etwas ungeeignet wirken lässt, ist die Einbahnstraße, die Trevor nimmt. Wo American History X, wenn auch etwas konstruiert, mit zwei Katharsen aufwartet, ist Clarkes Film letzlich genauso so „anti“ wie seine eigene Figur. Trevor sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Er reflektiert nicht darüber, er macht eigentlich gar nichts. Etwas schade ist dies schon, da auch eigentlich alle Beteiligten, speziell der junge Tim Roth, hier sehr überzeugend und mit Elan aufspielen. Aus der (Moral-)Geschichte hätte Clarke mehr machen können, denn Jugendliche lassen sich eher selten durch einseitige Abschreckung (mach das und es folgt das) überzeugen. Sie müssen von selbst erkennen, dass das, was sie tun, falsch ist (siehe hierzu erneut, wenn auch wie erwähnt in konstruierter Form, AHX). Denn Made in Britain liefert am Ende keine Auswegmöglichkeiten für Trevor, sondern lediglich Konsequenzen aus seinem Verhalten. Dem Problem den Riegel vorschieben tut man damit jedoch nicht.

6/10

Oi! Warning

„Oi! Ich bin der Janosch“, sagt Janosch (Sascha Backhaus) zu Beginn des Zweiten Aktes, als er sich in seiner neuen Klasse vorstellt, dem Lehrer aber gleich klar macht, dass er Schule „scheiße“ findet. Im Debütfilm von Ben und Dominik Reding, ist Janosch der naive Mittelpunkt eines Konstruktes, das die Redings wohl als Handlung bezeichnen würden. Dabei weiß der Film eigentlich keine stringente Geschichte zu erzählen, sondern wirkt die meiste Zeit wie eine bloße Aneinanderreihung von teilweise abstrusen Szenen. Hinzu kommt dann natürlich die Tatsache, dass man sich an einem Milieufilm versucht, ohne jedoch das betreffende Milieu zu reflektieren. So sieht man Janosch zu Beginn sein Elternhaus auseinander nehmen, weil er nach einer Kreditkarte sucht. Der schwäbische Bub, aufgewachsen am Bodensee in einer gut situierten Familie, hat die Schnauze voll. Kein Bock mehr auf Schule, kein Bock auf die Eltern, kein Bock auf die Freundin. Wieso erfährt man nicht, wahrscheinlich weiß es Janosch nicht mal selbst. Ziellos fährt er mit seinem Moped scheinbar vom Bodensee nach Dortmund, wo er über seinen alten Kumpel und inzwischen Kickboxer und Oi-Skin Koma (Simon Goerts) stolpert.

Fortan beginnt Janosch Koma anzuhimmeln, kurz darauf fallen die Haare der Schere zum Opfer und der Schwabe ist selbst zum Skin mutiert. Das wahre Leben ist das aber auch nicht, denn die neue Freundin steht nicht auf sein fesches Tattoo, Schule macht ihm immer noch kein Bock und irgendwie will das mit der Skin-Szene auch nicht so laufen wie Janosch sich das vorgestellt hat. Da schweift seine Aufmerksamkeit nach einer Geburtstagparty doch lieber zum Feuerschlucker Zottel (Jens Veith), mit dem Janosch dann auch wenig später eine sexuelle Beziehung eingeht. Ehe es zum dramatischen Finale kommt, in welchem die Redings sich nicht scheuen die Mordszene aus dem vorjährigen American History X zu kopieren. Dabei ist Oi! Warning wie angesprochen die meiste Zeit eine krude Bildmixtur ohne wirklichen Hintersinn. Gerade das erste Aufeinandertreffen von Janosch und Zottel ist derart konstruiert inszeniert, das man nur mit dem Kopf schütteln kann. Die Redings machen sich in ihrem Schwarzweiß-Debütfilm zudem nicht die Mühe die Motivationen der Figuren aufzudecken. Diese agieren meist ziemlich uninspiriert und außerhalb jeden Kontextes.

Von der Skin-Szene rund um Koma sieht man dann auch nicht mehr als das gewohnte Pogo-Tanzen oder vereinzelten Schlägereien. Von Ausländerhass kann hier dann auch eigentlich keine Rede sein, werden doch lediglich ein etwas hyper-extrovertierter Mann im gehobenen Alter und ein diebischer Punk verprügelt. Insofern taugt Oi! Warning auch nicht wirklich als Milieustudie, kann aber auch nicht als Coming-of-Age-Drama oder Liebesgeschichte überzeugen. Problematisch ist einfach, dass man keinen Zugang zu Janosch, dem Protagonisten erhält. Dies scheint – schaut man sich die obigen Filme an – allerdings bis auf die Ausnahme American History X ein generelles Problem dieses Genres zu sein. Dabei wissen die Gebrüder Reding mitunter durchaus etwas Witz in ihrem Film zu integrieren. Sei es das Koma-Jingle in dessen Hof oder seine Freundin Sandra (Sandra Borgmann), die überlegt wie sie ihrem hitzköpfigen Freund am besten gesteht, dass sie statt einem Kind nun doch Zwillinge erwartet und das Problem schließlich damit löst zu sagen: „Wir kriegen jetzt doppeltes Kindergeld.“ Dass alles tröstet jedoch nicht darüber hinweg, dass Oi! Warning als Gesamtkonstrukt nicht überzeugt, da hierfür einfach die Figuren im wahrsten Sinne des Wortes farblos bleiben und die Geschichte keine Geschichte zu erzählen vermag.

3.5/10