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12. November 2009

Forrest Gump

Are you stupid or somethin’?

Die Academy Awards sind eine oft missverstandene Veranstaltung. Die meisten oder zumindest viele Menschen glauben wahrscheinlich, dass hier wie bei der Olympiade der Beste jedes Jahr gekürt wird. Der beste Film, der beste Regisseur und so weiter. Dabei geht es bei den Oscars nicht darum, den Besten auszuzeichnen, sondern Denjenigen, der der Mehrheit der Academy inklusive Mitgliedern wie Michael Bay am besten gefallen hat. Ein kleiner aber feiner Unterschied, der im Laufe der Jahre dazu führt, dass Filme wie Rocky (gegen Taxi Driver und All the President’s Men), Chicago (gegen The Pianist), Shakespeare in Love (gegen The Thin Red Line) oder The Departed (gegen Letters from Iwo Jima) ausgezeichnet werden. Wobei auch dies natürlich im Auge des Betrachters liegt. Jedenfalls machen Oscarnominierungen noch lange keinen guten Film aus. Gerade in ihrer Höhe (s. The Return of the King) sind sie eher trügerisch. In die Kategorie dieser fragwürdigen Oscargewinner gehört auch Robert Zemeckis’ Forrest Gump von 1994. Bei 13 Nominierungen erhielt der Film sechs Auszeichnungen, davon in vier der Kardinalskategorien.

Heutzutage ist Forrest Gump aufgrund seiner visuellen Effekte, die den Protagonisten in Archivmaterial mit historischen Persönlichkeiten wie John Lennon oder John F. Kennedy und dessen Nachfolger integrieren, sowie Zitaten wie “Life is like a box of chocolates“ in Erinnerung geblieben. Die Adaption von Winston Grooms Roman aus den Achtzigern erzählt von rund drei Jahrzehnten aus dem Leben von Forrest Gump (Tom Hanks). Benannt nach seinem Vorfahren und Ku-Klux-Klan-Gründer Nathan Bedford Forrest hat Forrest ein Problem: er ist anders. Speziell. Nicht normal. Will man ihm zumindest einreden, da er nur einen Intelligenzquotienten von 75 hat und damit exakt fünf Punkte zuwenig, um als „normal“ zu gelten. Fünf Punkte hier oder da, denkt sich seine Mutter (Sally Field) und schläft kurzerhand mit dem Schulpsychologen, um Forrest (s)eine Schulbildung zu ermöglichen. Der Anfang einer beeindruckenden Karriere, wie man sie wohl nur als vermeintlich Minderbemittelter ausleben kann. Auch Homer Simpsons „Feind“ Frank Grimes würde drei Jahre später in Homer’s Enemy bestaunen, was der glatzköpfige Springfeldianer erreichen konnte.

Auf einer Parkbank in Savannah, Georgia sitzend, resümiert Forrest schließlich über sein bisheriges Leben. Die Zuhörer wechseln sich ab, ehe eine ältere Dame ganz fasziniert sogar Bus um Bus vorbeifahren lässt, um Forrests Geschichte zu Ende zu hören. Es ist eine Geschichte über seine große Liebe Jenny (Robin Wright Penn), die er im Kindesalter an seinem ersten Schultag kennen gelernt hat. Sein bester Freund bzw. sein einziger Freund damals in Greenbow, Alabama. Die Wege von Forrest und Jenny führen sie von der Grundschule in die High School, von dort aufs College, wo sie sich schließlich verlaufen und nur gelegentlich wieder kreuzen. „And just like that…she was gone“ wird zum geflügelten Satz in Forrests Wortschatz werden. So sehr Forrest Gump eine Liebesgeschichte ist, so ist versucht es auch eine Geschichte über Amerika zu sein. Immer wieder verwebt der Film historische Ereignisse oder Persönlichkeiten mit dem Leben von Forrest. Sei es Elvis Presley, der einst kurz bei den Gumps lebte und seinen einzigartigen Tanzstil von dem Jungen mit den Beinschienen lernte. Oder Forrests Ausflüge nach Washington D.C., wo er nicht weniger als drei US-Präsidenten im Oval Office besuchen würde.

Die visuelle Einbettung von Hanks in die Archivbilder ist in der Tat einer der Trümpfe des Filmes. Egal ob er als Vorlagengeber für John Lennon fungiert oder Präsident Johnson seinen Allerwertesten entgegenstreckt. Natürlich sind all diese Verknüpfungen unglaublich konstruiert, vielleicht noch am deutlichsten, wenn Forrest einen Dreijährigen-Marathon beginnt und nebenbei Symbole wie „Shit Happens“ und den „Have a nice day“-Smiley initiiert. Nichts im Film, was nicht reines Mittel zum Zweck ist, dabei stets bloßes comic relief ohne jeglichen inhaltlichen Bezug. Dies ist zu Beginn noch amüsant, wenn Forrest dabei ist, wenn zum ersten Mal Afroamerikaner in ein College gelassen werden, wirkt aber spätestens dann verbraucht, wenn er ebenjenes Smiley-Symbol unwissentlich kreiert. Abseits der Liebesgeschichte findet sich also eigentlich keinerlei Substanz, was den Film nicht nur zu einer ausufernden Laufzeit bringt, sondern ihn auch letztlich ab einem gewissen Zeitpunkt redundant werden lässt.

Ein viel größeres Problem liegt jedoch in dem extensiven Konservatismus, den der Film an den Tag legt. Exemplarisch werden zwei Lebenswege am Beispiel von Forrest und Jenny präsentiert. Während Forrest quasi von Erfolg zu Erfolg eilt – sein Shrimp-Unternehmen sowie seine Beteiligung an Apple Computer machen ihn zum Millionär -, dabei stets von naiver Unschuld geschlagen, stagniert Jenny in all ihren Stationen des Lebens. Fraglos ist Forrest sympathisch, das liegt schon in der Natur der Sache. Harmlos wie eine Fliege ist er, der Junge, der Football spielte, danach sein Land in Vietnam verteidigte, seine gesamte Einheit rettete, der großen Nation China den Arsch beim Ping Pong versohlte und dabei all die Zeit schön die Finger von Sex, Drugs und Rock ’n Roll ließ. Ganz im Gegensatz zum white trash girl Jenny, die vom Vater misshandelt wurde und wohl deshalb eine destruktive Persönlichkeit entwickelte. Sie sucht sich stets die falschen Partner aus, prostituiert sich, nimmt Drogen und wird zur politischen Aktivistin, als sie sich mit den anderen 68ern der Hippie-Bewegung anschließt. Kein Wunder, dass die Zeitschrift National Review Forrest Gump zum viertkonservativsten Film aller Zeiten gewählt hat.

Noch trauriger ist jedoch, dass Zemeckis’ Film so gnadenlos inhaltsleer ist, selbst wenn ständig etwas passiert. Eigentlich erhält das Publikum nie eine Erklärung, für das, was es sieht. Wer war eigentlich Forrests Vater und was ist aus ihm geworden? Selbiges gilt für Jennys angebliche Schwestern, die Drehbuchautor Eric Roth an einem Punkt erwähnt, während er Jenny dann alleine zu ihrer Großmutter schickt, nachdem der Vater in den Knast kam. Wieso und wovor rennt Jenny stets davon? Oder andersherum: Warum kommt sie plötzlich eines Tages wieder zu Forrest nach Greenbow, lehnt dann seinen Heiratsantrag ab, hat aber Sex mit ihm und verschwindet erneut? Warum beginnt Forrest am Tag darauf ziellos zu rennen? Immerhin hat er Jenny nicht das erste Mal verloren. Und viel wichtiger: Wenn Jenny am Ende aufgrund ihres Lebensstils an HIV leidet und letztlich auch daran stirbt, wie kommt es, dass Forrest und Forrest, Jr. nicht an dem Virus leiden? Selbst wenn sie sich das Virus erst nach der Trennung von Forrest zuzog, ist zumindest die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Forrest, Jr. (Haley Joel Osment) das HI-Virus in sich trägt.

Selbst die beiden Audiokommentare liefern keine Erklärungen, keinen Inhalt. Der Film enttäuscht hier doch immens, wenn er sich nur auf die Liebesgeschichte stützen kann, der er nicht einmal gerecht wird. “And that’s all I have to say about that“, schließt Forrest oft eine seiner Erzählungen ab. Nach fast zweieinhalb Stunden ist man als Zuschauer jedoch keiner der Figuren auch nur ansatzweise näher gekommen. Weder dem suizidalen Lieutenant Dan (Gary Sinise), noch Forrest und erst recht nicht Jenny. Dabei ist auch nicht alles schlecht, was Roth und Zemeckis hier „verbrochen“ haben. Die Liebesgeschichte hat durchaus Potential und schöpft dieses in einigen Fällen auch entsprechend aus. Gerade die letzte Viertelstunde ist dabei ausgesprochen gelungen. Dagegen dient die andere Hälfte des Filmes mittels der chronologischen Folge amerikanischer Geschichte ausschließlich der humoristischen Auflockerung. Dies funktioniert mitunter sehr gut, manchmal wiederum aber auch gar nicht.

Ohnehin ist Forrest Gump ein Film, der primär von seinem brillanten Hauptdarsteller getragen wird. Was Hanks hier schauspielerisch darbietet ist ganz großes Kino. Allein die Szene, in der er von Forrest, Jr. erfährt und diese Emotionen und Ängste ausschließlich mit seinen Augen spielt, rechtfertigt schon seine Nominierung. Sein Oscar ist am Ende vielleicht der einzig verdiente, bedenkt man dass der Film sich gegen die weitaus gelungeneren The Shawshank Redemption und Pulp Fiction, Regisseur Robert Zemeckis wiederum gegen Kollegen wie Krzysztof Kieslowski durchgesetzt hat. Im Gegensatz dazu wurde Komponist Alan Silvestri, dessen wunderschöner Soundtrack neben Hanks der zweite Star ist, zwar nominiert, aber nicht ausgezeichnet. Im Nachhinein ist Forrest Gump ein zwiespältiges Erlebnis. Ähnlich wie A Beautiful Mind hat man hier keinen wirklich guten Film, aber einen, der dennoch seine (vor allem bewegende) Momente hat. In diesen besten Momenten präsentiert Zemeckis ein bezauberndes Märchen, das so unschuldig wie seine Hauptfigur ist. Aber all der aufgesetzte Konservatismus und die offensichtliche Inhaltsleere trüben am Ende das Bild von Forrest Gump als guten und gelungenen Film.

5.5/10

21. September 2007

Artificial Intelligence

He who is without “sim”, cast the first stone.

Gegen Ende der 1980er Jahre hatte Regisseur Stanley Kubrick eine Vision für eines seiner vielen Film-Projekte, basierend auf der Kurzgeschichte Super-Toys Last All Summer Long von Brian Aldiss. Obschon Aldiss und Kubrick bis Mitte der 1990er hinein an einer Realisierung des Projektes arbeiteten, schieden sie aufgrund kreativer Differenzen schließlich auseinander. Stattdessen arbeitete Kubrick mit dem britischen SF-Autor Ian Watson an einer filmischen Umsetzung der Handlung. Nachdem Kubrick an die 200 Skizzen und Zeichnungen für das Storyboard Design ausgearbeitet hatte, bekam er immer mehr den Eindruck, dass die Handlung viel eher zu seinem Freund Steven Spielberg passen würde, denn ihm selbst. Diesen holte er während der Entwicklung an Bord und legte ihm den Film nahe, obschon er wiederum Kubrick als passenderen Regisseur empfand. Als Kubrick jedoch 1999 unerwartet verstarb, nahm sich Spielberg erneut des Projektes an und verwirklichte es bereits zwei Jahre später. Als Produktion von Stanley Kubrick geführt, stellte Spielberg mehrfach klar, dass Artificial Intelligence eine Hommage an Kubrick sei.

Monica (Frances O’Connor) und ihr Mann Henry (Sam Robards) haben ihren Sohn Martin an eine unheilbare Krankheit verloren, die Ärzte eine Genesung aufgegeben. Da gelingt in Henrys Firma Cybertronics eine Revolution, als deren Leiter, Prof. Hobby (William Hurt), einen Androiden herstellt, der Liebe empfinden kann. Dieser Android erhielt das äußere Erscheinungsbild von Hobbys eigenem verstorbenem Sohn David (Haley Joel Osment) und wird Henry als Prototyp anvertraut. Als Monica ihn programmiert und allmählich eine tiefe Zuneigung zu ihm empfindet, geschieht das Unerwartete: Martin erfährt eine Heilung. In David einen Rivalen sehend, provoziert Martin diesen immer wieder, bis er ihn in eine Situation manövriert, in der David nicht mehr tragbar ist. Anstatt diesen jedoch zu Cybertronics zur Verschrottung zu bringen, setzt ihn Monica im Wald aus. David setzt alles daran, Monicas Liebe wiederzugewinnen und macht sich auf die Suche nach der Blauen Fee, die ihn in einen echten Jungen verwandeln soll. Auf seiner Odyssee trifft er den Sex-Androiden Gigolo Joe (Jude Law), der ihn auf seiner gefährlichen Reise begleitet.

Im Grunde ist Artificial Intelligence eine futuristische Variante von Carlo Collodis Pinocchio: ein künstlicher, gefertigter Junge, der zum richtigen, lebendigen Junge werden will. Dies war Kubricks Idee und hatte unter anderem zum Bruch mit Aldiss geführt. Mitunter wirkt die Geschichte von Spielberg, der hier zum ersten Mal seit Poltergeist selbst am Drehbuch schrieb (wobei er die Vorlage von Kubrick verwendete), als wäre sie von Philip K. Dick. Schließlich wird die Frage thematisiert, was einen Menschen menschlich macht. Mit David wurde ein Android gebaut, der (programmierte) Liebe empfinden kann und dennoch wird er vom Menschen verstoßen. Speziell die Szene der Flesh Fair, einem überdrehten und gladiatorenhaften Jahrmarkt, zeigt diese humane Angst vor der Vermenschlichung der Androiden. Deren Besitzer Lord Johnson Johnson (Brendan Gleeson) ist zwar fasziniert von David, setzt ihn jedoch trotzdem dem Showprogramm aus. Die gewaltgeile Menge bringt es dann allerdings doch nicht fertig, diesen jungenhaften Roboter zu vernichten, obschon er seinen mechanischen Gefährten primär äußerlich nicht unähnlich ist.

Szenen wie diese sind überaus düster, selbst wenn sie Spielbergs typische Handschrift tragen. Glauben will man es ihm aber nicht, wenn er behauptet, die düsteren Szenen stammen von ihm selber und die Kitschigen von Kubrick. Der gesamte Handlungsverlauf schreit stets „Spielberg“, weshalb Kubrick wohl mit dem Projekt an Spielberg herangetreten war. Zwar baut Spielberg viele kubriksche Elemente wie die Ausleuchtung der Szenen oder die Darstellung des Menschen als gewaltgeiles Tier ein, wie ein Film des Altmeisters selbst wirkt das Resultat dennoch bei weitem nicht. Stattdessen erinnert Artificial Intelligence durch und durch an Spielbergs Filmografie und nicht an die von Kubrick. Dieser warme und durchweg sympathische Charakter von David, ohne jeglichen Makel, öffnet die Herzen der Zuschauer und lässt sie mit ihm und seinen Schicksal mitfiebern. Ein Attribut, wie es auf eigentlich keinen Kubrick-Film zutrifft. Auch wenn Artificial Intelligence als Märchen gedacht ist, lässt sich der Film nicht in die Kubrick-Schablone pressen. Denn dafür ist er von seinen Farben zu bunt, zu kräftig und nicht zuletzt zu kitschig.

Für sein Projekt konnte Spielberg besonders in den Nebenrollen Stars gewinnen, neben Jude Law wurden auch die Stimmen von Ben Kingsley, Meryl Streep, Chris Rock und Robin Williams integriert. Für die Musik war John Williams verantwortlich, was wiederum ein Beispiel dafür ist, wie die kubriksche Verkleidung nicht authentisch wirkt. Denn sogar für Spielbergs Standard gerät die Musik extrem kitschig und aufgesetzt. Selbst als Spielberg-Film funktioniert Artificial Intelligence somit nicht, wirkt er doch wie eine Mischung aus E.T. und Minority Report. Besonders seine Familienmoral stößt dabei verstärkt bitter auf, was aber auch an der Schauspielerei von Osment liegen kann. Davids Gequengel nach der Blauen Fee und der Liebe zu Monica geht einem nämlich spätestens in der Mitte des Filmes tierisch auf den Keks. Hierbei sind die besonders vorstechenden Elemente von Spielberg natürlich das Kind als Held im Zentrum des Geschehens, sowie satte und kräftige Farben. Alles wirkt ziemlich gekünstelt, dabei lässt sich kaum Kritik an den Effekten finden, die in der Tat dem typisch spielbergschen Standards entsprechen.

Besonderes Highlight des Films ist Teddy, das filmische Beispiel eines Supertoys, der nicht nur knuffig aussieht, sondern auch eine goldige Stimme hat. Paradoxerweise ist Teddy auch die einzige rational denkende Figur in der gesamten Handlung. Sein katastrophales Ende findet Artificial Intelligence schließlich in seinem grotesk-absurden Finale. Sollte der Film so tatsächlich Kubricks Idee gewesen sein, wäre es die Schlechteste gewesen, die er je gehabt hatte. Aber hätte Kubrick den Film inszeniert, wäre er fraglos anders geworden. Vielleicht nicht zwingend unbedingt viel besser, aber sicherlich interessanter. So bleibt Artificial Intelligence der reine Versuch eines großen Regisseurs, die Idee eines anderen großen (größeren?) Regisseurs auf dessen Art und Weise zu verfilmen. Dabei ist das Ergebnis zu sehr Spielberg, um irgendwelche von Kubricks Elementen effektiv zu tragen und funktioniert nicht als Symbiose dieser beiden Männer, welche von ihrer Erzählstruktur so verschieden sind wie Feuer und Wasser. Am Ende ist das Resultat nicht mehr als ein gut gestylter, aber durchschnittlicher Film.

5.5/10