12. Juni 2011

Hanna

I just missed your heart.

Bei all den Stärken, die man Christopher Nolans Inception zu Gute halten kann (er ist, man kann es drehen und wenden wie man will, ein solider Action-Film), funktioniert er wohl nur so richtig, wenn man seine offensichtlichen narrativen Schwächen auszublenden versteht. Wenn das, was man erzählt bekommt, nicht nur keinen Sinn macht, sondern sogar unsinnig ist, muss der style die substance (beziehungsweise deren Logiklöcher) aufwiegen. Ähnlich verhält sich dies auch in Joe Wrights jüngster Auftragsarbeit Hanna, die wohl (bisher) am ehesten der Inception des Filmjahres 2011 ist. Wenn man möchte, ein solider Action-Film (mit stark europäischem Einschlag), der jedoch nur so richtig funktioniert, wenn man seine ganzen narrativen Schwächen auszublenden versteht.

Es lebt also Hanna (Saoirse Ronan) als gentechnisch veränderter Teenie in den verschneiten Wäldern Finnlands, wo man Elche noch selber erlegt. Wenn Hanna einen solchen anschießt, ihn auf einen zugefrorenen See jagt, um ihm dort zu verkünden, dass sie sein Herz verfehlt habe, mutet das weniger wie eine entschuldigende Botschaft denn wie ein sadistischer Hinweis einer Person an, deren Physis zu Gunsten von Empathie verbessert wurde. Aus Gründen, die keiner kennt, wird die friedliche Abgeschiedenheit (die ohnehin selbst gewählt, statt aufgezwungen ist) von der Protagonistin unterbrochen. Gegen den Rat des Vaters (Eric Bana) sucht Hanna den Kontakt zu jener US-Geheimdienstagentin (Cate Blanchett), die für den Mord an ihrer Mutter verantwortlich ist.

Die Agentin Marissa Wiegler reagiert mehr genervt als erfreut, der Vorfall scheint vergessen, die folgende Hatz (für die in grotesker Weise ein blondierter Tom Hollander als Reeperbahn-Kingpin und seine Bande Martial Arts Neo-Nazis engagiert werden) eher das letzte Kapitel eines Buches, das man nie zu Ende gelesen und ganz hinten im Regal einsortiert hatte. Aus Gründen, die keiner kennt, trennen sich Hanna und ihr Vater, um sich aus Gründen, die keiner kennt, in Berlin wieder zu treffen. Über unterschiedliche Wege prügeln und morden sie sich durch Europa, Hanna dabei, zur humoristischen Auflockerung des Publikums, Banden mit einer britischen Familie knüpfend, die irgendwo zwischen narzisstischer Posh-Gegenwart und Alt-68er-Gebarden hängen geblieben zu sein scheint.

Wer nun bereit ist, „die Plausibilität der Ereignisse immer wieder der suggestiven Wirkung des Gezeigten“ unterzuordnen (David Kleingers auf SpOn) wird sicherlich zufriedengestellt und mit „Kunst“ oder „Ultrakunst“ (abhängig vom Rezipienten) belohnt. Ob in diesem Fall der style die fehlende substance rechtfertigt, ist dem Zuschauer selbst überlassen. Wenn sich Saoirse Ronan als Minderjährige durch Europa kloppt, zu Elektro-Gedudel der Chemical Brothers aus den Boxen, gewürzt mit schicken Schnitten und ungewöhnlichen Set-Locations, dann lässt sich das sicherlich als Mainstream-Arthouse deklarieren. Ob jede Form von Arthouse gleich „art“, sprich: Kunst, darstellt, ist eine andere Frage (die im Netz allerdings fast durchgehend mit „ja“ beantwortet wird).

Das lose Handlungsgerüst trägt Hanna jedenfalls nur in den seltensten Fällen und wird auch nicht von ihrem prätentiösen Märchenkonstrukt - in dem sich Cate Blanchett als rothaarige Hexe mit grausigem Deutsch und einem Zahnhygienefetisch inklusive einer klischeehaften „evil Germans“-Entourage anbiedert - entschuldigt. Vielmehr sind die meisten Szenen ungemein anstrengend, am meisten die Marokko-Sequenz mit der absurd-liberalen britischen Familie (Jason Flemyng, Olivia Williams), die damit kokettiert, Coming-of-Age-Elemente zu integrieren, obschon diese albinohafte, asoziale Protagonistin ebenso wenig als Identifikationsfigur funktionieren will, wie die gesamte Vortäuschung einer Geschichte, die den Antrieb für Wrights erste (und hoffentlich letzte) Auftragsarbeit darstellt.

Dabei sind die Bilder teils durchaus gefällig, speziell die Kalter-Kriegs-Optik im grau-biederen Berlin, wie auch der Soundtrack der Chemical Brothers eine willkommene Alternative ist, um dem desinteressierenden Sog der Handlung zu entkommen. Insofern ist das Audio-Visuelle in der Tat die einzig nennenswerte Stärke eines Films, der sich am Ende in seiner vermeintlichen inhaltlich-visuellen Klammer ein letztes Mal ad absurdum führt. Vielleicht ist die Moral dieser Geschichte, dass ein Märchen keine Geschichte haben muss, solange es gefällig (hier: audio-visuell) tradiert wird. Wenn dies jedoch nicht ausreicht, um die Schwächen zu überdecken, hilft auch alles style over substance nichts. Eventuell gilt im Fall von Hanna aber auch einfach: it just missed my heart.

2.5/10

Source Code

Tell me everything is gonna be okay.

Duncan Jones’ jüngstes Werk, Source Code, zählt sicherlich zu jenen Filmen, die am besten funktionieren, je weniger man über sie weiß (was unsere heutige Medienlandschaft zusehends erschwert). Mit (zu Recht) viel Vorschußlorbeeren ging Jones aus seinem Debütfilm Moon nach Hollywood, nur um sein Folgeprojekt - die Blade Runner-Hommage Mute - erstmal auf Eis wandern zu sehen. Stattdessen nahm er sich der Auftragsarbeit Source Code an, die sich über weite Strecken auch als solche anfühlt. Wie bei seinem Vorgänger ist dies zu einem Großteil munteres Zitier-Kino, dabei weniger Groundhog Day als ein unüberlegtes Mischmasch von Genrekollegen wie Twelve Monkeys und Retroactive.

Dementsprechend bietet es sich an, sein Publikum gemeinsam mit seinen Protagonisten direkt in die Handlung zu werfen. Wenn sich Army-Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) plötzlich in einem Personengüterzug Richtung Chicago befindet, ihm gegenüber die ihm fremde Lehrerin Christina (Michelle Monaghan) und im Spiegel das Konterfei eines anderen Mannes, offenbart sich ein gewisses mindfuck-Element. Die kurze Orientierungslosigkeit wird abgelöst von einer Explosion und dem Erwachen in einer zweiten, immer noch fremden Umgebung. Als Agent eines Regierungsprojektes arbeitet Stevens innerhalb des Source Codes, einer Erfindung des mysteriösen Doktors Rutledge (Jeffrey Wright).

Der Source Code ist dabei eine Erfindung, die den Déjà Vu-Fehler macht, sich selbst erklären zu wollen, anstatt ein reines Fluxkompensator-Gimmick zu sein. So kann Rutlegde scheinbar die Gedankenströme einer Person an den letzten acht Minuten eines Verstorbenen teilhaben lassen, was allerdings keine Zeitreise sei, sondern nur eine zeitliche Umstrukturierung. Stevens kann also, einem Avatar gleich, durch die letzten acht Minuten eines Mannes von ähnlicher Statur wandeln und soll nun einen Terrorakt auflösen, der sich am Vormittag ereignet hat. Ziel und Zweck: Den Täter des Bombenanschlags zu identifizieren, da dieser plant, im Laufe des Tages eine zweite Bombe in Chicago hochzujagen.

Indem Jones sein SF-Element zu erklären versucht, raubt er sich und Source Code selbst seiner Stärke, geht doch ein Großteil des ersten Aktes dadurch verloren, dass Vera Farmigas Colleen Goodwin dem perplexen Stevens (und zugleich dem Publikum) die Mechanismen von Rutledges Apparatur nahe bringt. So kommt es, dass dessen „Zeitreisen“ nach den ersten zwei-, dreimal als Kurzmontage verkauft werden, anstatt sich als Actionreiche Variante von Groundhog Day zu versuchen, die ihren Spaß aus den verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten ein und derselben Situation generiert. Wo der Film in die Tiefe gehen sollte, bleibt er folglich an der Oberfläche - und zeigt selbst für diese wenig Interesse.

Was in der ersten Hälfte noch halbwegs spaßig und spannend gerät, strengt nach einer Dreiviertelstunde vermehrt an. Alles muss eine Spur komplexer werden - nur eben nicht auf der Zeitebene des Zugattentats, wo die Aufmerksamkeit eigentlich hingehört. Immer wieder driftet die Handlung ab, zu Stevens Vergangenheit und pathetischem Militärgeplänkel zwischen ihm und Goodwin. Was dem Film auf Dauer Züge eines generell unterhaltsamen Videospiellevels verleiht, dessen nervige Zwischenszenen man nicht wegklicken kann und dessen Prämisse (Bombenattentäter finden ehe Zug explodiert) von einer so unnötigen wie unplausiblen Romanze zwischen Gyllenhaals und Monaghans Figuren torpediert wird.

Die Schlitterfahrt von Source Code endet schließlich in einem missratenen (und, ob der moralinsauren Figuren, fragwürdigen) Ende, den Hollywood-Konventionen folgend, denen sich Jones auch in seinem zweiten Spielfilm noch nicht versagen konnte. So macht der Film in seiner Summe viel zu wenig aus seinen grundsätzlich vorhandenen Möglichkeiten, die er speziell in seiner ersten Hälfte noch (bisweilen erfolgreich) austestet, um sie anschließend entweder zu ignorieren oder bei Seite zu legen. Angesichts seines Ersatzwerkcharakters für den ausgefallenen Mute lässt sich das in Jones’ Œuvre noch tolerieren, dennoch wünscht man sich selbst jemanden, der einem in dieser Situation zuflüstert: everything’s gonna be okay.

5.5/10

8. Juni 2011

Akmareul boatda

Die großen Rächer sieht man nur in Kinofilmen.

Asiaten sind kleine Menschen, heißt es immer. Vielleicht ein Grund, warum sie gerne Filme als Form der Mimikry nutzen. Zumindest präsentieren sie sich in diesen oft als Rächer oder Soziopathen. Besonders vor Südkorea muss einem Angst und Bange werden, betrachtet man Park Chan-wooks Beiträge wie die Rache-Trilogie oder Bakjwi. Aber auch Kim Ji-woons Akmareul boatda, im Westen als I Saw the Devil vertrieben, leistet der südkoreanischen Tourismusbranche nicht gerade große Dienste. Schließlich geben sich hier Vergewaltiger, Serienmörder und Kannibalen auf den Landstraßen die Klinke in die Hand. Schön schräg also, zugleich nicht zimperlich und letztlich durchaus innovativ und unterhaltend.

Auf einer dieser Landstraßen wird zu Beginn des Films Joo-yun (Oh San-ha) Opfer des soziopathischen Frauenmörders Kyung-chul (Choi Min-sik) als sie auf einen Abschleppdienst wartet. Als man ihren Kopf anschließend aus einem Fluss fischt, macht sich Joo-yuns Verlobter, der Geheimdienstagent Soo-hyun (Lee Byung-hun), auf die Suche nach dem Täter. Einige Verdächtige später ertappt er Kyung-chul dann auf frischer Tat, lässt ihn jedoch nach ihrer gewaltsamen Auseinandersetzung nicht nur am Leben, sondern stattet ihn sogar mit Geld aus. Kyung-chul selbst glaubt, per Zufall selbst Opfer eines Soziopathen geworden zu sein, stellt jedoch alsbald fest, dass Soo-hyung ganz andere Pläne für sie beide hat.

Mit viel Vorschusslorbeeren ausgestattet, wird Akmareul boatda seinem guten Ruf weitestgehend gerecht. Einerseits präsentiert Kim einen straighten und keineswegs unblutigen Selbstjustiz-Thriller, andererseits ist sein Film auch durchzogen von schwarzem Humor. Diesen vorweg zu nehmen, würde das Vergnügen trüben, aber mit der oben beschriebenen Ansammlung von Psychopathen und Gestörten - inwieweit Soon-hyun mit der Zeit durch seinen Wahn selbst dazugehört, steht zur Diskussion - und der Tatsache, dass Kim zuletzt einen Film mit dem Titel The Good, the Bad, the Weird gedreht hat, dürfte sich ein generelles Bild einstellen. Zumindest lässt sich bei all den Blutfontänen auch gelegentlich schmunzeln.

Da verzeiht man es dem Film auch, dass er nicht immer sonderlich logisch ist. So erhält Soon-hyun von Joo-yuns Vater, zugleich der Polizeipräsident, eine Liste mit vier Tatverdächtigen, die der Schwiegersohn in spe daraufhin abklappert. Wieso dies nicht die Polizei übernimmt, bleibt ebenso fragwürdig, wie ein späteres, dem Zufall geschuldetes, Wiedersehen von Kyung-chul und einem Soziopathen-Bekannten aus alten Tagen. Das die Prämisse bildende Jagen und Zappeln lassen des Täters, der hierdurch zum Opfer wird, mutet nach wiederholtem Auftreten innerhalb von Akmareul boatda dann etwas redundant an, weshalb die Laufzeit von über zwei Stunden dem Film diesbezüglich nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.

Was über allem steht ist jedoch mal wieder das fast schon manisch anmutende Spiel von Choi Min-sik, der sich bereits mit Parks Oldeuboi und Chinjeolhan geumjassi auszeichnete, und hier den Film als durchgeknallter Kyung-chul alleine schultert. Akmareul boatda lotet hierbei bisweilen gekonnt die Grenzen der Selbstjustiz aus, welche Opfer man zur eigenen Gefühlsbefriedigung akzeptiert und ob dies am Ende nicht mehr Schaden verursacht als Heil. Hätte Kim das als 100-Minüter angelegt, um einige Redundanzen und Längen aus dem Weg zu gehen, wäre sein jüngster Film eine noch rundere Sache geworden. Aber auch so überlegt man es sich zwei Mal, mit wem man auf Südkoreas Landstraßen seine Zeit verbringt.

7.5/10

6. Juni 2011

X-Men: First Class

Go fuck yourself.

Im Kontext der Geschichte war 1962 das Jahr der Kuba-Krise, die die Welt an den Rand des Abgrunds brachte und kurz hinunter schielen ließ. Aber auch das Jahr der US-Bürgerrechte, wurde James Meredith doch am 1. Oktober der erste schwarze Student im Bundesstaat Mississippi, was dort zu Ausschreitungen und zwei Toten führte. Welche Periode als die Sechziger eignete sich also besser in ihrer Zweideutigkeit, um als Bühne für die X-Men-Reihe zu dienen? Schließlich standen die in der Gesellschaft diskriminierten Mutanten dort nicht nur aber auch für die Jahrhunderte lang unterdrückte Minderheit der Afroamerikaner. Umso überraschender daher, dass Matthew Vaughns X-Men: First Class die Bürgerrechtsfrage vollständig negiert.

Stattdessen versucht sich der Film als Charakterexposition für zwei seiner profiliertesten Figuren: Professor X (James McAvoy) und Magneto (Michael Fassbender). Die Freunde und späteren Gegner aus der X-Men-Trilogie werden hier zusammengeführt, aber ohne deswegen gleich zum Kanon zu gehören. Was nicht bedeutet, dass man sich nicht bei diesem bedienen kann. So übernimmt Vaughn das Intro aus X-Men, um seinem eigentlichen Hauptdarsteller seine spätere Motivation zu verleihen. Als Opfer emotionaler Folter trifft der junge Erik Lehnsherr auf einen maliziösen Kevin Bacon, der versucht Deutsch zu sprechen, ohne sich zu verschlucken. Es fallen Schüsse, es sterben Menschen und die Welt ist um einen Größenwahnsinnigen reicher.

Dies führt zum späteren Antrieb von Magneto: Rache und Vergeltung. Über die Schweiz und Argentinien foltert er sich nach Florida, wo er auf die anderen Figuren trifft. Zum Beispiel Moira MacTaggert (Rose Byrne), die von einer schottischen Genetikerin zur Strapse tragenden CIA-Agentin mutiert (nicht buchstäblich). Aber auch Charles Xavier, ein saufender Schürzenjäger, der von Klein auf mit Mystique (Jennifer Lawrence) aufgewachsen ist. Die beiden streben nun danach, den Sebastian Shaws (Kevin Bacon) Hellfire Club aufzuhalten. Was das eigentlich ist, warum Professor X und Mystique zusammen aufwuchsen und wieso CIA-Agentinnen auf Missionen ein kleines Schwarzes drunter tragen, hat das Publikum nicht zu interessieren.

Oder anders gesagt: der Film interessiert sich nicht dafür. Weder für die kleinen Details seiner arg konstruierten Handlung (der Hellfire Club plant den nuklearen Holocaust, weil dann alle Menschen sterben und nur die Mutanten überleben), noch für deren Struktur oder für seine Figuren. Über Professor X erfährt man abgesehen von der Sandkasten-Freundschaft zu Mystique lediglich, dass er stinkreich ist und ihm seine Mama früher keinen Kakao gemacht hat. Des Weiteren ist er für den restlichen Filmverlauf eine gehende Version der Patrick-Stewart-Figur und erhält zwar mehr Leinwandzeit, aber deswegen nicht mehr Charaktertiefe als die übrigen Figuren wie Mystique, Beast, Havok, Banshee, Angel, Riptide, Emma Frost und Konsorten.

Sie alle sind austauschbare Gesichter, deren Auswahl durch Xavier und Lehnsherr man nicht wirklich nachvollzieht. Ein willkürliches Ensemble, da sie für die Erzählung der Geschichte unerheblich sind. Ihre Kräfte sind dabei unterschiedlich von Belang, von geht so (Beast) bis gar nicht (Mystique). Speziell die von Jennifer Lawrence porträtierte Gestaltwandlerin geht völlig unter, was umso bedauerlicher ist, da sie abgesehen von Jason Flemyngs Azazel die einzige (!) Figur repräsentiert, deren Mutation für das bloße Auge sichtbar ist. Und selbst dieses wahre Äußere wird die meiste Zeit über unterdrückt, was sicher auch mit der Maske zu tun hat und allein deswegen dankbar ist, da diese im Vergleich zur Trilogie unfassbar hässlich gerät.

Ein nicht minder großes Ärgernis ist die ADHS-Handlung, die während der ersten 90 Minuten keine fünf am Stück an ein und demselben Ort mit ein und denselben Charakteren verbringen kann. Man fragt sich, warum Vaughn nicht die exorbitante Zahl der langweiligen Figuren reduziert und sich auf zwei bis drei eindringlicher konzentriert hat. Statt dem lahmen Alex Summers (Lucas Till) zum Beispiel dessen Bruder Scott a.k.a. Cyclops (beide verfügen ohnehin über dieselbe Kraft), dazu eine junge Jean Grey und notfalls noch Beast. Man hätte mehr Zeit für weniger Figuren und könnte seine Handlung für 10, 15 Minuten an einem Ort entfalten, ohne dauernd von London nach Argentinien nach Moskau und Las Vegas zu hopsen.

Selbst die zum Ziel gesetzte Entfaltung der Freundschaft von Charles und Erik misslingt, da Vaughn sich ihr mit derselben Aufmerksamkeit widmet wie den übrigen Mutanten. Warum hier eine Freundschaft entsteht, die auch noch in 60 Jahren existiert – berücksichtigt man den semi-kanon-artigen Charakter von X-Men: First Class mit der X-Men-Trilogie – bleibt unklar, hat die Freundschaft doch kaum Raum zur Entfaltung. Letztlich gelang Vaughn ein Film über irgendwie nichts, taugt die Geschichte doch weder über eine divergierende Freundschaft, noch über gesellschaftlichen Rassismus und Diskriminierung. Allenfalls als Analogie auf den Kalten Krieg mit Mutanten als kleinsten gemeinsamen Nenner für Kapitalisten und Kommunisten.

Hinzu kommt ein leicht missratener Look, speziell in der Gestaltung der Mutanten. Dass es die 68 Personen aus dem Make-Up-Department nicht schafften, insbesondere Mystique, aber auch Azazel und Beast ansehnlich umzusetzen, ist erstaunlich und bedauerlich. Auch die visuellen Effekte variieren, von peinlich berührend in der ersten Zurschaustellung der Kräfte von Erik bis solide (mit Abstrichen das Finale). Erfreulich ist dagegen, dass das Endprodukt nicht mit nutzlosem und fehlerhaftem 3D-Effekt in den Kinos startet, wie es heutzutage gang und gäbe ist. Dies könnte jedoch auch damit zusammenhängen, dass es zeitlich einfach nicht mehr für eine Konvertierung gereicht hat. Was bei den unumgänglichen Fortsetzungen anders sein dürfte.

Doch was ist gut an X-Men: First Class oder zumindest besser als an X-Men: The Last Stand und/oder X-Men Origins: Wolverine? Zum einen gibt Kevin Bacon – vom Finale abgesehen – einen gelungenen, charismatischen Antagonisten, der in gewisser Weise tatsächlich eine Bedrohung für die Mutanten und die normale Bevölkerung darstellt. Zum anderen trumpft der Film gelegentlich mit charmanten Ideen auf, seien es Cameos von Figuren und Darstellern aus früheren X-Men-Abenteuern oder etwaige Einbindungen der Mutantenkräfte, die besonders gut in Fassbenders ersten Szenen zum Tragen kommen. Auch das Ensemble schlägt sich wacker, von Bacon über Fassbender bis hin zu den Jungdarstellern der blassen Nebenrollen.

Am Ende reicht das nicht, um die wenig inspirierte und ausgearbeitete Geschichte im Slideshow-Format inklusive unbeachteter Figuren zu überdecken. Dass dann im Abspann Musik von Take That runtergedudelt wird, ist der negative Höhepunkt. Somit setzt Matthew Vaughn, der einst den Trilogie-Abschluss inszenieren sollte (was er sich dann aber nicht zutraute), seine abfallende Karriere seit dem starken Layer Cake bis hin zum mauen Kick-Ass fort. Ein Schicksal, das Bryan Singer, der seiner Zeit Superman Returns den Vorzug gab und hier als ausführender Produzent zurückkehrte, ebenso blüht, wie der gesamten Reihe. Denn auf X-Men: First Class lässt sich ein Zitat aus dem Film münzen: Es ist schlimmer als wir dachten.

4.5/10

4. Juni 2011

Beginners

Eine von Hollywoods goldenen Regeln lautet: Hunde ziehen immer. Süß und knuffig - des Menschen bester Freund eben. Weshalb Mike Mills’ Jack Russell Terrier in dessen Film Beginners punkten dürfte. Ohnehin ist der ganze Film so knuffig und herzerwärmend, ohne dass er deswegen gleich ein Meisterwerk wäre oder lange im Gedächtnis bleibt. Wenn aber zum Hund Frankreichs zarteste Versuchung, Mélanie Laurent, sowie der allzeit sympathische Ewan McGregor und Christopher Plummer als 75-Jähriger, der sein Coming Out erlebt, kommen, kann man dem Film aufgrund seiner charmanten Art nicht böse sein. Die ganze Kritik gibt’s beim Manifest.

7/10

31. Mai 2011

Somos lo que hay

Estas vivo.

Horror is back, baby. Egal ob Vampir oder Zombie, aktuell finden sich die Untoten in so vielen Film- und Serienprojekten wie nie zuvor wieder. Sei es The Walking Dead oder Zombieland, egal ob True Blood, The Vampire Diaries oder Fright Night. Dass da willkommener Platz für Kannibalen ist, dürfte umso verständlicher sein. Allerdings kommt der Horror kaum noch in Reinform daher, lieber als Amalgam und Symbiose verschiedener Genres. Bevorzugt Komödien á la Shaun of the Dead, gerne auch Schmachtfetzen wie Twilight oder Action in Form der bevorstehenden Priest oder Stakeland. Jorge Michel Graus Debütfilm über mexikanische Kannibalen preist sich daher als „konsequentes Arthouse-Kino“ an.

Als in einer Einkaufsmeile in Mexiko-Stadt ein älterer Mann Blut spuckend zusammenbricht, blickt seine Familie plötzlich dem Hungertod entgegen. Die Versuche des ältesten Sohnes, Alfredo (Francisco Barreiro), auf Anordnung seiner Schwester Sabina (Paulina Gaitán) Verantwortung zu zeigen, scheitern - nicht zuletzt dank des aggressiven Verhaltens ihres Bruders Julián (Alan Chávez). Ein Tag bleibt den Brüdern, ein Menschenopfer für das traditionelle Ritual von Mutter Patricia (Carmen Beato) zu finden, lebt die Familie doch vom Kannibalismus. Dieser ist laut Leichenbestatter gar nicht so unverbreitet in der Hauptstadt, weshalb er zwei einfältigen Mordkommissaren die Übernahme des Falls aufschwatzt.

Die herausragende Qualität von Somos lo que hay (dt. Wir sind was wir sind) ist fraglos, dass der Film zuvorderst ein familiäres Sozialdrama ist, das sich eher zufällig um Kannibalen zu drehen scheint. Die Familie selbst ist weit entfernt von anderen Kannibalenfamilien des Horrorgenres wie man sie aus Wrong Turn oder ähnlichen kennt. Grundsätzlich geben sich Sabina, Alfredo und Julián ganz normal, wirken bestens ernährt und bis auf den jüngsten Spross auch alle gelungen in die Gesellschaft integriert. Wäre da nicht der überraschende Tod des Vaters und Familienernährers ein Tag vor jenem Ritual, dessen Bedeutung für Patricia und Co. mehr angedeutet wird, als dass sie für das Publikum wirklich spürbar wird.

Was man Graus Debüt am meisten vorwerfen muss, ist ohnehin, dass dieses relativ selten wirklich eine Atmosphäre zu erzeugen vermag, sowohl in Bezug auf seine Sozialdrama- wie Horror-Momente. Zum einen verzichtet der Film weitestgehend auf eine musikalische Untermalung und lässt gerade in der zweiten Hälfte seine dunklen nächtlichen Bilder für sich sprechen. Da man über die Familie und insbesondere das Ritual jedoch so gut wie nichts erfährt, geht die Dringlichkeit des Ganzen für das Publikum verloren. Geht es der Familie ums Fleisch? Kann sie nicht einfach zum Metzger fahren, schließlich ist ihr gesundes Erscheinungsbild doch Beispiel genug dafür, dass sie sich nicht nur von Menschenfleisch ernährt.

Der Film ist voller solcher Fragen, erklärt doch der Gerichtsmediziner, dass der Vater an einer Vergiftung gestorben ist. Möglich, dass ihn eine der Prostituierten vergiftet hat, die er laut seiner Familie regelmäßig aufgesucht hat. Angesichts des Schocks der Familie, erscheint es unwahrscheinlich, dass einer von ihnen den Vater umbringen wollte. Vieles bleibt im Dunkeln und wird lediglich lose angedeutet, während Somos lo que hay versucht, den Zerfall einer mexikanischen Familie dank einer Extremsituation darzustellen. Einen Tag vor dem Ritual hat der Vater selbst für kein Opfer gesorgt und die Idee, seine Söhne für potentielle Notfälle ins „Familiengeschäft“ einzuweisen, ging ihm wohl ebenfalls ab.

Als Spitze des Eisberges wirkt das Filmfinale nicht nur reichlich konstruiert, sondern auch rasch abgespult. Was hier mit den zuvor zentralen Figuren geschieht, ist einem als Zuschauer relativ egal, da man sich mit keiner der Rollen ansatzweise identifizieren kann. Es passiert, was abzusehen war, weil so das Genre eben funktioniert, auch wenn Graus Film diesem bis dahin weitestgehend die kalte Schulter gezeigt hat. Letztlich ist der realistische Ton von Somos lo que hay sein großer Trumpf, der allerdings nicht darüber hinwegtröstet, dass der Film abgesehen von diesem wenig originell ist und nie wirklich eine Atmosphäre erzeugt. The need to feed als konsequentes Arthouse-Kino kann daher nur bedingt überzeugen.

4/10 - erschienen bei Wicked-Vision

27. Mai 2011

Kurz & Knackig: US-Serien Teil VI

Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors

An action hero’s job is never done.

Es ist bezeichnend, dass Jean-Claude Van Dammes größter Filmerfolg des letzten Jahrzehnts der semi-biographische JCVD aus dem Jahr 2008 war. Dort spielte sich „The Muscles from Brussels“ nicht nur selbst, sondern als Verlierer. Als Gescheiterter, dessen Tochter sich für ihn schämt und der am Ende im Gefängnis landet. Das Resultat waren Lobeshymnen, für den Film wie auch für Van Damme selbst. Schonungslos offen war er und wurde belohnt. Das schien hängengeblieben zu sein, schickt sich Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors doch nun an, wieder das zu sein: ein schonungsloses Porträt eines Schauspielers, dessen beste Zeit lange zurück liegt. Und der seither vor allem auch mit sich selbst kämpft.

In den acht Episoden der von Jason Flemyng kommentierten Serie fliegt Jean-Claude Van Damme zwischen seiner Wohnung in Vancouver, seiner Heimat Belgien, Werbeauftritten in Dubai und Hong Kong bis hin zu Filmsets in Rumänien und der Ukraine hin und her. Gelegentlich skypt er mit seiner Frau Gladys und berichtet ihr dann davon, wie viel er ihr verdankt - was er auch nicht müde wird, in Anwesenheit ihrer beiden Kinder Kristopher und Bianca zu wiederholen. Während JC sich für keinen Film-Cameo zu schade ist, muss er sich mit dem Berufsstress und -ruhm auseinander setzen, sowie müden Knochen und seiner Rückkehr in den Ring gegen Muay Thai Boxer Somluck Kamsing Ende des Jahres 2011.

Angesichts des Lobs zu JCVD scheint Van Damme in seiner von ihm selbst produzierten Miniserie zu viel zu wollen. Er weint angesichts des Zustands unseres Planeten, er weint angesichts der wenigen Zeit und Ruhe, die ihm und seinen vielen Hunden gewährt wird und er weint aus anderen Gründen. Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors bewegt sich auf einem semi-authentischen Pfad, wo viel gespielt scheint (man achte auf manche Reaktionen von Familienmitgliedern), aber durchaus auch vieles real ist. So gibt JCVD (der stets Mützen und T-Shirts mit seinen Initialen trägt) in der besten Folge, Dubai, nicht nur begangene Fehler zu, sondern auch, dass er seine Haare färbt und ein mäßiger Schauspieler ist.

Die Filterung von Drama und Dokumentation fällt bisweilen schwer, wie auch eine klare Ordnung des Geschehens. So untermauert Van Damme zwar die Wichtigkeit des Kamsing-Kampfes (er will den - augenscheinlich nie verlorenen - Respekt seiner Kinder zurückgewinnen), trainiert jedoch so gut wie nie für diesen. Während die Überbetonung von Gladys’ Rolle etwas redundant und aufgesetzt gerät, wirkt zumindest die Zuneigung zu seinen Hunden authentisch. Die Serie selbst ist fraglos an die eigenen Fans gerichtet, die ihrem großen Idol der Achtziger etwas näher kommen, was allerdings nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Serie leider viel zu sehr (und viel zu schlecht), versucht, die Stärken von JCVD zu kopieren.

5.5/10

Community - Season Two

Just go with this.

Dass Fernsehen das neue Epizentrum qualitativer Unterhaltungserdbeben in den USA ist, lässt sich seit Jahren feststellen. Drama-Serien wie Breaking Bad oder Mad Men losen Jubelstürme aus, gefolgt von anderen Kritikerlieblingen wie Boardwalk Empire oder auch Community. Letztere erhielt nicht nur Lob von Seitens der britischen Empire, sondern auch metaphorisches Schulterklopfen der Jungs von Red Letter Media. Eine der wenigen kritischen Stimmen fand sich vor einem Monat auf diesem Blog, eingestehend, dass die Serie zwar unter ihren Möglichkeiten bleibt, aber Ansätze von Brillanz zeigt und wie ihre Figuren grundsätzlich sympathisch ist. Umso erfreulicher, dass sich Community im zweiten Jahr gesteigert hat.

Der Spanischkurs des Vorjahres wird eingetauscht durch eine Anthropologie-Klasse, nachdem die Sommerferien etwas die angespannte Stimmung zwischen Jeff (Joel McHale), Britta (Gillian Jacobs) und Annie (Alison Brie) gelüftet haben. Mit dem exzentrischen Verhalten von Pierce (Chevy Chase), sowie den anbiedernden Avancen von Chang (Ken Jeong), vom Dozenten zum Studenten degradiert, stehen der Gruppe - insbesondere Shirley (Yvette Nicole Brown) - ganz andere Probleme bevor. Für die Popkultur-Junkies Abed (Danny Pudi) und Troy (Donald Glover) eher Randaspekte in einem Jahr voller gebrochener Knochen, Nervenzusammenbrüche, ungeplanter Geburten…und natürlich Paintball.

Lange macht Community da weiter, wo sie aufgehört hat: auf unterdurchschnittlichem Niveau. Erst Conspiracy Theories and Interior Design, die zweitbeste Folge der zweiten Staffel, knüpft an den Anarcho-Charakter einiger Vorjahresfolgen an. Dennoch versprühte die erste Hälfte der jüngsten Staffel wenig Hoffnung, steigerte sich jedoch im Laufe des Jahres. Zum Problem werden wieder mal die bisweilen unverständlichen Figuren. Mal um Mal wird Pierce aus der Lerngruppe geworfen, Mal um Mal nimmt man ihn (aus Gründen, die weder der Zuschauer noch die Figuren kennen) wieder auf. Etwaige romantische Paarungen von Troy und Britta, Britta und Jeff oder Annie und Abed tragen hierzu ihr Übriges bei.

Immerhin lässt sich konstatieren, dass Dan Harmons Serie ihr Potential dieses Jahr gelungener ausschöpft. War das Highlight in der ersten Staffel die Paintball-Folge Modern Warfare, lässt man dieses Mal gleich eine Doppel-Paintball-Folge ausstrahlen. A Fistful of Paintballs (im Sergio-Leone-Stil) ist dabei erneut perfekte Unterhaltung, während das Staffelfinale For a Few Paintballs More (eine Star Wars-Hommage) die Bronzemedaille gewinnt. Zum heimlichen Star avanciert vermehrt Dean Pelton (Jim Rash), aber auch tertiäre Figuren wie Magnitude (“Pop pop!“) bereiten viel Vergnügen. Der Trend von Community zeigt also nach oben und hoffentlich gibt es auch im dritten Jahr wieder ein Paintball-Turnier.

7/10

The Vampire Diaries - Season Two

I’d be extra nice to me right now.

Im vergangenen Serienjahr war Kevin Williamsons Romanadaption The Vampire Diaries für den Teenie-Sender The CW die positive Überraschung gewesen. Ein stimmiges Mittelding zwischen dem nudistischen Trash eines True Blood und der reaktionären Blässe der Twilight-Filme. Die große Stärke der Serie war dabei das Dreiecksverhältnis seiner Titelfiguren, welches im Laufe der zweiten Staffel sogar durch einen „Neuzugang“ auf eine zweite Ebene projiziert wurde. Ohnehin wird der dramatische Faktor nochmals verstärkt, als sich zu der einstmalig kleinen Gruppe Eingeweihter immer mehr neue Gesichter gesellen, was gerade im letzten Drittel allmählich fast schon Ausmaße von Tabula Rasa anzunehmen beginnt.

Ehe nach den Vorfällen des Founder’s Day Ruhe einkehren kann in Mystic Falls, erscheint Elenas (Nina Dobrev) Doppelgängerin, Vampirin Katherine (Nina Dobrev), auf der Bildfläche. Jener Doppelgängerstatus ist es, der für Elena zum Damoklesschwert wird in der zweiten Staffel, soll sie doch einer rituellen Opferung dienen, die angeblich den jeweiligen Fluch von Vampiren und Werwölfen durchbricht. Grund genug für die Vampir-Brüder Stefan (Paul Wesley) und Damon (Ian Somerhalder), sich gemeinsam mit der inzwischen eingeweihten Hexe Bonnie (Katerina Graham), Elenas Bruder Jeremy (Steven R. McQueen) und Anderen gegen Urvampir Klaus zu stellen, der diesen Fluch zu brechen anstrebt. Soweit, so Blut gut.

Besonders in den Auftaktepisoden der zweiten Staffel knüpft Williamsons Serie an die Stärken des Vorjahres an. Durch den Zuwachs von Katherine ergibt sich ein zweifaches Dreiecksverhältnis mit Damon als doppeltem Verlierer. Der Mondstein-Fluch, den Urvampir Klaus sowie eine Handvoll Werwölfe brechen wollen, ist zwar ein interessantes Thema des zweiten Jahres, allerdings auch eines, das reichlich redundant ausfällt, wenn immer mehr Charaktere auf der Bildfläche erscheinen. Zugleich werden auch verstärkt Einwohner von Mystic Falls hinter den Vorhang gebeten, wenn im Laufe der Staffel Tyler (Michael Trevino), Matt (Zach Roerig) und Jenna (Sara Canning) die Wahrheit über ihre Stadt in Erfahrung bringen.

Das hat zur Folge, dass gerade das letzte Drittel rund um die ganzen eingeweihten Figuren und das inzwischen durchgekaute Klaus-Thema relativ beliebig erscheint und nur bedingt derart Spannung erzeugen kann, wie die Auftaktfolgen. Die überzeugendsten Episoden sind hier Masquerade und The House Guest, grundsätzlich wäre die zweite Staffel wohl runder geworden, hätte man auf bis zu sechs Folgen (zum Beispiel The Descent) verzichtet. Welche Wege The Vampire Diaries im dritten Jahr beschreiten wird, bleibt nach den Entwicklungen der finalen Folgen offen (New Moon und die dritte Staffel von True Blood lassen grüßen). Das die Serie sich, wenn auch minimal, zu steigern wusste, ist jedoch vielversprechend.

7.5/10

Chuck - Season Four

Come with me if you want to live.

Bisweilen gibt es auch noch Nova im Fernsehgeschäft. Beispielsweise Chuck, jene bei Bloggern extrem beliebte Agenten-Comedy-Serie von Josh Schwartz, die nach jeder Staffel um eine Erneuerung kämpfen musste - bis zu diesem Jahr. Kein in der Luft hängen, keine Fan-Petition. Dass Chuck im Herbst in ihr fünftes Jahr geht, gilt als sicher und dürfte bei Beteiligten wie Fans für Aufatmen gesorgt haben. Zugleich war Chuck auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich manche Serien über die Jahre hinweg zu steigern verstehen. War die erste Staffel noch ganz charmant, allerdings nicht wirklich gut, gelang im zweiten und dritten Jahr jeweils ein Sprung nach vorne - um nun wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen.

Im vierten Jahr dreht sich alles um Chucks (Zachary Levi) verschollene Mutter (Linda Hamilton), die als Undercover-Agentin die Firma des Waffenhändlers Alexei Volkoff (Timothy Dalton) infiltriert hat. Hin und hergerissen zwischen der vermeintlichen Loyalität seiner Mutter muss Chuck auch mit einem Heiratsantrag an Sarah (Yvonne Strahovski) klarkommen, während Casey (Adam Baldwin) nicht nur Morgan (Joshua Gomez) als Schwiegersohn in spe ertragen muss, sondern sich auch innerhalb seines Teams als fünftes Rad am Wagen fühlt. Ellie (Sarah Lancaster) und Awesome (Ryan McPartlin) heißen derweil ihre Tochter willkommen und nehmen Forschungen von Ellies verstorbenem Vater auf.

Nachdem Chuck sich lange nicht sicher war, ob er das Intersect nun haben wollte oder nicht, bewegt sich Chuck dieses Jahr zumindest auf einem harmonischen Level der Akzeptanz des Agentendaseins. Hinzu kommen mit Hamilton und Dalton zwei Nebendarsteller, die das Ensemble in vielen Folgen erweitern und namhafte Gaststars wie Dolph Lundgren, Eric Roberts, Robert Englund, Robin Givens oder Ray Wise (also eher B-Stars, aber von diesen eine Menge). Das ist zwar abwechslungsreich, über die Dauer von 24 Folgen jedoch auch sehr anstrengend, da vor allem die Volkoff-Storyline, später ergänzt durch dessen Tochter (Lauren Cohen), über die gesamte Staffel hinweg kaum ihre Spannung aufrecht erhält.

Ohnehin verdeutlicht die Ablösung Volkoffs von Fulcrum, das selbst The Ring ersetzt hat, die Orientierungslosigkeit der Serie. So gesehen begeht Chuck im vierten Jahr einen Rückschritt zurück zur Qualität seiner Anfänge (lediglich die morbide Folge Chuck Versus the Fear of Death mit Summer Glau und Richard Chamberlain ragt positiv heraus), worüber auch die vielen Filmreferenzen (von Die Hard, über Terminator bis zu A New Hope) nicht hinweg täuschen. In Kombination mit dem schwachen Staffelfinale und seinem uninspirierten, aber Richtungsweisenden „Cliffhanger“ stehen der Serie schwere Zeiten bevor, die zumindest ich nach diesem Qualitäts- und Kreativitätsverlust wohl ab Herbst nicht mehr mit begleiten werde.

6.5/10

How I Met Your Mother - Season Six

Aw, man!

Das abschließende Urteil zur fünften Staffel von How I Met Your Mother lautete im vergangenen Jahr: Stagnation. Und die Frage, wie lange die Serie so noch weitermachen kann? Den Showrunner zufolge zumindest bis 2013. Das Spiel mit der Suche nach der Mutter wird also noch zwei Jahre (oder drei, die sechste Staffel mitgerechnet) weiter gespielt - obschon es bereits eintönig geworden ist, Ted Mosbys Kinder (mit einer ewig jungen Lyndsy Fonseca) zu Beginn einer Folge eine Geschichte zu erzählen, die mit deren Mutter eigentlich nichts zu tun hat. Dass sich dieses Friends-2.0 dennoch auch nach sechs Jahren noch nicht zu schade ist, seine schwache Prämisse weiterhin als Aufhänger zu nehmen, ist bezeichnend.

Als übergreifendes Thema dient dieses Jahr der Bau des neuen GNB-Gebäudes durch Ted (Josh Radnor) und dessen darauf aufbauende Auseinandersetzung mit der Aktivistin Zoey (Jennifer Morrison), die ein heruntergekommenes Gebäude, das hierzu abgerissen werden soll, zu retten anstrebt. Lily (Alyson Hannigan) und Marshall (Jason Segel) versuchen unterdessen an ihrer Kinderplanung zu arbeiten, während Robin (Cobie Smulders) allerlei Beziehungsprobleme hat und Barney (Neil Patrick Harris) nach langen Jahren endlich auf seinen leiblichen Vater (John Lithgow) trifft. Hinzu kommen gescheiterte Ehen, langjährige Flüche, Todesfälle in der Familie und eine alte kanadische Teenie-Fernsehserie.

Wenn eine Serie ihre beste Episode gleich zu Beginn verballert - in diesem Fall: Big Days -, dann lässt das (im Gegensatz zu Southland, wo dies Tradition ist) wenig Hoffnung für die verbleibenden Folgen zu. Und in der Tat sind die einzigen Episoden, die sich ebenfalls etwas abheben, Folgen mit eigenem Antrieb (Glitter/Blitzgiving), während sich besonders die GNB-Arcadia-Handlung, die von Anfang bis Ende die sechste Staffel durchzieht, als Fehlschuss entpuppt. How I Met Your Mother macht von Beginn an klar, dass es dieses Jahr um alles geht, außer darum, wie Ted seine Frau kennengelernt hat. Was wieder mal untermauert, dass die Serienprämisse schon lange keine Bedingung mehr für deren Bestehen ist.

Im Vergleich zum Vorjahr halten sich Gastdarsteller eher rar, von Nicole Scherzinger, Jorge Garcia, Kyle MacLachlan, Katy Perry, John Lithgow sowie (besonders nervig und untalentiert) Jennifer Morisson abgesehen. Wirklich an Fahrt gewinnt die sechste Staffel ebenfalls nicht, was besonders dann auffällt, wenn die Figuren davor zurückschrecken, sich weiterzuentwickeln (siehe Barney-Nora). Die Folge ist ein Einbruch der Serie von fast einem Punkt seit der vierten Staffel. Ein Trend, der nach unten zeigt, bedenkt man, dass die sechste die bisher uninteressanteste und schlechteste Staffel der New Yorker Freunde darstellt. Bei zwei offenen Staffeln geht das Finden der Mutter also noch bis 2013 weiter.

7/10

Breaking In - Season One

You just got Oz-ed…possible catchphrase.

Im nordamerikanischen Fernsehen sind Midseason Replacements oft eine Art Ersatzspieler, der seinen Einsatz erhält, wenn eine Stammkraft plötzlich nicht mehr zum Zuge kommt. Ein Lückenfüller also, der bisweilen, siehe The Office, auch zum festen Bestandteil eines Senders werden kann, wenn sich eine Fanbase einstellt. Besonders hip sind, wie am Beispiel The Office zu sehen, Workplace-Komödien, zu denen auch Parks and Recreation (siehe unten) oder Workaholics zählen. Mit Breaking In kam dieses Frühjahr eine weitere solche Serie hinzu, die aus der Feder von Adam F. Goldberg (Fanboys) und Seth Gordon (The King of Kong) stammt, und sich um eine Sicherheitsfirma voller schrulliger Figuren dreht.

Der Langzeit-Student und Hacker Cameron (Bret Harrison) wird nach Aufdeckung seiner Computervergehen an seiner Universität von “Oz“ Osbourne (Christian Slater) für dessen Sicherheitsfirma Contra Security angeworben. Dort stellt er seine Dienste wie die Einbrecherin Melanie (Odette Annable), der Tarnungsexperte Josh (Trevor Moore) und Techniktüftler Cash (Alphonso McAuly) der Sicherheitsüberprüfung von Firmen und anderlei Einrichtungen zur Verfügung. Kompliziert wird das Ganze jedoch, als Cameron sich Hals über Kopf in Melanie verliebt, diese aber bereits mit dem etwas naiven Dutch (Michael Rosenbaum) liiert ist und dieser letztlich sogar ebenfalls zum Angestellten von Oz avanciert.

Mit seiner Pilot-Folge legte Breaking In einen furiosen Start hin und verbreitete ein leichtes Versprechen, ein Nachfolger von Scrubs sein zu können. Allerdings vermochte nur White On White On White ebenso unterhaltsam auszufallen, was jedoch nichts daran ändert, dass Goldbergs und Gordons Serie eine der Überraschungen dieses Serienjahres ist. Die Figuren sind ob ihrer Schrulligkeit ausgesprochen liebenswürdig geraten, sei es Ultra-Nerd Cash (“Boom goes the dynamite!“) oder der über-Jock Dutch, der von Smallville-Lex Luthor Michael Rosenbaum mit viel Spaß am Spiel porträtiert wird. Der auf Oneliner reduzierte Christian Slater und die scharfe und talentierte Odette Annable komplettieren das Bild.

Harrison wiederum ist eine dankbare Identifikationsfigur in der schrägen Welt von Contra Security, die zudem von Alyssa Milano, Ted McGinley und Mike Tyson besucht wird. Besonders im Gedächtnis bleiben die kreativen Ideen der Autoren, die meist dem allwissenden und allgegenwärtigen Slater auf den Leib geschrieben werden. Dass sich dieser im Komödienfach (Kuffs und Heathers lassen grüßen) besser schlägt als beim Drama (siehe My Own Worst Enemy), zeigt sich eindrucksvoll. Nach sieben Folgen wurde die Serie jedoch von Fox nicht für eine zweite Staffel verlängert, allerdings lassen gegenwärtige Verhandlungen mit Sony Television darauf hoffen, dass Breaking In eine zweite Staffel erhält.

7.5/10

The Big Bang Theory - Season Four

If ifs and buts were candy and nuts, we’d all have a merry Christmas.

In den vergangen Monaten war Chuck Lorre zumindest indirekt in der Presse vertreten als „Verlierer“ und „Clown“ - so die Worte von Charlie Sheen. Dieser war Star von Amerikas erfolgreichster Fernsehserie: Two and a Half Men. Zumindest bis Sheens Sex- und Drogeneskapaden zu seinem Rauswurf führten. Viel Lärm um Nichts, müssten sich da die Beteiligten von Lorres anderer Sitcom, The Big Bang Theory, denken. Deren Quote wuchs im Laufe ihrer drei Staffeln stetig und befindet sich nur wenige Millionen Zuschauer hinter Two and a Half Men. Umso erfreulicher für Lorre, dass von seinen Nerd-Darstellern rund um Emmy-Preisträger Jim Parsons kaum einer durch Sex- und Drogenexzesse auffallen dürfte.

Nach drei Jahren Nerdlore erhält die Show nunmehr verstärkt weiblichen Zuwachs. Sheldon (Jim Parsons) beginnt auf Initiative seiner Freunde eine primär wissenschaftlich und sekundär soziale Verbindung zur Neurobiologin Amy Farrah Fowler (Mayim Bialik), während Howard (Simon Helberg) wiederum eine nunmehr feste Liaison mit Mikrobiologin Bernadette (Melissa Rauch) eingeht. Unterdessen müssen Penny (Kaley Couco) und Leonard (Johnny Galecki) mit dem Ende ihrer Beziehung klarkommen, während Letzterer eine alte Affäre mit Priya (Aarti Mann) aufwärmt - der Schwester von Rajesh (Kunal Nayyar). Zusätzlich: Sex und Diebstahl in der World of Warcraft, sowie die Rückkehr von Wil Wheaton.

Obschon gerade die Figuren von Rauch und Bialik nicht minder nerdig sind als die Jungs, verlässt The Big Bang Theory im vierten Jahr nun etwas die Gefilde der Nerdlore. Mit mehr oder weniger drei der Wissenschaftler in Beziehungen verankert, erhält das Thema des Sex und seiner Komplikationen auch vermehrt Einzug in die Welt von Chuck Lorre und Bill Prady. Gerade im letzten Drittel manifestiert sich dies in Eifersuchtsszenen zwischen Penny und Priya, was glücklicherweise jedoch nicht bedeutet, dass die Serie ihren Humor zurückschraubt - sie wandelt ihn einfach ab. So wird durch Priyas Anwesenheit zum Beispiel dem WG-Abkommen von Leonard und Sheldon mehr vergnügliche Aufmerksamkeit zuteil.

Besonders erfreulich ist zudem, dass nach dem Einbruch der dritten Staffel nun wieder eine Steigerung zu verzeichnen ist. Höhepunkte des vierten Jahres sind die Folgen The Wildebeest Implementation und The Robotic Manipulation, mit gelungenen Gastauftritten von Wheaton, Eliza Dusku, Keith Carradine und LeVar Burton. Lediglich ein leicht abbauender Mittelteil trübt das positive Bild der gelungensten Comedy-Serie 2010/11, die sich etwas unrühmlich mit einem müden und für Serien vorhersehbaren Cliffhanger im Staffelfinale bis Herbst verabschiedet hat. Nichtsdestotrotz ist The Big Bang Theory weiterhin wohl das Highlight im Comedy-Fach und der lebende Beweis, dass Chuck Lorre alles, aber kein Verlierer ist.

8/10

Grey’s Anatomy - Season Seven

Things don’t go the way we want them to.

Es liegt wohl daran, dass Serien einen Mikrokosmos darstellen, dass über kurz oder lang die Figuren einander sexuelle herumgereicht werden wie Appetizer auf einem Galaabend. Etwas, das sich auch der Einfachheit halber als Melrose Place-Syndrom benennen lässt und das kaum eine Serie so exaltiert betreibt, wie Shonda Rhimes’ Ärztedrama Grey’s Anatomy. Ohnehin ist das Bild von Ärzten durch US-Serien wie Chicago Hope oder ER davon geprägt, dass Ärzte ihre sexuellen Kontakte einzig in der eigenen Abteilung ausfindig machen. Ein Sozialleben außerhalb des Krankenhauses scheint nicht existent. Dementsprechend schwer hat es eine Serie, die ein derartiges Bild seit sieben Jahren aufrecht erhält.

Nach dem Amoklauf des Vorjahresfinales liegen die Nerven blank im Seattle Grace. Während sich die meisten Ärzte um Meredith (Ellen Pompeo) verhältnismäßig schnell fangen, rutscht überraschend gerade Cristina (Sandra Oh) in ein emotionales Loch. Ansonsten ist es das Jahr der klinischen Versuchsreihen, intendiert Derek (Patrick Dempsey) doch Alzheimer zu heilen, während sich Webber (James Pickens, Jr.), im Laufe der Staffel wieder zum Chief befördert, an Diabetes versucht. Zentral sind jedoch weiter die Beziehungen der Ärzte zueinander, so wie Callie (Sara Ramirez), die sich, von Sloan (Eric Dane) schwanger, mit Arizona (Jessica Capshaw) versöhnt, während Sloan Lexie (Chyler Leigh) vergrätzt.

Um alle Affären und Romanzen aufzuzählen, bedürfte es eines eigenen Reviews, grundsätzlich bleibt es bei der Beschreibung des Vorjahres, dass Grey’s Anatomy ein „riesiger Swinger-Klub“ ist. Was in den ersten Staffeln noch vergnüglich war, wird nun allmählich merklich ermüdend da unrealistisch, wenn jede der Figuren mit einem Kollegen verheiratet oder liiert ist. Ähnlich scheint es auch den Zuschauern zu gehen, die nach dem in der vierten Staffel eingesetzten Quotenrückgang die Serie nach dem Tiefpunkt der sechsten Staffel nochmals abstraften. Auch Versuche wie die Musicalfolge Song Beneath the Song, anbei bemerkt der Tiefpunkt der gesamten Serie, dürften kaum eine Wende herbeiführen.

Die Staffel ist dabei solide, obschon sie im Vergleich zu den beiden Vorjahren erneut abbaut. Höhepunkt ist Disarm, wenn thematisch passend die Konsequenzen eines externen Amoklaufs im Seattle Grace Einzug erhalten. Bisweilen ist Grey’s Anatomy, dieses Jahr mit Gastdarstellern wie Scott Foley oder Jamie Chung, also immer noch emotional ergreifend, schafft es allerdings nicht, seine Figuren wie Karev (Justin Chambers) wirklich weiter zu entwickeln. Das große Ensemble mit 14 Sprechrollen schlägt sich gut (besonders Kevin McKidd, aber auch Sarah Drew), kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Rhimes’ Dramaserie langsam das Drama ausgeht. Denn inzwischen hat jeder mit jedem geschlafen.

7/10

The Office - Season Seven

You know this isn’t real TV, right?

Für gewöhnlich gibt es in Fernsehserien immer eine/n Darsteller/in, der/die über kurz oder lang Angebote für Kinoproduktionen erhält und letztlich ihrer Durchbruchsserie Lebewohl sagt. Egal ob diese Personen nun George Clooney (ER), Jennifer Aniston (Friends), Katherine Heigl (Grey’s Anatomy), David Duchovny (The X Files) oder Steve Carell heißen. Letzterer sah es nach Filmerfolgen mit Get Smart oder Date Night nicht für nötig, seinen auslaufenden 7-Jahres-Vertrag für die Workplace-Comedy The Office zu verlängern. Weshalb es nach sieben Jahren und 137 Folgen in einer Doppelepisode hieß: “Goodbye Michael“. Ein Abschied, von dem sich ab Herbst zeigen wird, ob er verkraftet und überlebt werden kann.

Mit der Übernahme von Dunder Mifflin gilt es sich in Scranton an den neuen Arbeitgeber anzupassen. Oder auch nicht, treibt Michael Scott (Steve Carell) doch weiterhin seinen typischen Unsinn, der neue Nahrung erhält, als in der Mitte der Staffel vorübergehend seine alte Flamme Holly (Amy Ryan) zurückkehrt. Jim (John Krasinski) und Pam (Jenna Fischer) sind derweil mit der Erziehung ihrer kleinen Tochter beschäftigt und mit dem Liebesdreieck zwischen Erin (Ellie Kemper), Andy (Ed Helms) und Gabe (Zach Woods) bahnt sich eine neue Romanze rund um die Sekretärin an. Dwight (Rainn Wilson) versucht unterdessen alles, um nach Michaels Abschied zum neuen Regional Manager seines Arbeitgebers aufzusteigen.

Die gute Nachricht vorab: The Office steigert sich, wenn auch minimal, nach dem extremen Einbruch der sechsten Staffel im Vorjahr. Von der früheren Klasse der dritten und vierten Staffel ist Greg Daniels’ Sitcom jedoch weiterhin weit entfernt. Es zeigt sich verstärkt, dass der Serie langsam die Ideen ausgehen, beispielhaft in der drastischen Abnahme von Scherzen, die Jim seiner Nemesis Dwight spielt. Ohnehin versprühen er und Pam als geerdete Eltern kaum noch Romantik, weshalb Erin und Andy ziemlich offensichtlich als Ersatz angeboten werden. Nur vereinzelt zeigen sich Momente früherer Stärke, wie in dem Staffelhöhepunkt Classy Christmas, in dem Dwight an Jim lang aufgestaute Rache nimmt.

Ansonsten überzeugen gelegentlich charmante Ideen wie WUPHF.com oder Threat Level Midnight, ein Qualitätsanstieg macht sich jedoch erst gegen Ende und mit dem Übergang von Michael zu seinem Interimsnachfolger Deangelo (Gaststar: Will Ferrell) bemerkbar. Ob dies auch in der achten Staffel der Fall sein wird, darf aber bezweifelt werden. Es scheint, als ginge The Office immer mehr die Puste aus und mit Rainn Wilson (Super) steht bereits der nächste Darsteller vor dem Sprung ins Kinogeschäft, was der inzwischen sehr schwachbrüstigen Sitcom (selbst das vor Gaststars wie James Spader, Ray Romano, Jim Carrey und Ricky Gervais überquellende Staffelfinale konnte nicht überzeugen) den Todesstoß versetzen würde.

7/10

Parks and Recreation - Season Three

Snitches get stitches.

Wie bereits in The Office erhält auch Greg Daniels’ zweite Workplace-Sitcom Parks and Recreation im dritten Jahr eine Frischzellenkur. Paul Schneider verabschiedete sich zu Gunsten seiner Filmkarriere, neu hinzu kamen stattdessen Rob Lowe und Adam Scott, die zugleich als neue love interests der beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen Amy Poehler und Rashida Jones fungieren dürfen. Der Abschied von Schneider und das gefragte Interesse der Filmbranche an Jones und Aziz Ansari wirken jedoch bereits als ein Damoklesschwert über der Serie, bei der sich auch angesichts des Staffelfinales die Frage stellt, ob sie nach der vierten Staffel noch das Zeug hat, für weitere Jahre zurück zu kehren.

Das Haushaltsbudget der kleinen Stadt Pawnee im US-Bundesstaat Indiana ist knapp, was Leslie Knope (Amy Poehler) jedoch nicht davon abhält, das einst beliebte Erntefestival zurück ins Leben zu rufen. Inzwischen weiß sie sich ganz gut mit ihren Vorgesetzten Chris (Rob Lowe) und insbesondere Ben (Adam Scott) zu arrangieren. Ron Swanson (Nick Offerman) hingegen will einfach nur seine Ruhe haben, während sich Tom (Aziz Ansari) verstärkt als Entrepeneur versucht und neben einem eigenen Nachtklub auch ein eigenes Parfüm zu entwickeln beginnt. Unterdessen betritt Ann (Rashida Jones) wieder das Singledasein, das wiederum April (Aubrey Plaza) und Andy (Chris Pratt) durch eine spontane Hochzeit verlassen.

Nachdem die Sitcom in ihrem zweiten Jahr durch die vervierfachte Episodenzahl einen Qualitätsverlust erlitt, kommt ihr eine diesjährige Reduktion auf lediglich 16 Episoden - was allerdings eher Poehlers Schwangerschaft geschuldet war - positiv zu Gute. Mit Leslies Bestreben, trotz Finanzeinbußen ihren Bürgern etwas bieten zu wollen, hat die Show neben den romantischen Verwicklungen einen glaubhaften und passend umgesetzten thematischen Anstrich erhalten. Die Folge sind jedoch einige Redundanzen, die speziell Lowes optimistischen Gesundheitsfanatiker Chris, sowie Leslies und Bens Gefühle zueinander betreffen. Aber auch die anstrengende Liaison von April und Andy kann auf Dauer nerven.

Der starken Auftaktepisode folgt ein Abfall, der erst gegen Ende der zweiten Hälfte wieder aufgefangen wird. Hier erlebt die Serie mit The Fight und einem alkoholgeschwängerten Abend der Angestellten in Toms Diskothek ihren diesjährigen Höhepunkt. Gastdarsteller machen sich im Vergleich zur zweiten Staffel rar, lediglich Parker Posey gibt sich hier in der ebenfalls sehenswerten Folge Eagleton die Ehre. Es ist also erfreulich, dass sich Parks and Recreation wieder etwas konsolidiert hat. Welcher Weg jedoch inhaltlich wie personell nach dem (enttäuschenden) Staffelfinale bevorsteht, bleibt allerdings abzuwarten. Vielleicht wäre einer finalen vierten Staffel vor einem planlosen Versiechen der Vorzug zu geben.

7.5/10

Happy Endings - Season One

Cos that’s how I Jane.

Die Formel, dass eine Gruppe Freunde die optimale Rezeptur für eine Sitcom ist, hat in den neunziger Jahren Friends zur Perfektion gebracht und zu etwaigen Ablegern wie How I Met Your Mother oder nun Happy Endings geführt. Letztere Serie gehörte zu den diesjährigen Midseason Replacements, im Gegensatz zu Breaking In wurde die Show von David Caspe jedoch - trotz niedrigerer Quoten - sofort für eine zweite Staffel ab September verlängert. Die Konzeption der Serie ähnelt dabei in gewisser Weise How I Met Your Mother, findet im Ensemble doch eine Symbiose zwischen bekannten TV-Darstellern wie Eliza Coupe oder Elisha Cuthbert und unverbrauchten Gesichtern wie Casey Wilson und Adam Pally statt.

Am Tag ihrer Hochzeit entscheidet sich Alex (Elisha Cuthbert) spontan, nicht ihren langjährigen Freund Dave (Zachary Knighton) zu heiraten und lässt ihn neben den gemeinsamen Freunden am Traualtar stehen. Ein paar Wochen später entscheiden sich die beiden zum Wohl der Clique ihre Differenzen zu begraben und Freunde zu bleiben. Während Dave zu ihrem homosexuellen Freund Max (Adam Pally) zieht, stürzt sich Alex mit Freundin Penny (Casey Wilson) ins Nachtleben und auf Männerjagd. Das Ehe-Aus der beiden Freunde sorgt unterdessen beim einzig verheirateten Pärchen der Gruppe, Alex’ Schwester Jane (Eliza Coupe) und Brad (Damon Wayans, Jr.), für Bestandszweifel an der eigenen Beziehung.

Ähnlich wie Breaking In zählte Happy Endings zu den positiven Überraschungen des Jahres, auch jenseits ihres Midseason Replacement Status’. Obschon das ganze Ensemble Erfahrungen mitbringt, von Coupe (Scrubs) über Cuthbert (24) bis zu Knighton (FlashForward) und Wilson (Saturday Night Live), sind die meisten von ihnen weitestgehend unverbraucht und damit eine willkommene Abwechslung. Hierbei steht Pallys in der Popkultur verhafteter moppeliger Schwule im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber auch Damon Wayans, Jr. beweist, dass mehr Komödientalent in ihm steckt, als im Wayans-Film Dance Flick zu sehen war, während Coupe ihren in Scrubs gezeigten Aufstieg untermauert.

Großer Pluspunkt der Sitcom ist neben der Chemie ihrer Darsteller die Vielfalt an Ideen, sowohl in narrativer wie dialogtechnischer Sicht. Am gelungensten fallen hier die Episoden The Quicksand Girlfriend und Mein Coming Out aus, während sich die Serie ein bisschen selbst im Weg steht, da man sich dazu entschloss, die Folgen nicht in produzierter Chronologie zu senden, weshalb bisweilen Anschlussfehler, speziell im Bezug auf die angespannte Beziehung zwischen Dave und Alex, entstehen. Dennoch präsentierte sich Happy Endings über weite Strecken sehr ordentlich, weshalb es mehr als verdient und so gesehen auch passend ist, dass die Serie ab Herbst mit einer zweiten Staffel ihr eigenes Happy End erhält.

7.5/10

25. Mai 2011

Unter Kontrolle

Fukushima, AKW-Moratorium, Brüderle, Deutschlands erster grüner Ministerpräsident. Eine Kausalkette - glaubt man der im Sterben liegenden FDP. Atomausstieg ist in, sogar für die Christdemokraten. Da passt es auch ganz gut, dass Volker Sattels thematische Dokumentation Unter Kontrolle in den Kinos startet. Sattel präsentiert dabei einen beobachtenden Film, der keine Frage stellt. Das Resultat: Wie Atomkraft genau funktioniert, und wozu sie benötigt wird, warum sie notwendig oder eben verzichtbar ist, interessiert nicht. Dafür viele statische und inhaltsfreie Einstellungen, was schnell ermüdend wirkt. Die ausführliche Kritik findet sich bei Evolver.

5/10

21. Mai 2011

TRON: Legacy

Change the scheme! Alter the mood!

Der Cineast weiß natürlich, dass Steven Lisbergers TRON, im Jahre 1982 undankbarer Weise gleichzeitig mit E.T. - The Extraterrestrial von Lisbergers Namensvetter Spielberg gestartet, damals nicht nur den VFX-Bereich revolutionierte, sondern seither auch zum Kutlfilm einer ganzen Generation avancierte. Unter anderem John Lasseter und Pixar dürfen als brain children des SF-Klassikers gelten. Dass es seit damals nicht zu einer Fortsetzung kam, dürfte vermutlich auch daran gelegen haben, dass die Effekte schnell sehr dated wirkten und die eigentliche Handlung des Filmes ohnehin ausgesprochen simpel und banal daherkam.

Bis sich nach unzähligen Drehbuchentwürfen vor zwei Jahren schließlich Joseph Kosinksi an ein Sequel heranwagte und für die ComicCon einen Teaser produzierte. Dieser richtete sich weniger an die Fan-Gemeinde und das Zielpublikum, als an die Produzenten von Disney, die so von einem weiteren Ausflug in die Rechnerwelt von Encom überzeugt werden sollten. Die Rechnung ging auf, TRON: Legacy erhielt mit einem Budget von 170 Millionen Dollar seine Existenzberechtigung. Von den Fans lang erwartet, startete dieses Jahr schließlich das Ergebnis in den Kinos, inklusive Jeff Bridges und dem Versprechen, das beste 3D seit Avatar zu bieten.

Nachdem Programmierer Kevin Flynn (Jeff Bridges) in den Achtzigern eines Abends verschwand, mussten sich sein Konzern Encom und sein Sohn Sam (Garret Hedlund) alleine weiterentwickeln. Gut zwei Jahrzehnte später lockt eine kryptische Nachricht Sam in die alte Spielhalle seines Vaters, wo er wie dieser plötzlich in die digitale Welt hineingezogen wird. Dort muss er sich dem diktatorischen Herrscher Clu (Jeff Bridges) stellen - einem Programm mit dem Erscheinungsbild eines jungen Flynn. Durch die Ankunft von Sam und die Öffnung des Portals in die Wirklichkeit, beginnt Clu nun, seine lang geplante Invasion der Realität vorzubereiten.

Sam hingegen will nur seinen Vater finden, der mit Hilfe des unabhängigen Programms Quorra (Olivia Wilde) im Exil außerhalb des Netzes haust. Und damit hat man auch schon die gesamte Handlung von TRON: Legacy umrissen, die sich bemüht, TRON in Simplizität noch zu übertrumpfen. Eines macht Kosinskis Debütfilm schon früh deutlich: der Inhalt ist nur dazu da, dem audio-visuellen Gerüst des Filmes ein Konstrukt zu verschaffen, an dem es sich orientieren kann. Denn Antworten auf die vielen offenen Fragen erhält der Zuschauer nicht, wie auch die Handlung des Films über mehrere Logiklöcher vom Ausmaß des Internets verfügt.

Immer wieder wirft der Film seinem Publikum Brocken vor, wie eine religiös-mystische digitale Rasse der Isos. Diese könnten, wenn sie es denn in die reale Welt schaffen, jene für immer verändern. Wie genau und warum, bleibt ebenso im Dunklen wie die digitale Welt selbst, die zwar keine digitale Sonne gebacken kriegt, dafür aber Klamotten, Bücher und Spanferkel. Die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt bleiben also im Unklaren. Zum Beispiel auch, wie sie seit Jahrtausenden (digitale Zeit vergeht schneller als reale) existieren kann, sich dann jedoch kaum über das Netz ausgebreitet zu haben scheint. So bleibt sie trotz 3D eindimensional.

Und obschon TRON: Legacy wie auch Avatar direkt in 3D gedreht wurde - anstatt den Weg der nachträglichen Konvertierung eines Alice in Wunderland oder Clash of the Titans zu gehen -, verpufft dieser Effekt nahezu über die gesamte Laufzeit hinweg. Zwar schickt sich Kosinskis Film an, in der Tradition von The Wizard of Oz erst mit Betreten der digitalen Welt in die dritte Dimension vorzustoßen, doch eine bemerkenswerte Tiefe wird dem Endprodukt dadurch selten bis nie verliehen. Dies mag allerdings auch daran liegen, dass der Film zweieinhalb Stunden im Dunkeln spielt, von Dreidimensionaltät sieht man jedenfalls nicht allzu viel.

Auch die visuellen Effekte hauen ebenso wie die Musik von Daft Punk, die parallel zum Entstehungsprozess des Filmes entstand, nicht vom Hocker. Zwar glüht und leuchtet jede Menge (selbst das Jedi-Gewand von Jeff Bridges), aber im direkten Vergleich zum hell-bunten Avatar zieht die TRON-Fortsetzung in allen Belangen den Kürzeren. Wenigstens die Beats des französischen House-Duos können bisweilen einen Anflug von (digitaler) Stimmung erzeugen, werden jedoch alsbald für die Rückkehr in die banal-monotone Welt von Sam und Co. abgewürgt. Dennoch ist der auditive Aspekt des Filmes noch das einzig wirklich lobenswerte Merkmal.

Viel Arbeit floss in den audio-visuellen Charakter, wenig Arbeit in die eigentlichen Charaktere. Sie bleiben wie die Handlung blass, während ihre Motive beliebig erscheinen. Hedlund ist ein austauschbarer Bubi und Wilde zwar sexy, aber wenig mehr. Die verjüngte Version von Bridges hätte etwas Charisma, würde dieses nicht unentwegt von dem krampfhaft wirkenden Effekten überschattet, die einen digitalen Bridges präsentieren, dessen Ursprünge stets sichtbar sind. Dagegen wird dem natürlichen Bridges wenig mehr aufgetragen, als pseudo-philosophische Satzverstücke wie bio-digital jazz rauszupressen, die meist auf man enden.

In Nebenrollen erhascht man kurz Darsteller wie Bruce Boxleitner, Michael Sheen oder Cillian Murphy, die allesamt in ihren wenigen Minuten lebendiger wirken als das übrige Ensemble zusammen. Und obschon sich TRON: Legacy an einigen Actionszenen versucht, verkommt der Film letztlich doch zu einem nichtsagenden und vor allem gähnend-langweiligen Vehikel, dessen Scheitern sich exemplarisch in seinem Finale ausmachen lässt, welches in Schrittgeschwindigkeit voranschreitet, während zugleich die eigentliche Klimax nie wirklich bedrohend wirkt. Ein Film, zum Scheitern verurteilt. Oder wie Clu sagen würde: End of Line, man.

3.5/10