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5. November 2014

Interstellar

This... data makes no sense.

Vor dem Filmstart erfuhr man kaum etwas über Christopher Nolans Interstellar – doch der Name des Regisseurs bürgt nach Gesamt-Einspielergebnissen von mehr als drei Milliarden Euro inzwischen für kommende Umsatzrekorde. Den Erfolg seines neuen Films wird also dessen mangelnde Qualität auch nicht gefährden.  Bereits mit seinen beiden letzten Batman-Filmen überwand Regisseur Christopher Nolan jeweils die Eine-Milliarde-Dollar-Marke an den Kinokassen, mit Inception bewegte er sich ebenfalls in ähnlichen Sphären. Kein Wunder also, dass ihm seitens Warner Bros. bereitwillig weitere Hunderte Millionen Dollar zur Verfügung gestellt wurden, um seine nächste geistige Film-Grütze zu inszenieren.

Nolans Ansehen ist derart groß, daß er seine Werke in 2D in die Kinos bringen kann, wo doch jeder andere Blockbuster in 3D konvertiert wird. Sogar ein Science-Fiction-Drama darf das neue Werk sein – ein lange eher verschmähtes Genre für große Filme. An Filmen wie 2001: A Space Odyssey wollte sich Nolan orientieren, am Ende kamen da noch weit mehr Einflüsse ins Spiel. Der Film erzählt von einer Zukunft, in der den Menschen die Lebensmittel ausgehen. Weizen lässt sich schon lange keiner mehr anbauen, Mais vielleicht noch ein paar Jahre. Sandstürme fegen über das Land, auch über die Farm von Cooper (Matthew McConaughey). Der war einst Astronaut und Ingenieur, doch für beides ist in dieser neuen Welt kein Platz mehr.

Eines Tages machen Cooper und Tochter Murph (Mackenzie Foy) eine seltsame Entdeckung in deren Schlafzimmer. Eine Gravitationsanomalie führt sie per verschlüsselten Koordinaten zu den im Geheimen arbeitenden Überbleibseln der NASA rund um Coopers alten Mentor Prof. Brand (Michael Caine) und dessen Tochter Amelia (Anne Hathaway). Beide berichten Cooper, dass jemand nahe des Saturns ein Wurmloch platziert hat, das in eine andere Galaxie mit erdähnlichen Planeten führt. Dort sucht die NASA nach einer bewohnbaren neuen Heimat für die Menschen. Cooper, der einerseits immer von einer derartigen Mission träumte und andererseits das Leben und die Zukunft seiner Kinder retten will, soll den passenden Planeten finden.

Wie diese Welt wurde, wie sie ist und warum man keine Ingenieure braucht und Geräte wie MRT-Maschinen in Rente versetzt hat, erklärt Interstellar nicht. Die Trostlosigkeit spricht für sich und dient als Motivation der Hauptfigur, nach einer Dreiviertelstunde an der eigentlichen Handlung zu partizipieren. Was wiederum etwas ungeschickt geschieht, selbst wenn Nolan später versucht, der Exposition einen Sinn zu geben. Im Verlauf zeigt sich, dass die Welt des Filmbeginns noch eine der kreativeren Ideen von Nolan und Bruder Jonathan, mit dem er das Drehbuch schrieb, war. Sobald Cooper, Amelia und Co. zu ihrer jahrzehntelangen Mission aufbrechen, werden jegliche originellen Ideen sattsam bekannten Genre-Elemente geopfert.

Inwieweit der Film dabei (astro-)physikalisch korrekt ist, lässt sich schwer sagen. Zwar war mit Kip Thorne ein theoretischer Physiker als Ratgeber an Bord, die meisten Szenen in der fernen Galaxie wirken für den normalen Zuschauer allerdings hanebüchen, wie auch die gesamte NASA-Mission nicht sonderlich kompetent durchdacht scheint. Immer wieder blendet Nolan dabei von Coopers Mission zurück zur Erde, wo seine nun erwachsene Tochter Murph (jetzt: Jessica Chastain) versucht, mit dem Abschied ihres Vaters zurechtzukommen. Jene Vater-Tochter-Beziehung, die bisweilen an Robert Zemeckis Contact erinnert, ist ein essentieller Bestandteil des Films. Murph repräsentiert dabei in Nolans Intention letztlich die gesamte Menschheit.

In einem Film, der mit fast drei Stunden viel zu lang ist, übersteigert sich Nolan in einem Finale, das der bereits zuvor stellenweise haarsträubenden Handlung nochmals die Krone aufsetzt – und das man in dieser Form bereits zu Beginn so befürchtet hat. Es ist fast erschreckend, wie wenig Nolan in Interstellar an eigenständigen Ideen zustande bringt. Am Ende steht eine Handlung, die selten sinnig erscheint, und Figuren, in die das Publikum keine sonderlichen Einblicke erhält. Zumindest weiß die Musik von Hans Zimmer zu gefallen, wie auch die Kameraarbeit von Hoyte Van Hoytema und die Tatsache, dass Nolan nicht nur in 2D, sondern auch auf 35mm gedreht hat. Für einen nennenswerten Beitrag zum Genre ist das aber zu wenig.

3.5/10

12. August 2007

Requiem for a Dream

In the end it’s all nice.

Was haben Bonnie & Clyde, M – Eine Stadt sucht einen Mörder und Requiem for a Dream gemeinsam? Alle drei stehen auf Premieres Liste der 25 meistgefährlichen Filme, die je gedreht wurden. Was auf den ersten Blick übertrieben wirkt, erscheint bei näherer Sichtung gar nicht so falsch, denn der zweite Film von Darren Aronofsky, welcher auf dem Buch von Hubert Selby Jr. basiert, ist von seiner Thematik akut, aktuell und in der Tat gefährlich. Aronofsky gelang mit seinem Drogendrama ein optisch und inhaltlich charakteristisches Bild unserer Gesellschaft und ging zu Unrecht bei den großen Preisverleihungen unter, abgesehen von einer mehr als gerechtfertigten Nominierung von Ellen Burstyn. Requiem for a Dream ist eigentlich weniger ein Film über Drogenkonsum als über Drogensucht.

Jede der Figuren ist süchtig, meistens sogar nach mehreren Dingen, sei es Kaffee, Schokolade, Sex, Diät-Pillen, Heroin oder das Fernsehen. Einfach Dinge, die unseren Alltag bestimmen und dabei so notwendig und unabdingbar werden, dass wir nicht mehr ohne sie leben wollen, nicht mehr ohne sie leben können. Irgendwann steht man morgens auf und kann den Tag nicht mehr bestreiten, wenn man nicht seine Tasse(n) Kaffee zu sich genommen hat, irgendwann vernachlässigt man seine Umwelt, weil man nicht mehr vom Internet oder dem Fernsehprogramm loskommt. Hierbei tut das Fernsehen natürlich in einer besonderen Funktion sein übriges. Es ist so konstruiert, den Zuschauer nicht loszulassen, ihn bei der Stange zu halten, um ihn zum weiteren Konsum zu verführen.

Ehe man sich versieht, steckt man in einer Suchtschleife, aus der auszubrechen schwieriger ist, wie man sich eingestehen will. Die Handlung des Films erstreckt sich über sechs bis neun Monate und drei Jahreszeiten, ist dabei klimatisch aufgebaut. Im Sommer sind alle Figuren an ihrem Höhepunkt, am nahesten Punkt ihres Ziels. Der Verfall beginnt dann schließlich im Herbst, die Sucht hat alle in ihren Fängen und als der Winter Einzug hält, endet die Geschichte mit dem Tiefpunkt aller Charaktere, von ihrer Sucht zerfressen, ein Schatten ihrer selbst geworden. Dies erzählt Aronofsky in cineastisch ungewöhnlichen Bildern, wobei er doppelt so viele Schnitte verwendet wie ein durchschnittlicher Film, statt 1.000 Schnitte treten in Requiem for a Dream nämlich mehr als doppelt so viele auf.

Besonders lange ungeschnittene Aufnahmen finden sich in den SnorriCam-Szenen, die zu Aronofskys Symbol geworden sind. Eine am Körper der Schauspieler befestigte Kamera, die diese frontal ablichtet. Dies verstärkt in den verwendeten Einstellungen das immserive Erlebnis, welches der Film ohnehin auslöst, noch um ein weiteres. Harry Goldfarb (Jared Leto) ist drogenabhängig und neigt dazu den Fernseher seiner Mutter zu stehlen und zu veräußern, wenn es ihm an Geld mangelt. Mit diesem Geld besorgt er sich das Heroin, das Hasch, die Pillen, was er eben zum durchhalten braucht. Bestärkt wird er dabei von der Liebe zu seiner Freundin Marion. Diese ist so stark, dass er seinen Traum von finanzieller Unabhängigkeit mit ihrem Traum von beruflicher Unabhängigkeit vereinen möchte.

Harry macht Pläne für Marions Geschäft, organisiert und renoviert. Das Geld hierfür verdient er mit Kumpel Ty durch das Verkaufen von Heroin. Alles läuft so gut, dass er sogar seiner Mutter einen neuen Fernseher schenken kann, denn er ist sich der Tatsache bewusst, dass er ein schlechter Sohn ist. Ihm fällt zudem die Pillenabhängigkeit seiner Mutter auf, doch Harry, mit sich selbst beschäftigt, ignoriert dies. Als sein Lieferant erschossen wird und die Drogenszene in einen Bandenkrieg gerät, müssen Harry und Co. neue Wege finden, um an Drogen zu kommen. Hier opfert Harry das Wichtigste in seinem Leben: seine Liebe zu Marion (Jennifer Connelly). Denn sie kommt aus gutem Hause, hat aber keinen Kontakt zu ihren Eltern, die ihr später den Geldhahn zudrehen.

Zuvor scheint sich ihr Traum vom eigenen Modegeschäft durch Harrys Bestreben zu erfüllen. Als aber der Drogenfluss durch den Bandenkrieg unterbrochen wird, liegt es an Marion, neues Geld und damit Drogen zu beschaffen. Sie ist gezwungen, sich zu prostituieren und als Harry sich immer mehr von ihr entfernt, rutscht sie schließlich immer tiefer in die Prostitution hinein. Ty (Marlon Wayans) hingegen ist von der Liebe zu seiner Mutter beseelt, über deren Verhältnis man jedoch nur anhand einer Rückblende etwas erfährt. Er sucht nur das Gefühl von Liebe und Geborgenheit, sein Traum ist es, gehalten zu werden. Besonders tragisch endet schließlich seine beispielhafte Freundschaft zu Harry für ihn, die er trotz desillusioniertem Zustand bis zum Ende aufrechterhalten kann.

Am Tragischsten ist die Geschichte von Harrys Mutter, Sara Goldfarb (Ellen Burstyn). Sie ist abhängig von ihrer Lieblingsfernsehsendung Juice, einem Selbstmotivationsprogramm, von welchem sie zu Beginn einen Anruf erhält, dass sie als Kandidatin auftreten darf. Ob dies tatsächlich der Fall oder von ihr eingebildet ist, wird dabei nicht klar. Um für die Sendung in ihr bestes Kleid zu passen, beginnt sie eine drastische Pillendiät, bei der sie schnell abmagert, aber auch den Bezug zur Realität verliert. Bald ist ihr ganzer Alltag vom Fernsehen und den Pillen bestimmt. Saras Traum ist eine normale Beziehung zu Harry, die sie jedoch nur in ihrer Phantasie erreicht. Was am Ende aus Sara wird, ist von allen vier Geschichten die mit Abstand erschütterndste, weil realste Gefahr für den Menschen.

Die Gefahr, die Requiem for a Dream ausstrahlt, geht insbesondere von seiner Sommer-Geschichte aus, bekommt man innerhalb dieser doch richtig „Lust“, Drogen zu konsumieren, wenn man sich die hedonistische Lebensweise von Harry, Marion und Ty ansieht. Ironischerweise geht einem ihr Verfall dann allerdings nicht so zu Herzen wie der von Sara. Diese bekommt ihre Pillen von einem verantwortungslosen Arzt, der Sara weder ansieht, noch richtig wahrnimmt. Allgemein finden sich viele gesundheitssystemische Kritikpunkte in Aronofskys Film. Alle vier Figuren eilen ihrem eigenen US-amerikanischen Traum nach und alle scheitern an ebenjenen Träumen, so wie wohl auch die meisten Personen an dem US-amerikanischen Traum in Wirklichkeit zum Scheitern verurteilt sind.

In der US-amerikanischen Verfassung wird allen das Streben nach Glück zugesprochen – vom Glück selber ist aber nicht die Rede und mehrheitlich bleibt es auch nur beim Streben. Vielleicht nicht unbedingt als Abgesang auf den American Dream versteht sich Aronofskys Werk dennoch als Meilenstein in der soziokulturellen Kritik, wo Menschen gezielt abhängig gemacht werden – nach was ist letztlich unerheblich. Getragen wird Requiem dabei neben seiner visuellen Art durch die brillante Leistung von Ellen Burstyn und dem grandiosen Score von Clint Mansell und dem Kronos Quartet. Requiem for a Dream ist nicht nur ein äußerst wichtiger Film, sondern auch ein geniales Meisterwerk. Keinesfalls ein gefährlicher Film, den man daher nicht nur sehen kann, sondern gesehen haben sollte.

10/10

22. Mai 2007

The Fountain

Together we will live forever.

Gegen Ende des letzten Jahrhunderts fand in Hollywood eine Revolution der unabhängigen und innovativen Filmemacher statt. David Fincher kratzte 1999 mit Fight Club an dem Konzept der Heldenidentität, die Wachowskis brachen mit The Matrix im selben Jahr in neue Science-Fiction Welten vor, Spike Jonze sprengte mit Being John Malkovich die Regeln des linearen Erzählens und Darren Aronofsky schickte das Publikum im Jahr 2000 mit seinem Indie-Hit Requiem for a Dream auf eine Bilderachterbahn mit über 3.000 Schnitten, großartiger Musik und einer fabelhaften Geschichte nach dem Roman von Hubert Selby. Der Film tauchte auf über 150 Top Ten-Listen auf und verschaffte ihm einen grandiosen Ruf, der bereits durch sein Debüt π von 1998 Nahrung erhalten hatte. Wie so viele Arthouse-Regisseure wollten die Studios auch Aronofsky für einen Blockbuster gewinnen und boten ihm an, Frank Millers Batman: Year One zu verfilmen. Das Projekt kam jedoch nie zu Stande, da sich Warner Bros. gegen eine von Aronofsky intendierte Mitarbeit Millers verwehrte. Fünf Jahre später sollte sich dies bei Sin City ändern, Batman dagegen wanderte mit Christopher Nolan zu einem anderen Indie-Regisseur.

Aronofsky wollte dennoch einen Sci-Fi-Film drehen, der mit den bisherigen Konventionen brach und ähnlich wie Star Wars, 2001: A Space Odyssey und The Matrix in neue Regionen stieß. Ein Jahr nach Requiem for a Dream stieg er mit Warner Bros. Pictures in Verhandlungen zu The Fountain ein, für das ein Budget von 70 Millionen Dollar veranschlagt wurde und für das Brad Pitt in der Hauptrolle vorgesehen war. Pitt selber wurde, ebenso wie die für die weibliche Hauptrolle angedachte Cate Blanchett, durch ein Screening von Requiem for a Dream gewonnen. Die Planungen begannen und für 20 Millionen Dollar wurde in Australien ein Set gebaut. Im Frühsommer 2002, sieben Wochen vor Drehstart, verließ Pitt dann nach Differenzen mit Aronofsky bezüglich des Drehbuchs das Projekt ab. Die Vorproduktion wurde eingestellt, das Set bei einer Aktion verkauft und Blanchett entschädigt. Doch Aronofsky ließ The Fountain nicht ruhen und nahm die Verhandlungen zwei Jahre später erneut auf. Für die Hälfte des zuvor veranschlagten Budgets wurde der Film nun mit Hugh Jackman und Aronofskys damaliger Lebensgefährtin Rachel Weisz in den Rollen angegangen und kam schließlich nach sechs Jahren endlich in die Kinos.

In der Gegenwart versucht Neurowissenschaftler Tommy (Hugh Jackman) an Rhesusaffen eine Heilung gegen Hirntumore zu finden, um seine eigene Frau, die Autorin Izzie (Rachel Weisz), von ihrer eigenen Krebsdiagnose zu befreien. Während eine erfolglose Operation der nächsten folgt, verschlechtern sich Izzies Symptome zusehends. Derweil schreibt sie, von der Milchstrasse fasziniert, eine Historiennovelle über das frühneuzeitliche Maya-Volk. Im Jahr 1500 wird der spanische Conquistador Tomas (Hugh Jackman) von der spanischen Königin Isabella (Rachel Weisz) ausgesandt, um den Baum des Lebens zu finden, damit die von der Heiligen Inquisition als Häretikerin gebrandmarkte Königin nicht sterben muss. In einem Maya-Tempel erreicht Tomas letztlich dann sein Ziel. Mit einer Esche macht sich derweil im Jahr 2500 der Astronaut Tom (Hugh Jackman) auf den Weg in einen Nebel innerhalb der Milchstrasse, wo er Xibalba vermutet. Die Unterwelt der Maya, in welcher der Legende nach die Seelen der Verstorbenen wiedergeboren werden sollen. Diese drei ineinander verschachtelten Handlungsstränge werden am Ende letztlich auf einen gemeinsamen, sie zusammenführenden, Nenner gebracht.

Entsprechend der narrativen Vorlage – und seiner visuellen Konzeption – ist der Vorwurf, The Fountain könne prätentiös geraten, naheliegend. So kam Aronofskys dritter Spielfilm beispielsweise bei den Redakteuren des Spiegels gar nicht gut an. Von Birgit Glombitza wurde der Film mit den Worten „nervig“, „anmaßend“, „Kitsch“ und „Hokuspokus“ bedacht, ihr Kollege Daniel Sander kam zu dem Schluss, es handele sei ein „zur Katastrophe mutierter Kunstfilm“. Nun stimme ich selten mit den Kino-Rezensenten des Spiegels überein und in diesem Fall schon gar nicht. The Fountain ist weder nervig oder anmaßend noch kitschig oder Hokuspokus. Die Äußerung von Sander dagegen lässt erahnen, dass man es hier wohl mit einem Vertreter des Männerkinos zu tun hat, der vermutlich bei müden shot-for-shot-Remakes wie The Departed besser aufgehoben ist. Denn The Fountain ist ein Kunstfilm und somit zu einem gewissen Grad durchaus prätentiös. Und das muss er auch sein. Wenn schon bezahlte Kritiker dem Film keine Liebe entgegen bringen, muss diese ihm zumindest inhärent sein. Dabei kann man Aronofskys Werk durchaus belanglos, langatmig oder uninteressant finden, dem großen Ganzen kann man sich nicht verschließen. Was er für 40 Millionen Dollar hier auf die Leinwand bannt, sucht in der Filmgeschichte seinesgleichen.

Die übergeordnete Thematik von The Fountain ist der Tod und die Angst der Menschen davor, diesen zu akzeptieren. Insbesonders wenn Liebe mit im Spiel ist. Tommy will Izzie nicht verlieren und verbringt seine gesamte Freizeit im Labor, um eine Heilung gegen ihren Krebs zu finden. Immer wieder spielt Aronofsky dabei einen Moment ab, in welchem Izzie ihn dazu verleiten will, gemeinsam mit ihr den ersten Schnee zu sehen. Die Zeit, die bleibt, miteinander zu verbringen. Doch er wimmelte sie ab, arbeitet lieber an einer Heilung, damit ihnen mehr Zeit bleibt. Es ist bittere Ironie, dass Tommy jene Heilung später findet, dies für Izzie allerdings bereits zu spät ist. Tommy steht hierbei symbolisch für die gegenwärtige Menschheit, die ihren Gott in der Wissenschaft gefunden glaubt. Für Tommy ist der Tod nur eine Krankheit, die man wie jede andere auch heilen und sich vor ihr schützten kann. Dieser Glauben wird erschüttert, als er schließlich an Izzies Grab steht und lediglich ein “there is no hope, only death“ hervorpresst. Mit dem Tod will er sich nicht abfinden, ihn nicht als das finale Ende akzeptieren und Izzies Worten, dass die Mayas den Tod als einen Akt der Erschaffung ansahen, schenkt er wenig Beachtung.

In der Zukunft scheint Tom(my) selbst seine biologische Uhr abgeschaltet zu haben und reist mit einer Esche, in der er Izzies Seele glaubt, in einem seifenblasenartigen Gebilde zu jenem sterbenden Stern, in welchem die Maya ihre Unterwelt Xibalba vermuteten. Dabei wird er immer wieder von jenem Moment verfolgt, in dem er sich nicht Zeit für Izzie nahm. Schließlich schreibt er ihre Geschichte des spanischen Conquistadors Tomas zu Ende, als er dieses auch für sich akzeptiert. Dessen Verständnis vom ewigen Leben wird auf eine harte Probe gestellt und Aranofsky schlägt eine inhaltliche Brücke über ein ganzes Jahrtausend hinweg. Ohne Frage ist The Fountain von einem spirituellen Verständnis durchzogen, das jedoch nicht nur von christlicher Natur ist. Denn der Baum des Lebens findet sich in verschiedenen Kulturen wieder, wie in Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Es geht Aronofsky nicht um religiösen Glauben, sondern um Glauben per se. Was den Menschen menschlich macht, ist für Aronofsky die Tatsache, dass er stirbt. Es ist mehr ein menschliches als ein religiöses Verständnis, dass nach dem Tod noch etwas folgt. Dass der Körper nur ein Gefängnis für unsere Seelen ist, wie es im Film heißt.

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Zuschauer durch The Fountain zur Religion hingeführt oder zum Glauben gebracht werden sollen. Der Film behandelt lediglich den Tod des Menschen und dessen sich im Zwiespalt befindende Akzeptanz jener Tatsache, die er nicht ändern kann, nicht einmal durch die Wunder der Wissenschaft. Aronofsky schuf dabei eine bildgewaltige Oper, in der die Galaxie durch Aufnahmen chemischer Reaktionen ersetzt wurde und dennoch glaubhafter aussieht, als in den meisten Science-Fiction-Filmen aus Hollywood. Der stete Wechsel zwischen den Zeitebenen gelingt dabei nahtlos, nicht zuletzt auch dank der einfallsreichen Repetition verschiedener Bildmotive und Symbole. Unterstützt wird diese Bilderflut zudem vom großartigen Soundtrack Clint Mansells, der sich speziell im Finale selbst zu übertreffen scheint. Ähnlich wie 2001: A Space Odyssey dürfte Aronofskys Film der Rezeption seiner Zeit voraus sein, veranschaulicht an den beiden Redakteuren des Spiegel. Und so kann man The Fountain sicher übertriebene Prätention, Religiosität oder Spiritualität unterstellen – wie eigentlich fast jedem Film, der je gedreht wurde – oder man kann ihn ganz einfach nur genießen.

9/10