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25. Juni 2010

The Imaginarium of Dr. Parnassus

So you’re probably not a betting man, are you?

Der klassische Wanderzirkus verdankt seinen Namen natürlich seiner Mobilität. Oft im Besitz einer Familie, zog der Wanderzirkus von Ort zu Ort, um sich seinen Unterhalt durch das namentlich passende Geschäft der Unterhaltung zu sichern. In Zeiten der fortschreitenden Technologisierung der Gesellschaft spielen Einrichtungen wie der Zoo oder der Zirkus - die hinsichtlich ihres tierunfreundlichen Aspekts nicht näher untersucht werden sollen - eine immer geringere Rolle. Vor allem in heutiger Zeit hat die Exotik ob fremder Tiere und Praktiken deutlich nachgelassen. Nichts, was man nicht im Fernsehen oder noch Nutzerfreundlicher auf YouTube finden könnte. Entsprechend schwer tut sich also auch das Imaginarium des wandernden Dr. Parnassus (Christopher Plummer) in Terry Gilliams dementsprechend benannten The Imaginarium of Dr. Parnassus.

Inzwischen hat Gilliams 11. Spielfilm mehr Ruhm als ihm unter normalen Umständen zu Teil geworden wäre. Der Tod von Hauptdarsteller Heath Ledger überschattete während der Dreharbeiten und auch zum Filmstart hin alles andere. Der Film selbst war kaum noch wichtig, viel bedeutender war die Funktion des Filmes als Requiem des australischen Schauspielers. Im Nachhinein muss man fast sagen, dass Ledgers Tod das Beste ist - so makaber es klingt - das dem Film passieren konnte. Nicht nur aus Vermarktungs- (der letzte Film eines frisch gekürten Oscarpreisträgers lockt sicherlich zusätzliche Besucher an), sondern auch aus qualitativen Gründen. Denn wo Ledger vor allem in Brokeback Mountain aber auch mit Abstrichen - speziell ans Genre - in The Dark Knight schauspielerisch auftrumpfen konnte, enttäuscht er hier.

Ledgers Spiel wirkt unsauber und vor allem beliebig. In manchen Szenen nuschelt er sich durch seine zum Teil improvisierten Dialoge, die oft durch den mehrfachen Einschub des Lückenfüllers „you know“ auskommen müssen. Allerdings sollte eingestanden werden, dass Terry Gilliams Filme selten durch ihre schauspielerische Leistung und narrative Qualität überzeugen. Das Niveau solcher Werke wie Brazil oder Twelve Monkeys konnte Gilliam im neuen Jahrtausend nicht mehr erreichen. Sieben Jahre vergingen zwischen seiner kongenialen Adaption von Hunter S. Thompsons Kultroman Fear and Loathing in Las Vegas und seinem (immerhin) visuell gefälligen The Brothers Grimm, der ihn mit Ledger zusammenführte und seine Semi-Rückkehr ins Filmgeschäft repräsentierte. Und letztlich ähneln sich Grimm und Parnassus dann doch sehr.

Die Geschichte ist eine simple und oftmals unübersichtliche. Grundlegend ist ein faustsches Element des Handels eines Doktors mit dem Teufel. Hier übernimmt Plummers Dr. Parnassus diese Rolle, die einst mit dem Teufel, hier Mr. Nick (Tom Waits) genannt, eine Wette abschloss, wer mehr menschliche Seelen für sich gewinnen könne. Parnassus propagierte die Vorstellungskraft, Mr. Nick die reine Begierde. Einige Jahrtausende später wetten die beiden Männer immer noch, inzwischen um die Seele von Parnassus’ Tochter Valentina (Lily Cole). Als Retter in der Not soll der mysteriöse Tony (Heath Ledger) fungieren, der angeblich an Amnesie leidet, das Unternehmen von Dr. Parnassus jedoch als Chance sieht, sich einerseits zu rehabilitieren und andererseits davon finanziell zu profitieren. Wie Gilliam im Audiokommentar bemerkt: es ist eine Geschichte über Entscheidungen.

Viele Aspekte von The Imaginarium of Dr. Parnassus lassen sich problemlos nachvollziehen. Zum Beispiel dass der für Valentina schwärmende Anton (Andrew Garfield) in Tony eine Bedrohung ausmacht. Oder dass Mr. Nick weniger um des Einsatz’ Willen wettet, als vielmehr weil ihm das Wetten in der Natur liegt. Andere Figuren wie Valentina oder Parnassus selbst sind da doch unausgereifter. Insbesondere - und insofern dramatischer - die Titelfigur des Tony. Im Tode Ledgers wandelte Gilliam die Figur so ab, dass sie im Imaginarium selbst ihr Gesicht wechselt und so von mehreren Schauspielern (in diesem Fall: Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell) dargestellt werden kann. Was jedoch nur bedingt dem Zuschauer dabei hilft, von Tony ein besseres oder im Entferntesten authentisches Bild gewinnen zu können.

Sowohl Depps als auch Laws Interpretation beschränkt sich auf wenige und wortkarge Minuten. Ist Depps Interpretation zwar noch an finanziellen Dingen interessiert, hat sie doch das Interesse von Parnassus im Sinn. Sehr viel idealer zeigt sich Laws Darstellung, die zwar wie Depps auf einem schauspielerischen Tiefpunkt stattfindet (und hier bisweilen sogar Ledgers eigene Portraitierung unterbietet), aber hilft, der Figur zusätzliche Sympathien zu bescheren. Der Bärenanteil dagegen wanderte zu Farrell, der Tony in seinem kathartischen Moment darstellt, ohne dass sich dieser wirklich nachvollziehen lässt. Plötzlich lässt Gilliam die bisher relativ sympathische Figur (zumindest ihren Bestrebungen nach) zum Antagonisten mutieren - und das ganz ohne Vorwarnung. Den Schlussmonolog „Does it come with a happy ending“ hätte der Regisseur daher wohl besser an den Anfang gestellt.

Denn letzten Endes ist - paradoxer Weise - Mr. Nick und damit der Teufel selbst die Figur, die aus den edelsten Motiven handelt, beziehungsweise weit weniger nervig daherkommt wie Anton, Valentina, Tony und Parnassus. Wie erwähnt ist Mr. Nick ein Verführer, dem es mehr um den Akt der Verführung geht als um deren Resultat. Dahingehend erklärt sich auch sein ständiges Pochen auf eine neue Wette, einen neuen Einsatz. Wo Gilliam in der von Waits köstlich portraitierten Figur Konsequenz zeigt, lässt er diese an anderen Stellen, gerade (leider) der Handlung (zu) oft vermissen. Sicherlich kann hier der dritte und finale Akt auch nur aufgrund Ledgers Verscheiden rasch abgespult sein, in seiner jetzigen Form entschuldigt dies jedoch nicht sein sehr unharmonisches Ende. Hier wissen auch die oft sehr ansehnlichen Spezialeffekte wie schon in The Brothers Grimm wenig zu retten.

Als Film, der mit Müh und Not aufgrund des überraschenden Todes des Hauptdarstellers zu Ende gedreht wurde, darf The Imaginarium of Dr. Parnassus immer noch als gelungen bezeichnet werden. Dennoch merkt man den Film an, weshalb er nicht überzeugend ausfällt. Zu unausgegoren sind die essentiellen Figuren, allen voran Tony, ausgearbeitet, zu planlos beginnt sich die Geschichte in ihrem dritten Akt in eine Richtung zu drehen, die der Prämisse des Filmes als Geschichte über Geschichten am Ende zuwider läuft. Ledgers unüberzeugendes Spiel kann zwar etwas durch den Dreifach-Einsatz von Depp, Law und Farrell kaschiert werden (wobei nur Farrell, und dies lediglich bedingt, gefällt), dennoch agiert das Ensemble, Waits und Troyer ausgenommen, letztlich so unglücklich, wie The Imaginarium of Dr. Parnassus als Ganzes ausfällt.

5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

3. September 2009

Vorlage vs. Film: Brokeback Mountain

Brokeback Mountain (1997)

Der O. Henry Award wird jährlich an englischsprachige Kurzgeschichten verliehen, die in nordamerikanischen Magazinen veröffentlicht werden. Die Zeitschrift The New Yorker gehört dabei seit jeher zu den Medien, die die meisten Kurzgeschichten für jene Auszeichnung stellen. Vor zwölf Jahren erreichte Annie Proulx mit ihrer im New Yorker erschienenen Kurzgeschichte Brokeback Mountain den dritten Platz beim O. Henry Award. Die Liebesgeschichte zweier Farmerssöhne, über 20 Jahre hinweg erzählt, erschien am 13. Oktober 1997 im New Yorker und fand zwei Jahre später Einzug in Proulx’ Sammelband Close Range. Wyoming Stories.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden Schriftsteller Diana Ossana und Larry McMurtry bereits die Kurzgeschichte zu einem Filmdrehbuch adaptiert. Doch es sollten sieben Jahre ins Land ziehen, ehe sich in Hollywood ein Produzent für den in den konservativen Vereinigten Staaten reichlich kontroversen Stoff finden sollte. Für Proulx, deren Roman The Shipping News einige Jahre später problemlos fürs Kino adaptiert werden würde, nahmen Brokeback Mountain und seine beiden Protagonisten schon damals eine besondere Stellung ein. Spätestens dann jedoch, als sie neun Jahre nach ihrer Publikation schließlich die Verfilmung von Ang Lee sah.

In Amerikas mittlerem Westen leben Ennis Del Mar und Jack Twist oberflächlich betrachtet ein durchschnittliches Leben. Beide sind auf kleinen, armen Farmen aufgewachsen. Beide haben die Schule abgebrochen. Dabei war das Leben von Ennis stets etwas tragischer als das von Jack. Zumindest widmet sich Proulx seiner Vorgeschichte eindringlicher. Als Ennis’ Eltern bei einem Unfall sterben, müssen sich ihre drei Kinder mit $24 und zwei Hypotheken auf ihre Farm herumschlagen. Ennis, der eine Autostunde entfernt von seiner High School aufwuchs, bricht die Schule notgedrungen ab als der Truck den Geist aufgibt.

In den folgenden Jahren verkommt der an der Staatsgrenze zu Utah aufgewachsene Ennis zu einem introvertierten Taugenichts, der aus Trägheit auch einfach mal in die Spüle pinkelt. Es ist schließlich ein Sommer im Jahr 1963, der die beiden jungen Männer, keiner von ihnen zwanzig Jahre alt, zusammenbringt. Über die Sommermonate heuert der Schafzüchter Joe Aguirre sie an, um auf dem Brokeback Mountain Schafe zu hüten. Letztere Aufgabe fällt Jack zu, der zudem bei den Schafen schlafen soll, da im Vorjahr fast ein Viertel der Herde an Raubtieren verloren ging. Ennis dagegen ist im Lager für die Versorgung zuständig.

Während es für Ennis’ erster Ausflug in die Berge ist, war Jack bereits im Vorjahr für Aguirre tätig. Kaum auf dem Berg, lamentiert er jedoch unentwegt über das ständige Schafhüten. Der pragmatische Ennis tauscht mit ihm und geht fortan richtig in seiner neuen Umgebung auf. “He’d never had such a good time“, urteilt Proulx über ihre Hauptfigur (S. 322), die sichtlich in der Gesellschaft von Jack aufblüht, wenn sie sich ihre Abende mit Whisky vertreiben. Als eines ihrer Gelage eines Abends ausufert und Ennis nicht mehr zurück zur Herde reiten kann, schläft er beim Lagerfeuer. Doch die Nacht ist eisig und Jack beordert seinen Kollegen ins Zelt.

Nachdem Jack dort die Initiative ergreift, kommt es zwischen den Männern zum Geschlechtsverkehr. Zwar setzt sich ihre sexuelle Affäre während der verbleibenden Zeit fort, doch einmal runter vom Brokeback Mountain gehen beide ihre eigenen Wege. Erst vier Jahre später treffen sie sich wieder, beide inzwischen verheiratet. Als sie sich ihre Gefühle füreinander eingestehen, beginnen sie eine Jahrzehnte überdauernde Romanze, die sie hin und wieder bei ihren fingierten Angelausflügen ausleben. Doch während Jack den nächsten Schritt machen will, kann sich Ennis nicht dazu durchringen, die gesellschaftlichen Konventionen zu durchbrechen.

Auf ihren rund 40 Seiten fokussiert Proulx sich primär auf die Konsequenzen jenes Sommers auf dem Brokeback Mountain, während sie die eigentlichen Ereignisse dort auf etwas mehr als sieben Seiten abhandelt (die Affäre selbst nimmt sogar noch weniger Platz ein). Proulx geht es somit weniger um die Liebe zwischen den beiden Männern per se - also warum zwei Männer romantische Gefühle füreinander entwickeln -, als vielmehr um die scheinbare Unmöglichkeit ihres Zusammenseins. Die Besonderheit liegt daher weniger in Ennis’ und Jacks Liebe zueinander, als in der offensichtlichen Nichtakzeptanz dieser Liebe seitens ihrer Umwelt.

Hierbei vertreten Ennis und Jack zugleich unterschiedliche Haltungen, wenn Letzterer stets versucht, aus ihrer heimlichen Affäre eine Beziehung zu machen (“We could a had a good life together“, S. 345). Doch es ist Ennis’ Angst, die ein Zusammensein unmöglich macht. Während in der Geschichte stets nur von einer Ausfluchtmöglichkeit Richtung Mexiko die Rede ist, kommt zum Beispiel die Schwulenbewegung von Harvey Milk in San Francisco nicht zur Sprache. Selbst wenn es sich bei Jack und Ennis nicht um Homo-, sondern (wenn überhaupt) Bisexuelle handelt, wäre dies generell ebenfalls eine weitaus weniger umständlichere „Lösung“ gewesen.

Während nach dem Kinostart von einer Geschichte über „schwule Cowboys“ die Rede war, trifft dies im Grunde in doppelter Hinsicht nicht zu. Inwieweit Jack und Ennis überhaupt Cowboys sind, stünde zur Diskussion, sollten sie doch eher als eine Art Tagelöhner gesehen werden, auch wenn sie ihre Wurzeln natürlich im Farmwesen haben. Mit dem Western-Genre hat die Geschichte von Brokeback Mountain jedoch weniger zu tun, wird hier im Grunde nichts anderes als eine scheinbar unmögliche Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen erzählt. Inwiefern Jack und Ennis dabei als „schwul“ anzusehen sind, wurde bereits angesprochen.

Zwar bewegt sich Jack eher im Bereich der Homosexualität als Ennis (er sucht auch abseits von ihm die Gesellschaft von Männern), allerdings wird die Beziehung zu seiner Frau Lureen auch weniger reflektiert, als Ennis’ Ehe mit Alma. Ennis hingegen ist weitaus undurchsichtiger (“I never had no thoughts a doin it with another guy except I sure wrang it out a hunderd times thinking abou you“, S. 333). Somit schildert Proulx sicher auch einen gesellschaftlichen Umstand, mit der Unterdrückung homosexueller Liebe. Primär ist ihre Kurzgeschichte ein mitreißendes Manifest zweier Menschen, die zusammen sein wollten, aber nicht konnten.


Brokeback Mountain (2005)

If you can’t fix it you’ve got to stand it.
(Brokeback Mountain, S. 355)

Wie angesprochen hatten Ossana und McMurtry Jahre lang Probleme, einen Abnehmer für ihr Drehbuch zu finden. Dabei hatten unter anderem die homosexuellen Regisseure Gus Van Sant und Joel Schumacher Interesse angemeldet. Letztlich sollte der Zuschlag jedoch an den „emotionalen“ Taiwanesen Ang Lee gehen, der bereits zehn Jahre zuvor durch Sense and Sensibility – seinem Regiedebüt im westlichen Kino – ein Gespür für literarisches Gefühlskino gezeigt hatte. Ausgestattet mit einem geringen Budget von 14 Millionen Dollar ging es nunmehr daran, zwei Hollywood-Schauspieler davon zu überzeugen, sich vor der Leinwand zu küssen. Dass homosexuelle Szenen im Business zuvorderst von den männlichen Darstellern gemieden werden, zeigte sich schon mehrfach.

So scheute sich schließlich auch Mark Wahlberg eine der Rollen zu übernehmen, obschon er die jeweiligen Einstellungen mit seinem langjährigen Kumpel Joaquin Phoenix hätte spielen dürfen. Am Ende ergatterten die Parts Jake Gyllenhaal und Heath Ledger und gerade Letzterer sollte sich mit dieser Rolle angesichts seines frühen Todes verewigen. Lee inszeniert seine beiden Hauptfiguren in den ersten Minuten wie zwei sich beschnuppernde Hunde. Dabei macht er jedoch das Verhältnis der beiden nicht nur zueinander sondern auch zur ihrer Umwelt offensichtlich. Ennis Del Mar (Heath Ledger) ist der schüchterne und introvertierte der Männer, die sich an diesem Sommertag eingefunden habe, um für Joe Aguirre (Randy Quaid) als Viehhüter zu arbeiten.

Interessiert beäugt dagegen Jack Twist (Jake Gyllenhaal) seinen blonden Kollegen, auch wenn er diesem zu diesem Zeitpunkt noch seine Privatsphäre lässt. Während Ossana und McMurtry in ihrem Drehbuch Proulx’ Kurzgeschichte nicht nur die ganze Zeit hindurch treu bleiben, ergänzen sie die Geschichte stets an den Punkten, an denen Proulx nur an der Oberfläche gekratzt hatte. So nimmt die Exposition der Romanze im Film selbst einen weitaus größeren Raum ein. Wo man bei Proulx den Eindruck gewinnt, Ennis und Jack fallen plötzlich übereinander her, gewähren Lee und seine Drehbuchautoren der Beziehung der beiden Männer ihre nötige Zeit. So wird ihre Annäherung sehr viel glaubhafter dargestellt als es auf den zwei, drei Seiten in der Vorlage der Fall ist.

Die Szenen auf dem Brokeback Mountain werden dabei von den wunderbaren Aufnahmen Rodrigo Prietos ausgezeichnet eingefangen. Es ist diese naturgegebene Weite, in die sich die beiden Männer in den kommenden Jahrzehnten flüchten müssen, um ihren eigenen kleinen Kosmos zu erschaffen. Untermalt werden die malerischen Naturaufnahmen stets von den sanften Gitarrenklängen Gustavo Santaollalas, dessen musikalisches Theme sehr melancholisch ausgefallen ist (auch wenn es sich leider durch alle seine Instrumentalstücke auf dem Soundtrack zieht). Weitaus besser weiß sich der Argentinier in der Zusammenstellung der Liedtexte auszuzeichnen, die stets die jeweilige Szene in ihrer Botschaft zu unterstützen und meist auch mit gehörig Ironie zu versehen wissen.

Sei es, wenn Jack und Lureen (Anne Hathaway) bei ihrer ersten Bekanntschaft zu No One’s Gonna Love You Like Me tanzen, Ennis in späteren Jahren zu Buddy Hollys It’s so easy (to fall in love) die Kellnerin Cassie (Linda Cardellini) kennenlernt, Jack in Mexiko einen Stricher aufgabelt, während die Strophe „estas perdiendo el tiempo pensando“ (dt. du verschwendest deine Zeit mit Denken) ertönt oder am humorvollsten, wenn Jack nach der Mitteilung, dass Ennis’ Ehe geschieden wird, zuerst singend zu Roger Millers King of the Road gen Süden fährt, um kurz darauf mit Tränen und den Klängen von A Love That Will Never Grow Old die Heimreise anzutreten. Insofern lässt die audio-visuelle Untermalung von Brokeback Mountain durch Santaollala und Prieto keine Wünsche offen.

Im Folgenden widmet sich der Film mehr dem Privatleben von Ennis und Jack. Ennis geht die schon vorab geplante Ehe mit Alma (Michelle Williams) ein und die Liaison bringt zwei Töchter hervor. Das Publikum erhält einen Eindruck von den Problemen der beiden jungen Menschen, die zuvor zwar noch im ersten Winter ihrer Ehe verliebt turteln, sich durch die Kinder und die dadurch entstehenden Kosten allerdings immer mehr entfremden. In diesen Szenen wird Ennis als sehr einfacher Mensch gezeichnet, der die Samstagabende lieber zu Hause verbringt, auch wenn seine Frau ausgehen möchte. Die Sehnsucht nach Jack macht sich nur im Sexleben mit seiner Frau bemerkbar, die Ennis sehr zu ihrem Missfallen (“he rolled her over, did quickly what she hated“, S. 328) bevorzugt anal befriedigt.

Während man von Almas Gefühlswelt bei Proulx nicht viel mitbekommt, schenkt ihr Lee ein paar eindringliche Szenen. Zum Beispiel die Abschiede von Ennis, wenn dieser sich zu seinen Angelausflügen mit Jack verabschiedet. Dennoch spielen die weiblichen Figuren, allen voran die Ehefrauen, nur eine untergeordnete und eindimensionale Rolle. Hierbei gewähren Ossana und McMurtry in Almas Innenleben sogar noch mehr Einblick als es bei Lureen, von deren Emotionen wir nichts mitkriegen. Genauso verhält es sich auch den jeweiligen Ehen. Zwar kritisiert Lureen in einer Szene, dass es stets Jack ist, der zu seinen Treffen mit Ennis fahren muss. Abgesehen davon sieht man Lureen jedoch meist nur im Konflikt mit Jacks sozialer Stellung im Schatten seines Schwiegervaters.

Wo man in Ennis’ Ehe mit Alma zumindest zu Beginn Liebe beobachten kann, erscheint die Beziehung von Jack und Lureen eher pragmatischer Natur. Gut möglich, dass dies auch nur gewollt war, um die Seelenverwandtschaft zwischen den Männern zu stärken. In ihr kann sich Ennis ausschließlich öffnen (“That’s the most I’ve spoken in a year“) und Jack seine Gefühle ausleben (“Sometimes I miss you so bad I can hardly stand it“). Ihre Geschichte ist eine Geschichte einer Liebe, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Umstände nicht sein darf (“this thing grabs hold of us again...in the wrong place...in the wrong time...then we’re dead”). Exemplarisch hierzu dient Ennis’ abschreckende Erzählung von Earl and Rich, zwei zusammen lebenden Männer, die dies mit dem Lebenbüßten.

Eine ähnlich tragische Liebe kennt man in ähnlicher Form von Shakespeares Romeo and Juliet sowie Todd Haynes Far from Heaven oder auch dessen Vorläufer, Jonathan Kaplans Love Field. Zwei Menschen, die sich lieben, aber nicht lieben dürfen. Sei es, weil die Familien verfeindet, sie von unterschiedliche4 Hautfarbe sind oder dem gleichen Geschlecht entstammen. “So often we fail at that kind of love. The world just seems too fragile a place for it (...) Perhaps it’s just we who are too fragile,” resümiert Cathy in Far from Heaven. Letztlich scheitert eine öffentliche Beziehung zwischen Jack und Ennis nicht (nur) an der gesellschaftlichen Reaktion, sondern an Ennis’ Angst, die er vor dieser gesellschaftlichen Reaktion empfindet (“It scares the piss out of me“, S. 334).

Somit zieht es Ennis am Ende vor, ein unglückliches Leben als Einzelgänger zu führen, welchem er nur gelegentlich auf dem Brokeback Mountain entflieht. Lee fängt die zerrissene Seele von Ennis sehr schön an einem Thanksgiving Abend ein, wenn dieser nach einem Streit mit Alma deren Haus verlässt und mit seinem Truck durch die Gegend fährt. Lediglich einer der Scheinwerfer funktioniert und es ist der, auf der Fahrerseite. Symbolisch steht diese Szene für Ennis’ Fahrt durchs Leben, die nur einseitig beleuchtet ist. Jack hingegen ist weitaus extrovertierter als Ennis. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Jack Affären - wie die mit dem Ehemann einer neuen Bekanntschaft (Anna Faris) - nur aus einem einzigen Grund initiiert: Um ein ähnliches Erlebnis wie mit Ennis hervorzurufen.

So könnte Jack als das scheinbar leidtragendere Opfer gesehen werden, da er es ist, der dafür kämpft, dass Ennis sich von seinem Pragmatismus lossagt und zu seinen Gefühlen bekennt (“I wish I knew how to quit you“, S. 345). Zwar hebt sich Brokeback Mountain von seiner Tragik nicht von anderen Liebesmelodramen großartig ab, aber es ist sicherlich unbestreitbar ist, dass Ang Lee mit seinem neunten Spielfilm eine epische Romanze erschafft hat, die (auch aufgrund ihrer Prämisse) ihren Weg in die Kinogeschichte fand. Getragen wird der Film dabei von seinen Darstellern, allen voran vom eindringlichen Spiel Heath Ledgers. Ungeachtet seiner Oscarprämierten Rolle als Joker in The Dark Knight, wird es sein Ennis Del Mar sein, der ihn für immer verewigen wird.

Des Weiteren weiß Michelle Williams als verletzte Ehefrau Akzente zu setzen, sodass am Ende alle Oscarnominierungen der drei Beteiligten (Gyllenhaal steigert sich im Verlauf des Films) in Ordnung gehen. Hathaway wiederum leidet unter der geringen Präsenz ihrer Figur, überzeugt jedoch in ihrer Einführung. Etwas misslungen ist dafür die Überbrückung der 20-jährigen Geschichte, die mit ernsteren Haarschnitten oder simplen Perücken glaubhaft gemacht werden soll. Die 40-jährigen Versionen der Figuren wirken etwas lächerlich, da ihre Twen-Darsteller jederzeit erkennbar sind. Dies soll dem Film aber nicht zum Nachteil gereichen und ist letztlich ein akzeptabler Makel. Brokeback Mountain ist emotionales Gefühlskino, mit verdienten acht Oscarnominierungen.

10/10


Auszüge aus Brokeback Mountain entstammen:

Annie Proulx: Brokeback Mountain, in: Dies. (Hrsg.): Close Range. Wyoming Stories, Thorndike 1999, S. 313-355.

23. August 2008

The Dark Knight

Let’s put a smile on the face of crime.

Virales Marketing, eine Definition, die zuletzt sehr gut zu J.J. Abrams Cloverfield passte, letztlich von The Dark Knight jedoch in den Schatten gestellt wurde. Was der Tod eines Nebendarstellers nicht alles bewirken kann. Sondervorstellungen um drei Uhr nachts, alle bisherigen Rekorde innerhalb weniger Tage gebrochen, die Kosten von 185 Millionen Dollar innerhalb der ersten Woche wieder eingespielt. Warners Chefetage wird sich sicher die Nase gepudert haben vor Freude und das nicht zu kurz. Die Fans pushten das neue Batman-Abenteuer von Christopher Nolan, welches als erstes nicht den Namen seines Helden im Titel trägt, innerhalb von 48 Stunden bei IMDb auf Platz Eins der besten Filme aller Zeiten. Kevin Smith nannte ihn den The Godfather: Part II der Comicverfilmungen, auf Rotten Tomatoes wurden Kritiker (und sogar deren Familien), die dem Film nicht die Höchstwertung gaben, zuhauf von Lesern beleidigt. The Dark Knight ist fraglos einer der gehyptesten Filme aller Zeiten und die Frage ist: Kann man den Film überhaupt unabhängig vom Hype sehen?

Am Ende von Batman Begins zeigte Lieutenant Gordon (Gary Oldman) im nächtlichen Chaos von Gotham City Batman (Christian Bale) eine Joker-Karte. Das Sequel springt nun fünf Monate in die Zukunft und präsentiert sogleich diesen neuen Bösewicht. Der Joker (Heath Ledger) raubt eine Bank aus, weniger wegen des Geldes, sondern um auf sich aufmerksam zu machen. Was hat sich sonst im letzten halben Jahr in Gotham City getan? Erstaunlicherweise wenig, eher sogar Regression. Nach Monaten stellt Batman endlich Scarecrow (Cillian Murphy), trägt aber Fleischwunden und geprellte Rippen davon. In die Quere kommen immer mehr Nachahmer, Batmen sozusagen. Batmans Alter Ego Bruce Wayne fühlt sich mit seinen 30 Lenzen zu alt für diese Scheiße. Warum soll er sich mit Abschaum wie Sal Maroni (Eric Roberts) herumschlagen, wenn mit Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) ein neuer Sheriff in der Stadt ist? Dumm nur, dass der direkt mit Waynes Jugendliebe Rachel (Maggie Gyllenhaal) anbandelt, das ist aber Makulatur, dies ist die Joker Show.

„Nolans Auffassung nach überwiegten die früheren Batman-Filme eher durch ihr Aussehen, als ihren Inhalt“, schrieb ich in der Kritik zu Batman Begins. Bereits in seinem ersten Film über den dunklen Ritter, der altbekannten Hero’s Journey, widersprach sich Nolan letztlich selbst, mit The Dark Knight führt er sich nun ad absurdum. Entgegen allem Lob ist seine Fortsetzung vollkommen inhaltsfrei, hat keine Geschichte zu erzählen und ist dabei auch noch unnötig aufgebläht. „The Dark Knight kann im Grunde nur eine Verbesserung darstellen“, äußerte ich nach dem ersten Teil noch hoffnungsvoll, aber vergeblich. Vielmehr ist der Film sogar ein Rückschritt, insbesondere aufgrund des Drehbuches der beiden Gebrüder Nolan. Ein Logikloch verschwindet im nächsten, kaum etwas macht in dieser unglaubwürdigen Geschichte Sinn. Sei es Harvey Dent, der seit Monaten in Gotham arbeitet, aber in seinem Büro noch Umzugkartons stehen hat, bis hin zu Batman, der mit Lucius Fox (Morgan Freeman) in verstellter Stimme redet, obwohl der doch seine Identität kennt.

So inhaltsfrei Batman Begins auch war, stellte er immerhin eine über zweistündige Einführung in den Charakter von Bruce Wayne dar. Jenes Mannes, der an die Menschen in Gotham glaubt und sich nachts aufopfert, um ihnen zur Hilfe zu eilen. Dass ihm dies durchaus gedankt wird, zeigt Nolan an Nachahmern, die fraglos Frank Millers Sons of Batman aus The Dark Knight Returns nachempfunden sind. Während Batman mit jenen dort aber gemeinsame Sache machte, verabscheut er sie im nolanschen Universum. In diesem hat unser Milliardär nach nicht einmal einem halben Jahr bereits die Schnauze voll und will das Zepter an den viel versprechenden neuen Staatsanwalt Harvey Dent abgeben. Dass macht Dent jedoch zur Zielscheibe des Jokers, jenes Antagonisten, der zum Ende des ersten Teils aus dem Arkham Asylum entflohen war. Letztlich dreht sich in The Dark Knight alles um das Duell zwischen diesen beiden Erzfeinden, die ungleicher nicht sein könnten und doch so viel gemeinsam haben. “You’ve changed things…forever“, trällert der Joker Batman zu.

In gewissem Sinne impliziert diese Äußerung somit, dass das, was das Publikum hier als Joker sieht, letztlich von Batmans in Erscheinungstreten mit beeinflusst wurde. Allerdings sprechen die Narben des Jokers eine andere Geschichte, doch diese erfährt der Zuschauer nicht. Die Nolans behalten für sich, wer der Joker ist und woher er stammt. Der Joker ist der Joker ist der Joker. Somit ist er absolut, abgerundet, allerdings auch ohne Motivation. “Some men just want to watch the world burn”, weiß Butler Alfred (Michael Caine) hierauf eine Antwort. Den Joker lüstet es nach Chaos und Anarchie. Dem Ur-Status des Menschen, welchen Thomas Hobbes in Leviathan als Naturzustand beschrieb, in welchem Anomie herrscht. “I try to show how pathetic their attempts to control things really are”, erläutert der Joker später Harvey Dent seine Intention. “Nobody panics when things go according to plan”, fasst dieser Albtraum einer geschminkten Witzfigur gelungen zusammen. Ein durchaus authentisches Schema, das alltäglich in den Armeen dieser Welt angewandt wird.

Lange begeistert The Dark Knight durch eine unglaubliche Kompromisslosigkeit, welche das Finale jedoch zu Gunsten eines weichgespülten Hollywood-Endes verrät. Das Sozialexperiment des Jokers, das die finale Klimax ausmacht, endet so, wie es sich jeder Idealist wünscht. In Wirklichkeit würde es natürlich einen ganz anderen Verlauf nehmen, was auch der Joker weiß, daher das geplante Szenario. Nolan schildert eine fürs US-Kino typische Katharsis einer Welt voller Illusionen und Wunschdenken. ”Why do we fall? So we can learn to pick ourselves up”, so der Leitspruch des ersten Teils, der zugleich den Spannungsbogen des Sequels beschreibt. In lächerlichen Batman-Posen, die an den Schrecken vom 11. September erinnern sollen, versucht Nolan seine Comicverfilmung ins wahre Leben zu transferieren. Das wahre Leben, in welchem die Guten selten gewinnen und das Böse meist triumphiert, ist auch die Welt des Jokers. Dass Nolan sich im Finale dieser Welt verschließt, lässt sein pseudo-authentisches Kartenhaus zusammenfallen.

Alan Moore beschreibt in Watchmen, seinem Versuch eines authentischen Superheldenepos, das wahre Gesicht einer Gesellschaft. “Almost forty neighbors heard screams. Nobody did anything. Some of them even watched”, schildert Selbstjustizler Rorschach seine „Geburt“ einem Therapeuten. In Rorschach findet sich das Ebenbild zu Millers Interpretation von Bruce Wayne. Ein verbitterter Mann, der entgegen der Ratschläger seiner Freunde und Verbündeten (Nite Owl hier, Commissioner Gordon dort) das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Letztlich finden beide ihr finales Schicksal in einem übernatürlichen ehemaligen Verbündeten (Dr. Manhattan/Superman). Was sie verbindet, ist ihre Kompromisslosigkeit. Millers Dark Knight ist desillusioniert und sich nicht zu schade, sein letztes Kredo (Mord) zu überschreiten. Dabei zelebriert auch Nolan dies, wenn auch hinter einer versuchten Fassade. ”I won’t kill you, but I don’t have to save you”, schmetterte Christian Bale am Ende von Batman Begins Ra’s al Ghul entgegen und ließ den alten Freund und Mentor in seinen Tod stürzen.

Mord hin, fahrlässige Tötung her, mit strafrechtlichen Termini und Definitionen kann man sich zugegeben lange herumschlagen. Den einzigen Antrieb für seine Geschichte versucht Nolan jedenfalls in Batmans Unfähigkeit, Joker zu töten (oder zur Strecke zu bringen), zu etablieren. “You won’t kill me, and I won’t kill you. I think you and I are destined to do this forever”, resümiert der Joker schlussendlich und soll Recht behalten. Dabei springt Batman letztlich doch noch über seinen Schatten – mal dies, mal das, ein Szenario exemplarisch für Nolans Unfähigkeit die Geschichte des Dunklen Ritters zu erzählen. Der Handlung von The Dark Knight fehlt ein Antrieb. Ein Start und ein Ziel. Der Joker agiert grundlos und genauso grundlos kann Nolans Batman ihn scheinbar nicht stoppen. Eine Geschichte wird dabei aber nicht erzählt, im Gegenteil. Mit seinem zweiten Batman-Abenteuer unterbietet Nolan nochmals die Sterilität des Vorgängers. In schönen Einstellungen, teilweise extra im IMAX-Format gedreht, geht The Dark Knight sogar jegliche Seele vollkommen ab.

Komplexität wird zu evozieren versucht, ohne dass der Film in irgendeiner Weise tatsächlich komplex ist. Da zeigt Nolan kurz Scarecrow, den er bereits im ersten Teil verschenkt hat und tut es auch hier. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Antagonisten Two Face, der im Grunde keiner ist. Verschenkt, in einer armseligen finalen Klimax. Geradezu bedauernswert, diese eindimensionale Charakterausarbeitung der Figuren. „Christian Bale überzeugt zwar als Batman im Cape, dennoch reichen seine drei Gesichtsausdrücke nicht wirklich aus, um die innere Zerrissenheit eines Bruce Wayne einzufangen“, urteilte ich nach Batman Begins und kehre die Aussage nun um. Bale kann diesmal lediglich als Bruce Wayne überzeugen, während sein Batman vollkommen blass bleibt. Die restliche Besetzung tut sich nicht sonderlich hervor und scheitert an Nolans Fokussierung auf die Beziehung zwischen Batman und Joker. Allein Gary Oldmans Polizeichef Gordon weiß in einigen Szenen mitzuhalten, muss sich aber im Grunde wie auch der Rest Heath Ledger unterordnen.

Dessen Darstellung sei genial und atemberaubend und sogleich wurde ein Oscar für den verstorbenen Jungstar verlangt (für Sir Michael Caine genauso). Und zugegeben, Ledger spielt in diesem Film neben Brokeback Mountain die Seele aus dem Hals und ist ganz klar das Positivste (einzig Positive?) an The Dark Knight. Viel verdankt sich hier natürlich auch der Figur des Jokers selbst und wirkliche Vergleiche mit Jack Nicholsons Interpretation sind dabei so naheliegend wie sie sich zugleich verbieten. Die Figur ist dabei in der Tat so absolut, dass man Batman eigentlich überhaupt nicht mehr braucht, im Gegenteil vielleicht sogar auf ihn hätte verzichten sollen. Denn der Joker ist auch das Paradebeispiel für die grenzenlose Dummheit der nolanschen Batman-Figur, wurde der Joker vor Batman Begins inhaftiert (wahrscheinlich von gewöhnlichen Polizisten), ohne dass nunmehr seine Daten oder Biographie zugänglich sind. Kurzum: Wenn es den Joker nicht gäbe, The Dark Knight wäre ein vollkommen desaströser Haufen von verschwendetem Geld, Arbeits- und Zeitaufwand.

Auch so ist das Ergebnis eine einzige einfallslose Redundanz und knüpft damit nahtlos an das müde Finale des Vorgängers an. Christopher Nolan beweist mit The Dark Knight, dass er nichts dazu gelernt hat. Und er macht nicht nur dieselben Fehler erneut und mehrfach, sondern er fügt ihnen auch noch neue hinzu. Das inhaltsfreie Drehbuch weiß er mit stumpfer Musik von Hans Zimmer und James Newton Howard zu untermalen, die erzeugten Bilder auf dilettantischste Weise zusammenzuschneiden (bestes Beispiel: Jokers Überfall auf Bruce Waynes Party zu Ehren von Dent oder die Verfolgungsjagd zwischen Polizei, Joker und Batman in der Unterführung. Dabei hatte der Film prinzipiell Potential, das aber nicht ausgeschöpft wurde. Der Joker war der richtige Weg, doch so absolut er in seiner Gestaltung war, so formlos blieb er letztlich im Kontext der Handlung. Figuren wie Two Face hingegen sind total verschenkt, der Film insgesamt lieb- und leblos inszeniert. Kühl, steril, kalkuliert. “Why so serious?“, mag man sich jetzt fragen. Mein Fazit: Don’t believe the hype.

6/10