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22. Januar 2012

The Descendants

Paradise can go fuck itself.

Es ist mir bis heute unerklärlich, wie ein Mann, der so exquisite Drehbücher zu Election und Sideways – Letzteres sogar Oscarprämiert – geschrieben hat, zugleich für die grausigen Jurassic Park III und I Now Pronounce You Chuck and Larry verantwortlich sein kann. Zwar soll das Skript von Alexander Payne und Jim Taylor nur noch wenig mit dem fertigen Sandler-Film zu tun gehabt haben (“They Sandlerised it“, verriet Payne im Januar dem britischen The Telegraph), dennoch ragen jene Einträge in seiner Filmografie wie Fälle von betrunkenem Fahren aus einer sonst tadellosen Akte heraus. Zurück in die Spur fand der Regisseur nun mit The Descendants, einem der Favoriten des diesjährigen Oscarrennens.

Darin muss der hawaiianische Anwalt Matt King (George Clooney) entscheiden, ob ein alter Familienbesitz veräußert wird. Die Verwandten, allesamt Nachkommen einer einheimischen Prinzessin, drängen zum Verkauf, den die Ureinwohner kritisch beäugen. Währendessen liegt Matts Frau nach einem Bootunfall auch noch in einem Koma, aus dem sie nicht mehr erwachen wird. Und als wäre das noch nicht genug, gesteht ihm seine älteste Tochter Alexandra (Shailene Woodley), dass ihre Mutter eine Affäre mit einem Immobilienmakler hatte. Mit seinen Töchtern Scottie (Amara Miller) und Alexandra sowie deren Freund Sid (Nick Krause) im Gepäck macht sich Matt auf, seinen Nebenbuhler zu konfrontieren.

Wie in Paynes letzten Filmen (Sideways, About Schmidt, Election) dreht sich in The Descendants alles um das turbulente Leben eines überforderten Mannes. In diesem Fall ist es Matt King, der scheinbar für seinen Beruf gelebt hat und darüber seine Familie vernachlässigte. Mit der Aussicht, nun alleinerziehender Vater zu sein, hadert er ebenso, wie mit der Entscheidung, an wen er das seit jeher im Familienbesitz befindliche Stück Land verkaufen soll. Oder ob er überhaupt verkaufen soll. Entsprechend dem Filmtitel spielt Matts Nachkommenschaft die zentrale Rolle. Sowohl die, aus der er stammt, als auch die, für die er verantwortlich ist. Im Kern ist The Descendants somit ein Film über die Bedeutung der Familie.

Wenn Matt mit seinen Töchtern auf einen Road beziehungsweise Island Trip geht, bildet die Konfrontation mit Brian Speer (Matthew Lillard), dem Liebhaber seiner Frau, nur die Prämisse für eine individuelle und familiäre Selbstfindung. Für Matt gilt es, seine Rolle als Vater und Familienoberhaupt anzunehmen, insbesondere für Alexandra wiederum, ihren Frieden mit ihrer Mutter zu machen. Was Payne dem Publikum zu Beginn als (typisch) dysfunktionale Familie präsentiert (Alexandra wurde nach einem Streit mit der Mutter in ein Internat platziert, Scottie betreibt Mobbing an Klassenkameraden), entwickelt sich dann allerdings reichlich hastig und dabei erstaunlich problemlos zu einer harmonischen (Familien-)Einheit.

Mit Beginn des zweiten Akts sind die Konflikte dann vergessen. Die als Problemkind eingeführte Alexandra übernimmt wie selbstverständlich die weibliche Rolle an der Seite ihres Vaters, während Scottie fortan nur noch eine untergeordnete Funktion erfüllt. Dass Payne so bereitwillig das Dramatisierungspotential dieser zuvor zerrütteten Familie ausspart, ist jedoch etwas bedauerlich. Zu geschmeidig entwickelt sich der Plot, in dem Sid den Part des Surfer Dude übernimmt, der mit seinem Sprachduktus und Gehabe für den comic relief der Tragikomödie zuständig ist. Irrelevant erscheinen die vorherigen Differenzen zwischen Vater und Töchtern, sowie zwischen Matt und seinem vergrämten Schwiegervater (Robert Forster).

Bisweilen erinnern die Kings in ihrer harmonischen Wiedervereinigung an andere dysfunktionale Filmfamilien wie die Hoovers aus Little Miss Sunshine. Auftretende Probleme werden nach einmaliger Ansprache vergessen und der Selbstlösung überlassen. Die Suche und Konfrontation mit dem vermeintlichen Familienzerstörer Lillard avanciert so zur kingschen Gruppendynamik, die nicht nur den baldigen Tod der gänzlich von der Handlung losgelösten Mutter überschattet, sondern auch generell die Differenzen der Figuren mit sich und ihrer Umwelt. Derart simpel und profan löst Payne sein eingeführtes Drama, dass man als Zuschauer weniger emotional in den Film investiert, als ihn distanziert beobachtet.

Gelungen fallen die schauspielerischen Leistungen aus. Insbesondere die Jungdarstellerinnen Woodley und Miller überzeugen, genauso wie die – allerdings auch nur bedingt geforderte – Nebendarstellerriege um Forster, Lillard, Judy Greer und Beau Bridges. Geschultert wird der Film von einem weithin im Feuilleton gelobten Clooney, der hier durchaus überzeugend gegen das “Yes I Can“-Profil seiner übrigen Filmografie anspielt und als so geforderter wie überforderter Vater authentisch-sympathisch reüssiert. Subtil in den Vordergrund „spielen“ sich zudem die Inseln Hawaiis, die selten in Hollywood (man denke an Forgetting Sarah Marshall) prominenter zum Einsatz kamen und hier mit ihrer natürlichen Schönheit auftrumpfen.

Zwar ist Payne kein Film mit sonderlich viel Tiefgang gelungen, der damit weit entfernt von seinen kommentierenden Frühwerken ist, und auch mit seinen analytischen Vorgängern vermag The Descendants nicht wirklich mitzuhalten. Dafür ist Paynes Jüngster zu vorhersehbar und macht sich seine Sache zu leicht. Grundsolide und weitestgehend überzeugend gerät der Oscarfavorit dann doch, was sich neben Hawaii als Schauplatz (inklusive einheimischer Musik als auditive Ergänzung) dem durchweg gefälligen Ensemble verdankt. An seine starken Vorgänger kann Payne folglich nicht anknüpfen, aber zumindest ist The Descendants alles andere als ein Film, dessen Platz in seiner Filmografie sich nicht erklären lässt.

7/10

8. Oktober 2010

She’s All That

Brock Hudson? What kind of a name is that?

Die High-School-Komödie ist ein inzwischen traditionelles Genre im hollywoodschen Gefilde. Doch High-School-Komödie ist nicht gleich High-School-Komödie und in den neunziger Jahren setzt zudem bereits eine Abgrenzung zu den Vertretern aus den 80ern ein, die durch die gegenwärtige Apatowisierung ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Ende der neunziger Jahre, 1999 um präzise zu sein, prügelten sich dann zwei Schulkomödien um den Thron, die im Grunde unter denselben Voraussetzungen gestartet waren und auf die sich die Kritik und Muster des Genres vis-à-vis anwenden ließ. Dass es American Pie (11 Millionen Dollar Kosten) letztlich gelang mehr als doppelt so viel einzuspielen als She’s All That (10 Millionen Dollar Kosten), dürfte wahrscheinlich daran liegen, dass Ersterer sich eher darauf beschränkte, Jungenhumor zu erzeugen. Denn die moderne Adaption von George Bernard Shaws Pygmalion tendierte dann doch eher in Richtung einer Katharsis der Figuren als Paul Weitz’ Sex-Klamotte.

Dabei bedienen sich wie gesagt beide Filme freizügig des Klischeepools. „All the students seem to be in their 20s“ merkte Roger Ebert hinsichtlich des Alters von Freddie Prinze Jr. (damals 23) und Rachel Leigh Cook (damals 20) an. James Berardinelli sah in der Story des hässlichen Entleins als potentielle Ballkönigin “the foundation for nearly every teen romantic comedy“, wohingegen Mick LaSalle feststellte, dass She’s All That “runs out of plot”. Godfrey Cheshire schloss sogar die sehr nette Analogie, dass Robert Iscoves Film “makes (…) 'Varsity Blues' look like 'Citizen Kane'“. Sicherlich keine unberechtigte Kritik, aber nun auch keine, die in irgendeinem Genrebeitrag der damaligen Zeit - insbesondere American Pie - eine Ausnahme gefunden hätte. Da die Schablone seit gut dreißig Jahren angewendet wird, ist es folglich, wie auch im Horrorfach, stets eine Frage der kreativen Umsetzung einer altbekannten Geschichte bzw. eines vorgegebenen Musters. Und für das, was die jeweiligen Filme darstellen wollen, muss man eingestehen, dass American Pie weitaus harmonischer funktioniert, als in diesem Fall She’s All That.

Der kanadische Regisseur Robert Iscove, jahrelang Fernsehregisseur, dessen Vita Ende der Achtziger mit Gastarbeiten für Miami Vice, Star Trek: TNG oder 21 Jump Street am eindrucksvollsten erscheint, steht letztlich zwischen den Stühlen eine moralische Komödie zu drehen oder sich auf ein Klischeefeuerwerk zu beschränken. Der Pygmalion-Ansatz ist in seinem Grundsatz nicht verfehlt. Nachdem Zack (Freddie Prinze Jr.), der populärste Junge der Schule, von seiner Freundin Taylor (Jodi Lyn O’Keefe), dem populärsten Mädchen der Schule, sitzen gelassen wurde, fühlt er sich natürlich in seinem Stolz gekränkt. Später im Film bringt es Zacks vermeintlicher Freund Dean (Paul Walker) einmal auf den Punkt, wenn er rekapituliert, welchen Status Zack während der letzten Jahre inne hatte („For four years I watched you fool people into thinking you’re some sort of god in this place“). Und so führt sich Zack - zumindest zu Beginn - auch auf. Egal ob er ein Mädchen mit falschem Namen anspricht oder Simon (Kieran Culkin) lediglich „Spasti“ ruft („He knows my name!“), die Reaktionen der Personen sind sympathischer Natur.

Seine Oberflächlichkeit kommt auch in seiner Reaktion auf Taylors Abservierung zum Ausdruck. „You strip away all that attitude and makeup...and basically all you have is a C-minus G.P.A. with a wonder bra”, urteilt er über die Frau, mit der er zuvor glücklich zusammen war und die ihn verlassen hat. Nun ist High School weniger eine Sache von emotionaler Verbundenheit als eher ein Sehen und Gesehen werden unter den bestmöglichen Voraussetzungen. Das pygmalion'sche Element greift nun, als Zack behauptet, an seiner Seite würde jedes Mädchen zur Ballkönigin. Hier sieht Dean seine Chance („This is one contest you’re gonna lose“), den Unfehlbaren versagen zu lassen. Die Wahl fällt auf die verschlossene und verschrobene Laney (Rachel Leigh Cook), die in ihrer Kunstklasse schon mal den Hinweis erhält, sich doch umzubringen, weil die meisten Maler erst nach ihrem Tod entsprechend gewürdigt wurden. Im Folgenden kommt es folglich wie es kommen muss: Zack verliert seine Oberflächlichkeit und beginnt sich in Laney zu verlieben - und vice versa.

In der Choreographie dieser Romanze verhebt sich Iscove ein ums andere Mal. Viele Ausflüge zu unwichtigen und total belanglosen Charakteren in den Personen von The Real World-Star Brock Hudson (Matthew Lillard), der Zack Taylor ausgespannt hat, oder speziell dem Campus-DJ (Usher) führen der Handlung weder Inhalt noch Humor zu. Dies wird nur noch dadurch überboten, dass einerseits eine zwar nett inszenierte, aber unerhebliche Tanzsequenz integriert wurde (um die Laufzeit aufzublähen) und andererseits durch eine krude Schamhaar-Pizza-Rache-Szene, die zum einen den romantischen Helden zum Beschützer des Nerds erklärt (Lucas lässt grüßen), dann jedoch aber auch in die humoristischen Gefilde eines American Pie vordringt, die der Film zuvor allerdings weitestgehend vermieden hat. Stattdessen widmet sich She’s All That zu wenig der Annäherung von Zack und Laney, die von Iscove meisten dann abgebrochen wird, wenn sie gerade erst beginnt, sich in eine interessante Richtung zu bewegen. Sei es die unglücklich verlaufene Party von Preston („Sometimes when you open up to people, you let the bad in with the good”) oder das sich öffnende Gespräch zwischen den beiden in Laneys Keller über ihre Verschlossenheit und seine Zukunftsängste.

Dabei weist der Film viele positive Eigenschaften auf: sei es die interaktive Rückblende zu Taylors Spring-Break-Erlebnissen oder Zacks Bühnenauftritt im Jesters. Wie viele High-School-Komödien finden sich nach einigen Jahren Abstand auch bekannte Gesichter wieder, wie in Nebenrollen: Milo Ventimiglia, Anna Paquin, Gabrielle Union oder Jodi Lyn O’Keefe. Von den drei größeren Rollen konnte sich lediglich - wenn man so will - Paul Walker durchsetzen, während sich ein gut aufgelegter Kevin Pollock auch für einen Nebenpart als schrulliger Vater nicht zu schade war. Was den Film ansonsten auszeichnet, ist sein stimmiger Soundtrack, der speziell durch „Kiss Me“ von Sixpence Non The Richer besticht, aber auch durch Goldies „Believe“ herausragt. Hätte sich She’s All That mehr an seinen emotionalen Momenten versucht, die ehrlichen Augenblicke zwischen Zack und Laney stärker fokussiert und andere Elemente wie Brocks Eskapaden weitestgehend beschnitten, hätte Iscoves High-School-Komödie sicher zu mehr getaugt. So ist der Film bisweilen recht nett, aber schlussendlich einfach nur durchschnittlich.

6/10