Posts mit dem Label Mary Elizabeth Winstead werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Mary Elizabeth Winstead werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

9. Mai 2013

Stoker | Starlet | Smashed | Star Trek Into Darkness

Es kommt nicht jede Woche vor, dass ich von den aktuellen Filmstarts die namhaftesten Vertreter vorab gesehen habe. An diesem Donnerstag war dies der Fall, mit dem Blockbuster Star Trek Into Darkness von J.J. Abrams als Frontrunner, dem Arthouse-Horror Stoker von Park Chan-wook als Schmankerl und den Indie-Filmen Starlet von Sean Baker und Smashed von James Ponsoldt. Abrams zweites Abenteuer auf der Enterprise ist dabei eine durchwachsene Angelegenheit, deren erster Akt sich in Repetition des Vorgängers verliert, während der dritte Akt zur fehlplatzierten Serien-Hommage avanciert. Lediglich das Mittelstück gefällt.

Stoker ist hingegen ein audiovisueller Augenschmaus, dessen Story vielleicht keine Bäume ausreißt, aber dennoch unterhält - auch dank des überzeugenden Ensembles. Luftig-leicht kommt derweil Starlet daher, eine Mumblecore-Nachgeburt über eine verträumte Jungschauspielerin, die sich mit einer alten Witwe anfreundet - perfekt für verregnete Sonntage. Abraten lässt sich dagegen von Smashed, einem 0815-Drama einer Alkoholikerin, die beschließt, trocken zu werden. Mary Elizabeth Winstead verliert sich mehr als einmal im overacting und nicht mal Nick ‘Ron-fucking-Swanson’ Offerman vermag hier viel zu retten. Zu den ausführlichen Kritiken gelangt man jeweils per Link über die Szenenbilder (obschon Smashed lediglich auf Twitter führt). Also ab ins Kino mit euch!

12. April 2012

The Thing

You know, I never believed in this shit.

Eigentlich verweist eine Hommage auf besondere Anregungen, die ein Künstler für sein Werk durch andere Kunstwerke erfahren hat. So sicherte sich zum Beispiel Darren Aronofsky die Rechte für Kon Satoshis Perfect Blue, um in einer kurzen Badenwannenszene in Requiem for a Dream seine Verehrung für den japanischen Kollegen auszudrücken. Die ultimative Hommage ist die Nachahmung eines ganzen Werks, in der Filmbrache „Remake“ genannt. Peter Jackson drückte seine Liebe zu King Kong dadurch aus, dass er den Film 2005 neu umsetzte. Ähnlich erging es den Produzenten von The Thing, der 2011 als Prequel des gleichnamigen Klassikers von John Carpenter diente. Und weil er sich so exakt am Original orientierte, nannten Kritiker das Ergebnis passend „Premake“.

“The world of movies (…) these days is run by franchises and sequels“, erklärt uns Darsteller Joel Edgerton zu Beginn des Blu-Ray-Features “The Thing Evolves”. Und schiebt nach: “You gotta be real careful when you revisit material that has been loved”. Für die Produzenten ist ihr The Thing jedoch kein Remake, sondern eine Ergänzung. “We wanted to make a movie that fit in (…) as a companion”, erklärt Produzent Eric Newman im Audiokommentar. “Do something completely different than the original while paying homage to it the same time”, umschreibt es Hauptdarstellerin Mary Elizabeth Winstead. Wirklich aufgegangen ist die Rechnung der Macher dabei allerdings nicht ganz, erzählt ihr The Thing letztlich genau dasselbe wie Carpenters Film von 1982 – nur mit anderen Figuren.

Als norwegische Wissenschaftler rund um Edvard Wolner (Trond Espen Seim) in der Antarktis auf ein außerirdisches Raumschiff und einen eingefrorenen Organismus stoßen, lässt Sander Halvorson (Ulrich Thomsen) die Paläontologin Kate Lloyd (Mary Elizabeth Winstead) einfliegen, um den Fremdkörper zu untersuchen. Als dieser im Lager der Norweger später zum Leben erwacht und sich als parasitärer Formwandler herausstellt, der andere Geschöpfe nachahmen kann, bricht unter den Forschern die Paranoia aus. Wer von ihnen wurde bereits assimiliert und wie lässt sich dies feststellen? Während die Emotionen hoch kochen, weiß Kate nicht mehr, wem sie trauen kann. Auch nicht Helikopterpilot Carter (Joel Edgerton) oder ihrem Studienfreund Adam (Eric Christian Olsen).

Wirklich „neu“ ist im 2011er The Thing lediglich die Exposition. Ist das Ding erst einmal aus seinem kryonischen Dasein befreit, folgt Regisseur Matthijs van Heijningen Jr. im Grunde der Entwicklung aus Carpenters Film. Man stößt auf die Anatomie des Dings und fortan ist unklar, wer noch Mensch und wer bereits Ding ist. Es wird misstraut, ein Test zur Humanprobe initiiert und anschließend bricht die Hölle in der Forschungsstation aus. “We tried to be as accurate as possible”, erläutert van Heijningen Jr. im Audiokommentar bezüglich Carpenters Version. Und was bei den Continuity-Szenen (Wie kam die Axt in die Tür? Was passierte mit dem Eisblock? Woher stammt der zweiköpfige Leichnam?) noch relativ charmant und harmonisch gerät, verleitet bei der Story zum Stolpern.

Prinzipiell stellt sich hier natürlich die Frage, was Newman, van Heijningen Jr. und Co. hätten Anderes erzählen können als John Carpenter? Und die Antwort „wenig“ erscheint dabei ziemlich naheliegend. Umso fragwürdiger wirken folglich Sinn und Zweck, überhaupt ein Prequel zu The Thing produzieren zu wollen. Muss denn jedes Rätsel ausbuchstabiert werden? Ist es nicht eine Stärke der ursprünglichen Geschichte, dass die Umstände des zerstörten Lagers der Norweger, die verbrannten Leichen, die Axt und der Selbstmord vage und ungeklärt bleiben? Und kann sich das Publikum Antworten auf diese Fragen nach Sichtung des 1982er Films nicht letztlich selbst zusammenreimen? Eine wirkliche Erweiterung des Mythos’ um das Ding gelingt dem Prequel somit kaum, allenfalls in einer Situation.

Stattdessen werden Elemente des Vorbildes verwurstet. Die Funktion von Kurt Russells MacReady wird im Verhältnis von gut 70:30 umverteilt auf Kate und Carter. Erstere ist es, die im Laufe des Films die Initiative ergreift, die spätere Humanprobe durchführt und im Finale das Ding konfrontieren muss. All dies geschieht in weitestgehend ähnlicher Weise wie vor 30 Jahren, genauso wie Helikopterpilot Carter sich später zurück in die Innenräume des Lagers kämpfen muss, was zu einem Todesfall führt. Schablonenhaft folgt van Heijningen Jr. seinem erklärten Lieblingsfilm und dass die Beteiligten wirklich zu glauben scheinen, sie würden über weite Strecken eine originäre Geschichte erzählen, ist umso verblüffender, da die betreffenden Personen eine Remake-Vergangenheit besitzen.

Denn vor The Thing hatten die Produzenten Eric Newman und Marc Abraham den George A. Romero Klassiker Dawn of the Dead wiederverwurstet, während Drehbuchautor Eric Heisserer zuvor für das Skript des A Nightmare on Elm Street-Remakes verantwortlich war. So unnötig ein Remake von Carpenters Kultfilm sein mag, sollte man ein solches, auch wenn es in Verkleidung eines Prequels daherkommt, als solches bezeichnen, anstatt zu behaupten, man biete etwas Neues. Zu plump ist dafür die legendäre Testszene (obschon sie hier nicht durch Blutproben geschieht) oder der Finalkampf mit dem Ding von Carpenter kopiert, zu sehr klebt van Heijningen Jr. am strukturellen Aufbau des Vorbildes. Geht, schwimmt und quakt etwas wie eine Ente, ist es eine Ente.

Wie angesprochen ist das Premake jedoch in einigen Szenen durchaus vergnüglich-charmant in seiner Hommage an den Vorgänger. Dies liegt zuvorderst an dem Handlungsgerüst, das dem Film als Fundament zu Grunde liegt. Wenig überraschend hat das Gezeigte allerdings nicht denselben Effekt wie im Original. Sowohl Exposition wie Finale fressen wertvolle Zeit, sodass im komprimierten Mittelteil noch weniger Paranoia aufkommen will als bei Carpenter. Verdächtigen sich die Forscher in einer Szene noch gegenseitig, bilden sie kurz darauf bereits wieder eine Einheit. Heisserer gewährt der Assimilationsangst zu wenig Raum, als dass sie sich entfalten kann. Vielmehr geht alles plötzlich Schlag auf Schlag und der Film hastet zügig vom zweiten in den finalen (und langatmigen) dritten Akt.

Der wiederum will eine Spur zuviel und wirft im Nachhinein eher weitere Fragen auf, als dass er welche beantwortet. Narrativ gerät The Thing somit reichlich unausgewogen in seinem Versuch, die Geschichte des Vorgängers durch kleinere Zusätze aufzupeppen. Hinzu kommt, dass die neuen Figuren im Vergleich zu ihren „Nachfolgern“ wenig Charisma versprühen. Zwar sind einige Charaktere wie Jonas (Kristoffer Hivju) oder Lars (Jørgen Langhelle) durchaus sympathisch, aber ihnen fehlt das gewisse Etwas, das beispielsweise Keith Davids Childs oder Richard Masurs Clark damals ausgezeichnet hat. Sie allesamt sind hier profillos-verzichtbare Figuren, als solche sie auch eingeführt werden, was aber auch die Vorkenntnis, dass sie alle zum Sterben verdammt sind, nicht entschuldigen kann.

Wenig überzeugend geraten auch die Spezialeffekte des Dings, die mal aus praktischen Effekten bestehen und dann wieder aus CGI oder gar beidem. “We very much tried to play to the strengths of CG”, sagt Visual Effects Executive Producer Stephen Garrad in den Extras. “To try and get the best hybrid possible.” Für seine Kollegin Petra Holtorf-Stratton geht es nicht um praktische Effekte oder Computergraphik: “The point is to make the movie look as good as it can look”. Gerade dies will aber nicht gelingen, wenn die über die – durchaus überzeugenden – Animatronics gelegten CGI-Effekte die Szenen artifizieller machen. Umso schlimmer gerät das Ganze, da der Film oft und ausgiebig das Ding in Aktion zeigen will und selbst das Beeindruckende an den Effekten so auf Dauer verpufft.

“We just didn’t have enough time”, erscheint die Erklärung von Regisseur van Heijningen Jr. ob der Reduzierung der Animatronics und praktischen Effekte im Audiokommentar da plausibler. Wo Carpenter ein Jahr für die Vorproduktion zur Verfügung gestanden hätte, musste beim Premake alles in einem Viertel der Zeit zum Dreh bereit sein. “At some point it’s hard”, fügt Newman an seinen Regisseur an. Dabei sind die Effekte angesichts des verhältnismäßig normalen Budgets von umgerechnet 28 Millionen Euro durchaus solide, wenn auch wenig beeindruckend. Schon gar nicht im Vergleich zu ihrem praktischen Pendant von vor 30 Jahren, für das Rob Bottin verantwortlich war. Da passt es gut ins Ohr Bild, dass auch Marco Beltramis Musik gegenüber Ennio Morricones Komposition zurücksteht.

Das Remake/Prequel zu The Thing ist also ein schwaches Echo von Carpenters Kultstreifen, das es weder inszenatorisch noch narrativ vermag, die Qualität(en) seines Vorbildes zu erreichen. Zu nah und ungeschickt bewegt man sich auf bewanderten Pfaden, als dass die Neuauflage des Dings sich auf Augenhöhe zur 1982er Version befindet. Dabei ist das Ergebnis nicht ohne Reiz(e), was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein mag, dass die Macher ihr Vorbild wirklich bewundern und ihm Hommage erweisen wollten. Vermutlich zu sehr. Man müsse sehr vorsichtig sein, wenn man Material wieder aufgreift, das geliebt wird, sagte Edgerton. Ein Komplementärwerk ist The Thing zwar nicht geworden, dafür bietet es den Anreiz, sich mal wieder Carpenters Klassiker zu widmen.

5/10

24. Oktober 2010

Scott Pilgrim vs. the World


If your life had a face, I would punch it in the balls.
(Scott Pilgrim Gets It Together, p. 149)

Eine Mütze bedeckt seinen Kopf, die Augen fixieren ein Computerspiel. Er ist Mitglied in einer nerdigen Welt. Daran besteht kein Zweifel. Dafür braucht es nicht die deplatziert wirkende Mütze, das Videogame oder die Comic- und Skateboardeinbindungen ins Geschehen. Er teilt sich sein Leben mit einer Frau, die ihm in gewisser Hinsicht nicht unähnlich ist. Beide hängen noch alten Beziehungen hinterher; emotionaler Ballast und fehlende Reife zeichnen sie aus. Sie bevölkern ihre eigene kleine Welt, in der auch mal einem Videospiel gleich Lebensbalken am oberen Bildschirmrand auftauchen oder in Panik aus dem Fenster gesprungen wird. Es ist das Leben von Tim (Simon Pegg) und Daisy (Jessica Hynes), zweier Slacker, die eine WG gründen. Sie entstammen der britischen Sitcom Spaced von Regisseur Edgar Wright. Das Ganze geschah 1999, fünf Jahre ehe der kanadische Comicautor Bryan Lee O’Malley mit Scott Pilgrim für Oni Press eine der Comicreihen des letzten Jahrzehnts entwarf.

Im Juli 2004 erschien Scott Pilgrim’s Precious Little Life, eine Geschichte eines Antihelden, wie er im Buche steht. Die Titelfigur ist ebenjener 23-jährige Scott Pilgrim, der sich gerade zwischen zwei Jobs befindet (lies: arbeitslos ist). Er teilt sich eine Einzimmerwohnung mit dem homosexuellen Wallace Wells, der neben der Wohnung selbst und dem Inventar auch die Lebensmittel bezahlt. O’Malleys Geschichte setzt ein, als Scott seinen Freunden und Bandmitgliedern mitteilt, dass er mit der 17-jährigen Knives Chau eine High Schoolerin dated. Allerdings nur so lange, bis er der aus Amerika nach Toronto zugezogenen Ramona Flowers begegnet - in seinen Träumen. Als er sie schließlich zu einem Rendezvous überzeugt und mit Knives Schluss macht, führt O’Malley schließlich den MacGuffin seiner Geschichte ein: Ramonas sieben Ex-Freunde. Um mit der Amerikanerin zusammen sein zu können, muss Scott ihre Ex-Liebhaber im Kampf bezwingen. Und mit diesen auch Ramonas Bindungsangst.

Scott wirkt wie eine unsympathische Figur, sagt doch selbst seine beste Freundin Kim, dass wenn sein Leben ein Gesicht hätte, sie es schlagen würde. Mit dem geringstmöglichen Aufwand kriegt Scott wenn schon nicht das größtmögliche Ergebnis dann doch eines, das ergiebiger ist als das, was er reinsteckt. Um die finanziellen Dinge kümmert sich Wallace, und Scott hangelt sich von der einen Freundin zur anderen. „You seem really fine doing nothing. It’s like you don’t feel all that bullshit pressure to be successful”, legte Noah Baumbach in Greenberg einer Figur einen Satz in den Mund, der auch auf Scott Pilgrim zutreffen würde. Dabei hat auch Scotts Leben eine Schattenseite, die erst später, speziell in Scott Pilgrim & the Infinite Sadness und Scott Pilgrim’s Finest Hour, beleuchtet wird. Stück für Stück werden die thematischen Schwerpunkte in die locker-flockige Handlung eingestreut. Zwar wird die Geschichte um die sieben Kämpfe strukturiert, diese dann jedoch stets in wenigen Panels abgehakt.

Die eigentliche Geschichte behandelt eine Gruppe von Twens, die versucht, sich im Leben zu recht zu finden. Scott Pilgrim erzählt von Bindungsangst, von emotionalem Ballast, davon, Schlussstriche zu ziehen und nach vorne statt zurück zu blicken. Die Reifeprozesse seiner Figuren stagnieren, neben ihren wöchentlichem Jam Sessions treiben sich manche wie Stephen Stills in einer Restaurantküche rum, andere wie Kim arbeiten in der Videothek oder wie Scotts kleine Schwester Stacey in einem Coffee Shop. Was auf Scotts „berufliche“ Situation zutrifft, lässt sich auf das Leben von ihnen allen münzen. Sie befinden sich nicht zwischen zwei Jobs, sondern zwischen zwei Leben. Mit dem College haben sie abgeschlossen, ihren Platz jedoch noch nicht gefunden. Bindungsängste eben, in der Karriere, wie im Leben. Keine Figur, die bei O’Malley nicht einer oder einem Ex hinterher trauert. Letztlich ist seine gesamte Comicreihe ein Reifeprozess, ein Coming of Age, für alle Figuren, nicht nur für Titelprotagonist Scott.

Ein thematisches Feld, welches Edgar Wright bestens kennt, nicht nur durch Spaced, sondern auch durch dessen geistiges Kind Shaun of the Dead. Tim, Shaun, Scott - sie alle sind zockende Nerds, Slacker, Loser im Verständnis des kapitalistischen Establishments. Und sie alle hängen emotional an einer Frau, egal ob sie Sarah, Liz oder Envy Adams heißt. Somit schien der englische Regisseur prädestiniert zu sein für eine Adaption der in der Szene vielbeachteten und populären Scott Pilgrim-Reihe. Für Wright wiederum stellt das Projekt seinen nächsten Karriereschritt dar - gen Hollywood. Das 12-Millionen-Dollar-Budget von Hot Fuzz verfünffachte sich zu 60 Millionen Dollar für Scott Pilgrim vs. the World. Eine gewagte Investition, die letztlich in einen kreativen Output floß, dem mit einem weltweiten Einspiel von 47 Millionen Dollar kein finanzieller Input folgte. Zu nah war Wrights Adaption an der Vorlage. Und damit zu weit weg, vom Massenkompatiblen Kinopublikum.

Das fängt bereits mit dem Universal-Logo zu Beginn im 8-bit-Format an und setzt sich in den folgenden 110 Minuten fort, in denen sich Wright offensichtlich darin bemüht, Panel für Panel der Vorlage treu zu bleiben. Der Engländer übernimmt die Urinskala als Scott Pilgrim (Michael Cera) aufs Klo geht, er versieht die meisten Geräusche lautmalerisch mit entsprechenden Zuweisungen. Es „dingt“, wenn jemand an der Tür ist oder „ringt“, wenn das Handy klingelt. Und auch Kims (Alison Pill) Drum-Set-Anweisungen werden angezeigt. Wenn der Zuschauer in Scotts und Wallaces (Kieran Culkin) Wohnung eingeführt wird, etikettiert Wright wie O’Malley die Gegenstände nach ihrem Besitzer. Dies alles ist ungemein bemüht und zugleich charmant, wenn die Kämpfe einem Capcom-Spiel gleich kommentiert („Combo!“, „K.O.!“) oder mit Charakterstärken ausgezeichnet werden. Der Film besitzt eine Visualität, die ihn auszeichnet und vereinnahmt, die letztlich aber auch zum Hauptdarsteller mutiert.

Etwa 110 Minuten dauert Scott Pilgrim vs. the World und Wright versucht, alle sechs Bände zu integrieren. Ein Unterfangen, das nur scheitern kann und es auch tut, denn um dem Comic so gerecht zu werden, wie Wright es möchte, langt ihm schlichtweg die Laufzeit nicht. Wird der erste Band quasi 1:1 integriert (wenn auch innerhalb von 15 Minuten rasch abgespult und somit ob seiner Hast zur Last), selektiert Wright anschließend Häppchenweise Elemente und Momente, versucht sie zu einem Konstrukt zu stricken, das zwischen den Kampfszenen aufgezogen wird. Und hier liegt, wie in den meisten Comicverfilmungen, der Fehler. Denn die Kämpfe gegen die sieben Ex-Freunde von Ramona (Mary Elizabeth Winstead) sind an sich belanglos - ein MacGuffin. Dementsprechend hakt sie O’Malley meist sehr schnell ab (so beansprucht der „Kampf“ gegen Lucas Lee im Comic nur wenige Panels), wohingegen sie Wright, sicher auch wegen Lee-Darsteller Chris Evans, auf das Doppelte ausgedehnt.

Was Scott Pilgrim ausgezeichnet hat, sucht man im Film vergebens. Kaum vorhanden ist die Bindungsangst von Ramona, deren Bedeutung bei Wright ohnehin primär die einer Trophäe darstellt. Dementsprechend verlieren auch die Ex-Freunde, speziell Gideon (Jason Schwartzman), an Tiefe, da ihre und Ramonas Geschichte - hier und da als Flashback in ursprünglicher Comic-Form integriert - irgendwann nicht einmal mehr angesprochen wird. Am deutlichsten wird dies im Fall der Katayanagi-Zwillinge (Keita & Shota Saito), denen nicht einmal eine einzige Dialogzeile vergönnt ist, da sie mit Darstellern besetzt wurden, die der englischen Sprache nicht mächtig sind. Somit irgendwie logisch, dass das große Thema des emotionalen Ballastes und des Ziehens von Schlussstrichen auch weitestgehend unter den Tisch gekehrt wird. Das zeigt sich schon daran, dass eine Figur wie Envy Adams (Brie Larson), bei O’Malley mit ihrem eigenen Band (Scott Pilgrim & the Infinite Sadness) ausgestattet, zur Randfigur wird.

Ohnehin spielt in Scott Pilgrim vs. the World niemand eine Rolle, außer Michael Ceras Scott. Insofern Figuren wie Lisa Miller oder Joseph nicht ganz aus der Handlung eliminiert wurden, sind sie wie Kim oder Envy zu Stichwortgebern degradiert. Die Bedeutung der Charaktere, insbesondere für Scott und somit die Handlung, geht verloren. Szenen und Momente werden aus ihrem Zusammenhang gerissen, zum Beispiel dass Todd (Brandon Routh) einst für Ramona ein Loch in den Mond schlug, einzig um einer amüsanten Anekdote Willen. Dass Kim und Scott mal ein Paar waren, ist für Wrights Film unerheblich, da er diesem Handlungsstrang keine Bedeutung schenkt. Wieso er jedoch ebenso angesprochen wird wie die Beziehung von Stephen Stills (Mark Webber) und Julie (Aubrey Plaza), die für den Filmverlauf unerheblich ist, bleibt fraglich. Zudem verabschieden sich nahezu alle Figuren nach dem zweiten Drittel aus unerklärlichen Gründen, ohne dass sie zuvor von Mehrwert waren.

Das Problem von Wrights Scott Pilgrim vs. the World ist in diesem Fall style over substance. Was umso verstörender ist, wenn man bedenkt, dass Wright dasselbe Thema wie hier mit mehr Fürsorge in Spaced umgesetzt hat. Seine Szenenauswahl ist es jedoch, die seinen ersten Hollywood-Film zu keinem kohärenten Ganzen werden lassen will. Denn wenn der Kern einer Geschichte vernachlässigt - oder wie in diesem Fall: ausgelöscht - wird, funktioniert die Geschichte auch trotz allerlei liebe- und detailvoller Optik nur bedingt. So nett und gelungen Szenen wie Crash and the Boys oder die Seinfeld-Hommage (die in diesem Fall originär aber auch sehr langatmig ist) auch sind, entschädigt das nicht für jene wichtigen Szenen, die die Geschichte ausmachen. Oder wie schon bei Zack Snyders Watchmen der Fall: Eine Treue zu den einzelnen Panels entspricht nicht einer Treue zum Comic. Gerade von Watchmen hätte Scott Pilgrim vs. the World viel lernen können. Umso bedauerlicher, dass dies nicht geschah.

In beiden Fällen ging die Rollenbesetzung zum Teil gehörig in die Hose. Zwar wird eine fehlbesetzte Alison Pill als Kim dadurch entschädigt, indem ihre Figur im Film kaum auftaucht, aber dennoch zählt sie wie Aubrey Plaza, Brie Larson, Anna Kendrick, Thomas Jane und insbesondere Michael Cera zu den großen Fehlern von Edgar Wrights Film. Gerade Cera ist mit seiner obligatorischen eingeschüchterten Flüsterstimme plus patentiertem Dackelblick phänomenal an der Figur vorbeibesetzt. Er bleibt über die gesamte Spielzeit Michael Cera (ein Schauspieler, der es wie kein Zweiter in den letzten Jahren versäumt hat, sich weiterzuentwickeln) und avanciert nie zu Scott Pilgrim. Das es auch besser geht, zeigt vor allem Ellen Wong, die als „Scottaholic“ Knives Chau ein Traum ist. Keine andere Person scheint ihren Part so gut verstanden zu haben, wie die 25-jährige Kanadierin. Ihre Darbietung ist neben der visuellen Ästhetik der Höhepunkt eines Filmes, der ansonsten zu selten sein Potential ausschöpft.

Insofern ist Scott Pilgrim vs. the World ein zweischneidiges Schwert. Wrights Bemühungen, sich visuell an der Vorlage zu orientieren, gehen oft auf, obschon sie bisweilen - gerade im überhastet abgespulten ersten Akt - verloren gehen. Zwar sind Ramonas Ex-Liebhaber bis auf die nutzlosen Saitos punktgenau besetzt, allerdings leiden sie größtenteils an ihrem geraubten Hintergrund (nur Matthew Patel und Todd erhalten eine Comic-Flashback-Erläuterung). Der fehlende Hintergrund, der zwar bei Wright gelegentlich impliziert, aber nie gebührend erläutert wird, ist es auch, der allen Figuren - und mit ihnen der Handlung selbst - das Genick bricht. Von O’Malleys eigentlicher Geschichte (commitment, closure, coming of age, emotional baggage) ist in Wrights Film jenseits der Oberfläche nicht mehr viel übrig geblieben. Und das, was es auf die Leinwand geschafft hat (warum auch immer, die Auswahl des Engländers ist selten nachvollziehbar, siehe die Integration von Negascott im Finale), vermag sich nicht wie eine stringente Geschichte anzufühlen.

Die Verfilmung eines Comics stellt somit weiterhin eine diffizile Angelegenheit dar (trotz exzellenter Beispiele wie Hulk oder Bryan Singers X-Men-Filme), von denen Sylvain Whites The Losers zwischen den misslungenen Scott Pilgrim vs. the World, Kick-Ass und Iron Man 2 dieses Jahr sichtbar herausragt. Und wie sich zeigt, scheinen auch die optimalen Voraussetzungen eines Edgar Wright durch Themenverwandte Projekte wie Spaced und Shaun of the Dead nicht auszureichen, um eine Geschichte in ihrem Kern getreu zu adaptieren. Weshalb sich der Brite neben seine Landsleute Matthew Vaughn und Christopher Nolan, sowie die amerikanischen Kollegen Zack Snyder und Jon Favreau einreiht. Vielleicht sollte Wright einfach einen erneuten Blick in O’Malleys Comics werfen, speziell in den finalen Band und auf Kims entscheidenden Rat an Scott: „If you keep forgetting your mistakes, you’ll just keep making them again“.

5.5/10

17. Juli 2007

Death Proof

Shots first, questions later!

Wenn sich zwei der talentiertesten und kultigsten Regisseure unserer Generation zusammentun, um ein Double Feature ins Kino zu bringen, jubelt der Filmfan. In der Tradition des Grindhouse, das zur Ertragsstreigerung zwei trashige B-Movies zum Preis von einem zeigte (sogar Kubricks The Killing lief einst im Grindhouse), wollten Robert Rodriguez und Quentin Tarantino jeweils einen Film beisteuern und als Hommage an dieses drehen, um beide Filme anschließend als Double-Feature ins Kino zu bringen. Inklusive Fake-Trailer zu weiteren Grindhouse-Filmen, gedreht von den neuen Söhnen des Horrors wie Eli Roth und Rob Zombie. Dabei liegt die Betonung aber auf wollten, denn wenn Dinge zu schön scheinen, um wahr zu sein, sind sie es meist nicht.

Das Budget von GrindHouse lag bei 53 Millionen Dollar, produziert wurde er von Tarantinos langjährigen Partnern, Bob und Harvey Weinstein. Enttäuschenderweise spielte GrindHouse am Startwochenende in den USA nicht einmal 12 Millionen Dollar ein – was angesichts des Ostertermins aber auch nicht allzu verwunderlich ist für einen R-Rated-Film. Tarantino war zwar enttäuscht, bezeichnete sich jedoch als stolz über seinen vermeintlichen Flop. Ganz anders dagegen Harvey Weinstein. Der sah sein Geld den Bach runter gehen und weil Produzenten keine Filmschaffenden, sondern Geschäftsleute sind, versuchte sich der gierigere Weinstein an Schadensbegrenzung. Vielleicht sollten er es George Lucas machen und ein und denselben Film alle paar Jahre re-digitalisiert neu veröffentlichen.

Das Schema des “Zwei Filme zum Preis von einem“ kam in den USA allerdings nicht wirklich an. Mancher verließ das Kino bereits nach Rodriguez’ Segment Planet Terror, unwissend, das Tarantinos Death Proof folgte. Harvey Weinstein sah jedenfalls sein teures Geld davon fließen, weshalb er nun außerhalb der USA GrindHouse getrennt vertreibt, dafür in erweiterten Fassungen. Seiner Begründung nach können Europäer ohnehin nichts mit der Tradition des Grindhouse-Kinos anfangen, wieso ihnen folglich die Mühe machen. Gesagt, getan und nun startet Planet Terror gut zwei Monate nach Death Proof in unseren Kinos. Statt 2 für 1 also alles wie gehabt. Ganz schön dreist eigentlich, dass man nun den doppelten Preis für ein Produkt zahlen muss, wie von den Produzenten zuvor angekündigt.

Death Proof handelt von Stuntman Mike (Kurt Russell), der in seiner Freizeit junge, scharfe Mädels kalt macht. Hierbei hat er sich als Opfer DJane Jungle Julia (Sydney Potier) und deren Freundinnen Arlene (Vanessa Ferlito) und Shanna (Jordan Ladd) ausgesucht. Nach einem Abend in der Kneipe sucht er sie schließlich mit seinem todsicheren Chevy Nova heim – nur damit sich die Handlung in der zweiten Hälfte des Filmes nochmals wiederholen kann. Dort nimmt es Stuntman Mike mit den etwas robusteren Mädels Abernathy (Rosario Dawson), Kim (Tracie Thoms) und Zoë (Zoë Bell) auf. Während vieler tiefsinniger Frauengespräche bietet Tarantino auch jede Menge Kunstblut und obschon beide Teile seines Filmes identisch wirken, sind sie prinzipiell dann doch grundverschieden.

Das der Film Tarantino Spaß gemacht hat, macht sich bemerkbar. Er zitiert sich gerne selbst, referiert des Öfteren Vanishing Point und Bullitt, stellt für eine Barszene seine private Jukebox zur Verfügung und ergötzt sich an seinen Frauendialogen. Jungle Julia und/oder Abernathy treffen sich beide mit ihren Freundinnen zu einem großen und ausführlichen Plausch zu Tisch, doch während die einen unbekümmert über Männer und Flirten tratschen, offenbart sich bei zweiter Gruppe die toughere Natur der Damen – mal abgesehen von Lee (Mary Elizabeth Winstead), die dafür das eye candy des Filmes bildet. So nett und ausgefeilt Tarantinos Dialoge auch sind – sie sind zu lang. Denn an sich führen sie nirgendwo wirklich hin und entwickeln zudem nicht einmal die dargebotenen Charaktere weiter.

Die Tonmängel und Farbfehler sind natürlich nett mitzuerleben und schön eingebaut für das richtiges Flair, welches durch Tarantinos exzellente (und erstmalige) Kameraführung unterstützt wird. Auch die Musikauswahl ist wie immer über jeden Zweifel erhaben, für einen echten Grindhouse-Film ist allerdings doch zu unkonsequent durchgezogen. Denn nur weil Death Proof sich mitunter Stilblüten des Grindhouse bedient, macht das den Film noch lange nicht zu Grindhouse. Einen guten Film auf schlecht zu trimmen, damit er den Anspruch erfüllt so schlecht zu sein, dass er schon wieder gut ist, funktioniert hier dank Tarantinos gekonnte Inszenierung nicht. Und auch die überbordende Länge spricht dafür, dass Death Proof in seiner ursprünglichen GrindHouse-Fassung sicherlich runder daherkommt.

6.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision