All’s well that ends well.
Obschon Superhelden außergewöhnliche Personen darstellen, gebären sich Superhelden-Filme auch dank des ermüdend-repetitiven MCU heutzutage mehr als gewöhnlich. Da braucht es schon ein wenig Kreativität, um diesem Genre-Golem wieder Leben einzuhauchen. Bei Quentin Dupieux ist man hier sicher an der richtigen Adresse, ist der Franzose doch alles andere als unoriginell. In Fumer fait tousser – in Englisch: Smoking Causes Coughing – inszeniert er seine ganz eigene Version der „Avengers“. Das Quintett der Tobacco Force schlägt sich buchstäblich jede Woche mit extraterrestrischen Widersachern, von anthropomorphen Reptilien bis hin zu Lézardin (Benoît Poelvoorde), der plant, bis zum Jahresende die Erde zu zerstören.
Eine ernstzunehmende Bedrohung, weshalb es umso beunruhigender ist, dass der soziale Zusammenhalt innerhalb der Tobacco Force nicht gerade zum besten bestellt ist. Nur mit Ach und Krach gelang es Teammitglied Mercure (Jean-Paul Zadi) im letzten Konflikt noch, seine Spezialkraft freizuschalten. Weshalb Tobacco-Force-Leader Chief Didier (Alain Chabat), eine sprechende Ratte, kurzerhand seine Truppe zu einer Arbeitsklausur-Woche verdonnert, um an ihrer Teamfähigkeit zu arbeiten. Dort beginnt sich das Team abends, pseudo-gruselige Lagerfeuer-Geschichten zu erzählen, während Mitglied Nicotine (Anaïs Demoustier) mit ihren aufwellenden romantischen Gefühlen für Chief Didier klarzukommen versucht.
Fumer fait tousser ist eine charmante Persiflage auf das Super-Sentai- und Tokusatsu-Genre mit spürbar französischem Anstrich. Eingewoben in das große Ganze werden hierbei die Lagerfeuer-Erzählungen als amüsante Vignette-Elemente, zum einen zwei Pärchen, die ein Wochenende in einem Ferienhaus verbringen wollen, ehe die Entdeckung eines meditativen altmodischen Huts die Ereignisse auf den Kopf stellt. In einer anderen Erzählung steht wiederum ein Arbeitsunfall in einem Sägewerk im Fokus und seine Folgen innerhalb eines Familiengeflechts. Was die vermeintlichen Gruselgeschichten mit der Haupthandlung eint, ist die fortschreitende Abkopplung innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Menschen.
Der Film thematisiert dies an vielen Stellen, beispielsweise wenn Team-Leader Benzène (Gilles Lellouche) dem Kollegen Méthanol (Vincent Lacoste) am Rande eines Kampfes von seinem Malheur berichtet, in Anwesenheit eines Veganers über Salami philosophiert zu haben. Auch die Kommunikation des Teams mit seinem Roboter Norbert (Ferdinand Canaud) wirkt zunehmend „lost in translation“, während Nicotine falsche Signale von Chief Didier zu empfangen scheint und nur augenscheinlich von ihrer Kameradin Ammoniaque (Oulaya Amamra) getröstet wird. Auch die Paare in der Ferienhaus-Vignette oder Sägewerk-Leiterin Tony (Blanche Gardin) sowie ihre Schwester und Neffe Michaël (Anthony Sonigo) haben Gesprächsbedarf.
Da passt es ins Bild, dass das Team in seinem Untergrund-Bunker im dortigen Kühlschrank einen ganzen Supermarkt inklusive Bedienung vorfindet, an der später Méthanol vorbeireden wird. “What am I doing with these people?”, fragt sich Agathe (Doria Tiller) nach dem Aufsetzen des Denkhutes in Hinblick auf ihre Beziehung und die gemeinsamen Freunde. Und im Grunde könnte sich das auch jedes Mitglied der Tobacco Force beim Anblick von einander fragen. Fumer fait tousser bewegt sich dabei stets in gewisser Weise auf einer Metaebene, wenn Agathes Mann ihr sagt “You can’t wear that dumb thing all day”, während sich gleichzeitig die Tobacco Force nie ihrer Super-Sentai-Anzüge entledigt – nicht einmal zum Schlafen.
“I still think it’s crap”, kommentiert an einer Stelle ein junges Mädchen (Thémis Terrier-Thiebaux) einen Videoclip von Benzène in Aktion – und könnte damit in gewisser Weise auch Dupieux’ Film selbst meinen. Die Tobacco Force ist dabei ein buntes Gemisch aus scheinbar ausgebrannten und wiederum jungen und dynamischen Mitgliedern, die zwar wöchentlich die Welt retten, dann aber dennoch verschreckt sind, wenn sie nachts ein Geräusch im Gebüsch hören. “Let me tell you something life-changing”, klärt Benzène zu Beginn einen jungen Fan auf. Und lebensverändernd sind auch die Erlebnisse, denen sich alle Figuren gegenübersehen, insofern sie es nicht schaffen, wieder eine gemeinsame Linie der Kommunikation zu finden.
Entsprechend dem Tokusatsu-Genre sind die Effekte entsprechend gestaltet. Das Grundgerüst wirkt wie ein Mash-up aus Power Rangers, denen Marvin the Paranoid Android aus A Hitchhiker’s Guide to the Galaxy an die Seite gestellt wird. Chief Didier ist ein Highlight für sich, als unentwegt grünen Schleim sabbernde und offenbar notgeile Puppe, während das gesamte Ensemble durch die Bank in seinen Rollen zu überzeugen vermag, obgleich manche von ihnen wie Anaïs Demoustier oder Jean-Paul Zadi etwas bessere Szenen erhalten als ein Vincent Lacoste. Auch die Vignetten-Darsteller gefallen, allen voran Adèle Exarchopoulos untermauert ihr komödiantisches Talent, aber auch Raphaël Quenard holt das Maximum aus seinem Part.
Aller Argumentation zum Trotz ist Fumer fait tousser natürlich kein allzu tief schürfender oder nachdenklich stimmender Film, der dem Publikum eine bestimmte Botschaft subtil mitgeben möchte. Primär ist es eine überzeichnete Blödelei, deren Vergnügungsfaktor davon abhängt, wie sehr man sich mit dem Humor von Quentin Dupieux arrangiert. Hilfreich ist da, dass sich die Tobacco Force durchweg selbst ernst nimmt, auch wenn es die übrigen Figuren nur bedingt tun. Dass der Film nur knapp 80 Minuten lang ist, trägt seinen Teil zur Kurzweil bei, verleiht dem Ganzen den Charme einer längeren Sitcom-Folge. Unabhängig davon, wie viel Spaß man mit Fumer fait tousser hat, dürfte eins klar sein: Außergewöhnlich ist der Film allemal.
8.5/10