25. Mai 2018

An Officer and a Gentleman

And don’t you eyeball me, boy.

In der Natur versuchen sich Jungtiere so viel wie möglich von ihren Eltern abzuschauen, um mit deren Wissen und Kenntnissen das eigene Überleben sicherzustellen. Beim homo sapiens liegt die Sache etwas anders, hier wollen sich die Jungtiere in der Regel so weit wie möglich von ihren Erzeugern emanzipieren. Und bloß nicht so enden wie diese. Ähnlich ergeht es den Figuren in Taylor Hackfords Film An Officer and a Gentleman (bei uns: „Ein Offizier und Gentleman“). Oberflächlich erzählt dieser von einer Offiziersausbildung der US-Marine, gewürzt mit einer turbulenten Romanze. Im Kern dreht sich das Drehbuch von Douglas Day Stewart jedoch vielmehr um Kinder, die versuchen, sich vom Rollenbild ihrer Eltern zu lösen.

Im Mittelpunkt steht dabei Zack Mayo (Richard Gere), der quasi als Vollwaise aufwächst, nachdem seine Mutter Selbstmord begeht. Sein Vater Byron (Robert Loggia) ist für die Navy auf den Philippinen stationiert, jedoch charakterschwach und abhängig von Alkohol sowie Prostituierten. Eine klassische Erziehung genoss Zack somit nicht, obschon wir immerhin zu Beginn sehen, dass er ein College besucht hat. Die Figur trifft eingangs die überraschende Entscheidung, eine Ausbildung zum Offizier als Marinepilot anzustreben. Vielleicht, um sich selbst – und letztlich auch seinem Vater – zu beweisen, dass man(n) mehr Charakter haben kann als dieser, ungeachtet dessen, dass das eigene Leben in den Dienst des Landes gestellt wird.

Mayo ist jemand, der stets auf sich allein gestellt gewesen ist. Was erklären mag, wieso er sich über weite Strecken während seiner Ausbildung auf sich selbst fokussiert. Zwar freundet er sich mit Zimmernachbar Sid (David Keith) an, doch einen Teamgedanken verfolgt er nicht wirklich. “You don’t give no shit about anybody than yourself”, wirft ihm später sein Ausbilder Foley (Louis Gossett Jr.) zurecht an den Kopf. “You oughta be good at this, Mayo. Something you can do alone”, stachelt er ihn im Verlauf während einer Solo-Simulationsübung an. Mayo ist sich selbst am nächsten – damit aber nicht unbedingt im Militär ideal aufgehoben. Der Film nutzt dies natürlich geschickt, um am Ende die Katharsis der Figur zu unterstreichen.

Wenn Mayo zum Abschluss seiner Ausbildung den Rundenrekord der Akademie opfert, um Kameradin Seeger (Lisa Eilbacher) das Bestehen zu sichern, ist der ehemalige Einzelgänger scheinbar endlich angekommen. Dabei ist Mayo keineswegs ein Außenseiter, vielmehr besitzt die Rolle respektive Gere ausreichend Charme, um trotz seines sozialen Status bei seinen Kameraden wie Sid, Seeger oder Daniels (David Caruso) ein gewisses Ansehen zu besitzen. Die Reife, die ihm fehlt, wird er über die zweistündige Laufzeit von An Officer and a Gentleman erhalten – mit allen Höhen und Tiefen. Darunter, wenn er kurz vor dem Rauswurf durch Foley steht, aber diesem dann unter Tränen erklärt, er wisse sonst nicht, wohin mit sich.

All diese Momente sind natürlich überaus plakativ und mitunter mit dem Holzhammer ans Publikum kommuniziert. Etwas subtiler gibt sich der Film da schon in der Ausarbeitung seiner Nebenfiguren. Paula (Debra Winger) ist dabei in gewisser Weise das Spiegelbild von Mayo, entstammt genauso wie dieser einer Affäre der Mutter mit einem Soldaten, ohne dass der im Anschluss Interesse an einer Familie gehabt hätte. Kein gewöhnlicher Soldat, sondern wie Mayo ein Offiziersanwärter für die Marine. So lebt Paula nun in derselben Stadt wie ihre Mutter Esther (Grace Zabriskie), arbeitet sogar in derselben Fabrik wie diese zusammen mit ihrer Freundin Lynette (Lisa Blount). Wie die Mutter, so die Tochter, scheint sich zu bewahrheiten.

Für die Frauen des Ortes, so skizziert es zumindest der Film, bilden die Offiziersanwärter die einzige Möglichkeit zur Flucht und zum sozialen Aufstieg. Entsprechend „warnt“ Foley die Kadetten eingangs, sich nicht in einer Babyfalle zu verirren, deren Personifikation – wie wir aber erst später lernen – in Paula dargestellt wird. Lynette ist es, die über Andeutungen zu ähnlichen Mitteln greift, um in Sid ihr Ticket für ein besseres Leben zu finden. Der hat wiederum seine eigenen Probleme mitgeschleppt, die wie bei den anderen Charakteren in der Beziehung zu den Eltern ihren Ursprung finden. Aus einer Militärfamilie entstammend, hadert Sid mit jener Rolle, die ihm zugeschrieben wird, nachdem sein älterer Bruder in Vietnam stirbt.

Fortan ist er kaum mehr als ein Ersatzsohn – und kein sonderlich geschätzter obendrein. Die Ausbildung als Marinepilot ist weniger auf seinem Mist gewachsen, als die Fortführung des Karriereplans seines verstorbenen Bruders. Hinzu kommt, dass Sid auch gleich dessen Verlobung übernahm, mit einer Frau, die zwar toll sei, die er selbst sich aber nicht ausgesucht hat. “I was here for everybody but me”, gesteht sich Sid am Ende ein, als er dem Druck nicht mehr Stand hält und kurz vor dem Abschluss aus der Akademie ausscheidet. Der Moment der seelischen Freiheit währt aber nur kurz, als er realisiert, dass sich Lynettes Träume mit ihm letztlich mit den Berufsplänen seiner Eltern für ihn gedeckt haben (“I want to marry a pilot”).

Mit Mitte 20 hat keine dieser Figuren, von Mayo über Paula hin zu Sid und Lynette, wirklich eine Idee, wer sie sein könnte. Höchstens, wer sie nicht sein will. “Lord, lift us up where we belong / Far from the world we know, up where the clear winds blow”, heißt es passend im Refrain von Will Jennings’ Lyrics zum Oscarprämierten Schmachtfetzen “Up Where We Belong”. Gemeinsam mit dem romantischen Happy End, wie es acht Jahre später auch Pretty Woman – ironischer Weise ebenfalls mit Richard Gere – inszenieren sollte, könnte sich der Eindruck aufdrängen, An Officer and a Gentleman sei eine Liebesschnulze, die der Film mit seinen Themen von Verlassen- und Orientierungslosigkeit sowie Suizid keineswegs ist.

Liebe spielt natürlich dennoch eine große Rolle. Jene Liebe, die Mayo und Paula ineinander finden, und die auch Sid sucht in seinem Leben. Die Figuren ersehnen eine gewisse Form der Geborgenheit, die Mayo sowohl in emotionaler (Paula) als auch moralischer (Foley) Person zuerst abzulehnen scheint. Zum Schluss von An Officer and a Gentleman haben Mayo und Paula den vermeintlichen Absprung geschafft – bei Sid und Lynette dagegen hat es nicht gereicht. Dass sich der Kreislauf weiter dreht, beobachtet Mayo kurz vor seinem Abschied von der Akademie, wenn Foley den nächsten Jahrgang begrüßt. Sie könnten sich von ihm, den ehemaligen Einzelgänger, eigentlich einiges abschauen. Emanzipieren müssen sie sich letztlich aber allein.

7/10

18. Mai 2018

Gandhi

I thought you’d be bigger.

So viele bekannte Persönlichkeiten der Zeitgeschichte es gibt, so wenige haben die Geschichte davon wirklich geprägt. Mohandas Gandhi zählte nicht dazu, war er nicht nur ein essentieller Bestandteil für die Unabhängigkeit von (Britisch-)Indien im Jahr 1947, sondern mit seiner friedvollen Satyagraha-Bewegung als Form des nichtkooperativen zivilen Ungehorsams zugleich Inspiration für andere historische Personen wie Reverend Dr. Martin Luther King Jr., Nelson Mandela, den Dalai Lama und Barack Obama. Ein Charakter, wie geschaffen für eine epische Filmbiografie, auch wenn es einige Jahre dauern sollte, ehe Regisseur Richard Attenborough schließlich im Jahr 1982 endlich mit Gandhi sein filmisches Denkmal in die Kinos bringen konnte.

Der Lohn waren stolze acht Oscars, darunter als Bester Film sowie verdientermaßen für Ben Kingsley, der in die großen Fußstapfen des Mannes, der sich später den Zunamen „Mahatma“ verdiente, trat. Wie viele klassische Biopics beginnt Gandhi seine Geschichte dabei am Ende und läutet den Film mit dem tödlichen Attentat auf Mohandas Gandhis (Ben Kingsley) Leben am 30. Januar 1948 ein. Die eigentliche Erzählung steigt kurz darauf 55 Jahre zuvor ein, als Gandhi während einer Zugreise im südafrikanischen Pietermaritzburg aufgrund seiner Hautfarbe der ersten Klasse und letztlich des Zuges verwiesen wird. Die erste Begegnung mit einer Diskriminierung der indischen Bevölkerung, die den Stein zum Anstoß für sein Handeln gibt.

Vor Ort schließt sich Gandhi mit dem Indischen Nationalkongress zusammen, protestiert gegen unterdrückende Gesetze und legt sich mit dem Regierungsapparat an. Ein Einsatz für sein Volk, der sich bei seiner viele Jahre später erfolgenden Rückkehr 1914 nach Indien bezahlt macht. Die Partei um ihre Mitglieder wie Jawaharlar Nehru (Roshan Seth) schickt Gandhi auf eine Reise durch das Land, um ein Gefühl für das Anliegen der Bevölkerung zu gewinnen. “You will see what needs to be said. What we need to hear”, kriegt der damals 45-jährige Heimkehrer mit auf den Weg. Gandhi soll zu diesem Zeitpunkt bereits Swaraj, die Selbstverwaltung der Inder, angestrebt haben – auch wenn Attenborough das nicht betont.

Über seine Laufzeit von mehr als drei Stunden hinweg geriert sich Gandhi dabei im Kern als eine Art „Best of“ auf dem Weg zu dieser Selbstverwaltung. Neben den ersten aktivistischen Bemühungen in Südafrika und der Reise-Montage durch Indien hangelt sich Attenborough neben den etwaigen Inhaftierungen Gandhis über das Massaker von Amritsar in 1919 hin zum berühmten Salzmarsch in 1930 und letztlich der Unabhängigkeit Indiens im Verbund mit den Unruhen zwischen hinduistischer und arabischer Bevölkerung, die in der Gründung Pakistans gipfeln. Hierbei fällt der Film – was vermutlich nur konsequent ist – mitunter etwas zu hagiografisch aus, mit wenig Raum für Kritik an der Heiligen-Legende von Mahatma Gandhi.

Attenborough zeichnet das Bild der politischen Figur und nicht des Menschen Gandhi. In dessen Persönlichkeit erhalten wir nur wenig Einblick, seine Familie um die vier Kinder spart der Film beispielsweise nahezu ganz aus. Dabei hatte Gandhi gerade zu seinem ältesten Sohn Haribal ein schwieriges Verhältnis, aber auch positive Auswirkungen auf seine Enkel wie Ramchandra Gandhi, Arun Gandhi oder dessen Schwester Ela Gandhi, die allesamt ebenfalls als Aktivisten auftraten und -treten. Genauso drängt der Film bisweilen Gandhis Frau Kasturba (Rohini Hattangadi) und ihre Beziehung in den Hintergrund, trotz der streckenweise turbulenten Ehe, welche die beiden mit 13 Jahren zwangsverheirateten Liebenden ihr Leben lang einte.

Für Richard Attenborough war Gandhi ein Passions-Projekt, dessen Umsetzung ihn viele Jahre kostete. Dies mag entschuldigen, wieso sich der Film nicht allzu sehr für Kritik an seiner Figur interessiert, insofern der britische Regisseur überhaupt bereit gewesen wäre, diese einzugestehen. Im Fokus steht das Erreichen der Unabhängigkeit mittels Ahimsa, dem hinduistischen Prinzip der Gewaltlosigkeit, der sich Gandhis Satyagraha verschreibt. “Through our pain we will make them see their injustice”, lautete seine Botschaft, angelehnt an das christliche Hinhalten der anderen Backe (Mt 5, 39). Inwieweit diese als universell angesehen werden kann und nicht vielleicht eher ein Ideal ist, bleibt bei Attenborough außen vor.

So war Gandhi seiner Zeit der Ansicht, die Juden hätten im Holocaust den Märtyrertod sterben sollen, um damit auf die Ungerechtigkeit ihrer Täter hinzuweisen. Und schrieb selbst Hitler, um an ihn zu appellieren. Im Fall der Nazis mag man dies als naiv erachten, für die Methoden von Gandhi in Südafrika und Indien sowie in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eines Dr. King waren sie durchaus zielführend. “Why should we not walk on the pavement like other men?”, fragt ein junger Gandhi da eingangs in Südafrika – und findet darin die Geburt jenes Mannes, von dem sie später sagen würden: “He bows to all and despises none.” Auf seine Weise zeichnet Attenborough jenes Heiligenbild von Gandhi, das dieser anstrebte.

Der Film gerät dabei trotz etwaiger Auslassungen wie Gandhis Rolle im 2. Burenkrieg oder seines Studiums in England eine Spur zu lang. Da mag es etwas irritieren, dass die Handlung zusätzlich durch Auftritte von Figuren wie der Fotografin Margaret Bourke-White (Candice Bergen) oder dem (fiktiven) Journalisten Vince Walker (Martin Sheen) aufgebläht wird, die der Film prinzipiell nicht nötig hätte. Außer, das zum Großteil aus Indern bestehende Ensemble mit ein paar bekannten weißen Gesichtern aufzupeppen. Obwohl wir von diesen mit britischen Charakteren wie dem Pfarrer Charles F. Andrews (Ian Charleson) oder Brigade-General Reginald Dyer (Edward Fox), jenem „Schlächter von Amritsar“, eigentlich doch ausreichend sehen.

Aus heutiger Sicht lassen sich in Gandhi zudem einige Parallelen zu anderen historischen Ereignissen erkennen. “Without a paper, a journal of some kind, you cannot unite a community”, hatte Gandhi in Südafrika einst die Rolle einer Zeitung für das Anliegen der Inder vor Ort hervorgehoben. In gewisser Weise mag man in der Bedeutung von Social-Media-Diensten wie Twitter für den Arabischen Frühling von 2010 eine ähnliche Funktion von Medien sehen. Auch Ähnlichkeiten zu Jesus Christus, der wie Gandhi – sowie später auch Nelson Mandela – für seinen friedvollen, aber grundsätzlich revolutionären, Einsatz einer unterdrückten Bevölkerungsschicht inhaftiert wurde, sind neben dessen Satyagraha-Ansatz praktisch offensichtlich erkenntlich.

In seiner Summe bietet Gandhi somit einen guten, wenn auch nicht umfassenden (oder absolut authentischen) Einblick in das Schaffen Gandhis. Auch wenn wir der Person selbst nicht wirklich näher kommen. Gekonnt von Richard Attenborough inszeniert und überzeugend vom Ensemble gespielt, funktioniert der Film vor allem aufgrund des aufopferungsvollen und starken Spiels von Ben Kingsley, der ganz in seiner Rolle verschwindet. „Ich weiß, daß ich einen schwierigen Weg vor mir habe. Ich muss mich selbst zur Null machen“, diktierte der inhaftierte Gandhi 1924 seinem Vertrauten Charles F. Andrews als seine Autobiografie. Jene Demut war es, die Mohandas Gandhi auszeichnete und andere große Persönlichkeiten später inspirieren würde.

8/10

11. Mai 2018

48 Hrs. [Nur 48 Stunden]

Some of us citizens are behind you all the way, officer.

Einen ungeschliffenen Diamanten findet man nicht oft, erkennt ihn aber leicht. So wie im Fall von Eddie Murphy, der in jungen Jahren Anfang der 1980er Jahre über Saturday Night Live zum aufstrebenden Hollywood-Star aufsteigen sollte. Mit Hits wie Trading Places, Coming to America und Beverly Hills Cop zementierte Murphy seinen Status innerhalb der Branche, seinen Anfang als Schauspieler nahm er dabei 1982 mit seinem Debüt in Walter Hills 48 Hrs. [Nur 48 Stunden]. Gerade 21 Jahre alt geworden, drückte Murphy dem “buddy cop”-Thriller derart seinen Stempel auf, dass seine Karriere anschließend sicher schien. 48 Hrs. avancierte zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres – angesichts seines R-Ratings nicht selbstverständlich.

Die Story ist dabei relativ simpel: Als der dank seinem Partner Billy Bear (Sonny Landham) entflohene Häftling Ganz (James Remar) zwei Polizisten ermordet, ermöglicht der ermittelnde Polizist Jack Cates (Nick Nolte) einen 48-Stunden-Freigang für Ganz’ ehemaligen Komplizen Reggie Hammond (Eddie Murphy). Dieser soll ihm helfen, Ganz zu überführen, der auf eine Beute in Höhe von einer halben Million Dollar aus ist, die Hammond und er einst bei einem Drogencoup bei Seite geschafft haben. Hierzu machen sie zuerst Luther (David Patrick Kelly), einen weiteren Komplizen, ausfindig, während die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Eigenbrötler Cates und dem extrovertierten Reggie in der Folge wiederholt aneinander geraten.

48 Hrs. speist sich somit zuvorderst aus der Beziehung zwischen seinen beiden Hauptdarstellern, weniger durch die sehr rudimentäre Handlung. Immer wieder arbeiten sich Reggie und Cates am jeweiligen Gegenüber ab, bemerkenswert ist dabei, dass der Häftling hier stets mit dem Polizisten mithalten darf. Hill und das Drehbuch, das unter anderem von Steven E. de Souza (Die Hard, Commando) stammt, lassen Murphys Figur hier erfreulich viel Raum zur Entfaltung. Den Höhepunkt bildet dabei vermutlich die Szene in Torchy’s Bar, in welcher Cates sich buchstäblich zurücknimmt, während Reggie einer Gruppe Rednecks die Leviten liest (“I’m your worst fuckin’ nightmare”), auf der Suche nach Informationen zu Billy Bears Aufenthaltsort.

“Attitude and experience get you through”, hat Cates zuvor Reggie eingebläut, wie ein derartiger Konflikt zu lösen ist. Und in gewisser Weise könnte man es auch als Ratschlag von Nick Nolte an Eddie Murphy deuten, hatte Nolte doch seinem Kollegen seiner Zeit zehn Jahre Filmerfahrung voraus. Ähnlich wie in anderen “buddy cop”-Filmen wie Lethal Weapon lernen die Figuren in der Folge, dass sie sich aufeinander verlassen können, woraus sich freundschaftlicher Respekt entwickelt. Ungeachtet jener Keilerlei, in der Cates dann doch so überraschend wie unnötig einen subtilen Rassismus an den Tag legt – was der Film anschließend aber nicht weiter verfolgt. Dabei zeigt sich 48 Hrs. über weite Strecken sogar erstaunlich offen und liberal.

So ist Cates’ Vorgesetzter ein schwarzer Captain und mit Frank McRae so geschickt besetzt, dass er die Rolle später in Last Action Hero und Loaded Weapon 1 persiflieren würde. Zuvor sehen wir eine Gerichtsmedizinerin asiatischer Abstammung im Gespräch mit Cates, während Sonny Landham als Billy Bear einen Nachfahren amerikanischer Ureinwohner spielt. Abgesehen davon ist die Welt von 48 Hrs. – die Gerichtsmedizinerin außen vor – aber eine von Männern dominierte. Frauen werden reduziert auf sexuelle Objekte, seien es die Damen, die zur Befriedigung von Ganz, Billy und Reggie dienen, oder Cates’ Freundin Elaine (Annette O’Toole). Das mag dem Genre und jener Zeit – sowie dem Genre jener Zeit – geschuldet sein.

Neben den Hauptdarstellern überzeugt speziell James Horners Musik, die oft die für den Komponisten bekannten jazzigen Töne annimmt. In Kombination mit den vielen Nacht-Szenen gibt die Symbiose aus Bild und Musik 48 Hrs. nochmals eine ganz eigene Note. Erfreulich ist auch, dass das Finale relativ reduziert ausfällt, ohne große Verfolgungsjagd oder Brimborium vielmehr Bezug nimmt auf das erste Treffen von Cates und Ganz zu Beginn. Walter Hill endet die Geschichte naturgemäß mit den zwei Hauptfiguren, die sich trotz des Erfolgs von 48 Hrs. erst acht Jahre später wiedersehen sollten. Zu dem Zeitpunkt war Eddie Murphy bereits einer von Hollywoods größten Stars. Selbst wenn dieser Stern im Lauf der 90er schließlich zu verglühen begann.

7.5/10

4. Mai 2018

Paper Girls – Volume Four | Doomsday Clock #3-4

Gut Ding will Weile haben, heißt es ja so schön. Das gilt insbesondere auch, wenn es um die Wartezeiten zwischen Comic-Ausgaben geht. Erst jüngst hat Geoff Johns angekündigt, dass statt wie geplant einmal im Monat nun neue Ausgaben von Doomsday Clock alle acht Wochen erscheinen. Immerhin erhalten die Leser hier ein Update, während derzeit Kelly Sue DeConnicks Bitch Planet weiterhin AWOL ist. Rund ein Jahr ist es her, seit #10 über die Ladentheke wanderte. Wann oder ob eine elfte Ausgabe ansteht, wurde bislang nicht kommuniziert. Gut, dass zumindest Brian K. Vaughans Paper Girls mit Volume 4 einen neuen Sammelband auf die Wege gebracht hat. Aber hat sich das Warten auf Paper Girls und Doomsday Clock gelohnt?

Paper Girls – Volume Four

All shall be done and forgotten.

“Context is king”, hatte dieses Jahr Captain Lorca (Jason Isaacs) in der jüngsten Star Trek-Serie Discovery einmal gesagt. Nach etwas kryptischem Beginn in seinem ersten Band sowie auch den Folgenden hat Brian K. Vaughan nun in Volume 4 von Paper Girls etwas mehr Fleisch an den narrativen Knochen gepackt. Zumindest was in etwa die Prämisse betrifft – selbst wenn dies nun nichts ist, was sich in den letzten Bänden nicht bereits abzeichnete oder hat entsprechend interpretieren lassen. Grundsätzlich unterscheidet sich Volume 4 dabei gar nicht einmal wirklich von den Vorgängern, tritt die Handlung doch etwas auf der Stelle, während sich der Autor wieder mal zu sehr in seinen pop-kulturellen Referenzen verliert.

Angekommen am Silvesterabend des Jahres 1999 und inmitten der Y2K-Befürchtungen sind die Mädels um Erin, Mac, KJ und Tiffany erneut getrennt. Ein Schema, das inzwischen wohl nur dazu dient, parallel Handlungsstränge abspielen zu lassen. So trifft Tiffany in ihrem alten Elternhaus wider Erwarten den Goth-Ehemann ihres (buchstäblichen) Alter Egos und Erin, Mac und KJ sind auf der Suche nach ihr. Die führt das Trio kurzzeitig zu einer lokalen Cartoonistin, die verdeckt Informationen zu den bisherigen Vorgängen des Konflikts zwischen Alt und Jung der Generationen aus der Zukunft in ihre Arbeit einfließen lässt. In wenigen Panels vertieft Vaughan zudem den Einblick in die Person und die Vergangenheit des mysteriösen Grand Father.

Als “The Battle of the Ages” erhält der seit vier Bänden schwellende Konflikt der Generationen nun schließlich einen Namen. Die jugendlichen Nachfahren des Grand Father und seiner treuen Anhängerin Prioress “declared war on the entire timeline”, so das Oberhaupt. Mit der Erfindung der Zeitreise sah sich die Jugend in einer gesellschaftlichen Pflicht, das Wohl der Menschen in der Vergangenheit zu verbessern. So referiert die Cartoonistin an der Schwelle zum Jahr 2000 bereits durch ihre Quellen aus der Zukunft die Anschläge des 11. September oder den aktuellen Smombie-Wahn. Als Puristen der 4. Dimension spielen sich wiederum die Vorfahren dieser jungen Generation auf: Mit der Vergangenheit ist nicht zu spaßen, so das Motto.

Mit Pandoras Box des Zeitreise-Paradoxes hält sich Paper Girls zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf. Selbst wenn Vaughan wieder fleißig auf Filme wie The Terminator, 12 Monkeys und Star Trek IV: The Voyage Home verweist, ebenso wie auf den TV-Klassiker Quantum Leap. Die Einschübe wirken immer noch so unpassend und gekünstelt, der Autor wird sie sich aber wohl auch nicht mehr abgewöhnen. Dass auch Volume 4 nicht wirklich von der Stelle kommen will, ist da schon etwas bedauerlicher. Nach Erin in Volume 2 ist es nun Tiffany, die einer älteren Version von sich begegnet. Und auch sie muss wie Erin erkennen, dass ihr Alter Ego im Erwachsenenalter nicht wirklich an einem Punkt im Leben angelangt ist, der sie zufrieden stellt.

Insofern ist absehbar, dass das Comic wohl das Hin- und Hergespringe durch die Zeit dazu nutzt, um die Mädchen im wahrsten Sinne des Wortes mit sich selbst zu konfrontieren. Somit dürften Begegnungen der KJs und Macs in kommenden Bänden noch ausstehen – zugleich aber auch etwas interessanter ausfallen. Erneut wird kurz Macs Leukämie-Tod angesprochen, ebenso wie KJs Homosexualität in Kontrast zu Macs Homophobie in den Fokus rückt. Zwei „Probleme“, die in der Aufarbeitung da doch interessanter ausfallen dürften, als Tiffanys Adoption – die hier quasi ohne Relevanz ist – oder Erins Hintergrund. Nett ist zudem, dass Terry – falls sich überhaupt noch jemand an ihn erinnert – aus Volume 1 einen kleinen Cameo erhält.

Selbst wenn die Handlung teils etwas stagniert, inszeniert Vaughan doch so schnelllebig, wie die Mädchen die Zeitlinien wechseln. Ähnlich wie Dr. Braunstein in Volume 3 werden auch hier frisch eingeführte Charaktere direkt wieder ins Jenseits verabschiedet. Was natürlich in einer Geschichte, die von Zeitreisen(den) handelt, letztlich nichts heißen muss und künftige Auftritte nicht ausschließt. Als Leser ist man Paper Girls einerseits dankbar, dass das Kind des Konflikts beim Namen genannt ist, andererseits wirkt es dadurch aber weiter nicht unbedingt so, als ließe sich erahnen, dass das Comic weiß, in welche Richtung es sich bewegt. Jetzt geht es erstmal zurück in die Zukunft – eine Referenz, die Vaughan sicher in Volume 5 einbaut.

7.5/10


Doomsday Clock #3-4

What page are you on?

Die Geschehnisse vergangener Tage bestimmen auch die Handlung in den jüngsten beiden Ausgaben von Geoff Johns’ Doomsday Clock. Nahezu ausnahmslos alle Figuren hadern mit den Geistern, die sie riefen – allen voran natürlich Ozymandias. Getreu dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ muss Veidt in Walk on Water (#4) erkennen, dass der durch seinen Massenmord initiierte Weltfrieden nur eine kurze Halbwertszeit hatte. Direkt zu Beginn von Not Victory Nor Defeat (#3) begegnet ihm dabei im Büro von Lex Luthor in Person des von den Toten auferstandenen The Comedian ein weiteres Verbrechen seiner Vergangenheit. Der Pfad der Vergebung ist kein leichter, wie Veidt schmerzhaft im Verlauf von Ausgabe #3 feststellen wird.

Es war eine nachvollziehbare Entscheidung, in der vergangenen Ausgabe Veidt mit Luthor und Batman mit Rorschach zu konfrontieren, handelt es sich doch jeweils um Brüder im Geiste. Hier die leicht soziopathischen Oligarchen, dort die vom Waisentrauma geplagten maskierten Verbrechensbekämpfer. Das Aufeinandertreffen von Batman und Rorschach dient Johns für eine willkommene humorvolle Auflockerung, die jedoch alsbald vorhersehbare narrative Wege beschreitet. Ungeachtet Walter Kovacs Tagebuch nimmt Bruce Wayne sein Gegenüber nicht für voll – Ozymandias hätte das Anliegen vielleicht etwas geschickter vorgebracht. Der ist selbst jedoch ebenso wenig erfolgreich, auf der intendierten Suche nach der Spur von Dr. Manhattan.

Die Handlung wird in Not Victory Nor Defeat und Walk on Water fürs Erste leicht entschleunigt. Sogar so weit, dass sich in Ausgabe #3 ein Nebenhandlungsstrang um den von seiner Familie im Seniorenheim vergessenen Mr. Thunder einer Geschichte-in-der-Geschichte widmet. In der Tradition von Dashiell Hammett ermittelt in dem fiktiven Film noir The Adjournment der ermordete Hollywood-Star Carver Coleman als hard-boiled detective einen Doppelmord. Ob sich der Film als Kommentar auf das Geschehen ähnlich wie in Watchmen die Comic-Story Tales of the Black Freighter durch die übrigen Ausgaben ziehen wird, steht momentan noch aus. Wirklich viel beizutragen zur Einordnung hat der Film aber (noch) nicht.

Offen bleibt auch, welche Rolle dem öffentlichen Aufruhr um die Superhelden im DC-Universum zukommt. Wieder wird die Anti-Metahuman-Position erwähnt, mit Bezug auf von Luthor entwickelte Metagen-Detektoren, die Menschen mit speziellen Fähigkeiten ermitteln. “We’re God-knows-where doing God-knows-what”, kommentiert The Marionette relative treffend die noch ungenaue Richtung der Entwicklungen. Ihr und The Mime gehört dabei in Not Victory Nor Defeat der imposanteste Moment, wenn beide unwissentlich das Hoheitsgebiet des Jokers betreten und sich dort auf blutige Weise seinen Handlangern vorstellen. “I can see the noose around your neck from here”, heißt es an einer Stelle, was quasi für alle Figuren gelten könnte.

Noch mehr Tempo reduziert hier Walk on Water, konzentriert sich die Ausgabe nahezu in Gänze dem Trauma von Reggie Long, das ihn zur zweiten Inkarnation von Rorschach werden ließ. Johns verdoppelt dabei die Watchmen-Referenz, wenn nicht nur die Verwandtschaft des neuen Rorschach zu Kovacs Psychiater Malcolm Long bestätigt wird, sondern indem Reggie nach Zeugnis des Massakers von New York in einer Nervenheilanstalt auch noch von Byron ‘Mothman’ Lewis unter die Fittiche genommen wird. “All this anger inside me… it’s got nowhere to go”, fasst Reggie sein Kernproblem zusammen, das – eben ähnlich wie bei Bruce Wayne mit dem Trauma des Elterntodes der Fall – letztlich in seiner Heldengeburt kanalisiert wird.

Wirklich Einblicke in die Figur schenkt diese ausgiebige Charakterisierung jedoch nicht. Der Leser lernt nichts, was er sich nicht bereits hätte denken können. Zumal die aus seinem Überlebensschuld-Syndrom geborenen Rachegelüste dann – wie die erste Ausgabe ohnehin vorweg nahm – schlussendlich ziemlich schnell wieder abgekühlt sind. Insofern wirkt Walk on Water angesichts der nur noch verbliebenen acht Ausgaben wie ein wenig verschenkte Mühe, um eine Figur dreidimensionaler zu gestalten, die dies erstens nicht bedurfte und zweitens bereits greifbar genug gewesen ist. Bleibt nur zu hoffen, dass Doomsday Clock und Geoff Johns in der nächsten Ausgabe wieder etwas mehr Tempo gewinnen. Die Uhr tickt schließlich.

7.5/10