30. November 2007

Die Top 5: Vietnamkrieg

Vielen vielleicht unbewusst, ist der Krieg in Vietnam dennoch die längste kriegerische Auseinandersetzung des 20. Jahrhunderts. Seinen ursprünglichen Anfang 1946 im ersten Indochinakrieg zwischen Frankreich und Vietnam findend, wurde das Land schließlich 1954 in einen kommunistischen Norden und einen antikommunistischen Süden geteilt. Dies führte auch zum Interesse der amerikanischen Regierung, die seit dem zweiten Weltkrieg von jeher antikommunistisch eingestellt war und somit aus Tradition, aber auch aus wirtschaftlichen Interessen in Vietnam engagierten. Ihre Idee war, dass Südostasien für sie als Rohstoff- und Absatzmarkt für Japan und Europa fungieren sollte, um am Ende schließlich ein wirtschaftlich integriertes und weltlich eingebundenes Subzentrum zu werden, das amerikanisch-westlichen Werten und Gesellschaftsmodellen freundlich zugeneigt sein sollte. Somit steht der Vietnamkrieg in der Geschichte als Stellvertreterkrieg im Kontext des Kalten Krieges, da eine offene Auseinandersetzung mit der Sowjetunion (welche später die nordvietnamesische Armee unterstützen sollte) nicht möglich war.

Der Einfluss der Amerikaner in Vietnam findet sich bereits vor dem offiziellen Eintritt in den Krieg von 1965, denn bereits zehn Jahre zuvor hatte das Saigoner Büro der CIA – dessen Aktivitäten vom US-Kongress nicht ausreichend überwacht wurden - Ngô Đình Diem beim Sturz des Kaisers und zu seiner manipulierten Wahl zum Präsidenten Südvietnams geholfen. Diese frühen Eingriffe der CIA in das Geschehen Vietnams waren Thema des 1955 erschienenen Romans von Graham Greene und der gleichnamigen Verfilmung The Quiet American von Phillip Noyce aus dem Jahr 2002. Im Jahr 1956 wurde Südvietnam nicht mehr Herr über die Anschläge der Nordvietnamesen und bat die amerikanische Regierung um Unterstützung, sodass bis zum November 1963 16.870 militärische Berater nach Südvietnam reisten. Als im Sommer die schikanöse Behandlung der Bauer überhand nahm und Buddhisten als Protest gegen den Krieg öffentliche Selbstmorde begangen, erhärteten sich bei Präsident Kennedy erste Zweifel an dem Engagement in Südostasien. Diese Frühphase des Krieges und die Umstände der Diem-Regierung wurden 1998 in dem Fernsehspielfilm A Bright Shining Lie behandelt.

Kennedys Anordnung, bis Dezember 1963 die ersten tausend Soldaten wieder aus Vietnam abzuziehen, wurde durch das Attentat auf ihn am 22. November 1963 unterwandert. Es ist mit aller Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieses Attentat auf Geheiß des CIA in Abstimmung mit verschiedenen Regierungsgrößen stattgefunden hat, unter anderem mit Mitwissen von Vizepräsident Lyndon B. Johnson, welcher zugleich wieder einen härteren Kurs gegen den Vietcong anstrebte. Gemeinsam mit seinem Verteidigungsminister sollte er die USA in einen Konflikt stürzen, welchen sie am Ende verlieren sollten. Im Juli 1964 machte sich das amerikanische Spionageschiff, die U.S.S. Maddox, auf den Weg in den Golf von Tonkin. Im Laufe des nächsten Monats verübten einzelne südvietnamesische Patrouillenboote kleinere Anschläge an der nordvietnamesischen Küste. Die Maddox hielt sich dabei in nordvietnamesischen Gewässern auf und wurde dadurch von den Nordvietnamesen mit den südvietnamesischen Anschlägen in Verbindung gebracht. Anfang August verletzte die Maddox mehrmals das Hoheitsrecht der nordvietnamesischen Gewässer, wurde einmal sogar mit Torpedos beschossen, allerdings erfolglos.

Stanley Kubricks Full Metal Jacket zeigt ausgiebig den Drill der Marines für Vietnam.
Am 4. August erhielt die Maddox dann von dem US-Geheimdienst NSA Mitteilung von drei unidentifizierten Schiffen, welche sich ihr näherten und in den folgenden Stunden kamen über zwanzig Meldungen über abgefeuerte Waffen – dabei hatte diese Aktion nie stattgefunden. Radarechos wurden fälschlicherweise als Torpedos klassifiziert, was Verteidigungsminister McNamara vor dem Kongress dazu verwendete, von einem eindeutigen Beweis für einen Angriff zu sprechen und schließlich in der berühmten Tonkin-Resolution mündete, welche die Involvierung der USA in den Vietnamkrieg beschloss und die so vage formuliert war, dass Johnson aus ihr alle beliebigen Kampfeinsätze ableiten konnte. Ein Jahr später, 1965, schickte Präsident Johnson zweihunderttausend Soldaten nach Vietnam, in einen Krieg, der faktisch zehn Jahre dauern und dabei nicht nur 220 Milliarden Dollar, sondern auch das Leben von 58.000 Amerikaner und über zwei Millionen Vietnamesen kosten sollte und dessen Auswirkungen bis heute hinweg erkennbar sind.

Während die Nordvietnamesen nun finanzielle Unterstützung der kommunistischen Länder UdSSR und China erhielt (und beide immer wieder geschickt gegeneinander auspielte), begannt bei den Vereinigten Staaten die Operation Rolling Thunder, welche sich von 1965 bis 1967 erstreckte und dazu führte, dass in dieser Zeit 212.000 Einsätze über Nordvietnam und Laos geflogen und dabei 323.000 Tonnen TNT und Napalm abgeworfen wurden (ein solcher Angriff ist Ausgangslage für Werner Herzogs Film Rescue Dawn aus dem Jahr 2007). Der amerikanischen Öffentlichkeit wurde das Ausmaß und die Bedeutung der Angriffe verschwiegen, welche wie die Hälfte aller Bombardierungen viel mehr die Zivilbevölkerung trafen, als Gebiete der nordvietnamesischen Armee. Nach Einschätzung McNamaras kamen wöchentlich eintausend Zivilisten durch die Bombardierungen um oder wurden schwer verwundet. Allgemein ließ die Regierung nicht nur ihre Bürger, sondern auch ihre Soldaten für den Großteil des Krieges im Unklaren über die wirkliche Lage in Vietnam, widergespiegelt in dem auf dem Leben von Arthur Cronauer basierenden Film Good Morning, Vietnam von Barry Levinson aus dem Jahr 1987.

Dem Vietcong gelang es immer wieder, trotz einer zahlenmäßigen Unterlegenheit im Verhältnis 1:5 den Amerikanern durch ihre taktische Initiative im Schutz des Dschungels und der Dunkelheit gezielte Nadelstiche zu versetzen und einen steten Strom an Material und Kämpfern aufrecht zu erhalten, die gut ausgebildet und in der Regel wesentlich motivierter waren als die Amerikaner. Der Glaube der Amerikaner sank immer mehr und wurde besonders durch die Tet-Offensive am 30. Januar 1968 vollends erschüttert, als während des Tet-Festes plötzlich 84.000 nordvietnamesische Kämpfer zur Eroberung vieler Provinz- und Distriktstädte in Erscheinung traten (dies wird kurz in Stanley Kubricks Full Metal Jacket von 1987 angeschnitten). Obwohl der Vietcong mit über 50.000 Toten mehr als die Hälfte seiner Truppen verlor, konnten die USA ihr asymmetrisches Gewicht nicht ausnutzen, trotz ihrer technischen und materiellen Überlegenheit. Im Gegenteil, mit jedem Jahr und jeder Auseinandersetzung lagen die Nerven der amerikanischen Truppe mehr blank, sodass 70% ihrer abgefeuerten Artilleriegeschosse in Situationen verbraucht wurden, in denen überhaupt kein Feindkontakt bestand. Dies führte zu der Statistik, dass für jeden getöteten Nordvietnamesen etwa 50.000 Schuss verwendet wurden.

Rescue Dawn über die Erlebnisse von Dieter Dengler lief bei uns nicht im Kino.
Jede Militäraktion der Amerikaner und des Saigoner Regimes führte den Kommunisten schließlich weitere Anhänger unter der Bevölkerung zu und der Krieg zog sich immer weiter hinaus und konnte scheinbar nicht gewonnen wurden. Als sich auch in den Vereinigten Staaten und Europa allmählich Unmut breitmachte, was in der Erschießung vier protestierender Studenten an der Kent State Universität endete, wuchs der Druck auf den inzwischen gewählten Präsidenten Richard M. Nixon. Am 27. Januar 1973 kam es schließlich in Paris zu einem Waffenstillstandabkommen aller Beteiligten Parteien und die amerikanischen Soldaten verließen bis März desselben Jahres das Land. Faktisch beendet wurde der Vietnamkrieg jedoch erst 1975, als die Kommunisten in Saigon einmarschierten und am 2. Juli 1976 letzten Endes die wiedervereinigte sozialistische Republik Vietnam gegründet und Saigon in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt wurde. Der Vietnamkrieg markiert den ersten Krieg in der Geschichte Amerikas, welcher verloren wurde und führte zu einem jahrelangem Trauma innerhalb der Bevölkerung, hervorgerufen durch die Veteranen und Heimkehrer, welche sich zu Hause oftmals gegen ihre Regierung stellten (vgl. Forrest Gump, Born on the 4th of July, Coming Home, In Country).

Der Vietnamkrieg wurde auf äußerst menschenverachtende, grausame und extrem umweltschädigende Weise geführt, beispielsweise verwendeten die Amerikaner das Herbizid Agent Orange, das zur Entlaubung des Dschungels verwendet wurde, allerdings auch krebserregend war und noch heute für Missbildungen unter der Bevölkerung sorgt. In Südvietnam wurden 9.000 von 15.000 Dörfern im Zuge des Krieges zerstört, es kam zu Massentötungen und Vergewaltigungen wie am 16. März 1968 in My Lai (ähnliche Ereignisse werden in Brian De Palmas Casualties of War oder Oliver Stones Platoon geschildert) und ein ganzes Land wurde im Nachhinein für nichts und wieder nicht terrorisiert. Verschiedene Aspekte des Krieges fanden Einzug in den Medien, so zum Beispiel die Schlacht im Ia-Drang-Tal im November 1965, in welcher 234 amerikanische Soldaten in einen nordvietnamesischen Hinterhalt gerieten (zu sehen 2002 in Randall Wallaces We Were Soldiers) oder die Schlacht um den Hamburger Hill im Mai 1969, in welcher die Amerikaner bei 80 Mann Verlust 630 Nordvietnamesen töten und den Berg Dong Ap Bia einnehmen konnte (geschildert 1987 in John Irvins Hamburger Hill). Die wichtigste Innovation, der Hubschrauber-Einsatz, findet Einzug in fast alle Filme über das Thema, am spektakulärsten sicherlich in Francis Ford Coppolas Apocalypse Now von 1979, unterlegt mit Richard Wagners Walküre.


5. The Deer Hunter (Michael Cimino, 1978): Mit fünf Oscars bedacht, zählt Ciminos Werk nicht wirklich zu den in Vietnam spielenden Filmen, da sich fast dreiviertel der Handlung in der Heimatstadt der Charaktere abspielen und hier das Trauma des Krieges geschildert wird. Seinen Höhepunkt findet der Film in seiner faschistischsten Szene, wenn Robert De Niro und Christopher Walken zum russisch Roulette genötigt werden.

4. Tigerland (Joel Schumacher, 2000): Beschäftigt sich, ähnlich wie Full Metal Jacket, mit dem Drill der Soldaten in den USA. Ist daher im eigentlichen Sinne kein typischer Vietnamfilm, da der Krieg selber hier nicht gezeigt wird. Sehr wohl aber die Schatten, welche er in die Heimat der Soldaten voraus wirft. Bisherige beste schauspielerische Leistung des perfekt gecasteten Colin Farrell.

3. Apocalypse Now Redux (Francis Ford Coppola, 1979/2001): Die mit fünfzig Minuten zusätzlich ausgestattete Version seines Meisterwerks ist trotz der langatmigen Szene auf der französischen Plantage stimmiger als das Original. Dabei ist Coppolas Werk kein richtiger Kriegsfilm, da es zu keinem eigentlichen Feindkontakt zwischen Protagonist Martin Sheen und Vietcong kommt. Stattdessen offeriert Coppola dem Publikum den Abgrund des Krieges in einer Ode des Schreckens.

2. Heaven & Earth (Oliver Stone, 1993): Die weitgehend unterschätzte Geschichte von der Vietnamesin Le Ly, auf deren wahren Erlebnissen Oliver Stones Film basiert und somit den wahrscheinlich ehrlichsten aller Vietnamkriegsfilme darstellt. Hier kommt der Vietcong nicht sehr viel besser weg wie die Amerikaner, dabei den Unterschied der Kulturen und die Auswirkungen des Krieges an einer Bürgerin zwischen zwei Welten aufzeigend.

1. Platoon (Oliver Stone, 1986): Regisseur Oliver Stone verarbeitet mit diesem Film eigene Erlebnisse seiner zwanzig Jahre zuvor geleisteten Dienstzeit in Vietnam, sich dabei auf das gespaltene Lager und die Machtkämpfe innerhalb der Soldaten konzentrierend. Die Grenzen zwischen Gut (Elias) und Böse (Barnes) verschwimmen mitunter für die sinnbildhafte Figur des jungen Studenten Taylor. In seiner Gesamtkonzeption sicherlich der bis dato beste und wohl unerreichte Vietnamkriegsfilm.

26. November 2007

Mon meilleur ami

Sociable, smiling, sincere.

Französische Filme, insbesondere die Komödien, finde ich ja immer sehr liebenswert und meist auch unterhaltsam – ergo bin ich ein Freund des französischen Kinos. Es ist nicht unbedingt mein bester Freund, aber ein sympathischer. Ebenso verhält es sich auch mit dem neuen Film von Patrice Leconte, welcher sich durch Filme wie Ridicule oder L’homme du train in den vergangenen zehn Jahren einen Namen gemacht hat. Mit Mon meilleur ami bringt er dieses Jahr einen Film in die Kinos, der bereits für 2009 sein amerikanisches Remake gebucht hat. Die Amis scheinen nicht mehr sonderlich kreativ zu sein, schließlich importieren sie gerade im großen Stil aus der ganzen Welt ihre zukünftigen Kassenschlager. Während des Filmes konnte ich den Gedanken nicht loswerden, dass Daniel Auteuil – den ich noch nicht allzu oft begutachten konnte – aussieht wie ein Verwandter von Gerard Depardieu (ich will nicht sagen, dass er sein Bruder sein könnte, aber er könnte sein Bruder sein). Da muss ich mir demnächst mal wirklich 36 Quai des Orfèvres ansehen, in welchem beide zusammen spielen und der bei mir auf Video irgendwo daheim rumfährt.

François (Auteuil) ist Antiquitätenhändler in Paris und stellt eines Tages bei einem Abendessen mit Kollegen fest, dass er gar keine Freunde hat, nicht einen. Auch wenn er das Gegenteil behauptet und sogar bereit ist, mit seiner Mitinhaberin Catherine um eine 200.000€ teure Vase zu wetten, dass er ihr innerhalb von zehn Tagen (s)einen besten Freund präsentieren kann. Doch er muss feststellen, dass dies schwerer ist, als er zuerst dachte – denn François hat in der Tat keine Freunde. Da trifft er auf den redseligen Taxifahrer Bouley (Dany Boon), dessen Leben aus Quizfragen besteht und der einem nicht nur erzählen kann, wieso Mayonnaise heißt wie sie heißt, sondern auch wer in welcher Strasse und warum gelebt hat. Bouley tut sich mit fremden Menschen überhaupt nicht schwer, hat aber dennoch keine Freunde. François, der seine Wette (und die Vase) nicht verlieren will, will Bouley dafür bezahlen, wenn er ihm darin unterrichtet sympathisch zu sein – oder zumindest so zu wirken. Dabei kommt François im Laufe der Tage jedoch Bouley viel näher, als allen anderen fremden Personen.

Mon meilleur ami ist eine nette kleine Geschichte über Freundschaft, die man wie alle Dinge meist dann vermisst, wenn man sie nicht hat. Oder im Überfluss, wie bei Bouley, der so viele „Freunde“ hat, dass kein echter darunter zu sein scheint. Das Zusammenspiel von ihm und François ist dabei mehr aus der Not geboren, wobei dieser es nur aus finanziellen Gründen anstrebt, während es bei Bouley von Anfang an „gefunkt“ zu haben scheint. Wie schwer sich François jedoch damit tut, komme was wolle einen Freund zu finden – dazu noch einen besten Freund! – sieht man dann in den ersten beiden Dritteln des Filmes. Es versteht sich von selbst, dass im Laufe des Filmes aus den beiden Protagonisten Freunde werden und zwar nicht erst am Ende. Jedoch hat ihre Freundschaft, wie alle guten Freundschaften, eine Tiefphase, bzw. einen Konflikt zu überwinden, der ebenjene Freundschaft zu bedrohen, gar zu zerstören scheint. Dabei spricht Leconte schön an, was es bedeutet ein Freund zu sein – auch wenn es unglaubwürdig ist, dass François und Bouley innerhalb von einer Woche so dicke miteinander werden, aber ein Film ist nun mal ein Film (ist ein Film). Vor allem beim französischen Film sollte man nicht immer gleich mit der Logik kommen wollen.

Dies würde auch für das Ende sprechen, welches der Realität widerspricht. Also nicht das Ende an sich, jedoch eine Einbindung mit der französischen Variante von Wer wird Millionär, in der Bouley zum Schluss landet und natürlich an der Millionenfrage zu scheitern droht, dann aber François anruft, welcher die Sendung live im Fernsehen verfolgt und nach minutenlangem Tratschen die richtige Lösung offenbart (was jeder Telefonjoker per Google könnte, wenn man die Sendung tatsächlich live ausstrahlen würde). Dabei hätte das genauso funktioniert, wenn die Sendung nicht live gewesen wäre, aber nun gut, wer kann den Franzosen schon böse sein. Der Humor ist zwar etwas altbacken, passt jedoch recht gut zu den beiden Figuren. Highlight sind aber Julie Gayet (Catherine) und Julie Durand (Louise), zumindest in optischer Hinsicht – da wäre der Film sehr viel „interessanter“ gewesen, wenn die beiden sich hätten anfreunden sollen/müssen. Aber lassen wir das, das ist ja doch etwas sexistisch. Mon meilleur ami ist eine sympathische kleine Komödie, die jedoch sicher nicht mein persönlicher bester Freund wird.

5.5/10

Huo Yuan Jia

Revenge will only bring us more bloodshed.

Wir befinden uns im Jahr 1910 in Shanghai und sind Zeugen eines Kampfturniers. Doch es handelt sich um kein einfaches Kampfturnier, denn der chinesische Martial Arts Meister Huo Yuan Jia (Jet Li) kämpft für die Ehre seines Landes gegen vier Kämpfer der ausländischen Handelsmächte: einen britischen Boxer, einen deutschen Lanzenkämpfer und einen spanischen Fechter. Als er alle besiegt und seinem finalen Kampf gegen den Japaner Tanaka gegenübersteht, erhält das Publikum über eine Rückblende einen Blick auf die Geschichte von Huo Yuan Jia. Beginnend in seiner Kindheit und seiner Liebe und Bewunderung zu seinem Vater ist es sein erklärtes Ziel der beste Kämpfer von Tian Jin zu werden. Hierbei umgibt er sich jedoch mit den falschen Leuten und muss eines Abends in der Konfrontation mit dem konkurrierenden Meister Qin eine bittere Lektion hinnehmen. Das Exil suchend findet Huo Yuan Jia Jahre später die Erkenntnis über den wahren Wert und die Bedeutung der Kampfkunst und kehrt zurück nach Tian Jin um seinem Volk in einer dunklen Stunde beizustehen.

Im Vorfeld wurde Huo Yuan Jia (in Deutschland als Fearless vertrieben) als Jet Lis letzter Wushu-Film angekündigt und versteht sich auch nicht als historisch korrekt, obwohl es in der Tat so gewesen war, dass Huo Yuan Jia in der damaligen Zeit gegen ausländische Kämpfer angetreten war, um die Moral und das Selbstbewusstsein seines Volkes wieder aufzurichten. Seine Geschichte ist dabei von Regisseur Ronny Yu in zwei Teile gegliedert, wobei der erste einen stark komödiantischen Aspekt mit sich bringt. Wenn Jet Li zu Beginn wie ein Clown herumalbert und Grimassen schneidet, dabei mehrfach die Grenzen des Overactings überschreitet, fühlt man sich fast schon im falschen Film, spätestens in dem Kampf mit Meister Qin findet dieses humorvolle Unterton dann aber ein abruptes Ende und schlägt eine fast schon philosophische Richtung ein, wenn Huo Yuan Jia seinen Tod im Exil sucht. Die Szenen mit Yueci und ihrem Dorf sind dann zwar eine Bedienung in der 0815-Kiste, in der Dörfler den einsamen verwundeten Kämpfer aufnehmen, pflegen, mit einem neuen Namen ausstatten und in ihre Gemeinschaft aufnehmen, machen aber zugleich das Highlight des Filmes aus.

Wie die meisten hat Huo Yuan Jia die Kampfkunst immer nur als Mittel verstanden seinen Gegner zu verletzen und zu demütigen. In seinem Streben ist er sicherlich der beste Kämpfer Chinas geworden, hat aber das Konzept seiner Kunst und die Ideale seines Vaters nie verstanden, im fernöstlichen Verständnis wahrscheinlich sogar entehrt. Erst das ruhige Leben bei Yueci und insbesondere ihre Wandeln in der Welt als Blinde machen einen tiefen Eindruck auf Huo Yuan Jia und führen zu seiner Rückkehr in seine Geburtsstadt Tian Jin. Hier trifft er auf den Wandel seiner langjährigen Abstinenz, denn die imperialistischen Mächte haben inzwischen die Herrschaft über China an sich genommen. Geläutert sucht Huo Yuan Jia den Kampf mit ausländischen Kämpfern, um das Ehrgefühl seiner Landsleute wieder aufzurichten, dabei selbstverständlich das der Unterdrücker kränkend. In seinem asiatischen Landsmann Tanaka findet er schließlich einen ebenbürtigen Gegner, der es als einziger mit ihm aufnehmen kann, da er denselben Idealen Treue geschworen hat, wie Huo Yuan Jia auch.

Auch wenn der Trailer die Geschichte Huo Yuan Jias ankündigt, ist Huo Yuan Jia nicht als historisch anzusehen, da die Wuxia-Note zu sehr überwiegt, für den Fan jedoch hervorragend choreographiert und inszeniert wurde. Dass der Film sich selber nicht immer allzu ernst nimmt, beweist das erste Drittel oder auch die Tatsache, dass Regisseur Ronny Yu eine nette kleine Hommage an Clerks. eingebaut hat, wenn er den Ringrichtern die Namen Randall und Dante gibt. Seine ursprüngliche Länge von etwa 140 Minuten (inklusive herausgeschnittener Szenen mit Michelle Yeoh) gibt es in einem Director’s Cut, welcher auf DVD erhältlich ist zu bewundern. Soweit es sich beurteilen lässt, hat die Kinolaufzeit jedoch genau die richtige Länge, da eben gerade das zweite Drittel schon Dutzend Mal dagewesen ist. Für Fans anderer Jet Li oder Wushu-, bzw. Wuxia-Filme ist Huo Yuan Jia jedoch sicherlich empfehlenswert und über weite Strecken unterhaltsam mit seiner moralisch-ethischen Coming-of-Age Handlung.

7/10

23. November 2007

Vorlage vs. Film: Harry Potter and the Order of the Phoenix (Updated!)

Harry Potter and the Order of the Phoenix (2003)

Dieses Jahr war es dann soweit: der letzte Band der Harry-Potter-Reihe erschien. Lange antizipiert und am Ende, man kann es wohl so sagen, achtbar aus der Affäre gezogen hat sie sich, die gute Mrs. J.K. Rowling (wenn man vom Epilog absieht). Mit ihren Büchern hat die werte Engländerin etwas geschafft, was von seiner Bedeutung her nicht viele Menschen von sich behaupten können: sie hat Kinder zum Lesen gebracht. Das ist dieser Tage selten geworden, da Jugendliche ihre Zeit viel lieber mit Alkohol und Amoklauf vertreiben. Doch dies braucht nicht das Problem der reichsten Frau Englands zu sein, die wohl das erfolgreichste Franchise nach Star Wars in die Welt gesetzt hat. Neben dem siebten und letzten Band kam auch die Verfilmung des fünften dieses Jahr in die Kinos und stellte ein Novum dar, sozusagen. Steve Kloves, seines Zeichens der Drehbuchautor der Harry Potter Filme, setzte im fünften Teil aus und überließ die Adaption Michael Goldenberg. Dieser sollte nun gute achthundert Seiten in einen zweistündigen Film umsetzen.

Harry Potter ist noch gebeutelt von den Geschehnissen des Trimagischen Turniers, insbesondere vom Tod Cedric Diggorys. Da wird er in seinen Sommerferien von zwei Dementoren heimgesucht und sieht sich genötigt Magie einzusetzen. Dies führt wiederum zu seinem Rauswurf aus Hogwarts und spielt dem Ministerium für Magie in die Karten. Selbstverständlich ist dies nicht so einfach und nachdem Harry vom Orden des Phönix, einer Untergrundorganisation gegen Lord Voldemort, nach London überführt wird, gelingt es Dumbledore die Vorwürfe gegen Harry zu entkräften. Doch die Stimmung im Lande ist kühl, sowohl von Seiten des Ministeriums als auch von Dumbledore gegenüber Harry. Dass dieser von allen wie ein Kind behandelt wird, findet der 15j-Jährige überhaupt nicht gut und liefert sich kaum vereint wilde Streitereien mit seinen beiden Freunden Ron und Hermione. Harry ist wie jedes andere Kind in der Pubertät und denkt er weiß alles besser, besonders was gut für ihn ist. Unterstützung erfährt er allein in seinem Patenonkel Sirius, welcher jedoch in Harry mehr seinen ehemaligen Freund und Harrys Vater James sieht, als diesen selbst. Als Harry und seine Freunde nach Hogwarts zurückkehren, werden sie Zeugen einer neuen Form der Bürokratisierung.

Dolores Umbridge ist nicht nur die rechte Hand des Ministers für Magie, sondern auch neue Lehrerin gegen die dunklen Mächte. Da sie mit der Regierung zu denjenigen gehört, welche die Rückkehr Voldemorts bestreiten, liegt ihr nichts ferner, als den Jugendlichen die Selbstverteidigung zuzusprechen. Die Freunde um Harry formen eine rebellische Organisation und lassen sich von ihm in seinen Erfahrungen unterweisen. Gleichzeitig tritt die Verbindung zwischen Harry und Voldemort in eine neue Phase, als sich die beiden in Harrys Träumen immer wieder begegnen und intime Gefühle austauschen. Dumbledore schickt Harry deshalb in die Obhut von Professor Snape, damit er den Feind lernt aus seinem Kopf fernzuhalten. Die Gedankenkämpfe mit Snape führen schließlich dazu, dass Harry ein dunkles Geheimnis seines Vaters kennen lernt. Als er nicht auf die Menschen in seiner Umgebung hören will und versucht seinen Geist gegenüber Voldemort zu verschließen, manövriert er sich immer tiefer in ein Schlamassel rund um das Geheimnis seines zukünftigen Schicksals während die Ereignisse in Hogwarts unter der Herrschaft von Umbridge diktatorische Ausmaße annehmen.

Der fünfte Band der Reihe ist durchzogen von dem Problem von Harrys Pubertät. Immer wieder erzürnt er sich und schreit seine besten Freunde oder Dumbledore an, auf andere hören will er dabei schon gar nicht. Schließlich handelt es sich um sein Leben und sein Schicksal, Harry fühlt sich erwachsen dieses nunmehr selber in die Hand zu nehmen. Die Wichtigkeit seinen Geist abzuschirmen erkennt er nicht und wird am Ende des Bandes Konsequenzen nicht nur für ihn haben. Fraglos das zäheste und anstrengenste Werk ist dieser fünfte Band, der wie kein anderer für eine bestimmte Entwicklungsstufe in dem Leben des jungen Zauberers darstellt. Neben seiner Pubertät und ersten Liebe geht es vor allem um die Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen, insbesondere der Häuser von Hogwarts. Dies geschieht in der Verknüpfung zu Dumbledore’s Armee, in der nicht nur Harrys Freunde, sondern auch Mitschüler und Mitschülerinnen verbunden sind. Außerdem geht es darum, einem totalitären Regime nicht bedingungslos zu folgen, sondern auch wenn es Konsequenzen nach sich zieht in den richtigen Momenten Ungehorsam zu zeigen.

Letztlich ist Order of the Phoenix von allen Bänden am Unerträglichsten geraten. Was Rowling versäumt hat zu bemerken, ist die Tatsache, dass man als Leser nur dann bereit ist einer Figur 800 Seiten lang zu folgen, wenn diese dem Leser auch (zumindest ansatzweise) sympathisch ist. Dies misslingt jedoch im fünften Band grandios mit der Charakterzeichung von Harry. Ein besserwisserisches Balg ist er hier, der unentwegt schreit, nie etwas einsehen will und sich dümmer verhält, als man es sich vorzustellen vermag. Ein grauenhafter Held, dem man nur widerwillig auf die nächste Seite folgt. Bezeichnend, dass er am Ende dann Dumbledore die Schuld gibt, für alle Fehler, die er selbst zu verantworten hat. Dass das Finale dabei - wie meistens bei Rowling - eher unlogisch und schwach daherkommt, ist nur die Spitze des Eisberges. Wenn gut zwei Dutzend Todesesser nicht mit einer Handvoll Teenager klar kommt, die außer „Stupefy“ und „Petrificus Totallus“ keine nennenswerten Zaubersprüche beherrschen, wird der Antagonist dieser Saga durchaus der Dämlichkeit preisgegeben. Rowling verwechselt hier Quantität mit Qualität und liefert mit Order of the Phoenix (abgesehen der gelungen totalitären Umbridge-Momente) das schwächste Buch der Reihe ab.


Harry Potter and the Order of the Phoenix (2007)

Things at Hogwarts are far worse than I feared.

Vorab muss erstmal Buße getan werden, wurde David Yates’ Adaption des umfangreichsten Romans der Rowling hier dereinst zu Unrecht niedergeschrieben. Eine neuerliche Sichtung, sowohl des Buches als auch des Filmes, bringt die Waagschale nunmehr aus dem Gleichgewicht. Infolgedessen weichen die meisten Kommentare vom Inhalt dieser Rezension etwas ab. Wie mehrfach angesprochen handelt es sich bei Order of the Phoenix um den umfangreichsten Band des Potterverse. Ähnlich wie schon in Goblet of Fire widmet sich Rowling ausführlich den Sommergeschehnissen, die dieses Mal ebenfalls mehr als ein Fünftel des gesamten Buches ausmachen. Da der britische TV-Regisseur Yates die Laufzeit auf etwas mehr als zwei Stunden kürzte, ist der fünfte Film paradoxerweise der Kürzeste, basierend auf dem längsten Roman. Nach vier Filmen wanderte zudem die Aufgabe des Drehbuchs von Steve Kloves zu Michael Goldenberg. Und abgesehen von der Tatsache, dass auch er – weiterhin unverständlicherweise – die Patil-Zwillinge beide ins Gryffindor-Haus steckt, macht Goldenberg für sein erstes (und scheinbar auch einmaliges) Engagement im Potterverse alles richtig, was er richtig machen konnte.

Denn Goldenberg und Yates haben scheinbar erkannt, dass man einem Publikum keinen Helden präsentieren kann, der unentwegt nervt. Von daher befreien sie die Adaption von den meisten pubertären Quengeleien des Harry Potter (Daniel Radcliffe). Kein unentwegtes Geschreie, keine eingeschnappten walk-offs und keine dümmlichen Vorwürfe am Ende gegenüber Dumbledore (Michael Gambon). Auch von allen dummen Entscheidungen des Teenagers (und es gab viele davon im Roman, allen voran die Sirius-Kontaktierung Ende des 2. Aktes) ist der Film befreit. Damit zieht Order of the Phoenix auch einen anderen Vorteil nach sich: Radcliffe muss sich weit weniger blamieren, wie in den Vorgängern. Zum ersten Mal in der Filmreihe spielt der Engländer solide und dies sogar die meiste Zeit über. Es mag an seinem Alter liegen, an der inzwischen gesammelten Erfahrung oder an Yates’ Regie – wie dem auch sei, Radcliffe ist endlich mal kein Totalausfall und weiß sich gegenüber dem restlichen Ensemble zu behaupten. Ohnehin sind, bis auf zwei Ausnahmen, alle schauspielerischen Leistungen besser als noch im Vorgänger.

Leider hat Michael Gambon immer noch nicht den Charakter von Albus Dumbledore verstanden. Diese Ernsthaftigkeit des Iren wirkt nicht nur deplatziert sondern geht auch vollkommen an der Figur vorbei. Sieht man sich den Rauswurf von Trelawney (Emma Thompson) an, so zeigt Gambons Spiel nach seiner Abwendung neben Besorgnis sogar einen Hauch von Einschüchterung. Vom kindlichen Charme und natürlichen Witz des Zauberers findet sich nichts in Gambons Portraitierung und dies war bedauerlicherweise schon in den Vorgängern der Fall. Zumindest scheint die Seriosität der Figur in Harry Potter and the Half-Blood Prince nicht am Thema vorbei zu sein, sodass hier Gambons Chance besteht, der Figur gerecht zu werden. Und selbst wenn nicht, stellt dies ohnehin sein letztes (größeres) Engagement in der Filmreihe dar. Die andere Enttäuschung ist Helena Bonham Carter, die hinsichtlich ihrer Figur der Bellatrix Lestrange ziemliches overacting betreibt. Ohnehin ist Lestrange eine extrem bescheidene Figur, sodass eine Teilschuld bei Rowling selbst zu finden ist. Nichtsdestotrotz kann sich Bonham Carter (mal wieder) nicht unbedingt auszeichnen. Wäre sie nicht mit Tim Burton verheiratet – der sie in jedem seiner Filme, teils zentral, besetzt -, wäre sie wohl schon seit Jahren so gut wie beschäftigungslos. Dafür wissen jedoch in weiteren Nebenrollen diesmal Brendan Gleeson (Mad-Eye Moody) und David Thewlis (Remus Lupin) besser zu gefallen, während Gary Oldman endlich sein Talent abrufen darf.

Allerdings vernachlässigt Goldenberg etwas die Geschehnisse um Sirius Black (Gary Oldman). Die Tatsache, dass er das ganze Jahr über in Grimauld Place bleiben muss, nagt nicht wirklich an der Filmfigur, findet lediglich einmal kurz Erwähnung. Allerdings scheint Goldenberg auch hier wohl den etwas infantilen Zorn aus der Handlung herausnehmen zu wollen – was vertretbar ist. Dank Sommer- und Weihnachtsferien wird Sirius Raum gegeben, sich endlich einmal als Patenonkel aufzuspielen. Die Figur wird somit nicht öfters gezeigt, als nötig, und die Tatsache, dass sie ohnehin nicht viel zur Handlung beigetragen hat (außer von emotionalem Wert gewesen zu sein), erklärt auch ihren Tod am Ende der Geschichte. Und wenn man bei der Schauspielleistung ist, sollte man erwähnen, dass sich auch Rupert Grint (Ron) und Emma Watson (Hermione) wieder gefangen haben. Zudem gab es mit Evanna Lynch als Luna Loovegood und Imelda Staunton als Dolores Umbridge zwei hervorragende Ergänzungen. Speziell die Integrierung von Luna in ihren drei heraus stechenden Szenen (neben dem Finale) ist sehr gut gelungen. Aber gerade Staunton zeigt – im Vergleich zu Gambon – wie essentiell die richtige Interpretation der eigenen Figur ist. Ihr Räuspern und Kichern, auch wenn beides im fertigen Film nicht sonderlich oft vorkommt – sind auf den Punkt genau getroffen. Eine treffendere Besetzung der sadistischen Bürokratin hätte man nicht finden können.

Dass die Handlung getrimmt wurde, kam bereits zur Sprache. Letztlich wurde genau das Richtige in genau dem richtigen Maß gestrichen – mit einigen kleinen Ausnahmen. Von Harrys Wutausbrüchen bis hin zu seinen idiotischen Handlungen war bereits die Rede. Erneut schafft es – sicherlich zu Recht – Quidditch nicht in den Film, wie auch die Nebenhandlung um Dobby und Winky ausradiert wurde. Von Umbridge selbst sieht man soviel, wie man zu sehen hat, um ein Bild von der Situation zu gewinnen. Selbiges gilt für die Sequenzen von Dumbledores Armee und den Occlumency-Stunden zwischen Snape und Harry. Punkte, die man ebenfalls hätte streichen können, wäre einerseits sicherlich Trelawneys Rauswurf (auch wenn dieser für die erweiterte macht von Umbridge steht) und insbesondere die Szenen mit Hagrids (Robbie Coltrane) Bruder Grawp. Denn die Flucht vor Umbridge hätten auch die Zentauren alleine tragen können, ohne dass ein Handlungsloch entstanden wäre. Ob es der Integration des Schulabbruchs der Weasley-Zwillinge gebraucht hätte, bleibt offen, da die Destabilisierung von Umbridges Regime für die Erzählung des Filmes nicht allzu bedeutsam ist. Einige offene Fragen bleiben – für den Nichtkenner der Vorlage – dennoch nach Sichtung des Filmes.

Da Newell es im Vorgänger vermissen ließ, den aufkommenden Konflikt zwischen Dumbledore und Cornelius Fudge zu thematisieren, wird in Order of Phoenix zu Beginn nicht wirklich klar, wieso Harry und Dumbledore plötzlich allein auf weiter Flur stehen. Und bedenkt man, dass Harry nie überprüft, ob Sirius wirklich nicht zu Hause ist, als er dessen Folter durch Voldemort (Ralph Fiennes) unterbinden will, wirkt sein plötzlicher Aufbruch etwas überraschend. Im Finale selbst wird dann – wohl aus Zeitgründen – nicht erklärt, warum die Todesesser um Lucius Malfoy (Jason Isaacs) nicht selbst einfach die Prophezeiung geschnappt haben, sondern Harry erst hinlocken mussten. Ansonsten wird im Film stets soviel aus dem Buch heraus erzählt (oder umgedichtet), dass die Handlung nachvollziehbar wirkt. Einige Aspekte vermisst man jedoch, zum Beispiel Vertiefungen auf Snapes (Alan Rickman) Vergangenheit, die in Deathly Hallows noch eine bedeutende Rolle spielen wird, und Kreacher. Dieser kommt im Film weitaus freundlicher daher und speziell seine bedeutsame Rolle im Finale der Ereignisse als deren Auslöser unterschlagen Goldenberg und Yates. Ebenso wie auch Sirius’ Bruder Regulus nicht zur Sprache kommt. Beide Figuren werden wohl im siebten und achten Film nochmals entsprechend gewürdigt werden, um Rickmans Figur ist jedoch besonders schade. Denn neben Harry ist Snape die Figur, die von entscheidender Bedeutung im Potterverse ist, sowohl im sechsten, als auch dann im achten Film.

Einige kleinere Details wurden im Film besser, andere schlechter gemacht. So wird Cho (Katie Leung) der Einfachheit halber zur (ungewollten) Verräterin von Dumbledores Armee und selbst als Harry die Wahrheit erfährt die Beziehung im Film nicht weiter thematisiert. Eventuell holt Yates dies in Half-Blood Prince, zumindest durch eine Erwähnung, nach. Dagegen kommt das Filmfinale weitaus ansehnlicher und vor allem intelligenter daher, als das literarische Pendant. Die Flucht der Jugendlichen vor den Todesessern ist weniger spektakulär und die Auseinandersetzung beschränkt sich auf ein Mindestmaß, sodass man schnell zu Sirius’ Tod überleiten kann. Auch der finale Kampf zwischen Dumbledore und Voldemort ist gefällig und selbst die abweichende Klimax von Voldemorts Angriff auf Harry ist akzeptabel (und vorausschauend hinsichtlich Deathly Hallows). Im Vergleich zu Drehbuch und Darsteller enttäuschen jedoch wieder die Spezialeffekte. Während man mit der Animation der Thestrals noch leben kann, ist Grawp ein vollkommener Griff ins Klo, was seine Erwähnung im Film noch unverständlicher macht. Allerdings hat man sich nach fünf Jahren damit abgefunden, dass die Filmreihe keine annehmbaren visuellen Effekte vorzuweisen hat. Ansonsten lässt sich sagen, dass Order of the Phoenix abgesehen von einigen Ausnahmen wohl die gelungenste direkte Adaption ist – auch hinsichtlich des Umfangs der Vorlage. Jedoch wäre hier noch etwas mehr Potential vorhanden gewesen und leider kommt der Film auch etwas ernsthafter bzw. realer daher, als noch Cuaróns verträumtes fantasievolles Abenteuer. Neben dem Beitrag des Mexikaners hat Yates jedoch die bisher beste Adaption abgeliefert.

7.5/10

22. November 2007

Alatriste

Are you Germans or Spanish soldiers?

Wenn man früher mal den einen oder anderen „kleineren“ Film ansah, konnte man in Streifen wie G.I. Jane, A Perfect Murder oder Daylight den guten Viggo Mortensen in Nebenrollen begutachten. Ebenjenen Mann, der als Aragorn in The Lord of the Rings die Damenwelt begeisterte (und dies der Tatsache zu verdanken hat, dass Stuart Townsend als zu jung erachtet wurde). Doch der Ruhm von LotR gehörte der Geschichte und nicht den Darstellern, welche alle wieder in ihren „Versenkungen“ verschwanden. So auch der gute Viggo Mortensen, hier in einer spanischen Produktion zu bewundern. Dabei ist es nicht irgendeine spanische Produktion, sondern die teuerste spanische Produktion aller Zeiten, mit einem Budget von 24 Millionen Euro. Und Regisseur Augustin Diaz Yanes beschreibt es da ziemlich treffend, wenn er meint, dass diese Summe einer europäischen Super- und einer amerikanischen Schrott-Produktion entspricht. Dabei ist Alatriste eine gute Mischung aus beidem, da er weder Schrott, noch besonders super ist.

Im Jahre 1622 kämpft Diego Alatriste (Mortensen), welcher den Spitznamen Captain Alatriste trägt, seit seinem 13. Lebensjahr für das spanische Königreich, unter anderem auch in Flandern. Dort stirbt einer seiner Kameraden und Alatriste verspricht ihm, sich um dessen Sohn Inigo zu kümmern. Wieder in Madrid erhält Alatriste den Auftrag mit einem Kollegen zwei Männer aus England umzubringen, vor Vollzug der Tat entscheidet sich Alatriste dennoch um. Diese Entscheidung wird ihn den Rest seines Lebens begleiten und sein weiteres Schicksal bestimmen. So zum Beispiel auch seine Liebe zu der verheirateten Maria, welche nach dem Tod ihres Mannes zur Mätresse des Königs wird. Durch seine Integrität und sein Söldnertum gerät Alatriste jedoch wieder und wieder in die Machtspiele am spanischen Hof, in welche schließlich auch sein Zögling Inigo herein gezogen wird. So in etwa lässt sich die Handlung beschreiben, wobei das Wort „Handlung“ hier sehr groszügig gewählt wurde.

Der Film basiert auf der Romanreihe Las aventuras del Capitan Alatriste von Arturo Peres-Reverte, welche Ereignisse der spanischen Flandernkriege des 17. Jahrhunderts verarbeitet. Die Vermarktung des Filmes täuscht jedoch über manche Strecken, denn ein Abenteuerfilm ist hier nicht zu erwarten. Eher eine Dramageschichte über Machtküngelei im Madrid um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Hier wird betrogen und gemordet, so wie es grade recht scheint und mittendrin ist unser Held Alatriste, immer für einen Auftragsmord gut, aber dennoch chronisch pleite. Das hat man als Zuschauer alles schon mal gesehen, auch die unglückliche Liebesgeschichte mit der Mätresse des Königs von Spanien. Das schlimmste ist jedoch neben der visuellen Umsetzung – furchtbar zusammen geschnitten und teilweise grausige Kameraeinstellungen – dass die Handlung scheinbar nirgendwo hinführt. Da verwundert es auch nicht, dass spanischsprachige Stars wie Gael Garcia Bernal oder Leonor Watling Rollen in dem Film abgelehnt haben.

Mortensen scheint hier eine willkommene Gelegenheit gefunden zu haben, seine Spanischkenntnisse zu präsentierten, hat er schließlich seine halbe Kindheit in Argentinien verbracht. Seine Filmauswahl hat sich dabei jedoch nicht verbessert. Die Handlung von Alatriste vermag nicht zu fesseln, verwirrt mitunter und ist unüberzeugend präsentiert, obschon Ausstattung und Kostüme zu gefallen wissen. Aber es hilft nichts, wenn man mehrere Bücher versucht über einen Film aneinander zu reihen, da es unentwegt auffällt, dass das was gerade passiert, nicht wirklich etwas mit dem zu tun hat, was als nächstes passiert und auch für sich genommen nicht wirklich interessiert. Ein spanisches patriotisches Machwerk, welches jedoch auf inhaltlich wackeligem Fundament gebaut ist. Alles in allem eine eher belanglose Geschichte, was allerdings auch daran liegen mag, dass ich mit den falschen Erwartungen an den Film gegangen war. Wobei seine Direct-to-DVD Vermarktung auch ihren Teil spricht, Mortensen scheint jedenfalls nicht den Sprung in die A-Liga der Schauspieler geschafft zu haben und somit bleibt Orlando Bloom der einzige, welcher von LotR profitiert hat (wobei ich Bloom nicht unbedingt als Schauspieler bezeichnen würde).

3.5/10

20. November 2007

The Hunting Party

Only the most ridiculous parts of the story are true.

Wenn sich Amerikaner ernsten Themen widmen wollen, geht das doch meistens eher in die Hose. Zu sehr orientiert sich das Kino dort an seinem Kunden und dieser ist nun mal dem Mainstream zugeneigt. Unterhaltung ist das magische Wort und diese finden die Jungs meistens wenn Sachen in die Luft fliegen oder gehörig auf die Nase geboxt wird und Frauen bei Herz-Schmerz-Liebesgeschichten – dies kann mitunter katastrophale Ergebnisse wie Pearl Harbour nach sich ziehen. In Zeiten des Krieges wird dann jedoch gerne mal von der Showbranche der moralische Finger gehoben, nach Sam Mendes Jarhead folgten eine kleine Flut von Irakkriegsdramen, welche sich dieses Jahr mit Brian De Palmas Redacted und Paul Haggis’ In the Valley of Elah fortsetzen, aber auch anderen Krisengebieten wird sich von seitens Edward Zwick in Blood Diamond oder Richard Shepard mit The Hunting Party gewidmet. Shepard, welcher nach einer Zeit in Los Angeles zurück nach New York wanderte um dort Filme seinem Gusto entsprechend zu drehen, konnte vor zwei Jahren mit der Killer-Zote The Matador um Pierce Brosnan und Greg Kinnear begeistern und widmet sich dieses Jahr den Nachwehen des Bosnien-Konfliktes basierend auf einem Artikel von Scott Anderson im Esquire Magazin.

Simon Hunt (Richard Gere) ist Kriegsberichterstatter in Bosnien 1995 und wagt sich mit seinem Kameramann Duck (Terrence Howard) wegen des Nervenkitzels gerne in den Kugelhagel. Als er jedoch zu einem Massaker der Serben in ein muslimisches Dorf fahren muss, wo er seine schwangere Geliebte vergewaltigt und erschossen vorfindet, brennen bei ihm die Sicherungen durch und er poltert vor laufender Kamera los. Natürlich kostet Simon dies seinen Job und er geht in den folgenden fünf Jahren die Karriereleiter des Journalisten ganz nach unten, während es um seinen Kameramann Duck besser bestellt ist. Als dieser mit seinem Chef und dem Praktikanten und zugleich Chef des Vizepräsidenten des Senders, Benjamin (Jesse Eisenberg), fünf Jahre später nach Sarajevo zurückkehrt, trifft er wieder auf Simon. Dieser lockt Duck dazu, ihn auf der Suche nach dem Kriegsverbrecher Nummer 1, nur „Fuchs“ genannt, zu unterstützen. Duck und Benjamin beißen an und bald sehen sich die drei mit indischen Polizisten und paranoiden UN-Beamten konfrontiert, während sich die Schlinge um den Fuchs scheinbar immer enger schnürt.

Wie erwähnt basiert Shepards Film auf dem Artikel von Scott Anderson im Esquire (bei Interesse hier nachlesbar) und kokettiert vor Beginn und am Ende mit Details zur Glaubhaftigkeit des ganzen. Dabei erzählt Andersons Artikel nicht dieselbe, sondern eine ähnliche Geschichte. Fünf Journalisten, aus dem Bosnienkonflikt miteinander bekannt, trafen sich im Jahr 2000 fünf Jahre später in Sarajevo wieder, um der alten Zeiten willen. Drei von ihnen – darunter Anderson – Amerikaner, dazu ein Holländer und eine Belgier. Nach einigen Slibowitz diskutierten die Freunde dann, den als Kriegsverbrecher gesuchten Dr. Radovan Karadzic ausfindig zu machen. Gerüchten zu Folge hielt dieser sich Celibici auf. In zwei Tagen wollten die Journalisten im Rausch das vollbringen, was Amerikaner und zwanzigtausend NATO-Soldaten nicht geschafft hatten. Sie fuhren schließlich nach Celibici und meldeten sich bei der Internationalen Polizei an, welche in der Tat keine Anklagepunkte für die gesuchten Kriegsverbrecher bekommen hatte. Und die Gruppe begegnete auch dem UN-Sicherheitsoffizier Boris, der die fünf in der Tat für ein CIA-Hit-Team hielt, genauso wie sein Kontaktmann Dragan. Die Journalisten spielten mit, sahen sich aber kurz darauf einem echten, unbenannt bleibenden, CIA-Mann gegenüber. Die Tatsache, dass fünf Journalisten innerhalb einer Woche einen Kontaktmann zu Karadzic gefunden hatten und dies den Amerikanern, der UNO und der NATO in fünf Jahren nicht gelungen zu sein scheint, lässt dem Leser das offensichtliche Fazit der Geschichte offen.

Diesen vor Sarkasmus triefenden Artikel, der sehr unterhaltsam und in seiner Botschaft essentiell ist, hat Shepard nunmehr für die Leinwand verarbeitet und sich dabei an Andrew Niccol’s Lord of War orientiert. Eine an sich ernste Geschichte durch gehörig zynische Untertöne zur Satire werden zu lassen. Dumm nur, dass Shepard dabei scheitert, auch wenn seine Geschichte an manche gelungenen Aspekte von Lord of War anzuknüpfen vermag. Woran Shepard scheitert, ist seine Ernsthaftigkeit, denn The Hunting Party ist zu ernst, um Satire zu sein und zu komisch um ein ernsthafter Thriller zu sein. Da eröffnet Shepard mit einer sehr unterhaltsamen Einleitung in der ein kiffender Gere mit Howard durch die Strassen rennt um wenige Minuten später in ernsten Bilden die zerschossenen Balkone und Häuser Sarajevos zu zeigen. Ein lustiger Ausraster von Geres Figur wird mit dem grausamen Bild einer erschossenen Schwangeren verknüpft. Dies hat Lord of War nicht versucht, sondern sich ganz auf den zynischen Charakter seiner Geschichte konzentriert. Shepard will dem humorvollen Aspekt von Andersons Artikel jedoch einen kriegskritischen Unterton verleihen, kommt damit jedoch beim Zuschauer nicht an. Wenn er aus dem Informanten Dragan die sieben Stunden lang vergewaltigte Mirjana macht, verliert er sich in seiner moralischen Botschaft (vor allem da Diane Kruger mit grauenhaftem serbischen Akzent redet).

Hätte man sich auf den Artikel und seinen Inhalt beschränkt, fünf Journalisten, die eigentlich Urlaub am Strand machen wollen, dann aus dem Suff heraus beschließen einen der meistgesuchten Kriegsverbrecher Europas ausfindig zu machen und dabei als Special Ops Team des CIA verwechselt werden, dann wäre ein großartiger Film dabei herausgekommen. Denn Shepard hat mit The Matador bewiesen, dass er diese Art von Humor umsetzen kann und hätte mit Greg Kinnear auch schon einen der Journalisten perfekt casten können. Die echten Journalisten waren weder zweimal kurz davor umgebracht zu werden, noch haben sie den Kriegsverbrecher gestellt. Elemente wie der Zwerg oder der Killer des Fuchses gehören vielleicht in den Bosnienkrieg, jedoch nicht in die Geschichte von Anderson. Dabei ist es bezeichnend, dass sich Hunt im Film erst gegen den Bosniengenozid stellt, als seine eigene Geliebte umgebracht wird – Musterbeispiel hierfür ist Duck, den dies nicht sonderlich gekümmert hat und auf den ein gut bezahlter Job und eine noch besser aussehende Freundin warten (aus welchem Grund diese eingefügt wurde, ist ebenso wie bei Krugers Figur ein Rätsel). Was bleibt ist ein zum Teil ernster Film über den Bosnienkrieg und seine Nachwirkungen und ein zum Teil lustiger Film über eine abgedrehte Verwechslungsgeschichte. Beides zusammen (und mit diesem Ende!) lässt sich jedoch nicht vereinbaren und so hat Shepard aus einer Geschichte mit höchstem Unterhaltungswert einen Film gemacht, der weder das eine noch das andere darstellt.

5.5/10

19. November 2007

Die Top 5: Lost

Wie so oft in diesem Blog bereits erwähnt, US-Serien boomen und beherrschen den Markt. Eine Serie übertrifft die nächste an Kreativität, Humor oder Einfallsreichtum – und eine dieser Serien, wenn nicht sogar ihre derzeitige Königin ist Lost. Ihren Anfang fand die Serie im Januar 2004, als der Vorsitzende des amerikanischen TV-Studios ABC, Lloyd Braun, ein Serienkonzept haben wollte, das eine Mischung aus William Goldings The Lord of the Flies, Robert Zemeckis Cast Away und der US-Serie Survivor sei sollte. Der erste Entwurf gefiel ABC jedoch nicht und man trat an J.J. Abrams heran, welcher mit seinen Serien Felicity und insbesondere Alias für Erfolg gesorgt hatte. Gemeinsam mit Damon Lindelof fügte er der Idee von Braun die Duftnote des Übernatürlichen an und entwickelte die Charaktere und die Handlung. Eine zweiteilige Pilotepisode wurde für das TV-Rekordbudget von vierzehn Millionen Dollar produziert und am 22. September 2004 ausgestrahlt – Lost kam sofort beim Zuschauer an. Im folgenden wurde die Serie von Abrams Produktionsfirma Bad Robot über drei Staffeln hinweg produziert, während man mit Carlton Cuse einen weiteren kreativen Kopf hinzuzog, da Abrams nur noch als ausführender Produzent tätig ist.

Dabei ist Lost in der Tat eine Art Lord of the Flies, mit einer gehörigen Prise Twin Peaks. Denn in Lost ist nichts was es scheint zu sein und die einfachste Lösung ist meistens die am weitesten entfernteste. Jede Folge deckt 48 Stunden der Überlebenden auf der mysteriösen Insel für die als Schauplatz Oahu, Hawaii dient. In jeder Folge wird ein primärer Handlungsstrang auf der Insel und um die Überlebenden erzählt, zudem ein sekundärer Handlungsstrang eines einzelnen Charakters über Rückblenden zwischen geschnitten. Diese Rückblenden haben immer etwas mit dem Charakter der einzelnen Figur und zugleich mit dem übergeordnetem Thema der jeweiligen Folge zu tun – dabei spielt es keine Rolle ob die Figur aus Australien, Afrika oder England kommt, alle Schauplätze werden auf Hawaii nachgestellt und dies gelingt äußerst glaubhaft. Wiederkehrende Themen in Lost sind Vertrauen, Schicksal, Glaube und Familien-, insbesondere Vaterprobleme. Jede Figur hat Probleme mit einem Elternteil, meistens mit dem Vater wie bei Jack, Locke, Kate oder Sun der Fall. In den Fragen des Vertrauens und des Schicksals/Glaube haben sich mit Jack und Locke zwei klare Lobbys herausgebildet, welche scheinbar am Ende der dritten Staffel nun ihre Grenze erreicht haben.

Mit dem ersten Teil der Pilotfolge von Lost ("Pilot - Part I") wurden Serientechnisch neue Maßstäbe gesetzt und zugleich exzellent die einzelnden Figuren in einer einzigen Szene eingeführt.

In der ersten Staffel von Lost werden die Charaktere und der Handlungsort eingeführt: am 22. September 2004 stürzte der Oceanic Flug 815 von Sydney nach Los Angeles aus unerklärlichen Gründen irgendwo in den Pazifik ab. Auf einer Insel findet sich das Hinterteil des Flugzeuges und 48 Überlebende, unter ihnen der Arzt Jack (Matthew Fox), die Flüchtige Kate (Evangeline Lilly), der Musiker Charlie (Dominic Monaghan), die schwangere Claire (Emelie de Ravin), das Ehepaar Sun (Yunjin Kim) und Jin (Daniel Dae Kim), die Geschwister Boone (Ian Somerhalder) und Shannon (Maggie Grace), der übergewichtige Hurley (Jorge Garcia), der Soldat Sayid (Naveen Andrews), der Betrüger Sawyer (Josh Holloway), außerdem noch Michael (Harold Perrineau), der zum ersten Mal mit seinem Sohn Walt zusammenlebt und vor allem Locke (Terry O’Quinn), der vor dem Unfall gelähmt war und nun wieder laufen kann. Bereits am ersten Abend machen die Überlebenden die Begegnung mit einem nicht erkennbaren Monster und versuchen herauszufinden, wo sie gelandet sind, in der Hoffnung, dass sie bald gerettet werden. Hierbei prallen ihre verschiedenen Charaktere und ihre Vergangenheiten immer wieder aufeinander und es stellt sich schnell heraus, dass sie nicht alleine auf der Insel sind. Neben Eisbären, einer verrückten Französin und einem vergrabenen Bunker mitten im Dschungel, machen die Überlebenden im Laufe der Staffel die Bekanntschaft mit auf der Insel lebenden Anderen.

War die erste Staffel eine Einleitung in die Insel und ihre Spielfiguren, konzentriert sich die zweite Staffel, welche für sich genommen die beste der bisherigen drei Staffeln ist, auf eines der Geheimnisse der Insel. Während die auf einem Floß nach Rettung strebenden Michael, Sawyer und Jin auf der anderen Seite der Insel weitere Überlebende des Fluges 815 in Ana-Lucia (Michelle Rodriguez), Mr. Eko (Adewale Akinnuoye-Agbaje) und Libby (Cynthia Watros) finden, stoßen Jack, Locke, Kate und Hurley in dem Bunker auf Desmond (Henry Ian Cusick), welcher fast stündlich über einen Computer die Welt retten muss. Durch den Bunker der mysteriösen Dharma Initiative spitzen sich die Vertrauensfragen zwischen Jack und Locke weiter zu, gefördert durch den ominösen Computer zur Rettung der Welt. Im Laufe der Staffel werden die beiden Gruppen der Überlebenden auf dramatische Weise zusammengeführt und langsam entfaltet die Serie ihr wahres Gesicht, wenn sie immer mehr Beziehungen der Figuren untereinander auflöst. In dem grandiosen Staffelfinale spielt wieder die Frage nach Vertrauen und nach Schicksal oder Zufall eine entscheidende Rolle, als die Konfrontation zwischen den Überlebenden und den Anderen ein kritisches Aufeinandertreffen bildet.

Wie in der ersten Staffel bildet auch in der zweiten Staffel die 18. Folge ("Dave") um Hurley beste spaßige Unterhaltung und ist für sich genommen und in ihrem Ende einer der besten.

Drehte sich die erste Staffel um die Insel per se und die zweite mehr um die Dharma Intiative, stellt die dritte Staffel die Anderen zum Thema. Jack, Kate und Sawyer wurden von dem Anführer der Anderen, Ben (Michael Emerson) gefangen genommen und finden sich auf einer abgelegenen Insel wieder. Die Überlebenden müssen derweil die Trümmer des Bunkers und die Folgen dessen aufsammeln, ehe eine große Rettungsaktion gestartet werden kann. Hierbei werden viele Schicksalswege für den weiteren Verlauf aufgezeigt, zum Beispiel was aus Charlie, Desmond und Locke geschehen wird, aber auch das Liebesdreieck zwischen Kate, Jack und Sawyer spitzt sich immer mehr zu und wird durch die zwiespältige Juliet (Elizabeth Mitchell) auf ein Quartett ausgedehnt. Es werden Einblicke in manche Geheimnisse der Anderen gegeben und auch welche der Überlebenden gelöst, zum Beispiel wer der echte Sawyer ist, wie Locke im Rollstuhl gelandet ist und viele andere Dinge. Dabei werden wieder verschiedene Beziehungen zwischen den Figuren aufgelöst, sodass inzwischen die Hälfte aller Überlebenden eine Verbindung mit einer anderen Person in ihrer Vergangenheit gehabt hat. Die dritte Staffel mündet in einem Serienklimax, welcher das Mittelteil dieser für sechs Staffeln geplanten Serie bildet, als durch die Fallschirmspringerin Naomi (Marsha Thomason) die Fronten zwischen Überlebenden und Anderen ihren Höhepunkt erreichen.

Lost fasziniert nicht nur durch seine Geheimnisse rund um die Insel, das Monster, Dharma und die Anderen, sondern vor allem wegen der detaillierten Ausgestaltung seiner Figuren, ihre Schicksale, den Momenten in ihrem Leben, welche ihren Charakter und ihr Verhalten definieren. Die übergeordnete Frage ist dabei, wieso die Figuren auf der Insel sind, denn eines ist klar, zufällig sind sie nicht dort gelandet. Jede einzelne Person scheint besonders ausgewählt worden zu sein und die Tatsache, dass alle von ihnen mindesten einmal in ihrem Leben eine Begegnung mit einem anderen Überlebenden oder einer Person aus dessen Umfeld gehabt haben, unterstützt diese Vermutung. In Fankreisen wurde daher schon wild spekuliert, über eine Live-Reality-Show bis hin zur Hölle oder Koma – alles jedoch von den Machern ins Reich der Fabeln verwiesen. Lost lebt von seiner Spannung, seinen kleinen Cliffhangern am Ende jeder Episode, wobei jede Folge für den Zuschauer einen Schritt nach vorne, zugleich aber auch zwei zurück bedeutet. Durch den Streik der Drehbuchautoren ist es ungewiss wie es mit dem Start der vierten Staffel im Februar weitergehen wird, da von geplanten sechzehn Episoden bisher nur acht abgedreht wurden. Sollte sich der Streik bis in den Dezember ziehen, ist es ungewiss ob im Frühjahr 2008 nur die ersten acht Episoden gezeigt werden und die anderen 2009 mit der fünften Staffel laufen werden, oder ob die vierte Staffel nicht überhaupt nach 2009 verschoben wird. Aus den ausgestrahlten 72 Folgen sollen nunmehr die fünf besten Episoden vorgestellt werden, welche (zusammen mit zwei anderen) die volle Punktzahl erreichen konnten.

5. A Tale of Two Cities (Season 3, Episode 1): In dieser Staffeleröffnung erhält der Zuschauer einen ausgezeichneten Eindruck davon, wer die Anderen wirklich sind, bzw. was sie nicht sind. In der Eingangsszene wird ein genialer mindfuck-Moment ausgelöst und bereitet das Publikum darauf vor, womit er sich diese Staffel auseinander zu setzen hat.

4. Man of Science, Man of Faith (Season 2, Episode 1): Auch eine geniale Staffeleröffnung, die ebenfalls in ihrer Einleitung das Publikum verblüfft und die Figur von Desmond einführt und eines der großen Geheimnisse einläutet: Jack und Desmond kennen sich! Das Staffelumspannende Thema rund um die Zahlen und den Computer findet hier sein Intro.

3. Numbers (Season 1, Episode 18): Das erste Auftreten der Zahlen und ihr Zusammenhang zur Insel offenbaren sich, als Hurley seine Verbindung zum Schicksal der anderen Überlebenden zu erkennen glaubt. In einer Nervenheilanstalt den Zahlen begegnet, spielte er mit ihnen die Lotterie und wurde Multimillionär – eher er festzustellen glaubt, dass die Zahlen verflucht sind.

2. Flashes Before Your Eyes (Season 3, Episode 8): Einer der meist umstrittensten Folgen der Serie – was geschah mit Desmond, Rückblende, Zeitreise oder Déjà-vu? Desmond findet sich mehrere Jahre zurück in England und trifft auf die nebulöse Mrs. Flannigan, welche ihm sein Schicksal auf der Insel vorhersagt und das der ganzen Welt in die Hände legt.

1. Live Together, Die Alone (Season 2, Episodes 22&23): Grandioses Staffelfinale und besonderer Einbau der interessantesten Lost-Figur – Desmond. Seine Vorgeschichte auf der Insel, zwei weitere Verbindungen mit anderen Überlebenden, der Klimax zwischen Locke und Mr. Eko, sowie das Schicksal um Michael, Jack, Kate, Sawyer und Hurley bilden die Rahmenhandlung für Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau!

17. November 2007

The Fifth Element

Green?

Ein französischer Junge erschuf im Alter von sechzehn im Jahre 1975 eine Science-Fiction Geschichte - dieser Junge war Luc Besson. Nach verschiedenen Überarbeitungen sollte die Produktion an The Fifth Element im Jahre 1990 beginnen, Besson war inzwischen in der Filmlandschaft angekommen und hatte erste Erfolge mit seinen Filmen Subway, Le grand bleu und Nikita gefeiert. Doch Warner Bros. schreckte die immensen Produktionskosten von einhundert Millionen Dollar ab und das Projekt wurde auf Eis gelegt - vorerst. Nach seinem internationalen Erfolg mit Léon im Jahre 1994 bekam Besson ein Budget von achtzig Millionen Dollar bewilligt und konnte seine Jugendgeschichte endlich auf die Leinwand bannen. Unterstützt wurde der Comic-Fan Besson dabei von seinen Helden Jean Giraud, bekannt als Moebius (Blueberry), und Jean-Claude Mézières (Valérian and Laureline), welche für die Gestaltung der Szenerie und das Aussehen der Figuren verantwortlich waren. Der französische Modedesigner Jean-Paul Gaultier schuf 954 Kostüme, Bessons Stammmusiker Eric Serra schuf einen psychidelischen Soundtrack.

Im Jahre 2263 ist das pure Böse dabei alles Leben auf der Erde auszulöschen und es gibt nur eine einzige Hoffnung: das fünfte Element. Dieses kommt in Form der perfekten Leeloo (Milla Jovovich) auf die Erde, regeneriert von der Regierung der vereinigten Territorien. Doch Leeloo will nicht mit der Regierung zusammenarbeiten, stattdessen muss sie den Priester Vito Cornelius (Ian Holm) ausfindig machen, da er zu dem Orden gehört, welcher seit hunderten von Jahren gemeinsam mit ihrer Rasse, den Mondoshawan, das absolut Böse in Schach hält. Mit ebenjenem Bösen kooperiert der skruppellose Industriemagnat Jean-Baptiste Emanuel Zorg (Gary Oldman), der hinter dem Angriff auf Leeloo und den Mondoshawans steckt, indem er die ebenso skrupellosen Mangalores auf sie ansetzt. Leeloos einzige Zuflucht scheint der New Yorker Taxifahrer und ehemaliger Militär Korben Dallas (Bruce Wilis) zu sein, in dessen Taxi sie sich mit einem gewagten Sprung retten kann. Was alle Parteien miteinander verbindet ist die Suche nach den vier Steinen, welche die Elemente komplettieren, und in dem Feriendomizil Fhloston Paradise zu finden sind. Doch auf dem Weg dahin müssen neben Mangalores auch der schrillig-schrulle Radiomoderator Ruby Rhod (Chris Tucker) überwunden werden.

Mit vielen Referenzen zu Fritz Langs Metropolis, Paul Verhoevens Robocop, Ridley Scotts Blade Runner, den Mangas Adolf von Osamu Tezuka und Sanctuary von Sho Fumimura und Ryoichi Ikegami oder auch Return to the Blue Lagoon, insbesondere jedoch zu Moebius’ Arbeit an dem Kultfilm Heavy Metal und Mézières’ Space-Reihe Valérian and Laureline, gelang Besson ein Sci-Fi-Spektakel der Sonderklasse und durch seinen Look, seine Musik, seine Kostüme und seine Figuren ein absoluter Kultfilm. Die Kulisse von New York City des Jahres 2263 erscheint lebendig und besonders durch seine kleinen Details äußerst warm. Seien es die Raucherbestimmungen, welche in überlangen Filtern enden, ein konstantes Punktestrafsystem für Autofahrer oder superschnellen Mikrowellen - hier ist einfach alles nur grün, wenn nicht gar supergrün, wie Ruby Rhod sagen würde. Dieser ist in Kostüme gezwängt, die ebenso schrill sind wie er selbst und Ruby bringt eine positiv-nervige Art mit in den Film, welche höchstens den Zuschauer, nicht jedoch Korben tangiert. Entgegen der Bekundung „grün“ ist die vorherrschende Farbe im Film orange und stellt damit gleich zu Beginn die Verbindung zwischen Leeloo und Korben her.

In The Fifth Element ist eine Figur durchgeknallter als die andere und das äußert sich nicht nur in ihrem Erscheinungsbild, sondern auch in ihrem Charakter. Vorzuwerfende inhaltliche Schwächen wie zum Beispiel die Verbindung von Zorg und Mr. Shadow zu Stande kam, spielen für das Publikum nur bedingt eine Rolle, da sie von Besson auf eine wilde Achterbahnfahrt gebracht werden, in welcher ein blondierter Bruce Willis selten so witzig und cool zugleich sein durfte. Chris Tucker hat nach Friday einen seiner ersten großen Kinoauftritte und Milla Jovovich schaffte hier endgültig den Sprung vom Model zur Schauspielerin. Bezeichnend, dass während der gesamten Handlung Protagonist Korben und sein Antagonist Zorg sich nie begegnen oder ein einziges Mal miteinander reden - ihre Verbindung besteht lediglich in ihrem Arbeitsverhältnis zu Beginn. Besson erzählt seine Geschichte über den Kampf zwischen Gut und Böse mit sehr viel Witz und vor allem über seine Darsteller. Ein unterhaltsames Actionspektakel in dem Besson fast alles richtig gemacht hat.

9/10

13. November 2007

The Three Burials of Melquiades Estrada

That’s some dead motherfucker.

Fast jeder tut es, viele haben es getan und immer mehr sind dabei es zu tun. Die Rede ist von Schauspielern und Schauspielerinnen die Regie führen. Meistens inszenieren sie sich dabei selbst, wie es Mel Gibson früher oft tat oder auch Bill Paxton getan hat. Aber auch Denzel Washington, Jodie Foster, Ben Affleck oder George Clooney führen Regie, Natalie Portman wird es auch demnächst tun. Was früher eine Seltenheit war, ist heute also fast schon Alltag, es verwundert also nicht, wenn sich auch Charaktermime Tommy Lee Jones in neue Gefilde wagt. Mit The Three Burials of Melquiades Estrada trat er vor zwei Jahren bei den Filmfestspielen von Cannes an und gewann den Preis als bester Darsteller, Guillermo Arriaga den Preis für das beste Drehbuch. Weshalb der Film erst jetzt in Deutschland anläuft lässt sich wahrscheinlich mit der Suche nach einem Verleiher erklären. Produziert wurde der Film nicht nur von Jones selbst, sondern auch vom Massenproduzenten Luc Besson und seiner Produktionsfirma. Für die Kamera konnte Jones den zweifachen Academy-Award-Gewinner Chris Menges (The Killing Fields, The Mission) gewinnen, dabei wurden viele Szenen des Filmes auf Jones’ Privatranch in Texas gedreht.

Mike Norton (Barry Pepper) und seine Frau Lou Ann (January Jones) zählten in ihrer Schulzeit zu den beliebtesten Schülern, durch Mikes Job als Grenzpolizist werden sie jedoch in ein kleines Kaff nach Texas verschlagen. In der Ehe kriselt es, während Mike tagsüber arbeitet vertreibt sich Lou Ann die Zeit im nahe gelegenen Diner mit Zigaretten und Kaffee. Bei einer seiner Fahrten sieht sich Mike eines Tages mit Schüssen konfrontiert, er holt sein Gewehr und schießt zurück, trifft dabei den illegalen mexikanischen Einwanderer Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) tödlich in den Bauch. Ein Missverständnis, welches von Sheriff Belmont (Dwight Yoakam) nicht weiter untersucht wird. Damit kann und will sich Melquiades’ Freund und Arbeitskollege Pete Perkins (Tommy Lee Jones) nicht zufrieden geben. Kurzerhand fährt er zu Nortons Haus, fesselt dessen Frau Lou Ann und entführt Mike. Am Friedhof angekommen zwingt er Mike Melquiades auszugraben, zu Pferd will Pete ein Versprechen gegenüber seinem Freund einlösen: diesen zurück zu seiner Frau und seinen Kindern zu überführen und in seinem Heimatort Jimenez zu beerdigen. Die anschließende Reise wird von einigen Komplikationen begleitet.

Inspiriert wurde Tommy Lee Jones von einem wahren Vorfall aus dem Jahre 1997 in seinem Bundesstaat Texas. Damals wurde der achtzehnjährige Esequiel Hernandez Jr. nach halbstündiger Überwachung von vier schwer bewaffneten und in Tarnkleidung gehüllten US-Marines erschossen, was den ersten Mord von US-Soldaten an einen amerikanischen Bürger darstellte seit Kent State 1970. Die Marines waren eigentlich dazu abgestellt worden gegen illegalen Drogenhandel an der Grenze vorzugehen, bei einer anschließenden Untersuchung wurde jedoch keiner der vier Marines jemals angeklagt. Dieser Vorfall erzürnte Jones und ließ in an seinem Justizsystem zweifeln – seine Antwort stellt dieser Film dar, dessen Einflüsse er unter anderem Akira Kurosawa und Sam Peckinpah zuschreibt. Für Drehbuchautor Arriaga, welcher zuvor die Drehbücher zu Alejandro Gonzales Inarritus Filmen Amores perros, 21 Grams und Babel geschrieben hatte und für letzteren auch eine Oscarnominierung erhielt, ist es eine Geschichte über Freundschaft – der Freundschaft zwischen Melquiades und Pete.

Viele lobende Worte gab es im Vorfeld zu Jones’ Regiedebüt, abgesehen von den beiden Auszeichnungen aus Cannes, bei Rotten Tomatoes hält der Film 83% - bedauerlicherweise kann der Film seinen Vorschußlorbeeren nicht gerecht werden. Von Menges vor wunderschöner Kulisse sehr gut inszeniert, mit den passenden Gitarrenklängen unterlegt und einer guten schauspielerischen Leistung des gesamten Ensembles scheitert der Film an seiner Handlung, bzw. dem Geist dieser Handlung. Jones und Arriaga zeigen uns viele Charaktere, von denen eigentlich keiner etwas mit der Handlung oder ihrem Verlauf zu tun hat, beispielsweise Bob, den Inhaber und Koch des Diners oder einen alten blinden Mann in der Einöde. Für Jones ist seine Geschichte eine solche über Einsamkeit und Entfremdung, hierfür sollen seine Figuren stehen, die allesamt einsam sind und alleine stehen. Pete Perkins ist einsam, hatte niemand außer seinen Freund Melquiades, aber auch dieser war einsam. Gelegentlich hat Pete eine Affäre mit Bobs Frau Rachel, welche zugleich auch eine Affäre mit Sheriff Belmont hat. Diese Tatsache spielt jedoch für den Verlauf der Handlung keine Rolle, genauso wenig die Tatsache, dass Pete, Melquiades, Rachel und eben Lou Ann einen Nachmittag zusammen verbrachten. In der späteren Szene zwischen Pete und Lou Ann scheint er diese überhaupt nicht mehr zu erkennen. Wieso die vorangegangene Szene aufgebaut wurde und dies mit Lou Ann wird nicht ersichtlich.

In einer der wenigen gelungenen Szenen sieht man Lou Ann das Abendessen vorbereiten und nebenbei eine Fernsehsendung über ein Ehepaar ansehen. Während das Ehepaar streitet und die Frau enthüllt, dass sie in der Ehe unglücklich ist, kommt Mike in die Küche und nötigt Lou Ann zum Sex, was diese über sich ergehen lässt, während im Fernsehen die Worte fallen, welche ebenso für ihre Ehe gelten. Als Mike später erneut die Fernsehsendung sieht, nun bereits in Petes Gefangenschaft, scheint er die Worte und ihre Bedeutung zu verstehen und beginnt zu weinen. Zwei der wenigen ausdrucksstarken Szenen in einem Meer von sehr viel schön gefilmter Bedeutungslosigkeit über Figuren, deren Verhalten in den seltensten Fällen nachvollziehbar ist und in einem Ende mündet, welches für Freundschaft und Spiritualität steht. Hierfür zwei Stunden zu verwenden ist sicherlich ein Fehlgriff, der Film wird nach gut einer Stunde eintönig und relativ uninteressant. Die Botschaft von Jones, das Zusammenleben zweier verschiedener Kulturen gegenübergestellt, erhält das Publikum bereits zu Beginn, dazu braucht er nicht die finale Einstellung sehen. Hier wurde versucht aus sehr wenig sehr viel heraus zu holen und es bleibt unverständlich wieso Arriaga in Cannes für das Drehbuch ausgezeichnet wurde, ebenso wie es bei Jones der Fall ist, denn Barry Pepper spielt in zweifelsohne an die Wand in den gemeinsamen Szenen. Ein Film, der bedauerlicherweise nicht sonderlich gelungen ist und vielleicht zeigt, dass nicht alle Schauspieler zu Regisseuren geboren sind.

4.5/10

11. November 2007

Mystic River

Things lookin’ any better on the Sprite?

Drei Jungen spielen Straßenhockey, da verschlägt Dave den Ball und er rollt in einen Gulli hinunter – das Spiel der drei ist beendet. Jimmy schlägt vor ein Auto zu knacken und es um den Block zu fahren, Sean ist jedoch dagegen. Stattdessen wollen die drei ihre Namen in frischen Zement schreiben, werden aber durch das Eintreffen zweier Zivilpolizisten dabei unterbrochen. Der Polizist fragt wo die Jungs wohnen, Dave ist der einzige, der nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Seine Autorität ausnutzend zwingt der Polizist Dave auf seine Rückbank, Jimmy und Sean schauen zu wie ihr Freund Dave eskortiert wird. In kurzen Schnitten wird nun offenbart, dass es sich nicht um Polizisten, sondern Pädophile gehandelt hat, welche Dave in einem Keller missbrauchten, ehe es im gelang zu fliehen. Mehrere Jahre später sieht man nunmehr einen sichtlich verstörten Dave (Tim Robbins) mit seinem Sohn an ebenjener Strasse vorbeilaufen, an der eins seine eigene Jugend zerstört wurde. Dave ist mit Celeste (Marcia Gay Harden) verheiratet, einer Cousine von Annabeth (Laura Linney), der Frau von Jimmy (Sean Penn). Dieser ist seiner kriminellen Natur anheim gefallen, beweist sich jedoch als liebevoller Vater seiner drei Töchter. Als seine älteste eines Nachts ermordet wird tritt Sean (Kevin Bacon), nunmehr Kriminalbeamter im Staatsdienst, auf und muss gemeinsam mit seinem Partner Whitey (Laurence Fishburne) Dave als Tatverdächtigen untersuchen.

Die Geschichte von Mystic River basiert auf einem Roman von Dennis Lehane und wurde für die Kinoleinwand von dem Oscarpreisträger Brian Helgeland (L.A. Confidential) adaptiert. Im Jahr 2003 wurde Clint Eastwoods Film für sechs Oscar nominiert, neben dem besten Film, dem besten adaptierten Drehbuch, der besten Nebendarstellerin (Marcia Gay Harden) und der besten Regie konnte er in den Kategorien bester Haupt- (Penn) und Nebendarsteller (Robbins) auch zwei Preise entgegennehmen. Mit einem tollen und perfekt aufspielenden Schauspielerensemble erzählt Eastwood seine Geschichte über Rache und Sühne in den Arbeitervierteln von Boston vor allem durch die Verwendung von Kamerakränen. In fast jeder Szene verwendet er eine solche Kamerafahrt, am liebsten für die Übergänge zwischen den Szenen. Zwar nett anzusehen, jedoch ziemlich überflüssig. Seinen eigenen Angaben nach wusste Eastwood sofort als er das Buch von Lehane (dessen weiterer Roman Gone Baby Gone dieses Jahr von Ben Affleck inszeniert worden ist) gelesen hatte, dass dies sein nächster Regiestoff werden sollte und konnte hierfür viele Stars bis in die Nebenrollen (Emmy Rossum, Eli Wallach) gewinnen. Mit seiner Einleitung schafft der Film ein Paradebeispiel für einen Vorfall, welcher selbst Autor Lehane widerfahren ist: Kinder, steigt nicht zu fremden Männern ins Auto! Nur weil sich jemand als Polizist ausgibt, heißt dies nicht, dass er einer ist. Und wie Jimmy und Sean dem Auto hinterher blicken, offenbart dies ihre zukünftige Einstellung und Karriere. Jimmy, der designierte Autoknacker, scheint sein Vertrauen in das Gesetz verloren zu haben und nun nach seinen eigenen Richtlinien zu leben, während Sean den Polizeiberuf wählte, um gerade solches Unrecht nicht mehr auftreten zu lassen. Dave dagegen lebt gefangen in seiner eigenen Welt voller Angst.

An zwei Abenden sollen sich die Schicksale aller Charaktere treffen und das Leben von allen verändern. Jimmys Tochter will mit ihrem Freund nach Las Vegas ausbüchsen und feiert ein letztes Mal mit ihren Freundinnen, kommt danach jedoch nicht mehr lebend nach Hause. Am selben Abend hat Dave sie noch gesehen und kehrte anschließend verletzt und blutüberströmt nach Hause, erklärt seiner Frau jedoch, dass er einem Überfall entkommen ist. Jimmy, von Schmerz verzerrt, will das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und beordert seine Jungs nach Beweismaterial zu suchen. Auch Sean und sein Partner Whitey untersuchen den Fall, möglichst bevor Jimmy etwas Dummes tun kann. Während Sean den Freund der Toten verdächtigt, hat Whitey sein Augenmerk auf Dave gerichtet, auch Celeste hegt allmählich Verdachtsmomente gegen ihren Mann und so nimmt die Geschichte langsam einen dunklen Verlauf, hinüber ins Misstrauen. Dass alle drei Freunde hierbei im Laufe des Filmes von sich behaupten, nicht miteinander befreundet zu sein, spricht für ebenjenen Tag, an welchem nicht nur Daves Unschuld, sondern die Unschuld aller drei geraubt wurde und die Bande zwischen ihnen zerstört hat.

Daves Schicksal wird schließlich zweimal in einander gegenübergestellten Szenen bestimmt, denn zweimal steigt er zu zwei Männern ins Auto ein, die ihm nichts Gutes wollen. Verraten und verkauft ist Dave, dessen wahres Ich damals in Keller gestorben zu sein scheint. Keiner will ihm glauben, manches spricht gegen ihn, z. B. Blut in seinem Kofferraum. Seltsam ist jedoch, dass die forensische Abteilung keine DNA-Untersuchung an dem Blut vornehmen kann, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Katies (Emmy Rossum) Blut handelt. Dies hätte Dave mit Sicherheit entlastet, auf diese Idee kommt jedoch keine der Figuren. Die Tatwaffe wird gefunden und zu einem gewissen Ray Harris zugeordnet, ebenjener Ray Harris, der Jimmy einst verraten und danach scheinbar seine Familie, seinen Sohn Brandon, verlassen hat, welcher nun mit Katie zusammen war. Auch dieses Indiz bleibt ohne wirkliche Berücksichtigung. Genauso wie der Notruf am Tatabend, den sich die ermittelnden Polizisten erst Tage später anhören! Schlampiger kann man wohl nicht arbeiten und allgemein plätschert die Geschichte nur so vor sich hin, dreht sich im Kreis, macht keinen Sinn und stagniert. Hier hat man Dave als Tatverdächtigen, mit Blut im Kofferraum, welches man jedoch nicht untersuchen will. Die Tatwaffe wird mit jemanden aus Jimmys Vergangenheit in Verbindung gebracht – Pustekuchen, warum groß ermitteln. Dehane schreibt seine Geschichte so, dass kein anderer Ausweg übrig bleibt, als der, welchen er schließlich in seiner Geschichte offeriert. Dabei ignoriert er alle logischen Lösungen für das von ihm gestellte Problem.

So gut die Schauspieler und Schauspielerinnen auch spielen, das Ambiente, die Optik stimmt – so sehr hadert Mystic River mit seiner inkonsequenten und schlechten Handlung. Die Charaktere verhalten sich unnatürlich, sehen nur dass, was sie sehen wollen und lassen ins Auge fallendes Beweismaterial einfach außer Acht. Dave wird dabei als klassisches Sexualopfer inszeniert und ist damit für Whitey schon im Vorfeld vorverurteilt. Die finale Auflösung ist dabei in ihrer Aussage nicht nur absolut unwahrscheinlich, da sich alles auf die reinsten Zufälle – oder absurdes Schicksal – beruft, sondern auch vollkommen profan, billig, armselig. Wie die Figuren am Ende nicht nur mit dem Verlauf der Handlung, sondern auch mit sich selbst umgehen, ist logische Konsequenz aus den ganzen anderen unlogischen Handlungen durch den Film hinweg. Nach dem Motto „nach mir die Sinflut“ widmet sich alles wieder den alten Gepflogenheiten, auf ebenjener Strasse, in der einst ihre Freundschaft und ihre Kindheit jäh beendet wurden. Mystic River will vieles sein, was er nicht ist, spannend, gewichtig – was am Ende bleibt, ist ein technisch gut gemachter, sehr gut gespielter, durchschnittlicher und überbewerteter Krimi, mit einer äußerst schwachen Story und Nebenhandlungen (Seans Frau), die irrelevant für die Handlung und langweilig sind. Das beste am Film sind in der Tat die Darstellungen von Penn und Robbins – der Rest ist Schweigen.

5.5/10

8. November 2007

Pirates of the Carribean: At World's End

I wash my hands of this weirdness.

Raue Zeiten brechen an, Piraten werden in Reihen aufgestellt und gehängt, erbarmungslos, Stück für Stück. Selbst vor Kindern macht das Grauen keinen Halt, einem unsicheren Blick wird mit einem Fass ausgeholfen. Da stimmt ein Knabe das Lied der Piraten an, kurz darauf stimmen die anderen in den Sing-Sang ein – der unsichere Leutnant meldet es Lord Beckett (Tom Hollander), doch diesem ringt es nur ein müdes Lächeln ab. Er hat sein Ziel erreicht, durch den Sing-Sang im Auge der Auslöschung geht eine Warnung über Silbermünzen an alle Piraten aus, nunmehr sind sie vorgewarnt. Währenddessen suchen Captain Barbossa (Geoffrey Rush) und die junge Elizabeth Swann (Keira Knightley) in Singapur den Piraten Sao Feng (Chow Yun-Fat) auf, um ihn davon zu überzeugen, ihnen ein Schiff und eine Crew zu überlassen. Das Treffen wird von den Männern der East India Trading Company unterbrochen, die Beteiligten können gerade noch so fliehen. Das Ziel ist jedoch erreicht, Sao Feng überlässt Barbossa, Miss Swann und dem wagemutigen Will Turner (Orlando Bloom) ein Schiff samt Crew. Nun steht der Suche nach Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) in Davy Jones’ Locker unter der Führung der mysteriösen Tia Dalma (Naomi Harris) nichts mehr im Wege – außer das Ende der Welt.

Inzwischen weiß man, dass Jerry Bruckheimer vor rein gar nichts halt macht, sei es ein Kinderspielzeug oder eine Freizeitparkattraktion – alles wird gnadenlos verfilmt, für das höhere Ziel und dies ist Mr. Bruckheimers Bankkonto. War der erste Teil, welcher als einziger Teil konzipiert war, noch sehr innovativ und unterhaltsam geraten, mit einer erfolgreichen Wiederbelebung eines totgeglaubten Genres, stoßen die beiden gemeinsam verfilmten Fortsetzungen etwas bitter auf. Bereits dem zweiten Teil wurde von den Kritikern seine Überlänge und fehlende Logik vorgehalten und auch der dritte Teil konnte den intellektuellen Kreis nicht begeistern. Der mit 300 Millionen Dollar teuerste Film aller Zeiten (bisher) hält bei Rotten Tomatoes eine Wertung von 45%, beim Publikum kommt er – wie bei IMDb – mit etwa 7 von 10 Punkten noch recht gut weg, was auch ein weltweites Einspiel von fast einer Milliarde Dollar (was sich durch den Verkauf der DVD noch verbessern sollte) bestätigt. Meistens sind es eben die schlechten Filme, welche das Geld einspielen und die guten Filme, welche keine Berücksichtigung finden. Auch in der Bloggersphäre wurde dem dritten Teil der Piratensaga kein gutes Urteil beschenkt, weshalb ich einen Kinobesuch ausfallen ließ und dies nunmehr auf DVD nachhole.

Das Budget wird sich hauptsächlich auf die Ausstattung, die Kostüme, die Maske und allen voran die Visuellen Effekte verteilt haben, aus dem einfachen Grund, dass man es dem Film ansieht. Hier lässt sich auch keine Kritik finden, das Ambiente im Film stimmt, die Effekte beeindrucken genauso wie die allgemeine Optik und in diesen Kategorien kann sich PotC auch Hoffnungen machen, bei den nächstjährigen Academy Awards Berücksichtigung zu erfahren. Das Hauptmanko des Filmes ist ganz klar seine Handlung, bzw. das nicht vorhanden Sein einer solchen Handlung. Was die Figuren hier machen, und es sind ausnahmslos alle Figuren zu nennen, hat in den meisten Fällen weder Hand noch Fuß und schon gar keinen Sinn. Knochengerüst Knightley’s Charakter Miss Swann nagt scheinbar an ihrer Tat aus dem zweiten Teil Jack Sparrow ins Jenseits befördert zu haben und redet nicht mehr mit ihrem geliebten Will Turner – der Zusammenhang hierbei erschließt sich jedoch nicht. Ist der gute Jack jedoch erst wieder in der Obhut seiner Crew, gilt Elizabeths Groll ganz der East India Trading Company. Orlando Bloom hingegen ist als Will Turner primär an dem Schicksal seines Vaters interessiert, welchen er aus den Fängen von Davy Jones (Bill Nighy) befreien will. Hierzu muss er Lord Beckett jedoch die Black Pearl ausliefern und daher verfolgt Will eigentlich seine eigenen Interessen. Captain Barbossa und Jack Sparrow streiten sich den Film hindurch darüber wer das Kommando über die Pearl hat – zugegebenermaßen relativ lustig über einen Längenvergleich ihrer Fernrohre.

Jeder Charakter hat somit seine eigene Agenda und versucht sein persönliches Ziel gemeinsam zu erreichen – mehr oder weniger. Das Motto lautet hierbei: jeder betrügt jeden. In einer Szene verlangt Beckett von Sparrow den Treffpunkt aller Piraten im Austausch für seine Freiheit. Zu diesem Zweck erhält Sparrow seinen magischen Kompass zurück, welchen er später Will übergibt, als dieser versucht Beckett über Sparrows Aufenthaltsort zu informieren und Will übergibt den Kompass schließlich wieder Beckett, um damit den Treffpunkt der Piraten ausfindig zu machen. Verstanden? Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, denn Sinn ergibt es sowieso keinen. Im Laufe des Films ist jede Figur mindestens einmal mit jeder anderen überein gekommen, um sie dann zu hintergehen und mit einer anderen Figur eine andere Übereinkunft zu treffen. Das wiederholt sich die guten ersten neunzig Minuten und die Handlung dreht sich nicht nur im Kreis, sondern wiederholt sich und die Summe aus dem zweiten Teil. Anschließend ergötzt sich der Film in der letzten Stunde an seinen eigenen Effekten in einer nach fünf Minuten eintönigen Seeschlacht, welche der Gipfel einer weiteren Sinnlosigkeit ist. Neunzig Minuten lang geht es den Figuren darum, eine Allianz aller Piraten (darunter Keith Richards als Sparrow Senior) zu bewirken und die übermächtige East India Trading Company im offenen Gefecht zu besiegen. Nach neunzig Minuten wurde dies auf profane Art bewerkstelligt, doch anstatt dies nun umzusetzen fechten Sparrow und Co. dies privat mit Davy Jones und seinen Männern aus, während alle anderen zusehen. Da fragt man sich, wieso vorher überhaupt das große Tam-Tam drum getrieben wurde.

Als Trilogie lässt sich diese Trilogie ohnehin nicht titulieren, da die beiden Fortsetzungen inhaltlich keinen Zusammenhang mit dem ersten Teil aufweisen. Mehr als Charaktereinführung ist der erste Teil somit nicht und Regisseur Gore Verbinski lässt im Finale noch einmal alle Figuren aus dem ersten Teil ihre Aufwartung machen. Eine klare Linie hat die Trilogie dabei nicht, spielt Davy Jones und der Flying Dutchman im ersten Teil schließlich keinerlei, in den Fortsetzungen jedoch eine erhebliche Rolle. Dass man die Dreharbeiten an den Fortsetzungen begann, ohne ein fertiges Drehbuch vorweisen zu können, merkt man während des Filmes und besonders an seinem Ende. Der zweite Teil und die Mehrheit des dritten Teils arbeiten gezielt auf die finale Schlacht hin, dies erklärt das sich im Kreis bewegen und die unnötigen Wiederholungen. Die finale Auflösung wirkt dann dem Franchiseprodukt absolut entgegen und ist wohl eine der schlechtmöglichsten Lösungen, arbeitet auch den Erwartungen des Zuschauers bei einem vorhersehbaren Produkt entgegen.

Hier gäben sich die Macher der Lächerlichkeit preis und bieten als Konklusion keinerlei Entwicklung zum Beginn des ersten Teils. Die Fortsetzungen sind eine Offenbarung dafür, dass eine Fortsetzung nie im Raume stand und man die Kuh nur melken wollte, so lange sie noch Milch gab, bzw. gibt. Jeder Teil ist nach dem Prinzip Höher-Schneller-Weiter aufgebaut, mehr Effekte, mehr Jack Sparrow (sprichwörtlich) und dazu noch Chinas größten Kinostar in einer Nebenrolle (auch wenn dieses Ziel dadurch etwas verfehlt wurde, da die chinesischen Zensoren die Hälfte von Chow Yun-Fats screentime rausschnitten). Eine wirkliche Geschichte hatten die Macher nicht zu erzählen und abgesehen von einigen Lachern ist Pirates of the Carribean ziemlich erschöpfen geraten, ähnlich wie die Matrix-Trilogie. Jerry Bruckheimer scheint dies keinen Abbruch zu tun, und der Zuschauer kann sich somit darauf freuen, in den nächsten Jahren vielleicht auch noch die Kinoversion von Spitz Pass Auf zu begutachten, Regie Michael Bay, Hauptrolle Nicholas Cage.

4.5/10