29. Juli 2011

Captain America

A weak man knows the value of strength.

An und für sich bietet Marvels Superheld Captain America genug Reibungsfläche. Sei es sein (sich schon im Namen widerspiegelnder) überbordender Patriotismus oder seine Entstehungsgeschichte. Im Kampf gegen die faschistischen Nazis wird von Seiten der USA ein blond-blauäugiger Supermensch ins Gefecht geschickt. Alle körperlichen Benachteiligungen wie Schweratmigkeit werden weg-eugenisiert und der All American Hero Steve Rogers somit zum Wunschbild des Herrenmenschen wie ihn wohl auch der nationalsozialistische Gegner gerne gehabt hätte. Um das Ganze etwas zu entkräften, versucht Joe Johnston in seinem Film den Fokus weg vom „Für Amerika!“-Charakter zu lotsen und seinen Steve Rogers (Chris Evans) als netten und aufrechten Knirps von Nebenan zu inszenieren.

„Wollen Sie Nazis töten?“, wird Rogers vor dem Experiment gefragt. Dieser verneint und weist darauf hin, ihm gehe es darum, Tyrannen zu stoppen. Dementsprechend erklärt sich auch, warum ein Film über Captain America ein so genanntes period piece sein muss. Denn das Bild der USA als Weltpolizei ist nach Vietnam, Nicaragua, Irak und Co. inzwischen so beschädigt, dass ein Captain America des 21. Jahrhunderts es wohl zuvorderst auch mit den USA selbst aufnehmen müsste. Stattdessen sind seine Gegner Rüpel, Raufbolde und Unterdrücker. Töten will er sie nicht, erklärt er zu Beginn. Später muss dennoch ein Gegner nach dem anderen dran glauben. Aber schließlich lautet die Reihenfolge von Captain Americas Maxime zu diesem Zeitpunkt bereits: Töten oder gefangen nehmen.

Es ist also ziemlich offensichtlich, dass sich Thor und Captain America aus ideologischer Sicht weit weniger ideal auf die Leinwand transferieren lassen, wie ihre etwas simpleren und zeitgenössischeren Kollegen Iron Man und Hulk. Vielleicht erklärt sich dadurch die spätere Auswertung für den im kommenden Jahr startenden The Avengers. Und möglicherweise auch, weshalb beide Filme sich versuchen sowohl selbstironisch als auch nüchtern mainstreamig zu geben. Beiden Marvel-Helden gelingt dies nur bedingt. Wo Thor sich mitunter campig-trashig anbiederte, wurde er von seiner zweigleisigen Handlung korrumpiert. Captain America vermeidet letzteren Fehler, indem er einer klar strukturierten Geschichte folgt. Allerdings gerät er dabei speziell in seiner zweiten Hälfte sehr viel bierernster als ihm gut tut.

So zeigt sich Steve Rogers zu Beginn als sympathisch ideologischer Hänfling, den es 1941 hinüber nach Europa zieht, um sich in einen Krieg zu stürzen, dem viele lieber entflohen wären. Wider Erwarten setzt er sich dabei durch, erhält mit Stanley Tuccis deutschem Klischee-Wissenschaftler eine Vaterfigur, die es später ganz dem Klischee entsprechend wieder zu verlieren gilt. Die Palette – Tommy Lee Jones gibt einen mürrischen Colonel und Haley Atwell ein pseudo-emanzipiertes, barbusiges love interest – der klassischen Filmfiguren funktioniert dabei nur deshalb, weil die Schauspieler sie mit ausreichend Leben füllen. Allen voran Hugo Weaving untermauert als Strickmuster-Nazi sein darstellerisches Händchen für Bösewichter und gefällt mit deutschem Akzent ebenso wie die Kollegen Toby Jones und Tucci.

Trotz seines Charakters als Actionfilm sind es die zwischenmenschlichen Momente, in denen Captain America reüssiert. Sei es ein abendlicher Dialog von Tucci und Evans oder eine kurze Propaganda-Montage als pointierter Seitenhieb auf die Ursprünge der Comic-Figur. Nur wenn sich Captain America im Star-Spangled-Banner-Outfit ins Gefecht stürzt und sein Frisbee-Bumerang-Schild auf Gegner wirft, beginnt sich der Film in die Länge zu ziehen. Das liegt daran, dass Steve Rogers  interessanter ist als sein Alter Ego. Aber auch der Versuch, Charaktere aus dem Comic – wie Dum Dum Dugan (Neal McDonough) – zu integrieren, will nicht überzeugen. Man wünscht sich stattdessen einen stärkeren Fokus auf Weavings diabolischen Red Skull, der in der zweiten Hälfte des Films abwesend an Profil verliert.

Grundsätzlich macht Johnston aber viel richtig. Die Effekte sind solide, verlieren sich im großen Kriegsspektakel ein wenig, überzeugen dagegen bei einem digital verkümmerten Chris Evans. Dieser bleibt ebenso in Erinnerung wie Weavings gelungene Maske als Red Skull. Was sich vom erneut überflüssigen, da kaum räumlichen 3D-Effekt nicht sagen lässt. Auch bei der Besetzung wurde wenig falsch gemacht, obschon man gerade Tommy Lee Jones seine Unterforderung am Gesicht ablesen kann. Ein Schmunzeln ringen einem zudem Filmzitate zu Men in Black oder The Return of the Jedi ab, wie auch der obligatorische Stan-Lee-Cameo (der die Figur nicht erfand, sie aber in die Avengers integrierte). Nun bleibt abzuwarten, ob sich das Warten auf The Avengers über fünf Filme hinweg im kommenden Jahr lohnen wird.

6/10