29. Juli 2009

Fanboys

Nobody calls Han Solo a bitch!

Fanboy. Die Internetrecherche ergibt unterschiedliche Treffer, die letztlich aber alle in dieselbe Richtung gehen und sich wie folgt erklären lassen: jemand, der enthusiastisch/blind einem – in diesem Fall – Film bzw. einer Filmreihe folgt. Quasi ein Fan über alle Maße. Jemand, der sich lautstarke Diskussionen mit Freunden hingibt, die sich um Nebensächlichkeiten drehen. Menschen, die sich am helllichten Tag einer Massenschlägerei mit Anhängern einer konkurrierenden Filmreihe hingeben. Oder auch Personen, die Petitionen einreichen, um fiktive Elemente eines Filmes ins das reale Leben übernehmen zu lassen. Seit dem Jahr 2001 geben zum Beispiel zahlreiche Menschen im britischen Commonwealth bei Befragungen ihre Religion als Jediismus an. Es handelt sich um … Fanboys! Anhänger von George Lucas’ Schöpfung Star Wars und seinen beiden Fortsetzungen der Ursprungstrilogie. Ende des vergangenen Jahrhunderts spielte für diese Menschen ein potentieller Weltuntergang am Milennium keine Rolle. Für sie zählte nur ein Datum: der 19. Mai 1999. Star Wars kehrte zurück. Star Wars kehrte, auf eine Art und Weise, nach Hause.

Nun drehte Kyle Newman mit Fanboys einen Film von Fanboys über Fanboys für Fanboys. Die Geschichte einer Gruppe von vier Kumpels, die eines Abends beschlossen quer durch Amerika zu George Lucas’ Skywalker Ranch zu fahren, um einen Rohschnitt von The Phantom Menace zu sehen, sollte eigentlich bereits letztes Jahr im Kino laufen. Wäre da nicht Harvey Weinstein gewesen. Der personifizierte und auf Erden wandelnde Teufel wollte den Film nach Testvorführungen umschneiden lassen und ihn seiner Ausgangslage berauben. Denn ausschlaggebend für Erics (Sam Huntington), Hutchs (Dan Fogler) und Windows (Jay Baruchel) Roadtrip ist die Krebserkrankung – und der bevorstehende Tod – von ihrem Kumpel Linus (Chris Marquette). Dieser wird die Premiere von Episode I nicht mehr erleben, weshalb sich Eric, der zuletzt vor drei Jahren mit seinem ehemaligen besten Freund Linus Kontakt hatte, zu der wahnwitzigen Aktion überreden lässt. Doch wer will schon über Krebs lachen, dachte sich Weinstein. Wie er sich bereits zuvor dachte, dass wohl kaum jemand den ursprünglichen GrindHouse-Film von Tarantino und Rodriguez sehen wollte. Fanboys wurde umgeschnitten, boykottiert und kommt nun letztlich in seiner originalen Fassung in die Kinos. Jene Fassung, die sogar von Lucas’ – selbst nicht weniger diabolisch, wenn es um Geldscheffelei geht – abgesegnet wurde.

Allerdings sollte man sich nichts vormachen. Fanboys erzählt im Grunde keine wirkliche Geschichte, verfügt eigentlich nicht mal über ein richtiges Drehbuch. Ähnlich wie Kevin Smiths Jay & Silent Bob Strike Back ist Fanboys primär eine Ansammlung von Szenen und Sequenzen, die sich zuvorderst an die Fans richten. Dies fängt hier bereits damit an, dass das Logo der Weinstein Company mit Lichtschwerter-Sound untermalt wird. Oder sich auch sonst durch den ganzen Film hindurch – dank Lucas – Soundeffekte der Sci-Fi-Oper finden. Sei es R2D2s Geschrei oder die Jubelarien eines Tusken Raiders. Wer sich im Star-Wars-Universum auskennt, dem wird hier ob der vielen liebevollen Einbindungen das Herz aufgehen. Denn von etwaigen Darstellungen der Serie (Fisher, Williams, Park) bis hin zu Ewoks und Seitenhieben auf Jar Jar Binks haben sich die Autoren Ernest Cline und Adam F. Goldberg weiß Gott nicht lumpen lassen. Und mit den Referenzen an Star Wars allein hört es nicht auf, quillt Fanboys vor nerdigen Anspielungen doch nur so über. Egal ob RoboCop, Judgment Day oder zahlreiche Marvel-Comis – wer selbst Nerd ist findet sich hier wieder und amüsiert sich an den dutzenden Seitenhieben, Querverweisen und Hommagen. Dabei nutzt Fanboys den Moment sogar, um eine andere Filmreihe unverhohlen zu bitchslappen.

Als großer Konkurrent wird Star Trek aufgebaut und dieses auch genüsslich durch den Kakao gezogen ("Captain Picard is not gay. He's British." - "Come on. 'Make it so!'"). Dummerweise müssen sich Newman und Co. zu Schulde kommen lassen, dass sie den zu Beginn noch gelungenen Gag durch erneutes Aufbringen zu Beginn des dritten Aktes leider etwas totreiten. Hier macht sich auch die zu lang – und vielfältig – geratene Präsenz von Seth Rogen bemerkbar, der momentan wohl aus keiner US-Komödie wegzudenken ist. Dabei ist er letztlich nur einer von vielen Prominenten, die sich hier die Klinke in die Hand geben. Von Shooter McGavin über James T. Kirk bis hin zu den Lagerarbeitern aus The Office, um es dem Trailer entsprechend auszudrücken. Von diesen zahlreichen Cameos sind nüchtern betrachtet jedoch nur die wenigsten wirklich gelungen. Zumindest hinsichtlich ihrer Einbindung in das ziemlich dünne Handlungsgerüst. Während dies bei Danny Trejo oder Danny R. McBride noch halbwegs funktioniert, wirken die durch Nachdrehs eingefügten Kevin Smith und Jason Mewes (obschon das Smith-Fan-Herz etwas schneller schlägt) deutlich fehl am Platz. Im Nachhinein sind aber auch sie wie der Rest des Filmes nichts als eine einzige nerdige Anspielung, die man nicht zu hinterfragen hat.

So ist Fanboys, wie es der Titel bereits verrät, zuvorderst ein Film für Fans von Star Wars. Diese werden auch gnädig über die nicht wirkliche vorhandene Handlung hinwegsehen, wie auch über die etwas plumpen und altbackenen Gags. Denn dafür sind einem als Fanboy die Fanboys (und –girls, Kristen Bell soll nicht außen vor bleiben) auf der Leinwand viel zu sympathisch. Ihr Enthusiasmus hinsichtlich The Phantom Menace (erst zum Schluss zeichnet sich die prophetische Befürchtung ab, der Film könnte eine Enttäuschung darstellen) und all die Widrigkeiten, die sie auf dem Weg dorthin auf sich nehmen müssen. Wie bei TV-Serien wie Chuck oder The Big Bang Theory lacht der Nerd am liebsten über sich selbst. Schon alleine, weil er sich wiedererkennt. Man lacht über Verweise auf den Flux-Kompensator oder wenn Hutch sich plötzlich mit den Worten „Snikt!“ in den Kampf stürzt. Hier mag der ein oder andere Zuschauer – speziell das jüngere Publikum – sicher verdutzt dreinblicken, doch was wissen die schon? Welche Filmreihe eignet sich denn heute noch zum Fanboytum? Saw ganz sicher nicht, am ehesten noch Lord of the Rings. Doch glücklicherweise hat Kevin Smith bereits in An Evening With Kevin Smith 2: Evening Harder vor Augen geführt, weshalb es dennoch nur die eine, die unvergleiche Trilogie gibt. Und mit ihr diese einzigartige Filmreihe. Star Wars ist die Heimat des Fanboytums. Und Fanboys, ja, Fanboys ist letztlich dann auch irgendwie, wie nach Hause kommen.

8/10 – erschienen bei Wicked-Vision

26. Juli 2009

Dogma

Consequences schmonsequences.

Kaum etwas eignet sich besser für überspitzte Satire, als die Religion. Das Christentum insbesondere. Christen, die einen toten jüdischen Zimmermann anbeten und behaupten, er sei sowohl von Gott gezeugt, als auch Gott selbst. Sprich: sein eigener Vater bzw. der Befruchter seiner eigenen Mutter. Sehr viel perverser kann eine Religion wahrscheinlich nicht sein. Umso mehr Angriffsfläche bietet sie natürlich zur Persiflage. Die vielleicht Bekannteste von ihnen ist Monty Pythons Life of Brian. In neuer Zeit ruft man sich gerne auch Kevin Smiths Dogma ins Gedächtnis, der 1996 für einige Kontroversen sorgte und letztlich vom Familienstudio Walt Disney zu den Weinsteins bei Miramax abgewälzt wurde. Obschon der Film vor Beginn mit einer Texttafel aufwartet, die das kommende Geschehen als Spaß kennzeichnet, flatterten Smith nach Start des Filmes dreiviertel Todesdrohungen ins Haus. Die letzte Todesdrohung schlug im weiteren Verlauf scheinbar einen freundlicheren Ton ein, weshalb sie der Regisseur nicht ganz zählen lassen will. Dass Smith Sinn für Humor hat, beweist auch seine Protestaktion gegen seinen eigenen Film („Dogma is dogshit!“).

Die Frage ist: worüber regen sich alle auf? Darüber, dass Gott eine Frau sein soll? Oder dass Gott eine Kanadierin sein soll (für Amerikaner sicherlich ein gewichtiger Grund)? Dass Chris Rock einen afroamerikanischen Apostel gibt? Behauptet wird, Jesus Christus sei selbst von afrikanischer Herkunft gewesen? Der Golgathaner, der wandelnde Scheißhaufen? Es will einem bei Sichtung dieses die meiste Zeit doch sehr infantilen Filmes nicht klar werden, worüber sich die Gemüter so erhitzt haben, dass man einen Filmboykott verlangte oder dem Regisseur den Tod an den Hals wünschte. Denn letztlich erweist sich Dogma als flaches Filmchen, dem eine stringente Handlung fehlt und welches außer seinen zahlreichen, sehr liebevollen Filmzitaten am subtilen Witz eines Life of Brian mangelt, während es sich (zu oft) auf den smith’schen Humor verlässt. Auch das Schauspielensemble lässt erkennen, dass es nicht weiß, ob es sich vollkommen dem Nonsens ergeben oder zumindest teilweise Seriosität aufrecht erhalten soll. So ist Smiths Abrechnung mit dem Römisch-Katholischen Glauben im Nachhinein zu kindisch und unausgegoren geraten. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der Autor das Drehbuch bereits vor Clerks. geschrieben hatte und somit in einer Phase steckte, in der er weitaus mehr Probleme hatte, eine zusammenhängende (funktionierende) Geschichte zu erzählen.

Zahlreiche Ansätze sind überaus nett geraten. Sei es Gottes Affinität zum Minigolfspiel, welche die Ereignisse lostritt oder aber Lokis (Matt Damon) Alice-Analogien, die eine Nonne zur Atheistin werden lassen. Doch nicht jeder Witz gegen die Kirche will sitzen und meist verpuffen die ganzen Nicklichkeiten, die oft derart mit Trivialitäten (die Muse und Home Alone, der Apostel und Rassismus) daherkommen, dass sich beide Punkte die Waage halten und meist die andere Richtung einschlagen. Einfälle wie Bethany (Linda Fiorentino), eine vom Glauben abgefallene Mitarbeiterin einer Abtreibungsklinik, jede Woche in die Kirche gehen zu lassen, bilden da die Ausnahme. Getoppt nur noch von Kardinal Glicks Innovation das Kruzifix durch Buddy Jesus zu ersetzen. Als Kirchen-Satire misslingt Dogma dennoch, die Szene mit dem (miserabel animierten) Golgathaner zeigt dies überdeutlich. Weder als Anspielung auf Golgatha, noch als witzige Einstellung per se (Silent Bobs Überwindung des Golgathaners wird viel zu naiv abgehandelt) will diese funktionieren. Ohnehin hat Smith große Probleme selbst die kleinen Segmente zu einem nachvollziehbaren Ende zu bringen. Das gilt neben dem Golgathaner auch für die Einbindungen von Metatron (Alan Rickman), der Muse (Salma Hayek) und Rufus (Chris Rock). Der einzige Grund weshalb Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith) in die Handlung eingewoben werden, ist um eine Verbindung zu Smiths Askewniverse herzustellen.

So namhaft die Besetzung auch ist, wird man meist das Gefühl nicht los, dass die Schauspieler eher schlecht als recht mitmachen. Die Dialoge kommen meist ungemein platt daher, gerade Chris Rock scheint große Probleme zu haben, seinen Text entsprechend los zu werden. Fiorentino wirkt zudem derart gelangweilt, dass Joey Lauren Adams oder Shannen Doherty ziemlich offensichtlich die bessere Wahl gewesen wären. Derweil schlagen sich Jason Lee (Azrael), Matt Damon und Ben Affleck (Bartleby) so gut sie können, schwanken aber in ihrer Glaubwürdigkeit. Während Affleck erst im Finale richtig aufdreht, zeigt sich gerade in Damons Szenen, dass er zum ersten Mal (richtig) mit Smith zusammenarbeitet. Auch Rickman und Hayek bleiben weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, speziell der Brite wirkt etwas deplatziert, was er – achtet man auf sein Schauspiel – auch bisweilen selbst zu merken scheint. Letztlich ist es paradoxerweise Mewes, der den Film an sich zu reißen weiß. Dies mag auch daran liegen, dass er das komplette Drehbuch auswendig gelernt hatte, um sich vor Hans Gruber keine Blöße zu geben. Es sind aber auch so stets seine Augenblicke („Snooch to the booch!“, „Snoogans“, „So that would make Bethany... part black?“, „I get it! Holy Bartender! That's a great one!“), die dem Film seine starken humoristischen Momente verleihen. Dogma hadert einfach viel zu sehr damit, Kevin-Smith-Humor in eine ernstzunehmende Satire zu packen. Ob der Amerikaner dies überhaupt wollte, spielt dabei nicht wirklich eine Rolle, bei einem Thema dieser Rangordnung ist es eigentlich unabdingbar.

Was Smiths vierten Film allerdings so "gelungen" und charmant macht, sind seine etlichen Hommagen an Klassiker des Kinos. Sei es die beim Regisseur obligatorische Star-Wars-Referenz über The Karate Kid, The Incredible Hulk, Indiana Jones and the Last Crusade bis hin zu den Verweisen an Bill & Ted’s Bogus Adventure sowie mehreren John-Hughes-Filmen. Hiermit bestätigt sich Smith wieder selbst, indem er einen Film im Nachhinein für sich selbst dreht und was noch viel wichtiger ist, dies mit seinen Freunden tut. Neben Affleck, Mewes, Lee und Produzent Scott Mosier finden sich einige andere bekannte Gesichter in kurzen Gastrollen wieder. Sei es Brian O’Halloran, Jeff Anderson oder Dwight Ewell. Es sind ihre Auftritte, neben den Filmzitaten und allem voran Jason Mewes, die Dogma vor einem schlimmeren Urteil bewahren. Man könnte den Film ansonsten zwar nicht als „dogshit“ bezeichnen, aber eine wirkliche Klasse würde man ihn dennoch nicht (auch nicht unter Berücksichtigung der positiven Aspekte) attestieren wollen. Nach dem exzellent gelungenen Chasing Amy fällt Smith also bei seinem Spagat zwischen Kirchenkritik und privatem Humor wieder etwas zurück, sogar hinter Mallrats. Immerhin bewies er mit Jay & Silent Bob Strike Back, dass er durchaus eine Schnittfolge von Nonsens-Sketchen abliefern kann, die zwar keine Geschichte erzählen will, dies aber hinsichtlich ihrer Prämisse auch nicht zu tun braucht.

5.5/10

23. Juli 2009

Uncharted: Drake's Fortune

Oh crap.

Seit Steven Spielberg und George Lucas die Archäologie zu etwas gemacht haben, dass auch für Jugendliche „cool“ wirken kann, findet sich in zahlreichen Abenteuerfilmen Züge von Indiana Jones. Wobei auch zuvor schon in Clive Cusslers Romanreihe um seinen Abenteurer Dirk Pitt Schatzsuchen en vogue war. Umso gewichtiger der Erfolg rund um Dr. Jones, der sicherlich eher als Pitt Nachahmer in Jerry Bruckheimers National Treasure oder Tomb Raider von Core Design gefunden hat. Inzwischen hat es Lara Croft seit 1996 auf acht Konsolenabenteuer gebracht und zumindest mitgeholfen, Angelina Jolie als das Sexsymbol der Jahrtausendwende zu etablieren. Vor zwei Jahren erschien dann Uncharted: Drake’s Fortune von Naughty Dog, die damit erstmals in die Sphären der PlayStation 3 vordrangen. Von IGN wurde Uncharted sowohl als bestes Actiongame des Jahres ausgezeichnet, als auch für seine Handlung, seine Grafik und seine musikalische Untermalung. Letztlich wurde das Game von IGN zum Spiel des Jahres gekürt und es verwundert nicht, dass Columbia Pictures momentan bereits an einer Kinoverfilmung arbeitet, die 2011 erscheinen soll.

Und in der Tat ist die Story des Spiels nicht sonderlich originell, selbst wenn sie sich teuer verkauft. Die Handlung setzt ein, als Schatzsucher Nathan Drake gemeinsam mit Elena Fisher, Moderatorin einer Archäologie-Fernsehsendung, nach Bergung eines Sarkophags von Drakes vermeintlichem Vorfahren, dem Forscher Sir Francis Drake, von Piraten angegriffen wird. Nachdem die beiden von Drakes Mentor und Partner Sully gerettet werden, sondern sich die Männer bei der erstbesten Gelegenheit von Elena ab. Auf der Suche nach der sagenumwobenen Stadt El Dorado macht Drake kurz darauf im südamerikanischen Dschungel die Bekanntschaft mit Roman, einem von Sullys Gläubigern. Als Sully von diesem erschossen wird, kann Drake gerade noch mit Elena – die plötzlich dazu stößt – fliehen. Im Folgenden versuchen die beiden vor Roman und seinen Handlangern an jenen Schatz von El Dorado zu kommen, der unweigerlich mit dem Schicksal mit Sir Francis Drake, und damit auch mit Nathan selbst, zusammenhängt. Auf den verschiedenen Stationen zu Luft und zu Wasser trifft Drake anschließend auch das eine oder andere bekannte Gesicht wieder.

Auf Einordnungsbasis geht Uncharted sicherlich nochmals ein Stück weiter in den phantastischen Bereich, als zum Beispiel National Treasure. Auch die Tatsache, dass Drake es im Grunde – wenn auch indirekt – mit Nazis „aufnehmen“ muss, stellt eine Analogie zu Spielbergs Jones-Reihe dar. Wie angedeutet ist die Handlung zufriedenstellend, wenn sie aber durchaus mehr als einen kleinen Hänger hat. Doch immerhin ist es ein Abenteuer-Actioner für eine Spielkonsole, weswegen die Geschichte eigentlich nur den Rahmen für das Szenario vorgeben sollte. Die obligatorischen Rätsel für einen Schatzsucherabenteuer sind dann erwartungsgemäß nicht sonderlich tough ausgefallen, sondern lassen sich im Gegenteil innerhalb weniger Sekunden entsprechend lösen. Ohnehin erweckt Uncharted oft den Eindruck, primär ein Third-Person-Shooter sein zu wollen, bedenkt man dass man sich eigentlich unentwegt durch das Geschehen schießen muss. Allerdings geht diese Variante die meiste Zeit durchaus auf, selbst wenn man sich bei einem Abenteuerspiel rund um einen Schatzsucher wünschen würde, mehr Parcourszenen präsentiert zu bekommen. Denn bisweilen muss man wirklich Welle um Welle an Söldner ausharren, die man aufgrund von Munitionsmangel meist sehr gekonnt auszuschalten hat.

Für die eigentliche Erzählung der Geschichte sind die Figuren von Elena und Sully nicht wirklich von Belang. Erstere hilft zwar in manchen Situationen mit Feuerkraft aus, aber eigentlich wäre weder sie noch Sully für den Fortgang der Handlung notwendig. Damit stellen sie sogar weniger als Sidekicks dar, bedenkt man, dass ihre Anwesenheit eher dem Faktor geschuldet ist, Drake durch Interaktion menschlicher und sympathischer zu gestalten. Ein Schema das in der Tat auch aufgeht, doch so sehr der Rahmen von Uncharted auch dank Figuren wie Roman oder Eddy auf Hollywood getrimmt ist, fehlt es Drakes Helfern an essentieller Unterstützung, um sie für das Spiel selbst bedeutsamer zu machen. So sind ihre Beziehungen eher eine Form des comic relief, erhält Drake schließlich speziell in den Gesprächen mit seinen Partnern sein persönliches Profil. Der Charakter der Figur ist sichtlich an dem lockeren Abenteurer angelegt, wobei hier fast mehr Malcolm Reynolds aus Joss Whedons Firefly durchdringt, als Indiana Jones oder Dirk Pitt. Dafür fehlt Drake etwas die Kompetenz, die sich eigentlich ausschließlich aus dem Tagebuch seines Vorfahren speist. Nichtsdestotrotz geht die Rechnung von Naughty Dog aber auf, denn Drake ist fraglos eine sympathische Figur, was schon allein durch seinen herrlichen Standardsatz „Oh crap“ (eine Hellboy-Referenz?) zum Ausdruck kommt.

Das Gameplay selbst ist relativ einfach zu bedienen, selbst wenn es mitunter etwas stört, wenn Drake sich an Abgründen, die er zu hangeln hat, automatisch beim Überschreiten festhält, während er bei normalen Abgründen wie ein Lemming herunterstürzt. Die Third-Person-Shooter Elemente hängen vom Talent des Spielers ab, wobei es sichtlich schwerer ist aus der Hüfte heraus (ungezielt) zu schießen, als mit Anvisieren. Das Werfen von Handgranaten ist zudem zumindest auf weite Distanz eher Ratespiel, da Drake sich soweit nach hinten beugt, dass das Ziel aus dem Blickfeld gerät. Ein besonderes Lob verdient sich die zweite Jet-Ski-Sequenz, die nicht nur ob ihres Aufbaus zu gefallen weiß (Wassergefälle gegen die Strömung hochfahren), sondern auch durch die graphische Umsetzung des Flusses. Die Grafik selbst ist in der Tat ziemlich ansehnlich, beispielsweise wird Drakes Hemd in der Tat nass, wenn er durch einen Wasserfall läuft. Schade ist es aber, dass keine Möglichkeit zu tauchen und somit für Unterwasserszenen gegeben ist, wobei dies eher ein Tropfen auf den heißen Stein darstellt. Uncharted: Drake’s Fortune ist ein kurzweiliges, charmantes Spiel im besten Stile eines Indiana Jones and the Emperor’s Tomb, mit netten Hindernissen und schönen Kulissen. Ob es die Verfilmung vermag, besser als die National Treasure- und Lara Croft-Filme zu sein, bleibt hinsichtlich der noch offenen Besetzung von Ensemble und Regie abzuwarten. Im Herbst erscheint jedenfalls Uncharted 2: Among Thieves und stellt somit wohl den Auftakt, für eine neue Spielreihe.

7.5/10

21. Juli 2009

Che - Guerilla

Der zweite Teil von Soderberghs Che-Verfilmung baut im Vergleich zum ersten Teil nochmals ab. Erneut springt der Regisseur durch die Handlung, zeigt viele Szenen als Parallelen zum Vorgänger, weiß sie jedoch nicht zu einem kohärenten Ganzen zusammen zu fügen. Eine Analyse des Gezeigten wird auch nicht versucht, sodass man Che - Guerilla im Grunde sehr gut mit Edels Baader Meinhof Komplex vergleichen kann, was die bildhafte Abfilmung von Geschichte ohne narrativen Inhalt angeht. Dafür dass der Film nun weniger verglorifizierend ist, distanziert er sich dermaßen von seiner Hauptfigur, dass diese sich im Prinzip nur noch im Hintergrund aufhält. Irgendwie hat man sich von einem viereinhalb Stunden andauernden Film über Ernesto Guevara mehr versprochen.

5.5/10

18. Juli 2009

Harry Potter and the Half-Blood Prince

Why is it when something happens it is always you three?

Nach dem umfangreichen Harry Potter and the Order of the Phoenix schraubte Joanne K. Rowling ihre Bemühungen etwas zurück und veröffentlichte einen etwas schlankeren sechsten Band. Dabei wurde Harry Potter and the Half-Blood Prince letztlich nicht mehr als eine sechshundert Seiten lange Einführung für den finalen Band. Bedenkt man, dass aufgrund der gewichtigen Handlung von Harry Potter and the Deathly Hallows beschlossen wurde, das siebte Buch in zwei Filmen zu adaptieren, müsste das Fanherz bei den Aussichten auf eine um die sieben Stunden lange Geschichte eigentlich schneller schlagen. Immerhin stellte Order of the Phoenix die wahrscheinlich gelungenste Adaption der Reihe dar und dies auch noch beim umfangreichsten Band. Dass Produzent David Heyman dennoch Drehbuchautor Michael Goldenberg anschließend wieder fallen ließ, um zu Steve Kloves zurück zu kehren (neither can live while the other survives?), sollte die Reihe jedoch wieder zurück auf das Niveau von Harry Potter and the Goblet of Fire heben.

Diesmal ist alles anders und doch irgendwie gleich. Voldemort ist zurück und dies ganz offiziell. Seine Anhänger, zuvorderst Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) und Fenrir Greyback (Dave Legeno) treiben ihr Unwesen auch jenseits der eigenen magischen Grenzen. Unsichere Zeiten also, wenn Zauberer und Hexen nicht mehr voreinander sicher sind. Das erklären auch Ron (Rupert Grint) und Hermione (Emma Watson), als Harry (Daniel Radcliffe) bei ihnen eintrifft. Über Schulabbruch wurde im Hause Weasley philosophiert, weil die Kinder gefährdet seien. Interessanterweise scheint dies jedoch sonst niemanden zu stören. Harry selbst treibt sich im Sommer ungestört in London herum, wo er in U-Bahn-Bistros Kellnerinnen anbaggert, während er später unbekümmert mit seinen Freunden durch Diagon Alley schreitet, die weniger Tage zuvor noch Opfer einer Attacke war. Dieses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel wird anschließend fortgesetzt, wenn zwar einerseits Hogwarts von Ministeriumsbeamten beschützt wird, die Zugfahrt dorthin selbst allerdings nicht.

Die Bedrohung der Zauberer untereinander und die Gefahr, die dadurch auch für Harry und seine Freunde ausgeht, werden innerhalb des Filmes oft konterkariert. Dass Harry im Sommer auf eigene Faust durch London wandert muss etwas verwirren, wenn er anschließend im Winter im Beisein von erwachsenen Zauberern angegriffen wird. Im Falle vergangener Filme widersprechen also Kloves' eigene Ideen nicht nur der ursprünglichen Geschichte von Rowling, sondern sogar die meiste Zeit sich selbst. Schon in den ersten zehn Minuten wird die Anpassung der im Grunde doch sehr düsteren Geschichte an die hollywoodsche Norm überdeutlich: Heyman und Co. wollten keine Geschichte erzählen, die im Nachhinein nur der Aufhänger für das Finale ist. Die zahlreichen Rückblenden in Voldemorts Vergangenheit werden bis auf zwei Ausnahmen herausgestrichen. Eine verständliche Entscheidung, schweift insbesondere die Nebenhandlung um dessen Großvater zu sehr ab. Ob sich die Entfernung der Rückblenden eventuell rächen könnte, wird sich zeigen.

Eine Kürzung der Handlung ist folglich bei Harry Potter stets unumgänglich, will man die Laufzeit auf zweieinhalb Stunden begrenzen. Wo und wie man kürzt, hatte Goldenberg beim Vorgänger gezeigt. Kloves hat damit jedoch bekanntlich größere Probleme. Im weitesten Sinne beinhaltet Half-Blood Prince drei Handlungsstränge, welche die Geschichte ausmachen. Es ist bezeichnend, dass sich Kloves auf den unbedeutenderen der drei Erzählstränge fokussiert hat. Im Folgenden ist der Film durchzogen von romantischen Beziehungsentwicklungen, die zum einen als comic relief und zum anderen als zentrale Unterhaltungsform gedacht sind. Dabei schreiten Yates und Kloves ziemlich harsch voran, fehlt doch gerade der plötzlich hereinbrechenden Romanze zwischen Harry und Ginny (Bonnie Wright) jegliches Fundament. Etwas geschickter, da sorgsamer, wird das Ganze bei Hermione und Ron inszeniert, die neben ihrer Annäherung auch über die vergangenen vier Filme eine Basis hatten, auf der ihre Gefühle füreinander behutsam aufgebaut wurden.

Immerhin muss man gestehen, dass die Intention des comic relief aufgeht und die meisten Szenen funktionieren. Ohnehin ist es der Humor, der Half-Blood Prince am besten auszeichnet, allen voran die Einstellungen mit Radcliffe und Grint. Man merkt es dem Jungdarstellertrio an, dass nach fünf Filmen die Chemie in vollem Umfang stimmt. Ginny wirkt dagegen ob ihrer forcierten Integration eher wie ein Fremdkörper und Kloves macht sich nicht einmal die Mühe, zu erläutern, wieso sie plötzlich so viel mit dem Trio abhängt. Geschweige denn, wie sie im Quidditch-Team gelandet ist, wo sie auf einmal Mitglied ist, während andere sich erst in dieses Spielen müssen. Die Quidditch-Szenen selbst sind wie bereits früher relativ unerheblich und dienen ausschließlich der Auflockerung der restlichen Handlung. Da jedoch die düsteren Szenen um Voldemorts Vergangenheit, sowie die spannenden Szenen rund um Malfoy (Tom Felton) und seine Agenda im Film selbst keine bedeutsame Rolle spielen, geraten die Beziehungsdramen zum Mittelpunkt des Geschehens.

Hinsichtlich der anderen Erzählstränge tut sich Kloves ebenfalls  keinen Gefallen. Auf der einen Seite präsentiert er Dumbledore (Michael Gambon), der versucht Harry auf den neuen Zaubertrank-Dozenten Horace Slughorn (Jim Broadbent) anzusetzen. Es obliegt nun Harry, aus diesem ein zentrales Geheimnis bezüglich Voldemort zu entlocken, welches mit dem weiteren Verlauf der Handlung zusammenhängt. Wirkliche Vorwürfe kann man hierbei nun weder Kloves, noch Yates machen. Sie erzählen soviel, wie sie zu erzählen haben, damit man der Geschichte und speziell dem Finale des Filmes folgen kann. Anders verhält es sich jedoch mit der Nebenhandlung, die sie bezüglich Tom Feltons Figur übernehmen. Sieht man einmal davon ab, dass man glaubte, der Verständigkeit halber dessen Agenda bereits relativ früh zu offenbaren, führen Heyman und Co. durch ihre Abwandlung zum Roman den ganzen Handlungsstrang ad absurdum. Denn Sinn und Zweck hat das Geschehen nicht und dient wohl erneut nur der Anpassung an die Normen Hollywood.

Hinzu kommt, dass Kloves wie bereits im vierten Teil Erklärungen ausspart, sodass zahlreiche Handlungsbögen entweder aus dem Nichts entstehen, in dieses verlaufen oder im besten Falle beides auf einmal. Andere Kleinigkeiten, die bereits seit Cuarón der Reihe innewohnen, bilden dabei nur das Tüpfelchen auf dem I. Addierte der Mexikaner seiner Zeit zwei weitere Jungen in Harry Jahrgang und Gryffindor, so platzierte Newell schließlich die Patil-Zwillinge in ein und dasselbe Haus. Hatte Yates letztere Tradition übernommen, versucht er nunmehr es auch Cuarón nachzutun. Die Mädchen von Gryffindor werden nun um zwei Schülerinnen erweitert. Neben den Patil-Zwillingen, Hermione und Lavender (Jessie Cave) werden auch Katie Bell (Georgina Leonidas), ihre Freundin Leanne und Romilda Vane (Anna Shaffer) ins sechste Jahr von Gryffindor sortiert. Das führt zu dem sehr amüsanten Szenario, dass nicht nur alle zehn Gryffindors die NEWT-Zaubertrank-Klasse weiterführen, sondern auch die neuen Schülerinnen (im Endeffekt also mehr Gryffindors als Slytherins).

Da stört es im Grunde auch nicht, dass der Film, obschon er Harry mit dem Halbblut-Prinzen assoziiert, auf diesen eigentlich gar nicht eingeht. Dient er im ersten Akt als Basis für einen der drei Handlungsstränge, scheint die zweite Szene im dritten Akt lediglich ein Alibi zu sein, um den Filmtitel zu rechtfertigen. Im Endeffekt hat Harry Potter and the Half-Blood Prince aber nichts mit jenem Prinzen zu tun, sodass dessen finale Auflösung eigentlich das Unwichtigste in der gesamten Geschichte darstellt. Dabei hätte der sechste Film aufgrund seiner subtilen Düsternis sehr viel Potential gehabt, was aufgrund des starken Fokus’ auf die Beziehungsdramen im fertigen Ergebnis ziemlich verloren geht. Ausschlaggebend für das Versagen des Filmes ist die Tatsache, dass Kloves, Yates und Heyman sich durch ihre Abänderungen die meiste Zeit selbst widersprechen und/oder Handlungen konterkarieren, die sie zuvor entweder lang oder auch nur kurz eingeführt haben. Weitaus dramatischer dürften die Aussparungen ausfallen, die die Basis für die Deathly-Hallows-Filme darstellen.

Diesbezüglich deutet sich an, dass die bedeutsame Nebenhandlung um Severus Snape (Alan Rickman) wohl weitestgehend unter den Tisch fällt. Alles andere würde aufgrund der bisher mangelhaften Vorbereitung seit dem Vorgänger überraschen. Es ist durchaus schade, wie wenig aus jenem Subplot gemacht wird, der sich doch als Spiegelbild zu Harry und Voldemort selbst lesen lässt. Rickman selbst ist auch hier dank seiner gedehnten Artikulation wieder eines der Highlights des Filmes, leidet aber erneut unter seiner fehlenden Präsenz. Felton wiederum nutzt die zusätzlichen Minuten, die seine gesamte Anwesenheit in den vergangenen drei Filmen aufwiegen. Während Grint erneut sein komödiantisches Potential ausschöpfen kann, meistert Watson sowohl die charmanten als auch die melancholischen Szenen wie gewohnt sehr gekonnt. Radcliffe wiederum hat gerade im Finale wie immer seine Probleme mit emotional-dramatischen Szenen, was insofern entschuldbar ist, da er im sechsten Film weitestgehend sein komödiantisches Talent ausspielen kann.

Dagegen spielt Michael Gambon so schlecht wie eh und je. Dass er weiterhin vollends an der Figur des Dumbledore vorbeispielt, scheint daran zu liegen, dass sich der Ire nie die Mühe machte, eines der Bücher zu lesen (und Kloves es wiederum  nicht für nötig erachtete, die Figur im Drehbuch entsprechend zu charakterisieren). Auch die neuen Darsteller sind allesamt eine Enttäuschung. Jim Broadbent gibt Slughorn als verpeilten Naivling (wieso man nicht Bob Hoskins genommen hat, bleibt offen), während beide Jungdarsteller für Voldemort jegliches schauspielerische Talent vermissen lassen. Kauft man Ralph Fiennes’ Neffen sein unsympathisches Spiel noch ab (der Junge versagt dafür bei allem anderen), ist es Stephen Dillanes Sohn, der keine Unze Charisma (was hinsichtlich der Wandlung seiner Figur von Nöten ist) zu versprühen vermag. In die schlechten Darbietungen reiht sich nach dem Vorgänger erneut auch Helena Bonham Carter ein, deren overacting inzwischen zu ihrem Markenzeichen geworden zu sein scheint.

Auch die vielgelobte Kameraarbeit von Bruno Delbonnel kann sich nicht wirklich auszeichnen, wirken die Bilder doch oft dunkler, als der Inhalt letztlich selbst. An die schönen Bilder von Michael Seresin aus Harry Potter and the Prisoner of Azkaban vermag somit weder die Kameraarbeit, noch die Inszenierung selbst heranzureichen. Des Weiteren wollen eigentlich alle filmischen Referenzen von Yates nicht wirklich gefallen. Sei es die Höhle im Finale, die an Supermans Fortress of Solitude erinnert oder die relativ offensichtlichen Zitate zu The Two Towers oder The Godfather, Part II. Nichts davon will wirklich ins Potterverse passen und bedenkt man die Zielgruppe, dürften die wenigsten die Superman- oder Godfather-Filme überhaupt gesehen haben. Ingesamt ist die sechste Harry-Potter-Adaption zwar eine solide Vorstellung, verdankt dieses milde Urteil jedoch hauptsächlich dem pubertären Charme der Beziehungsszenen (primär von Hermione und Ron, denn Harry und Ginny) und dem merklichen Humor. Eine wirkliche Auszeichnung ist dies jedoch nur bedingt.

6/10


Szenenbilder Harry Potter and the Half-Blood Prince © Warner Bros. Pictures. All Rights Reserved.

15. Juli 2009

The Last Kiss

It’s sparkling.

Über Männer und Torschlusspanik gibt es unzählige Bücher, Lieder oder Filme. Die meisten Menschen arbeiten darauf hin, dass sie eines Tages den Partner fürs Leben finden. Mit dem sich ein Haus und eine Familie gründen und eine emotionale Geborgenheit erzeugen lässt. Und irgendwann beginnt man(n) zu realisieren, was man dafür aufgegeben hat oder musste. Der Entschluss eine Entscheidung für den Rest seines Lebens zu treffen fällt vielen Männern (laut Klischee) nicht leicht. ”I've been thinking about my life lately, and everything feels pretty planned out. There's no more surprises”, resümiert Michael (Zach Braff) über seine augenblickliche Lage.

In The Last Kiss hat er alles, was er sich im Kindesalter gewünscht hat. Einen tollen Job als Architekt, ein schickes und abgeschieden gelegenes Haus, ein nettes Auto, eine hübsche und intelligente Freundin in Jenna (Jacinda Barrett), sowie eine Gruppe von guten Freunden, mit denen er teilweise sogar seit der Vorschule bereits befreundet ist. Was sich ihm nun eröffnet, ist ein Paradoxon. Obschon er alles hat, was er sich wünschen kann, wirkt er nicht glücklich. Und sei es nur, weil dadurch, dass er alles hat, ihm keine Wünsche mehr offen stehen. Nichts, was ihn noch erwarten würde oder das er sich erfüllen könnte. Keine Überraschungen mehr.

Man merkt es Michael zu Beginn des Filmes bereits an, dass er allem Anschein nach eine Fassade aufrecht zu erhalten versucht. Ein umher wandernder Blick führt zu einer schuldigen Abwendung von einem Reklame-Model und am Esstisch der designierten Schwiegereltern wirkt er irgendwie deplatziert, als Jennas Mutter Anna (Blythe Danner) ihm lobend wie einen Hund tätschelt, nachdem sie und ihr Mann Stephen (Tom Wilkinson) erfahren, dass das junge Paar sein erstes Kind erwartet. Später wird Anna es dann wiederum ihrem Mann zum Vorwurf machen, dass er sie nicht so begehrenswert ansieht, wie Michael es bei Jenna tut.

Was hinsichtlich seiner Einführung in die Geschichte Bände spricht für die Beziehung zwischen Anna und Stephen. Ohnehin ist Tony Goldwyns The Last Kiss, eine Adaption des italienischen Filmes L’ultimo bacio von Gabriele Muccino, eine Darstellung von offensichtlich gescheiterten Beziehungen. Kein Paar wirkt wirklich glücklich und selbst Mark, einer der Freunde, der kurz vor seiner Hochzeit steht, schaut sich gierig satt an zwei Stripperinnen, die an seinem Junggesellenabschied auftreten. Die Ehe wird von Drehbuchautor Paul Haggis hier weniger wie ein Hort der Geborgenheit skizziert, sondern eher als ein emotionales Gefängnis.

Genauso wie die Beziehung zwischen Anna und Stephen eingeschlafen ist, verhält es sich auch mit ihren Ebenbildern aus Michaels Freundeskreis. Izzy (Michael Weston) wurde gerade von seiner Langzeitfreundin sitzen gelassen und Chris (Casey Affleck) hat sich nach der Geburt seines Sohnes von seiner Frau (Lauren Lee Smith) auseinandergelebt. Um wenigstens etwas Ruhe zu kriegen, verbarrikadiert er sich im Bad, wenn er nicht absichtlich länger in der Arbeit bleibt, um dem Trubel zu Hause aus dem Weg zu gehen. Es ist dann Womanizer Kenny (Eric Christian Olsen), der am glücklichsten wirkt, da er scheinbar keine Beziehung führt.

Als ihm seine Affäre ihre Eltern vorstellen will, ergreift er panisch die Flucht. “Everyone I know is having a crisis“, stellt Kim (Rachel Bilson) auf Marks Hochzeit dann fest. Als Studentin und Single hat sie ihr ganzes Leben noch vor sich. Es gibt keine festen Pläne und keine Bestimmungen für sie. Wehmütig blickt Michael auf seine Zeit an der Universität zurück und gibt zugleich zu, schon damals viel zu ernst gewesen zu sein. Kim personifestiert für ihn nun die Möglichkeit, eine - oder mehrere - Optionen im Leben offen stehen zu haben. Und Kim selbst stellt eine Überraschung in seinem eigenen Leben dar. Etwas, das er nicht geplant hatte.

Trotz der Tatsache, dass Zach Braffs Michael als moralisches Arschloch präsentiert wird, der seine scheinst perfekte und zudem schwangere Freundin betrügt, kommt man nicht umhin, seine Handlungen nachvollziehen zu können. Schon alleine deshalb, da jemand wie Kim sich ungeniert für ihn interessiert, was eine Spiegelung im alternativen Ende des Filmes findet, wenn Jenna dasselbe widerfährt. “Life is pretty much in the grays for the most part and if you insist always on black and white... you are going to be very unhappy”, rekapituliert Anna für ihre Tochter am Ende des Films, als diese von Michaels Affäre mit Kim erfährt.

Es ist ein deprimierend-depressives Bild, welches Haggis und Goldwyn in The Last Kiss von der Institution Ehe und Beziehungen im Allgemeinen zeichnen. Und wahrscheinlich ist es ein authentisches Bild von der heutigen Gesellschaft. Nicht so sehr, weil - wie Kim meint - die Ehe in Zeiten erfunden wurde, als die Lebenserwartung nicht allzu hoch (und somit die Ehe an sich nicht sonderlich lang) war, sondern es eine Frage der Einstellung und Bereitschaft von Menschen zu sein scheint. Was man dem Film nun vorwerfen kann, ist die Darstellung der Beziehungen in ihren Endzügen, ohne die Erklärung für den Auslöser des Krankheitsverlaufs.

Wieso ist die Beziehung von Anna und Stephen eingerostet? Wann haben sich Chris und Lisa auseinandergelebt? The Last Kiss beantwortet diese Fragen nicht und gibt auch keine Lösungsvorschläge vor. Außer, dass man sich mit den Grauzonen (die hier als Affären der Partner dargestellt werden) anfreunden muss. Hoffnungsvoll wirkt das nicht, aber bei einer Scheidungsrate von 40 Prozent allein in den USA im vergangenen Jahr wohl der einzige Ausblick für den polygamen Menschen in der Institution Ehe. Kongeniel ergänzt bei der Erzählung von Michaels Geschichte werden Goldwyns Bilder dann von Zach Braffs Musikkompilation zum Film.

“A simple mistake starts the hardest time/I promise I'll do anything you ask...this time” singen Snow Patrol zu Beginn vorausschauend in ihrem Lied Chocolate, während eine Parallelmontage der gescheiterten Beziehungen von Imogen Heaps Hide and Seek mit den Worten “Where are we? What the hell is going on?“ unterlegt wird. Noch treffender fasst schließlich Coldplays Warning Sign die Ereignisse zusammen, wenn Chris Martin Sätze singt wie “I started looking and the bubble burst“ oder “I'm tired, I should not have let you go“. Wie zuvor in seinem Debütfilm Garden State beweist Braff sein Händchen für Ausdrucksstarke alternative Musik.

Dass es Goldwyn und Haggis schaffen, neben der Beziehung von Jenna und Michael auch die der anderen Pärchen ausreichend informativ zu beleuchten, ohne dass dies den Erzählfluss der eigentlichen Haupthandlung stört, ist wahrscheinlich ihr größter Verdienst. Zudem ist ihnen eine glaubhafte Besetzung der Figuren gelungen, wobei allerdings die beiden Leads - Zach Braff und Rachel Bilson - im Vergleich zum Rest etwas abfallen. Ein Sonderlob gebührt dabei Jacinda Barrett, die ihre schauspielerischen Ursprünge in eine der Ausgaben von MTV’s The Real World hat, was hinsichtlich ihres vortrefflichen Spiels überrascht.

Auch die Entscheidung für das offene Ende (das zumindest uneindeutiger ausfällt wie das alternative Ende) fügt sich zur restlichen Stimmung des Filmes, der inhaltlich für Hollywood-Verhältnisse sehr inkonsequent ist. Vermutlich einer der Gründe, weshalb dem Film an den Kassen kein Erfolg beschert war. Als Gesamtkonstrukt gefällt The Last Kiss dabei weniger wegen seiner philosophischen Ansätze über Beziehungen, denn aufgrund seines Versuchs, eine Momentaufnahme einer zerfahrenen Beziehung sein zu wollen. Somit ist auch der Film selbst am Ende nicht schwarz oder weiß, sondern grau. Und damit authentisch, was nicht auf viele Filme zutrifft.

8.5/10

13. Juli 2009

Killshot

Nach 26 Jahren die Wiedervereinigung von Diane Lane und Mickey Rourke auf der Leinwand. Damit hat man auch schon das Positivste aus John Maddens Killshot, einer Elmore-Leonard-Adaption, herausgegriffen. Ein grenzenlos overacting betreibender Joseph Gordon-Levitt, die Nippel der Lane und Rourke als amerikanischer Ureinwohner sind gar nichts im Vergleich zu Hossein Aminis unfassbar dümmlichen Drehbuch. Was hier aufgeboten wird, zieht einem schier gar die Schuhe aus. Nicht jede Leonard-Adaption kann scheinbar so gut werden wie Jackie Brown. Aber immerhin hätten Madden und Co. ja versuchen können, einen weniger miesen Film zu Stande zu bringen. Etwas mehr Gekeife biete ich in der ausführlichen Besprechung beim MANIFEST.

3/10

10. Juli 2009

The Complete: Harry Potter

Amazing! This is just like magic!

Von der arbeitslosen Mutter zur zweitreichsten Frau Englands. Eigentlich ist es der american dream, der sich für die Britin Joanne K. Rowling um die Jahrtausendwende abgespielt hat. Mit ihrer siebenbändigen Harry-Potter-Reihe verkaufte sie mehr als 400 Millionen Exemplare, die insgesamt in 67 Sprachen übersetzt wurden. Und selbstverständlich ist Rowling auch an den Filmadaptionen von Warner Bros. beteiligt, die bisher beinahe 5,4 Milliarden US-Dollar einspielten. Sowohl die erste als auch die fünfte Verfilmung zählen zu den zehn erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Neben Rowling selbst haben natürlich auch die Produzenten rund um David Hayman profitiert, wie auch die Jungdarsteller selbst. Ein weiterer Verdienst, der Rowling von vielen Seiten zugeschrieben wurde, war die Tatsache, dass sie mit ihren Romanen die Jugend wieder zum Lesen brachte. Das verpönte Buch war wieder in und die Verkaufszahlen der Potter-Serie bestätigen dies. Denn selbst die aktuell speziell in den USA begeistert aufgenommene Twilight-Reihe von Stephenie Meyer verkauft nur ansatzweise so viele Kopien wie Rowlings Werk.

Nun muss man Rowlings literarische Ergüsse auch nüchtern betrachten können. Immerhin zählt sie nicht zu den begabtesten Autorinnen, weisen ihre Romane doch stets zahlreiche narrative Schwächen auf. Immerhin kann man der Britin zugute halten, dass sie sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und verbessert hat. Letztlich kann man jedoch von der ehemaligen arbeitslosen Mutter auch keine Satzkonstruktionen eines Franz Kafka oder Thomas Mann erwarten, sodass man ihr ein eher schwächeres Buch wie Harry Potter and the Philosopher’s Stone gerne verzeiht. Denn in Rowlings Fantasiewelt geht es nicht so sehr um die Abenteuer, die die Figuren überwinden müssen, sondern um die Entwicklung der Figuren selbst. Jenes zentrale Thema, das in allen Bänden im Vordergrund steht, schreibt Rowling doch stets die Freundschaft und Loyalität dieser Freunde groß. Man mag es da einerseits dem Fantasy- und anderseits dem Kinderbuchgenre zuschreiben, dass die Reinheit ihrer Figuren über allem steht (nicht zuletzt begann die Serie auch als Geschichte für Rowlings eigene Kinder). Sex und Drogen spielen für das Zaubervolk überhaupt keine Rolle, selbst wenn die Autorin jeder Figur eine kurze (unschuldige) Romanze mit einer anderen Person gestattet. Letztlich finden sich jedoch – zumindest für die vier Hauptfiguren – schon in der Schulphase die finale letzte Bindung fürs Leben.


Handlungstechnisch dreht sich alles um den Teenager Harry Potter, der als der Junge, der lebte, in die Geschichte der Zauberer und Hexen einging, weil er die erste Person war, die einen Angriff des diabolischen Lord Voldemort überlebte. Als Waise von seinem Onkel und seiner Tante großgezogen, erhält Harry die Möglichkeit auf einen gewünschten Tapetenwechsel, als ihm an seinem 11. Geburtstag ein Platz im Zaubererinternat Hogwarts zugesprochen wird. Hier hat Harry alsbald jedoch damit zu kämpfen, dass er zwar in dieser anderen, phantastischen Welt eine Berühmtheit und Legende ist, jedoch über seine Heimat eigentlich nichts weiß. Auch mit seinen Neidern wie Draco Malfoy oder Professor Severus Snape hat der bebrillte Junge zu kämpfen. Umso bedeutender ist für ihn daher seine Freundschaft zu Ron Weasley und Hermione Granger, genauso sein großväterliches Verhältnis zum Internatsleiter Albus Dumbledore. Rowling bedient sich in ihren Romanen stets einem Schema F: Harry versucht den Sommer bei seinen Verwandten, den Dursleys, durchzustehen und wird zu Schuljahresbeginn mit einem Phänomen und Abenteuer konfrontiert, das sich bis zu den Klausuren zieht.

Am Ende jedes Romans müssen sich Harry, Ron und Hermione schließlich entweder Voldemort selbst oder einem seiner Handlanger stellen. Hierbei begann die Autorin mit Band 4, Harry Potter and the Goblet of Fire, stets etwas düstere Geschichten zu erzählen, die jedes Jahr auch ein Opfer aus Harrys Mitte forderten. Nach Harry Potter and the Prisoner of Azkaban nahm auch der Umfang der jeweiligen Bücher zu, was hinsichtlich der Erzählstruktur wohl mit Rowlings eigenem Fortschritt und einem entsprechenden Selbstbewusstsein zu tun hat. Grundsätzlich ist ihr mit ihrer beinahe Dreieinhalbtausend langen Geschichte ein oft amüsantes und mitunter ergreifendes Stück Fantasyliteratur gelungen. Stets begleiteten sie jedoch die im Genre verhaftetenungemein naiv ausgearbeiteten Spannungselemente wie Rätsel und andere Wendungen. Oftmals gelingt dem Trio etwas, was selbst großen Zauberern wie Voldemort nicht zu gelingen vermag. Ein fader Beigeschmack bleibt hier zwar, doch wie oben angesprochen ist die Freundschaft der Figuren die eigentliche Handlung und nicht so sehr, was sie im Laufe dieser Freundschaft unternehmen. Wie mit jeder größeren Serie (man denke an Lord of the Rings oder His Dark Materials) beschleicht einen dann etwas Wehmut, wenn man sich die letzten Seiten des letzten Bandes zu Gemüte führt. Für die Filmreihe ist das Ende jedoch noch lange nicht in Sicht, erwartet das Publikum hier immerhin drei weitere Filme der Reihe.


Harry Potter and the Philosopher’s Stone


Nach vier Jahren war es soweit. Das erste Abenteuer von Harry Potter konnte auf der großen Leinwand umgesetzt werden. Zuvor mussten jedoch einige Bedingungen von Seiten J.K. Rowlings erfüllt werden. Zwar erhielt Warner Bros. den Zuschlag, doch die Autorin bestand darauf, die Darsteller allesamt britisch zu halten. Also kein Haley Joel Osment als Harry Potter und keine Nebenrollen für Robin Williams und Co. Zumindest durfte sich mit Chris Columbus ein Amerikaner auf dem Regiestuhl niederlassen. Da einerseits der erste Band der Reihe mit 223 Seiten relativ knapp bemessen war und andererseits Columbus’ Film fast zweieinhalb Stunden läuft, präsentiert sich Harry Potter and the Philosopher’s Stone als äußerst getreue Adaption der Vorlage. Nur wenige Veränderungen fanden statt, meist wurde verständlich und nachvollziehbar gekürzt. Der Film selbst war ein weltweiter Erfolg, avancierte hinter Titanic nicht nur zum erfolgreichsten Film aller Zeiten (bis dato), sondern vermochte sogar den im selben Jahr gestarteten The Fellowship of the Ring knapp hinter sich zu lassen. Ein Siegeszug auf ganzer Linie somit, nicht nur für Rowling, sondern primär natürlich für Warner Bros. und David Hayman.

Doch ähnlich wie mit Rowlings Vorlage ist auch in Columbus’ Film vieles nicht Gold was glänzt. Einige Aussparungen hätten sich hier in der Tat angeboten, allen voran das Quidditch. Vieles zieht sich in Steve Kloves’ Adaption, paradoxerweise obschon man – wie im Finale – die Handlung extra zurecht gestutzt hat. Vielleicht ist Philosopher’s Stone somit ein gutes Beispiel dafür, dass eine direkte Adaption eines Stoffes nicht immer wirklich gelingen mag. Wobei der Film zu einem Großteil auch hauptsächlich mit denselben Problemen hadert, denen sich bereits die Vorlage ausgesetzt sah. Allen voran natürlich das Finale, welches gerade wegen seiner Naivität eher leidlich betrachten werden muss. Selbst wenn man berücksichtigt, dass man ein junges Publikum adressiert, so fragt man sich doch, wieso es drei Erstjahrgängern gelingt, Prüfungen bzw. Barrieren zu überwinden, die als Schutzmaßnahmen der Professoren ausgedacht wurden. Da hilft es leider nur halb, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass jene Hindernisse nur dazu dienen, um zu veranschaulichen, dass Harry (Daniel Radcliffe) der Unterstützung von Ron (Rupert Grint) und Hermione (Emma Watson) bedarf, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Ähnlich verhält es sich auch abseits der formalen Ebene. Williams Score wirkt oft übertrieben zelebrierend-optimistisch, etwas dezenter hätte es hier auch getan. Besonders auffällig sind die teilweise ungenügenden visuellen Effekte. Zwar wirken diese bei Fluffy und dem Troll nicht ganz so störend, doch wenn beispielsweise das Trio vor Hagrids (Robbie Coltrane) Hütte steht und man in ihrem Rücken praktisch den Green Screen sehen kann, schneidet man sich etwas ins eigene Fleisch. Wie man es besser hätte machen können, sieht man an den Kobolden, die allein durch Maske und Kostüme weitaus authentischer wirken als im Gegenzug der Troll (letzterer auch im Verhältnis zu seinem Pendant in Jacksons Fellowship of the Ring aus demselben Jahr). Bedenkt man, dass auch über die Jahre hinweg Harry Potter mit seinen Filmen was die digitalen Effekte angeht nie sonderlich Maßstäbe gesetzt hat, scheint dies einfach nur ein generelles Problem für diese Filmreihe darzustellen. Auch wenn anerkannt werden sollte, dass die Effekte, wie alles andere, im Laufe der Fortsetzungen an Qualität zugenommen haben. Immerhin in der finalen Konfrontation mit Voldemort kann sich die digitale Umsetzung schließlich sehen lassen.

Noch wichtiger als die Effekte und die Umsetzung war jedoch selbstverständlich die Besetzung der einzelnen Rollen. Hier weiß Harry Potter im Grunde zu überzeugen. Die meisten Besetzungen sind wahrlich gelungen, wobei sich Entscheidungen wie Maggie Smith als Prof. McGonagall oder Richard Harris als Dumbledore nicht so sehr auszahlen, da beide Figuren im ersten Band keine herausragende Rolle spielen. Rowling zeigte ein gutes Gespür als sie sich für Coltrane als Hagrid und Alan Rickman als Snape entschied. Bei den vier hauptsächlichen Jungdarstellern sind die Resultate gemischt. Zwar weiß Rupert Grint zu überzeugen, doch wirkt er hier noch äußerst unsicher. Eine Eigenschaft, die Grint mit den Jahren glücklicherweise abgelegt hat. Radcliffe hingegen hadert nicht nur hier mit seiner komplexen Rolle, sondern hat auch acht Jahre später noch Probleme, die emotionale Tiefe der Figur entsprechend zu spielen. Tom Felton meistert seine Sache dagegen mehr als gelungen und hat hier wie auch in allen anderen Filmen damit zu kämpfen, dass seine Leinwandpräsenz stets auf ein Minimum reduziert wird. Ein Coup dagegen ist die Wahl von Emma Watson. Hier wie in wohl keinem der anderen Filme spielt sie ihre Kollegen allesamt an die Wand. Speziell die schnippischen Szenen, in denen sich die Freundschaft der Drei noch nicht herauskristallisiert hat, zählen zu ihren Höhepunkten.

Ingesamt betrachtet ist Philosopher’s Stone ebenso wie das Buch eine Geschichte, die größtenteils nur für Kinder und Jugendliche funktioniert. Dies liegt gerade an dem mehr als einfach zu folgendem Erzählstrang, der jedweder potentiellen Komplexität bereits im Ansatz aus dem Weg geht. Das geht dahingehend in Ordnung, da die Harry-Potter-Bücher darauf ausgelegt sind, sich jeweils an die Altersgruppe des Trios zu wenden. Aus Sichtweise einer Person die jedoch älter als die Zielgruppe ist, wirkt die Geschichte des Steins der Weisen nur unzureichend spannend oder unterhaltsam. Die liebevolle und getreue Adaption von Columbus selbst hadert mit ihrer langen Laufzeit (bedenkt man, dass nicht sonderlich viel zu erzählen ist) und den bisweilen schlechten Effekten. Als Auftakt in die Welt von J.K. Rowling ist der Film jedoch gelungen, selbst wenn er einige Eigenheiten des Aufwands wegen unterschlägt.


Harry Potter and the Chamber of Secrets


Seit drei Jahren war Stillstand im rowling’schen Potterverse, ehe 2003 endlich der fünfte Band, Harry Potter and the Order of the Phoenix erschien. Zuvor mussten die Fans selten länger als ein Jahr warten, um die Abenteuer von Harry, Ron und Hermione miterleben zu dürfen. Da traf es sich selbstverständlich gut, dass die Jahre 2001 und 2002 zumindest die ersten beiden Verfilmungen bereit hielten, um die Wartezeit zu verkürzen. Und die Meßlatte für Regisseur Chris Columbus war hoch. Nicht nur generell eine ansprechende Umsetzung des Potterverse zu liefern, sondern auch an den Erfolg des Vorgängers anzuknüpfen. Schließlich war Harry Potter and the Philosopher’s Stone der erfolgreichste Film des Jahres 2001. Allerdings musste sich Chamber of Secrets diesmal der Konkurrenz aus Mittelerde geschlagen geben. The Two Towers spielte weltweit rund 80 Millionen Dollar mehr ein, weshalb Potter und Co. 2002 nur den zweiten Platz einnahmen. Nichtsdestotrotz kann auch Harry Potter and the Chamber of Secrets als Erfolg angesehen werden, der ganz in der Tradition des Vorgängers steht.

Erneut liefert Columbus eine äußerst getreue Adaption der Vorlage ab und spart nur geringfügig Handlungselemente aus. Im Grunde fällt nur die Nebenhandlung rund um die Razzien bei Zauberern und damit der Konflikt zwischen den Weasleys und Malfoys heraus, sowie kleinere Anekdoten wie Sir Nicholas’ Bemühungen im Jagdclub der Kopflosen aufgenommen zu werden. Änderungen, die nicht wirklich tragisch sind. An einigen anderen Stellen jedoch ergeben sich kleine Logiklöcher, die sich erst füllen lassen, wenn man die geschnittenen Szenen hinzufügt. Zum Beispiel weshalb Hagrid (Robbie Coltrane) für Harry (Daniel Radcliffe) einsteht und wieso Harry, Ron (Rupert Grint) und Hermione (Emma Watson) während der Polyjuice Potion plötzlich Slytherin Klamotten tragen. Während hier die geschnittenen Szenen die Erklärungen liefern, die dem Kenner der Vorlage ohnehin bekannt waren, gibt es hin und wieder auch Szenen, bei denen sich Kloves eine Erklärung gespart hat. Besonders prominent die Polyjuice Potion an sich. Zum einen steht Moste Potente Potions in der Bücherei nicht in der verschlossenen Abteilung, zum anderen scheinen Harry und Co. die notwendigen Zutaten problemlos ergattern zu können.

Hier scheint wohl wieder die Laufzeit ein Problem gewesen zu sein, läuft der Film doch ähnlich lange wie sein Vorgänger und dies bei einer Vorlage von größerer Seitenzahl. So leidet auch Chamber of Secrets mitunter an einigen Längen, speziell beim Quidditch als auch im Verbotenen Wald. Insgesamt ist die Treue gegenüber Rowlings Roman aber beeindruckend. Speziell Kenneth Branagh hält sich fast ausschließlich an Rowlings Worte. Seine Besetzung als narzisstischer Gilderoy Lockheart ist ein weiterer gelungener Schachzug von David Heyman (wobei der ursprünglich eingeplante Hugh Grant sicherlich eine ebenso gute Figur abgegeben hätte). Branagh spielt den Scheinheiligen mit viel Spaß an der Freude und ist somit ein Gewinn für das Ensemble. Lockheart ist es primär, der Chamber of Secrets zum unterhaltsamsten Buch der Reihe macht. Sein Ego und seine Arroganz sorgen besonders im Zusammenspiel mit Harry („Celebrity is as celebrity does”) für etliche Lacher. Die Einbindung der Eulen Errol und Hedwig in die Handlung tut hierbei nochmals ihr Übriges, den Rest besorgt schließlich Jungschauspieler Grint.

Sowohl die Szenen mit dem Ford Anglia als auch die betreffenden Szenen um Aragog bzw. die Spinnen allgemein lassen Grint sein volles Ron-Potential abrufen. Neben Branagh zählt seine Leistung zu den überzeugendsten im zweiten Film. Radcliffe schlägt sich weitestgehend tapfer, hat jedoch seine Probleme sowohl hinsichtlich der Szenen mit dem digitalen Dobby als auch mit den Sequenzen, in denen er Parseltongue sprechen muss. Emma Watson hingegen, der Lichtblick des ersten Teils, leidet hier zuvorderst unter ihrer geringen Präsenz. Schickt sie Rowling erst durch die missglückte Polyjuice Potion ins Lazarett, fehlt sie im letzten Drittel dann sogar ganz, nachdem sie ein Opfer des Basilisken wird. Die Schauspieler aus der zweiten Reihe wie Coltrane aber auch Tom Felton (Draco Malfoy) und Jason Isaacs (Lucius Malfoy) schlagen sich überzeugend. Die Effekte sind im Vergleich zum Vorjahr besser geworden. Neben Dobby kann sich auch der Basilisk sehen lassen, wobei die Spezialeffekte selbstverständlich nichts gegen die gleichjährige Konkurrenz von Weta waren. Ansonsten lässt sich von technischer Seite sehr wenig kritisieren, wobei es immer noch schade ist, dass in Deutschland die Originalfassung des Filmes bis heute nicht erhältlich ist. Besonders ironisch, bedenkt man, dass in der Schweiz hinsichtlich der FSK selten ein ähnlicher Terz wie hier veranstaltet wird und die Eidgenossen dennoch mit weit weniger Schulamokläufen auskommen, wie unsereiner.

Bereits in Chamber of Secrets erkennt man die Fortschritte, die Rowling beim Schreiben gemacht hat. Die Handlung ist flüssiger, wenn auch nicht unbedingt frei von konstruierten Handlungssträngen. Gerade das Finale ist dieses Mal jedoch von einigen Lapsus befreit und kommt runder und spannender daher. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Ereignisse im zweiten Band – in mehrerer Hinsicht – ihren Widerhall in Harry Potter and the Half-Blood Prince finden. Die Entscheidung Voldemorts Alter Ego, Tom Riddle (Christopher Coulsen), als Antagonisten einzuführen, macht sich bezahlt. Zum einen bildet er einen Kontrast zum „alten“ Voldemort des ersten Teils, zum anderen bildet er ein Spiegelbild zu Harry selbst. Und er wirft natürlich seine Schatten auf den sechsten und siebten Band voraus, was die Frage der Horcruxe und die Beziehung zwischen Harry und Ginny (Bonnie Wright) angeht. Des Weiteren behandelt Rowling in Nebensträngen Fragen der Gleichberechtigung, sei es in leichterer (Nearly Headless Nick) oder in verstärkter (Dobby) Form. Zudem markiert Chamber of Secrets das Ende der leichten Beschwingtheit, nehmen die Harry-Potter-Bände fortan doch einen immer dunkleren Ton an. Letztlich ist Columbus’ zweite und letzte Regiearbeit ein unterhaltsames Abenteuer, das seiner Vorlage gerecht wird, auch wenn es bisweilen zu lang und eintönig ausgefallen ist.


Harry Potter and the Prisoner of Azkaban


Während J.K. Rowlings Anforderungsprofil an die DarstellerInnen vorsah, dass diese Großbritannien entstammen mussten, war der Nationalität der Regisseure keine Grenzen gesetzt. Nach den ersten beiden Filmen trat Chris Columbus zurück und überließ die Inszenierung von Harry Pottter and the Prisoner of Azkaban einem seiner Kollegen. Eine der ersten Personen, an die man herantrat, war Guillermo del Toro. Doch dem Mexikaner war Rowlings Welt zu freundlich und hell, weshalb er sich stattdessen lieber Mike Mignolas Hellboy zu wand. Und auch bei Marc Forster, der nach Finding Neverland nicht erneut mit Kinderdarstellern arbeiten wollte, blitzte man ab. Schließlich fiel die Wahl auf einen anderen Mexikaner: Alfonso Cuarón. Dieser hatte bereits mit A Little Princess bewiesen, dass er im Stande war, ein Kinderbuch gerecht umzusetzen. Neben Cuarón ergänzten gleich vier neue Darsteller das Ensemble. Nachdem Richard Harris 2002 verstorben war, übernahm Michael Gambon den Part von Albus Dumbledore. Des Weiteren übernahmen die renommierten britischen Schauspieler David Thewlis, Gary Oldman und Emma Thompson entscheidende Rollen innerhalb der Serie.

Wie bereits der Vorgänger ist auch Prisoner of Azkaban noch einmal eine Ecke (fast hundert Seiten) länger als das ihm vorausgehende Buch. Erneut steigert sich Rowlings Schreibe, gerade in dramaturgischer Hinsicht. So kommt es, dass der dritte Band der Reihe zum einem wegen seiner ausgefeilten Handlung (das Finale nimmt beinahe ein Fünftel der gesamten Geschichte ein), zum anderen wegen seiner geringen Länge (im Vergleich zu den kommenden Bänden) der gelungenste Roman aus dem Potterverse ist. Zwar ist die schlussendliche Auflösung etwas weit hergeholt, im Vergleich zu den anderen Bänden aber schon allein wegen des Versuchs, einen ausgefeilten Twist einzubauen, beeindruckend. Leider bleibt davon in Cuaróns Film nicht sonderlich viel übrig. Besonders schade, bedenkt man, dass Prisoner of Azkaban ansonsten weitestgehend treu dem Buch folgt, sodass die Ausmerzung der Handlung an dieser entscheidenden Stelle doppelt schwer wiegt. Letztlich ist es das Finale, das den Film etwas herunterzieht, ist doch der Beginn bisweilen phantastisch gelungen. Neben den enttäuschenden darstellerischen Leistungen und einigen logischen Fehlern bzw. Löchern schöpft Cuarón somit trotz überzeugender und ansehnlicher Inszenierung das der Geschichte innewohnende Potential nicht wirklich aus.

War es zugegeben schon im Buch nicht sonderlich spannend, wird die von Sirius Black (Gary Oldman) ausgehende Gefahr für Harry Potter (Daniel Radcliffe) im Film nochmals unterminiert. Sehr gut erkennbar auch daran, dass Blacks nächtlicher Besuch im Gryffindor-Turm aus der finalen Fassung gestrichen wurde. Ansonsten weiß Cuaróns Regie durch ein auffallend düstereres Bild von Hogwarts zu gefallen, als im Vergleich zu Columbus’ buntem und kinderfreundlicherem Ambiente zuvor. Die etwas graueren Töne weiß der Mexikaner dafür mit jeder Menge comic relief auszugleichen. Speziell die peitschende Weide wird durch die Jahreszeiten hindurch als Spaßmacher eingebaut, wie zuvor schon die Szenen im Knight Bus der Erheiterung dienten. Da Cuarón es gegenüber Columbus besser versteht, in die magische Welt von Rowling einzutauchen – sehr gut zu sehen an ebenjener Knigh-Bus-Sequenz -, nimmt man den extra platzierten Humor nicht allzu übel. Es ist zudem Prisoner of Azkaban, der eine neue Peripherie für Hogwarts einführt. Nunmehr kann man Hogwart nicht mehr nur über den See erreichen, sondern auch über eine Brücke. Außerdem werden sowohl Hagrids Hütte als auch die peitschende Weide etwas außerhalb des Schlosses platziert. Welche Gründe exakt damit zu tun haben, ist ungewiss, auf Erklärungen für Abweichungen wartet man in den Film-Adaptionen aber generell umsonst.

Problematisch sind allerdings die offenbleibenden Fragen und eklatanten Fehler von Cuarón. Unsinnerweise erweitert er die Gryffindor-Schülerschaft um gleich zwei neue Schüler. Anstatt fünf Jungs sieht man im dritten Teil also sieben. Was sich der Mexikaner hier gedacht hat, bleibt sein Geheimnis. Ansonsten bleiben einige Fragen in Bezug auf Sirius und Remus Lupin (David Thewlis) offen. Zum einen wird nicht erklärt, woher Lupin weiß, dass es sich bei der Marauder’s Map um eine Karte handelt, noch erfährt der Zuschauer, woher Lupin weiß, wie die Karte funktioniert. Ohnehin wird die gesamte Verbindung zwischen Lupin, Sirius und Harrys Vater nicht einmal annähernd kommentiert. Dies untergräbt hauptsächlich jegliche Charaktertiefe, die Rowling für Snape (Alan Rickman) in den Romanen eingestreut hat. Es überrascht letztlich auch nicht, dass weder erläutert wird, wie genau die Potters verraten wurden, noch wie Sirius als erstem Zauberer die Flucht aus Azkaban gelang. Das Finale wird erschreckend schnell abgespult, besonders spürbar in der Befreiung von Sirius, die schließlich zur Frage von ein, zwei Sekunden wird.

Und damit sind nur die offensichtlichen Dinge angesprochen. Ein anderer Punkt wäre die Tatsache, dass sowohl Harry als auch der Seeker von Hufflepuff im ersten (und im Film einzigen) Quidditch-Spiel außer Gefecht gesetzt wurden. Dementsprechend kann das Spiel gar nicht beendet worden sein (geht man davon aus, dass niemand der anderen Mitspieler den Snitch gefangen hat), Unfall hin oder her. Auch der Einbau des Firebolt in der letzten Szene wirkt erstens unlogisch und zweitens deplatziert. Im Nachhinein weist Prisoner of Azkaban zahlreiche Lapsus auf, die das eigentlich positive Gesamtbild trüben. Besonders gefällig ist beispielsweise Cuaróns auflösende Schnitttechnik, aber auch John Williams musikalische Untermalung, die endlich nicht von einem durchgehend fröhlichen Gedudel erfüllt ist. Wie schon in den Vorgängern sind es zudem erneut Rickman, sowie Emma Watson und Rupert Grint, die schauspielerisch zu gefallen wissen. Besonders Grint hat sich wahrlich im Vergleich zu Philosopher’s Stone verbessert. Damit hat es sich aber bedauerlicherweise schon mit den Komplimenten erledigt. Thewlis bleibt erstaunlich blass, während sowohl Oldman als auch Gambon eine Enttäuschung sind. Gerade Gambon wirkt viel zu aufgedreht und vermag nicht an Harris’ ruhige und besonnene Spiel heranzureichen. Radcliffe hingegen spielt wie gewohnt schlecht und kaum überzeugend, mit seiner tränenreichen Morddrohung gegenüber Sirius als traurig-schaurigem Höhepunkt des Filmes.

Auch die Straffung der Trio-Szenen ist etwas schade, markiert der unentwegte „Streit“ zwischen Hermione (Emma Watson), Ron (Rupert Grint) und Harry doch den pubertären Prozess durch die ganzen Bände hindurch. Mit Abstrichen fließt diese fortwährende Konflikt zumindest in Mike Newells Goblet of Fire ein. Ebenso traurig ist die Ausgrenzung der anderen Hogwarts-Generation rund um Snape, den Potters, sowie Lupin, Black und Pettigrew (Timothy Spall). Deren Ereignisse ziehen sich schließlich nicht nur durch Prisoner of Azkaban, sondern werfen ihre Schatten auch noch auf Deathly Hallows voraus. Eventuell wäre also eine Verkürzung der Knight-Bus-Sequenz sowie eine Auslassung der Firebolt- und Monster Book of Monsters-Szenen vorzuziehen gewesen. Nichtsdestotrotz kann Cuarón mit seiner Adaption neue Akzente in der Filmreihe setzen und trotz der literarischen Vorgabe seinen eigenen Stempel aufdrücken. Gelungen sind im Übrigen auch die Anspielungen auf voraus greifende Ereignisse, wie Snapes schützende Haltung gegenüber dem Trio in der Werwolf-Szene oder insbesondere die romantischen Einstellungen bzgl. Ron und Hermione („Do you want to move a bit closer?”). Alles in allem ist der dritte Film somit nochmals eine Steigerung zu seinem Vorgänger, der ebenfalls bereits eine Steigerung zum ersten Teil darstellte. Selbst wenn, wie gesagt, Cuarón das vorhandene Potential nicht vollends auszuschöpfen vermag.


Harry Potter and the Goblet of Fire


Ein Jahr, bevor Philosopher’s Stone in die Kinos kam, war Rowlings vierter Band, Harry Potter and the Goblet of Fire, erschienen. Inzwischen schien das Selbstbewusstsein der Autorin gewachsen zu sein, schraubte sie die Seitenlänge des vierten Bandes im Vergleich zu Prisoner of Azkaban um fast einhundert Prozent hoch. So macht ihre Erzählung über Harry letzte Woche der Sommerferien rund um die Quidditch-Weltmeisterschaften beinahe ein Viertel des gesamten Romans aus. Bedenkt man, dass bereits unter Alfonso Cuarón das Finale im dritten Teil zu leiden hatte, ergibt es sich von selbst, dass Warner vorschlug, den vierten Band in zwei Filme aufzuspalten. Jedoch traute es sich Drama-Regisseur Mike Newell zu, den über 600 Seiten starken Roman über pubertierende Zauberer und ein Trimagisches Turnier in zweieinhalb Stunden zu erzählen. Im Nachhinein zeigt sich sein Goblet of Fire als wirres Kuddelmuddel aus unlogischen Szenen, die versuchen die Geschichte von Rowling nachzuerzählen, ohne sie nachzuerzählen zu müssen. Dass der Film dabei auch in allen anderen Belangen versagt, komplettiert hierbei nur das Bild.

Um die Buchhandlung zu komprimieren, springt Newell gleich zu Beginn von Seite zu Seite. Im alten Haus der Riddles taucht plötzlich Barty Crouch, Jr. (Danny Tennant) auf. Er soll etwas erledigen, was wird nicht gesagt. Schnitt zu Harry Potter (Daniel Radcliffe), der gemeinsam mit Ron (Rupert Grint) von Hermione (Emma Watson) geweckt wird, weil sie mit den Weasleys morgens spazieren gehen. Wohin erfährt man nach dem nächsten Schnitt zur Quidditch-Weltmeisterschaft. Deren Finale wird von einem unnützen Gastauftritt der Malfoys eingeleitet, ehe der nächste Schnitt jenes Finale ausspart und direkt zum Angriff der Todesesser führt. Tumultartige Szenen bilden den Übergang zum nächsten Schnitt, nachdem Harry bewusstlos zu Boden fällt (und unverletzt in einer durchweg verbrannten Umgebung aufwacht!). Einige Personen vom Ministerium tauchen auf als das Symbol der Todesesser in den Himmel projiziert wird. Der nächste Schnitt leitet direkt in den Hogwarts Express von dem aus Newell zur Ankunft der Schülerschaft von Beauxbatons und Durmstrang schneidet. Die Hogwarts-Schülerschaft beobachtet dies, reagiert aber dennoch erstaunt, als Professor Dumbledore (Michael Gambon) ihnen später erklärt, dass das Trimagische Turnier ausgerichtet wird. Bereits die erste Viertelstunde von Goblet of Fire ist ein derart inhaltsloses Tohuwabohu, dass man seinen Augen kaum traut, was der englische Regisseur, der sich u.a. für Donnie Brasco verantwortlich zeichnen kann, hier verbrochen hat.

Dies bildet jedoch nur den Auftakt für ein wirres Gehopse durch Rowlings Mammutwerk. Dabei hat der jahrelange Drehbuchautor der Reihe, Steve Kloves, zumindest teilweise ein Gespür für die richtigen Auslassungen gehabt. In der Tat kann man auf Ludo Bagman verzichten, genauso wie auf seine Wette mit den Weasley-Zwillingen. Eine vollkommen nachvollziehbare Entscheidung war die Kürzung um Hermiones S.P.E.W.-Engagement und die Involvierung von Dobby und Winky als Auslöser dessen. Andere Auslassungen fallen da schon stärker ins Gewicht, insbesondere, da Newell sie zumindest im Ansatz anspricht. Zwar wird in der Pensieve-Szene erwähnt, dass Severus Snape (Alan Rickman) seiner Zeit ein Todesesser war, doch spielt dies hinsichtlich von Potters Teilnahme als vierter Bewerber in einem Trimagischen Turnier speziell keine Rolle (wie auch generell nicht hinsichtlich der früheren Ereignisse.) Die gesamte wichtige Nebenhandlung um Snape fällt damit unter den Tisch. Und wieso man Rita Skeeter (Miranda Richardson) eingebaut hat, wo sie doch ohnehin nur in der ersten Hälfte auftaucht, bleibt auch fragwürdig. Ähnlich verhält es sich mit dem Cameo von Sirius (Gary Oldman), der zwar im ersten Drittel kurz erscheint, um hinterher allerdings keine Rolle mehr zu spielen. Bedenkt man, dass sein Patenkind aus diabolischen Gründen in einen Wettbewerb platziert wurde, der dieses das Leben kosten soll oder zumindest könnte, ist das erstaunlich.

Die Handlung kommt auf keinen grünen Zweig. Urplötzlich schneidet Newell zu den Turnieraufgaben Zwei und Drei, ohne sie vorher entsprechend gewürdigt zu haben. Dass dabei die Turnieraufgaben selbst im Film noch lächerlicher dargestellt werden als bei Rowling, tut sein übriges. Während sich Kloves in der ersten Prüfung erdreistet, einen angeketteten Drachen sich losreißen zu lassen (was hinsichtlich der Tatsache, dass das Tier angekettet war, zum Abbruch der Prüfung hätte führen müssen), wartet er mit einer Abschlussprüfung in einem Labyrinth auf, das außer bösartigen Wurzeln nichts zu bieten hat. Das toppt sogar noch Rowlings ohnehin extrem blasse Expositionen, die drei Prüfungen aufwarten lässt, die allesamt mit ein und demselben (leichten) Zauberspruch hätten bewältigt werden können. Lob gebührt der Autorin jedoch erneut für ihr komplexes Finale sowie allgemein und Bandübergreifend die Einbettung der Snape-Handlung in das Geschehen. Da verzeiht man es ihr auch, dass sie ungeachtet der Romanzahl weiterhin zu Beginn eine kurze Rekapitulation des Potterverse gibt.

So sehr die Aussparungen hier und die Komprimierungen da zumindest keine Migräne verursachen, setzt wie schon im Vorgänger das zusammen geschobene Finale dem Ganzen die Krone auf. Alle Hintergründe zu Barty Crouch, Jr. fallen unter den Tisch. Wie bereits im Vorgänger wird dem Publikum ein Flüchtling aus Azkaban präsentiert, ohne zu erklären, wie die Flucht gelungen ist. Dafür dass es ein Gefängnis ist, brechen für die Romanunkundigen dort sicherlich ständig Leute aus. Wie die Zukunft von Crouch aussieht, wird ebenfalls nicht klar, denn der Kuss des Dementors finden keinen Einzug in die Geschichte. Es wäre somit anzunehmen, dass man ihn zurück nach Azkaban bringt, nur befindet er sich dort nicht, als Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) und Co. in Harry Potter and the Order of the Phoenix ausbrechen. Auch der Hass auf die Todesesser und insbesondere der Mord an Barty Crouch, Sr. (Roger Lloyd-Pack) interessieren Newell nicht. Was durchaus interessant ist, dass der Organisator des Trimagischen Turniers ermordet wird und Kloves dies nicht mal erwähnenswert findet (für die anderen Figuren). Die unglaublich miserabel adaptierte Handlung wird dann auch noch von hirnrissigen Eigeninterpretationen überboten. Vergrößerte Cuarón zuvor die männliche Schülerschaft von Gryffindor auf sieben Jungs, präsentiert Newell hier nunmehr Padma Patil ebenfalls als Gryffindor-Schülerin an der Seite ihrer Zwillingsschwester Parvati.

Abgesehen vom desaströsen Drehbuch hat der Film jedoch auch sonst wenig zu bieten. Die Effekte sehen für eine 150-Millionen-Dollar-Produktion unwahrscheinlich mies aus. Selbst die einfachsten tricktechnischen Dinge (z.B. Mini-Drachen auf der Handfläche), wissen nicht zu gelingen und wirken im Vergleich zu den Transformers in … Transformers geradezu armselig. Dass es die Harry-Potter-Reihe auch nach vier Jahren nicht geschafft hat, mit der Konkurrenz (gerade der zeitgleich entstandene Lord of the Rings-Trilogie) mitzuhalten, ist genauso wenig nachvollziehbar, wie das Drehbuch dieses Filmes. Sehr bizarr auch Newells unentwegte Nahaufnahmen, bevorzugt auch von Charakteren, die als Außenstehende eigentlich gar nichts mit der aktuellen Handlung zu tun haben. Man wird das Gefühl nicht los, dass Newell mit Goblet of Fire und dessen Produktion einfach überfordert war, sowohl in finanzieller wie kreativer Hinsicht. Selbst den dramatischen Aspekten - der unsinnig adaptierte Streit zwischen Harry und Ron - wird der Engländer nicht gerecht. Daher verwundert es am Ende auch nicht, dass selbst die SchauspielerInnen untergehen. Während Gambon erneut total am Charakter vorbeispielt (ein ungemein ernster Dumbledore, der Harry sogar wütend attackiert!), zeigt sich mit jedem Film mehr, dass Radcliffe keinerlei Talent für seinen Berufszweig besitzt.

Das sonst überzeugende Quartett um Watson, Grint, Rickman und Tom Felton (Draco Malfoy) kann sich nicht wirklich empfehlen. Den letzteren Beiden mangelt es an Präsenz, die anderen beiden Jungdarsteller scheinen mit der pubertären Gefühlswelt ihrer Figuren überfordert. Watson enttäuscht im Vergleich zu den bisherigen Teilen und Grint liegen sichtbar eher die humoristischen Momente. Von den anderen Turnierteilnehmern (Ianevski, Poésy, Pattinson) kriegt man passenderweise gar nichts mit. Traurig ist des Weiteren, was man aus der Familie Crouch und Mad-Eye Moody (Brendan Gleeson) gemacht hat. Tennant, Lloyd-Pack und Gleeson versuchen sich im overacting zu überbieten und so trifft am Ende keiner von ihnen den richtigen Ton. Wobei Lloyd-Pack natürlich nicht besser spielen kann, da das stümperhafte Drehbuch ihm ein Bein stellt. Bei all den Ärgernissen geht der Auftritt von Lord Voldemort (Ralph Fiennes) fast unter. Fiennes spielt den Antagonisten zwar grundsätzlich solide, muss sich jedoch in eine mehr als peinliche letzte Einstellung retten. Insgesamt macht Goblet of Fire viel falsch, was er hätte vermeiden können. Weder die Handlung, noch die Effekte oder das Ensemble wissen zu überzeugen.


Harry Potter and the Philosopher’s Stone: 6.5/10
Harry Potter and the Chamber of Secrets: 7/10
Harry Potter and the Prisoner of Azkaban: 7.5/10
Harry Potter and the Goblet of Fire: 5.5/10
Harry Potter and the Order of the Phoenix: 7.5/10
Harry Potter and the Half-Blood Prince: 6/10

Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 1: 4.5/10
Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2: 5/10

8. Juli 2009

Brüno

Vassup? Wer kennt sie nicht, Funkyzeit mit Bruno, die wichtigste deutschsprachige Fashion-Sendung … außerhalb von Deutschland. Der britische Comedian Sacha Baron Cohen ist zurück und widmet mit Brüno seiner dritten Figur nach Ali G und Borat ihren eigenen Kinofilm. Eingeleitet von dem wohl besten Filmopening des Kinojahres ist Larry Charles’ Film voll von grottigem Denglisch, jeder Menge Shpunken und einigen Nicht Nichts. Wer schon immer mal sehen wollte, wie ein imaginärer Blowjob für Milli von Milli Vanilli aussieht, ist hier an der richtigen Adresse. Leider ist Cohens drittes Kinoabenteuer derart inszeniert, dass es wenig von seinen authentischen Ursprüngen seiner Zeit in Da Ali G Show aufweisen kann. Bisweilen rutscht das Ganze sogar auf Adam-Sandler-Niveau. Die Masse wird jedoch ihren Spaß an Brüno, Lutz und Co. haben. Weiteres lässt sich in meiner Besprechung zum Film beim MANIFEST nachlesen.

5.5/10

5. Juli 2009

Panel to Frame: Road to Perdition

Sons are put on this earth to trouble their fathers.

Im klassischen Verständnis des Film noir gibt es nicht allzu viele Comics, die diesen Ansprüchen genügen. Die Welt der Comic-Helden drehte sich ab einem gewissen Zeitpunkt um Kämpfer für das Gute (z.B. Batman) oder ebenjene über-Menschen wie Superman, Spider-Man oder die X-Men. Von Ursprüngen wie Will Eisners The Spirit blieb irgendwann nicht mehr viel übrig. Und wenn, spielte es sich im Schatten der Riesen um DC und Marvel ab. Eine ihrer prominentesten Figuren war Chester Goulds Dick Tracy. Ein Kriminaldetektiv, dessen Leben sich in den 1930er Jahren von Amerikas Chicago abspielte. Ebenjene Stadt, welche durch das Chicagoer Outfit rund um Al Capone und Frank Nitti berühmt-berüchtigt wurde. Für amerikanische Autoren eine faszinierende Ära, die sich in Filmen wie The Untouchables niederschlägt. Allerdings auch in weniger bekannten Medien, darunter den Ermittlungen und Abenteuern um Nathan Heller.

Heller ist der Held einer 14-teiligen Romanreihe von Max Allan Collins. Dieser ist nicht nur im Kriminalromangenre verankert, sondern war auch an Comics wie ebenjenem Dick Tracy aber auch Batman beteiligt. Die Faszination bezüglich des Chicagoer Outfits ist hinsichtlich Collins’ Vita unübersehbar. Nachvollziehbar also, dass Andrew Helfer, Redakteur von DC’s Nebenzweig Paradox Press, im Jahre 1994 an Collins wegen eines neuen Comics, orientiert an japanischen Manga, herantrat. „I was the only mystery writer (…) who was also doing comics, I was a logical choice“, erinnert sich Collins. Die Inspiration für seine Geschichte holte er sich von John Patrick Looney, einem Sohn irischer Einwanderer und Kriminellen in Rock Island, Illinois in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weiteren Anreiz fand Collins in Kazuo Koike Meisterwerk Lone Wolf and Cub. Verdichtet mit einigen historischen Begebenheiten im Amerika Anfang der Dreißiger Jahre erschuf Collins dann Road to Perdition.

Es würden vier Jahre Zeichenarbeit von Richard Piers Rayner (u.a. beteiligt an Comics wie Hellblazer) vergehen, ehe Road to Perdition 1998 endlich das Licht der Welt erblickte. Das Endresultat stand sichtlich in der Tradition des Film noir und einiger Kriminalfilme wie Bonnie and Clyde. „My memories, like some people’s dreams, are in black and white“, schreibt Michael Sullivan, Jr. zu Beginn des Comics und führt damit den kühlen Schwarz-Weiß Ton von Rayners Arbeit ein. Erzählt wird die Geschichte der irischen Einwandererfamilie O’Sullivan. Zurückführend auf ein gemeinsames Leben in Irland, findet sich Michael O’Sullivan als Auftragskiller für John Looney wieder. Genauer gesagt wird O’Sullivan als knallharter Killer beschreiben, dessen Spitzname „Archangel of Death“ selbst in Chicago noch Angst und Schrecken einflößt. „It’s hard to imagine my father being part of any of that“, erklärt Michael, Jr. „He was what they used to call a family man.” Für seine beiden Söhne, Michael, Jr. und Peter, stellt der Vater ein Idol dar. Doch was genau er für Mr. Looney macht, wissen sie nicht. Ihre Neugier tritt schließlich die Ereigniskette los.

Was in Collins’ Werk als knallharter, gewaltreicher und blutiger Film noir daherkommt, verkehrt sich in Sam Mendes’ Filmadaption zur Familientragödie. Bereits 1999 landete das Projekt bei Steven Spielberg und Dreamworks Pictures, um kurz darauf im frisch gekürten Oscarpreisträger Mendes einen Regisseur zu finden. Mit einem Budget das viermal so hoch veranschlagt war wie Mendes’ Debütfilm American Beauty, machte sich der Brite an seine hochkarätig besetzte Adaption. Drehbuchautor David Self, zuvor verantwortlich für die Kuba-Krisen-Verfilmung Thirteen Days, orientierte sich in seiner Erzählung der Geschichte vormerklich auf die Figuren. Von den Noir-Elementen bleibt wenig übrig, die Härte von Collins Comic wird im Grunde ganz aus der Filmversion entfernt und die Darsteller vormerklich aufgrund ihres Namens ausgewählt. In seiner Herangehensweise an den Stoff ähnelt Road to Perdition ein wenige American Beauty. „Gangsters are the ultimate dysfunctional family”, erkennt auch Ian Nathan in seiner Kritik zum Film.

Um dem Publikum den Zugang zu den Figuren einfacher zu machen, wurden die Namen der Charaktere geändert. So wird aus „Looney“ wegen der Namenskonnotation „Rooney“ und die „Sullivans“ verlieren ihr Präfix „O“. Im Gegensatz zum Comic macht sich der Film nicht die Mühe, jene Welt der zwanziger Jahre im amerikanischen Illinois zu erläutern. Stattdessen fokussiert sich der Film auf Michael Sullivan, Jr. (Tyler Hoechlin), der zu Beginn aus nicht nachvollziehbaren Gründen als Dieb eingeführt wird. Sein Tabakdiebstahl findet später sein Echo, wenn der Junge auch noch eine Madonna-Figur aus der Kirche entwendet. Die Motive für jene Taten deckt Mendes nicht auf. Ohnehin bemüht sich sein Film nicht den religiösen Subtext der Vorlage mit einzubeziehen. Letztlich stehen die Diebstähle als Spiegelbild für jenes Handlungselement, das später der Geschichte hinzugefügt wird. Der drohenden Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn. Diese schlägt sich dahingehen nieder, dass Junior genauso wie sein Vater das Gesetz bricht, bzw. sogar die Kirche bestiehlt. Ein scharfsinniges Detail, dessen man sich natürlich auch einfach hätte entledigen können. Betrachtet man die nicht verwendeten Szenen, muss man dankbar sein, dass hier nicht noch ausführlicher versucht wurde, eine entscheidende Wendung mit dem Holzhammer einzubläuen.

Road to Perdition is like a greek tragedy“, fasste Roger Ebert nach Sichtung des Filmes zusammen. Dieses Urteil manifestiert sich dahingehend, dass alle Hauptcharaktere als eine große Familie dargestellt werden. Da liegt es auf der Hand, dass der alte Mann John Rooney (Paul Newman) für Michael, Jr. und Peter (Liam Aiken) als Großvaterfigur fungiert. Zudem wird die Beziehung zu deren Vater Michael (Tom Hanks) ausgeweitet. Vom beruflichen Verhältnis zur Zieh-Vaterschaft. Aufgelesen von der Straße erzog Rooney schließlich Sullivan wie seinen eigenen Sohn. Eigentlich steht Sullivan in der Rangliste von Rooneys Gunst sogar über dessen leiblichen Sohn Connor (Daniel Craig). Bezeichnend, dass die Ähnlichkeit zwischen „Sohn“ und „Vater“ offensichtlich ist. Sullivan lässt sich denselben Schnurrbart stehen, wie Rooney. Die „familiäre“ Nähe dieser beiden – zum Ausdruck gebracht durch das Piano-Spiel – kann natürlich auf Connor, einen sprichwörtlich Außenstehenden, nur befremdlich und abweisend wirken. Es ist jenes Vater-und-Sohn-Thema, das Mendes im Laufe der nächsten anderthalb Stunden in drei Beziehungen auszuspielen wird. Im Vordergrund steht hierbei Liebe, Rivalität und Familienblut.

Und weil das Familien-Szenario so im Vordergrund steht, muss es an die Handlung angepasst werden. Folglich wächst der Mord an den Sullivans allein auf Connors Mist, sodass sich Rooney schön zwischen den Stühlen wiederfindet. Dies kulminiert in einer etwas peinlichen Prügel-Einstellung von Connor, die nach wenigen Sekunden in einer liebevollen Umarmung endet. Blut ist nun mal dicker als Wasser. Und so entscheiden sich beide Männer, Rooney und Sullivan, lieber für ihr eigenes Fleisch und Blut, denn für die Liebe zueinander. „It’s about two fathers who are forced into protecting their least favorite son“, führt Mendes im Audiokommentar die Prämisse des Filmes aus. Dabei hätte Sullivan auch seinen Sohn einfach ausliefern können, schließlich wird nie wirklich im Film deutlich, dass der Vater seinem Sohn Liebe entgegenbringt. Zu Beginn charakterisiert Mendes Sullivan als kühlen Patriarch, der scheinbar weder zu seiner Frau, geschweige denn zu seinen Kindern eine wirkliche Bindung hat. Abgesehen von ihren Namen scheint er auch nichts über sie zu wissen, was eine spätere Szene in einem Farmhaus zwischen Vater und Sohn verdeutlicht. So ist es Hanks Schrei, als er seine Frau und jüngsten Sohn tot auffindet, welcher der Figur zum ersten Mal Emotion verleiht.

Was folgt, ist die Flucht. „That’s not our home anymore. It’s just a house”, ist eines der wenigen Zitate aus Collins’ Vorlage, die es in den fertigen Film geschafft haben. Anschließend machen sich Vater und Sohn auf, um ihre Lage besser einordnen zu können. In Chicago besucht Sullivan folglich Frank Nitti (Stanley Tucci). Eine Figur, die keine Einführung erhalten hat, von der Mendes und Self scheinbar ausgehen, dass sie dem Publikum ein Begriff sind. Hinsichtlich der Besetzung scheint es zudem ausgereicht zu haben, dass Tucci italienische Wurzeln hat, da eine äußerliche Ähnlichkeit zu Nitti gar nicht erst versucht wird. Das Gespräch der beiden zeugt schließlich auch davon, dass Sullivan im Film nicht derselbe Status verliehen wird, wie im Comic. Vom „Archangel of Death“ war ohnehin nie die Rede, aber die Nonchalance, mit der Nitti über Sullivans Arbeitsangebot hinweg geht, spricht nochmals Bände. Natürlich verläuft sowohl Sullivans Begegnung mit Frank Kelly bzw. dessen Bewachern, als auch sein Aufenthalt in Nittis Büro gewaltfrei. Immerhin ist Road to Perdition ohnehin ein ziemlich blutleerer Familienfilm, der wie angesprochen den Fokus von den Noir-Elementen weg, hin zur griechischen Tragödie verlagert. Dementsprechend verringert sich auch Sullivans Body Count um mehr als die Hälfte.

Jetzt setzt die eigentliche Handlung ein, das, was der Titel mit Road to Perdition bezeichnet. Ein doppeldeutiger Titel, soll die Reise der beiden Sullivan-Männer doch in jenes Städtchen Perdition führen, wo die letzten Verwandten verblieben sind. Da Perdition in Mendes’ Film allerdings abgesehen vom Ende keine Bedeutung spielt, geht die Doppeldeutigkeit des Begriffes (perdition zu Deutsch: Verdammnis) hier etwas flöten. Vielmehr beschränkt sie sich ausschließlich auf den stets drohenden Niedergang von Michael, Jr. Dies ist die eigentliche Geschichte, die Mendes erzählen möchte. Hier begründet er die fehlende Wärme des Vaters, der erkennt, dass sein Sohn nach ihm schlägt. Daher die Diebstähle, daher die Prügelei zu Beginn und das rebellische Verhalten. „Did you like Peter more than me?“, fragt der Sohn später den Vater, dessen Antwort im Nachhinein unbefriedigend bleiben muss. Kurz darauf wird auch er von seinem „Vater“ enttäuscht werden, als sich dieser trotz des Finanzbetruges seines Sohnes (der hinsichtlich seiner Einordnung in den Geschichtsverlauf unerheblich für diesen ist) für diesen entscheidet. „I will mourn the son I lost”, fasst Rooney sein persönliches Dilemma unabhängig vom Ausgang des Geschehens zusammen.

Mendes inszeniert hier eine Gewaltspirale, aus der sich die Figuren nicht befreien können. „Choice, a luxury of the Corleones, is denied to the Sullivans and Rooneys”, erkennt auch Roger Ebert. Ähnlich sieht es Almut Oetjen: „Anders als die Corleones scheinen sie nie wirklich die Wahl zu haben, ihrem Schicksal eine Wende geben zu können.“ Somit kann Sullivan das Geldangebot für ein Leben in Irland von seinem Ziehvater nicht annehmen und Rooney wiederum kann seinen leiblichen Sohn nicht opfern, obschon er ihm Sullivan vorzieht. Entsprechend ordnet sich hier auch die überflüssige Figur des Auftragskillers Maguire (Jude Law) ein. Von Self als personifiziertes Gesicht für den Mob eingebaut, repräsentiert Maguire all jene Handlanger von Rooney und dem Chicago Outfit, denen Sullivan im Laufe des Comics begegnet. Schließlich kann sich das Publikum nicht auf zahlreiche Figuren konzentrieren, denn dies würde ihre Aufnahmefähigkeit überschreiten. Passend auch Maguires Darstellung als gebückter, von Haarausfall geplagter, pervertierter Sonderling. Die Gegenzeichnung der Figur als Einbläuung seines Status als Bösewicht ist derart bemitleidenswert offensichtlich, dass sie schon fast wieder amüsant ist. Charakteristisch hierbei Eigenschaften wie den Familienmensch Sullivan, während Maguire eine Prostituierte mehrere Tage gegen Bezahlung in seinem Zimmer festhält.

Von der Tatsache, dass das italienisch-stämmige Outfit um Nitti und Capone (von Anthony LaPaglia in einer entfernten Szene erschreckend schlecht dargestellt) einen irischen Auftragsmörder engagiert, um einen irischen Auftragsmörder zu fassen, gar nicht erst zu sprechen. So ist es schließlich Maguires persönliche Rache an Sullivan, die im Finale diesem den Tod bringt. Daher gehört auch Laws Figur zu jenen tragischen Elementen der Handlung, deren Agieren vorherbestimmt oder zumindest von ihr selbst nicht abwendbar zu sein scheint. Folglich kann man, bedenkt man die oben angeführten Beispiele, Maguire durchaus als verzehrtes Spiegelbild von Sullivan selbst sehen. Es ist der Drang nach persönlicher Rache für die erlittenen Wunden, der den beiden Iren schließlich den Tod bringt. Ebenso wie auch Rooney und Connor den Tod finden, womit sich praktisch alle (irischen) Figuren letztlich im Jenseits wiederfinden. Alle außer Michael, Jr., um dessen Seelenheil sich die Handlung in Mendes’ Adaption trägt. Es wird ungemein viel Wert darauf gelegt, dass Michael, Jr. nicht zum Mörder wird. Obschon einige entfernten Szenen sich mit ebenjenem, offenbar unausweichlichen Werdegang beschäftigen. Im Gegensatz hierzu wird Michael, Jr. in Collins’ Vorlage zum Mörder. Seine Welt „ist eine deprimierend lebensfeindliche Umgebung“, wie Oetjen zusammenfasst. In dieser Welt voller Verbrechen kann man nicht überleben, wenn man nicht selbst ein Verbrechen begeht. Es ist eine erschütternde Botschaft, jedoch auch in ihrer Einordnung erschütternd wahre Botschaft.

Mit jenem Familienfokus steht und fällt im Grunde der Film. Die Grundstruktur der Handlung ist identisch mit Collins’ Werk. Dies darf bei heutigen Comicverfilmungen schon als Wunder betrachtet werden. Doch die Einordnung dieses Fundamentes ist eine unterschiedliche. Collins erzählte eine klassische Noir-Geschichte, wenn auch enorm bleihaltig. Sein Ziel ist es eine Kriminalgeschichte zu erzählen, die sich Elementen aus dem Chicago der dreißiger Jahre bedient. Somit ist sein „Road to Perdition“ ein hartes Stück period piece, in welchem die Vater-Sohn-Beziehung eine untergeordnete ist. Er erzählt eine Gangstergeschichte und eine ziemlich mitreißenden dazu. Mendes hingegen wendet sich mehr dem Drama zu. Er vertieft die Beziehung zwischen Rooney und Sullivan und inszeniert eine griechische Tragödie. Hier verursachte das Umstoßen eines Dominosteines den Zusammenbruch des gesamten Bildes. Die Geschichte der drei Vater-Sohn-Beziehungen (Sullivan/Michael, Sullivan/Rooney, Rooney/Connor) wirkt jedoch zu kitschig und hinsichtlich der zeitlichen Einordnung deplatziert. Das Drama um die Unschuld von Michael, Jr. vermag die zweistündige Handlung nicht so recht zu Tragen. Hierzu zählen dann auch die komischen Einbindungen, die in einem Familienfilm natürlich nicht fehlen dürfen. Mit jener düsteren Geschichte, die Collins seiner Zeit erzählte, hat dies jedoch nur noch auf der Oberfläche etwas gemein. Eventuell haben sich Spielberg und Mendes jedoch auch einfach nicht getraut, einen Jungen als Mörder darzustellen.

Die Besetzung der Figuren geht allerdings weitestgehend in Ordnung. Zwar wurden manche Darsteller, namentlich Stanley Tucci und Anthony LaPaglia, vormerklich wegen ihrer Abstammung besetzt, wobei ihre Figuren natürlich in der Adaption auch keinerlei Tiefe erfahren. So verkommen sie zu bloßen Stichwortgebern, die einer jeweiligen Information ein Gesicht verleihen sollen. Ähnlich verhält es sich mit Jennifer Jason Leigh in der Rolle der Annie Sullivan. Die Figur taucht derart kurz auf, dass Leigh sich nicht wirklich auszeichnen kann. Anders dagegen der damals noch wenig bekannte Neu-Bond Daniel Craig. Ihm gelingt es Connor so zu nuancieren, dass er dem Charakter tatsächlich etwas Eigenständiges verleiht. Selbst wenn Mendes der Figur ein eher unrühmliches Ende beschert. Jude Law spielt seine überflüssige Figur solide, wobei ihre Eigenschaften auch von derart dankbarer Natur sind, dass kaum ein Schauspieler Probleme mit ihnen gehabt hätte. Während Paul Newmans Darbietung das Herz des Filmes darstellt (zu Recht mit einer Oscarnominierung bedacht), ist sein Gegenüber, Tom Hank, katastrophal fehlbesetzt. Mit bedröppeltem Dackelblick versucht er sich durch die Szenerie zu spielen, ohne seiner Figur wirklich Tiefe verleihen zu können. Hier merkt man, dass große Namen nicht immer die beste Wahl für einen Film sind.

Noch schlechter als Hanks Schauspiel ist allerdings mit Abstand Thomas Newmans unsägliche musikalische Untermalung. Dessen weichgespülte Komposition passt sich zwar dem familiengerechten Unterhaltungsfilm an, ist jedoch von einem derartigen Positivismus durchtränkt, dass die Musik hinsichtlich der Tragik der Geschichte nicht anders als deplatziert bezeichnet werden kann. Erfreulicher dagegen Conrad L. Halls großartige Kameraarbeit und insbesondere seine in der Tat gelungene Ausleuchtung. Alles in allem ist Road to Perdition eine solide und bisweilen überzeugende Comicverfilmung. Es schadet ihr jedoch, dass Regisseur Sam Mendes ihr den eigentlichen Kern der Geschichte beraubte, nur um ein Familiendrama zu inszenieren. Der weichgespülte Charakter des Filmes will daher nicht so wirklich überzeugen, speziell in den Szenen zwischen Hanks und dem überzeugenden Tyler Hoechlin. Bedauerlich, dass man sich nicht ausgiebiger der illustren Vorlage bedient hat, die mehr Gewicht auf die historischen Persönlichkeiten Nitti, Capone und Elliot Ness legte. Allerdings zeigt bereits die Einbindung der Figur von Maguire, dass DreamWorks seinem Publikum nicht zutraute, mehrere Charaktere zugleich im Auge zu behalten. Road to Perdition ist ein Film, der an sich in Ordnung geht, einige beeindruckende Einstellungen vorzuweisen hat, allerdings auch in einer unglaublich miesen Schlusseinstellung sein Ende findet. Wie immer, wäre hier (evtl. unter der Regie eines Brian de Palma) mehr drin gewesen.

6.5/10


Quellen:

• Audiokommentar von Sam Mendes, Road to Perdition, Twentieth Century Fox Home Entert., 2002.
• Ebert, Roger: Road to Perdition. In: Rogerebert.com, 2002., http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20020712/REVIEWS/207120304/1023 <03.05.2009>
• Nathan, Ian: Road to Perdition. In: Empireonline.com, o.J., http://www.empireonline.com/reviews/reviewcomplete.asp?FID=8341 <03.05.2009>
• Oetjen, Almut: Road to Perdition. In: Wacher, Hilger (Hrg.): Enzyklopädie des Kriminalfilms, Roßdorf 2005.