(Chapter 14)
Sequels, Prequels, Reboots – die Filmlandschaft scheint verseucht vom Wahn, Franchises zu melken, bis sie nur noch Haut und Knochen sind. Besonders populär sind Comicverfilmungen, weshalb es irgendwie nicht verwundern mag, dass die Seuche auch im Printbereich grasiert. So produziert Marvel aktuell parallel Uncanny Avengers, Mighty Avengers und Avengers, ebenso wie ein Wolverine-Comic, ein Wolverine & the X-Men-Comic sowie X-Men, Amazing X-Men und Uncanny X-Men. Fans von X-Men wird es freuen, wer gerne etwas Originäres hätte, kann zumindest auf das pop-kulturelle Sci-Fi-Fantasy-Werk Saga zurückgreifen, die aktuelle Comic-Serie von Y: The Last Man-Schöpfer Brian K. Vaughan und Fiona Staples.
Darin vermischt Vaughan nach eigener Aussage Elemente von Star Wars und The Lord of the Rings mit einem Drama, das an Romeo and Juliet erinnert. Geflügelte Wesen des Planeten Landfall befinden sich in einem Krieg mit gehörnten Bewohnern ihres Mondes Wreath. Ausgefochten wird der Konflikt fernab in anderen Sternsystemen, beispielsweise auf dem Planet Cleave (dt. spalten). Dort trifft die Landfall-Gefreite Alana in einem Internierungscamp auf den inhaftierten Wreath-Krieger Marko, beide verlieben sich, flüchten, heiraten und zeugen in Hazel eine gemeinsame Tochter. Ein Umstand, den keine der beiden Seiten öffentlich bekannt wissen will. Weswegen die beteiligten Parteien jeweils Jagd auf Alana, Marko und ihr Kind machen.
Landfall schickt vom Kriegskoalitionspartner Prince Robot IV, der eigentlich lieber daheim bei seiner schwangeren Gemahlin wäre. Wreath hingegen hat mehrere Kopfgeldjäger angeheuert, allen voran The Will inklusive Sidekick Lying Cat. Aber auch die kaltblütige The Stalk, die wie es der Zufall so will The Will’s Ex-Partner ist. In doppelter Hinsicht. Alana und Marko läuft die Zeit davon, Cleave zu verlassen, ehe sie ihre Gegner ausfindig machen. Ihr Weg soll sie auf den Planeten Quietus führen, wo in D. Oswald Heist jener Autor lebt, dessen Pulp-Romanze das ungleiche Paar im Kriegsgefangenenlager vereinte: “A Night Time Smoke”. Dumm nur, dass sich plötzlich nicht nur Markos Eltern einschalten, sondern in Gwendolyn auch seine Ex-Verlobte.
Damit wäre im Groben die Handlung umrissen, welche die ersten drei komprimierten Bände von Saga ausmacht. In deren Mittelpunkt steht dabei die junge Elternschaft von Alana und Marko - und das nicht von ungefähr. Denn auch wenn Vaughan das Konzept von Saga bereits in seiner Jugend erdachte, entwickelte er die eigentliche Geschichte des Comics erst, als seine Frau mit ihrer zweiten Tochter schwanger war. Insofern erzählt Saga eine Geschichte von Elternschaft – als Teil eines großen Ganzen. “If there’s an opposite of a honeymoon”, schreibt Vaughan über Alana und Marko in Chapter 2, “it’s the week after a couple’s first child is born”. Aber natürlich ist die Belastung des ersten gemeinsamen Kindes nicht genug.
“It was a time of war”, erklärt Hazel zu Beginn. “Isn’t it always?” Sie begleitet die Handlung gelegentlich als Erzählerin und verrät uns: “I started out as an idea, but I ended up something more”. Immerhin könnte sie, das Produkt der Liebe zwischen zweier verfeindeter Parteien, doch als Symbol für einen möglichen Frieden gelten. Insofern mag hinter dem Bestreben beider Rassen, die junge Familie auszumerzen, mehr stecken, als in den ersten Bänden von Saga durchscheint. Familien jedenfalls stehen bislang im Fokus, nicht nur die rund um Hazel. Auch Einblicke in Markos Kindheit werden geschenkt, während die sich anbahnende Familie von Prince Robot IV bereits angesprochen wurde. Auch The Will hat mit zerrütteten Familien zu tun.
Denn statt mit seinem eigentlich Auftrag verliert er sich relativ bald in einem Nebenplot, der ihn auf die Amüsiermeile Sextillion verschlägt, wo er eine minderjährige Prostituierte namens Slave Girl befreit. Der Umgang mit und die Fürsorge um das Mädchen verleihen sowohl The Will als auch Lying Cat (eine Katze, die Lügen identifiziert) einen sympathischen Touch, ebenso wie die verblichene Romanze zwischen dem Kopfgeldjäger und The Stalk Letztere etwas menschlicher macht. Was angesichts ihres Daseins als armlose Spinnenfrau umso beachtlicher ist. Derartige Identifikationsmöglichkeiten haben sich für den bislang stoisch-kalten Prince Robot IV nicht aufgetan. Wie generell die Beteiligung seines Königshauses am Kriegskonflikt offen bleibt.
Vermutlich hat Vaughan viele Elemente von Saga bisher nur grob angerissen, darunter eine unlängst eingeführte Nebenhandlung um das homosexuelle Journalistenpaar Upsher und Doff vom Planet Jetsam, die wider Willen tiefer in ihre Story um Alana und Marko hineingezogen wurden als ihnen lieb ist. Rassismus, Diskriminierung, Militarismus – alles Themen, die unterschwellig Bestandteil von Saga sind. Doch das Sci-Fi-Fantasy-Element steht fraglos im Vordergrund. Dessen Stärke liegt gerade in Vaughans kontemporärer Darstellung von diesem. Denn wenn hier gehörnte “moonies” Zaubersprüche in den Himmel jagen, schickt sich Saga dennoch an, viele Elemente aus unserer Gegenwart zu integrieren. Von Romanen bis zur High School.
So erinnert der Kopf von Prince Robot IV und Co. an alte Röhrenfernseher, während die Figuren auch mal Hoodies, Beanies oder ähnliche Klamotten auftragen. Quasi als wäre unsere Realität ins Fantastische pervertiert. Was Vaughan Raum für pop-kulturelle Anspielungen lässt, die zum Glück nicht derart nervtötend ausufern wie in Y: The Last Man der Fall. Vielmehr ist sie ziemlich erfrischend, diese Welt, die Vaughan in Saga erschafft. Auch, weil sein narrativer Ideenfluss kongenial kreativ im Visuellen von Fiona Staples umgesetzt wird. Als Ergebnis ist The Stalk so erschreckend wie schön, haben Riesen mit hängenden Hodensäcken zugleich etwas absurd-lächerliches und dennoch bedrohliches. Sagas Stil jedenfalls ist originär. Und ordinär.
Denn Sex spielt hier immer eine Rolle, egal ob im Sterben liegende humanoide Roboter ihre Emotionen in Fellatio (“dying sucks”?) auf den Bildschirm schicken oder mal eben ein von der Mutter beobachteter Blowjob einige Spannungen lösen soll. Auch hierin wohnt dem Comic sein Humor und seine Atmosphäre inne, in dieser totalen Vermischung verschiedener Genres und Tonalitäten. Erquicklich ist auch die Interaktion verschiedener Spezies und die Selbstverständlichkeit ihrer Beziehungen. Egal ob The Will nun eine Spinnenfrau mit dezimierten Torso liebt oder Robotermenschen auf dem Kriegsfeld von Sanitäter-Feldmäusen gerettet werden. Umso überraschender erscheint dann jedoch der (Rassen-)Hass zwischen Landfall und Wreath.
Alles in allem ist Saga ein totaler Genuss, superb gezeichnet, unterhaltsam geschrieben. Zudem mit Wendungen, die man nicht erwartet – und umso mehr zu schätzen weiß. Die Charaktere dominieren den Comic, mit Lying Cat als klarem Highlight. Insofern ist Brian K. Vaughans und Fiona Staples’ Werk jedem ans Herz zu legen, der etwas für Comic oder Fantasy übrig hat. Die beiden Schöpfer haben bereits kundgetan, dass Saga nicht adaptiert werden soll. Und referieren jene Ausschlachtungsseuche, von der ich eingangs sprach, scheinbar selbst, wenn Marko in einem Panel aus A Night Time Smoke zitiert: “There are two kinds of people left in this world, consumers and destroyers. We used to have creators, but they all ran away.”
Darin vermischt Vaughan nach eigener Aussage Elemente von Star Wars und The Lord of the Rings mit einem Drama, das an Romeo and Juliet erinnert. Geflügelte Wesen des Planeten Landfall befinden sich in einem Krieg mit gehörnten Bewohnern ihres Mondes Wreath. Ausgefochten wird der Konflikt fernab in anderen Sternsystemen, beispielsweise auf dem Planet Cleave (dt. spalten). Dort trifft die Landfall-Gefreite Alana in einem Internierungscamp auf den inhaftierten Wreath-Krieger Marko, beide verlieben sich, flüchten, heiraten und zeugen in Hazel eine gemeinsame Tochter. Ein Umstand, den keine der beiden Seiten öffentlich bekannt wissen will. Weswegen die beteiligten Parteien jeweils Jagd auf Alana, Marko und ihr Kind machen.
Landfall schickt vom Kriegskoalitionspartner Prince Robot IV, der eigentlich lieber daheim bei seiner schwangeren Gemahlin wäre. Wreath hingegen hat mehrere Kopfgeldjäger angeheuert, allen voran The Will inklusive Sidekick Lying Cat. Aber auch die kaltblütige The Stalk, die wie es der Zufall so will The Will’s Ex-Partner ist. In doppelter Hinsicht. Alana und Marko läuft die Zeit davon, Cleave zu verlassen, ehe sie ihre Gegner ausfindig machen. Ihr Weg soll sie auf den Planeten Quietus führen, wo in D. Oswald Heist jener Autor lebt, dessen Pulp-Romanze das ungleiche Paar im Kriegsgefangenenlager vereinte: “A Night Time Smoke”. Dumm nur, dass sich plötzlich nicht nur Markos Eltern einschalten, sondern in Gwendolyn auch seine Ex-Verlobte.
Damit wäre im Groben die Handlung umrissen, welche die ersten drei komprimierten Bände von Saga ausmacht. In deren Mittelpunkt steht dabei die junge Elternschaft von Alana und Marko - und das nicht von ungefähr. Denn auch wenn Vaughan das Konzept von Saga bereits in seiner Jugend erdachte, entwickelte er die eigentliche Geschichte des Comics erst, als seine Frau mit ihrer zweiten Tochter schwanger war. Insofern erzählt Saga eine Geschichte von Elternschaft – als Teil eines großen Ganzen. “If there’s an opposite of a honeymoon”, schreibt Vaughan über Alana und Marko in Chapter 2, “it’s the week after a couple’s first child is born”. Aber natürlich ist die Belastung des ersten gemeinsamen Kindes nicht genug.
“It was a time of war”, erklärt Hazel zu Beginn. “Isn’t it always?” Sie begleitet die Handlung gelegentlich als Erzählerin und verrät uns: “I started out as an idea, but I ended up something more”. Immerhin könnte sie, das Produkt der Liebe zwischen zweier verfeindeter Parteien, doch als Symbol für einen möglichen Frieden gelten. Insofern mag hinter dem Bestreben beider Rassen, die junge Familie auszumerzen, mehr stecken, als in den ersten Bänden von Saga durchscheint. Familien jedenfalls stehen bislang im Fokus, nicht nur die rund um Hazel. Auch Einblicke in Markos Kindheit werden geschenkt, während die sich anbahnende Familie von Prince Robot IV bereits angesprochen wurde. Auch The Will hat mit zerrütteten Familien zu tun.
Denn statt mit seinem eigentlich Auftrag verliert er sich relativ bald in einem Nebenplot, der ihn auf die Amüsiermeile Sextillion verschlägt, wo er eine minderjährige Prostituierte namens Slave Girl befreit. Der Umgang mit und die Fürsorge um das Mädchen verleihen sowohl The Will als auch Lying Cat (eine Katze, die Lügen identifiziert) einen sympathischen Touch, ebenso wie die verblichene Romanze zwischen dem Kopfgeldjäger und The Stalk Letztere etwas menschlicher macht. Was angesichts ihres Daseins als armlose Spinnenfrau umso beachtlicher ist. Derartige Identifikationsmöglichkeiten haben sich für den bislang stoisch-kalten Prince Robot IV nicht aufgetan. Wie generell die Beteiligung seines Königshauses am Kriegskonflikt offen bleibt.
Vermutlich hat Vaughan viele Elemente von Saga bisher nur grob angerissen, darunter eine unlängst eingeführte Nebenhandlung um das homosexuelle Journalistenpaar Upsher und Doff vom Planet Jetsam, die wider Willen tiefer in ihre Story um Alana und Marko hineingezogen wurden als ihnen lieb ist. Rassismus, Diskriminierung, Militarismus – alles Themen, die unterschwellig Bestandteil von Saga sind. Doch das Sci-Fi-Fantasy-Element steht fraglos im Vordergrund. Dessen Stärke liegt gerade in Vaughans kontemporärer Darstellung von diesem. Denn wenn hier gehörnte “moonies” Zaubersprüche in den Himmel jagen, schickt sich Saga dennoch an, viele Elemente aus unserer Gegenwart zu integrieren. Von Romanen bis zur High School.
So erinnert der Kopf von Prince Robot IV und Co. an alte Röhrenfernseher, während die Figuren auch mal Hoodies, Beanies oder ähnliche Klamotten auftragen. Quasi als wäre unsere Realität ins Fantastische pervertiert. Was Vaughan Raum für pop-kulturelle Anspielungen lässt, die zum Glück nicht derart nervtötend ausufern wie in Y: The Last Man der Fall. Vielmehr ist sie ziemlich erfrischend, diese Welt, die Vaughan in Saga erschafft. Auch, weil sein narrativer Ideenfluss kongenial kreativ im Visuellen von Fiona Staples umgesetzt wird. Als Ergebnis ist The Stalk so erschreckend wie schön, haben Riesen mit hängenden Hodensäcken zugleich etwas absurd-lächerliches und dennoch bedrohliches. Sagas Stil jedenfalls ist originär. Und ordinär.
Denn Sex spielt hier immer eine Rolle, egal ob im Sterben liegende humanoide Roboter ihre Emotionen in Fellatio (“dying sucks”?) auf den Bildschirm schicken oder mal eben ein von der Mutter beobachteter Blowjob einige Spannungen lösen soll. Auch hierin wohnt dem Comic sein Humor und seine Atmosphäre inne, in dieser totalen Vermischung verschiedener Genres und Tonalitäten. Erquicklich ist auch die Interaktion verschiedener Spezies und die Selbstverständlichkeit ihrer Beziehungen. Egal ob The Will nun eine Spinnenfrau mit dezimierten Torso liebt oder Robotermenschen auf dem Kriegsfeld von Sanitäter-Feldmäusen gerettet werden. Umso überraschender erscheint dann jedoch der (Rassen-)Hass zwischen Landfall und Wreath.
Alles in allem ist Saga ein totaler Genuss, superb gezeichnet, unterhaltsam geschrieben. Zudem mit Wendungen, die man nicht erwartet – und umso mehr zu schätzen weiß. Die Charaktere dominieren den Comic, mit Lying Cat als klarem Highlight. Insofern ist Brian K. Vaughans und Fiona Staples’ Werk jedem ans Herz zu legen, der etwas für Comic oder Fantasy übrig hat. Die beiden Schöpfer haben bereits kundgetan, dass Saga nicht adaptiert werden soll. Und referieren jene Ausschlachtungsseuche, von der ich eingangs sprach, scheinbar selbst, wenn Marko in einem Panel aus A Night Time Smoke zitiert: “There are two kinds of people left in this world, consumers and destroyers. We used to have creators, but they all ran away.”
9/10