Vermutlich lesen nur wenige auf mehrstündigen Flügen Literatur von Aristoteles bis Thomas Mann. Vielmehr wird auf dem Flughafen der Buchladen durchstöbert, auf der Suche nach leichter Trivialliteratur. Beispielsweise nach Dan Browns The Da Vinci Code (aka Sakrileg) oder Stieg Larssons Män som hatar kvinnor (aka Verblendung). Es versteht sich von selbst, dass beide Romane – erfolgreich – fürs Kino adaptiert wurden. Und weil Män som hatar kvinnor lediglich ein schwedischer Film war, musste dieser natürlich ein US-Remake erhalten. Für dieses stand vor drei Jahren David Fincher bereit, einst verantwortlich für Werke wie The Game oder Se7en, zuletzt jedoch darauf beschränkt, Massenphänomene zu adaptieren.
Nachdem er sich in The Social Network dem „Kulturgut“ Facebook widmete und die Stieg-Larsson-Verfilmung The Girl with the Dragon Tattoo ablieferte, wanderte David Fincher gleich weiter zum nächsten Bestseller auf Groschenromanniveau. Wochenlang stand Gillian Flynns Krimi Gone Girl vor zwei Jahren an der Bestseller-Spitze, verkaufte zwei Millionen Exemplare. Ein gefundenes Fressen also für Fincher, um auch diese Flugzeuglektüre in ein 140-Minuten-Epos zu verwandeln. Das Ergebnis begeisterte Kritiker wie Zuschauer – bei denen Fincher jeweils Narrenfreiheit genießt – sogleich im Sturm. Dumm also für den Regisseur, dass die Inszenierung von Fifty Shades of Grey bereits an Kollegin Sam Taylor-Johnson vergeben wurde.
In weiten Teilen ähneln sich dabei The Girl with the Dragon Tattoo und Gone Girl, steht hier wie da doch das Verschwinden einer Blondine im Mittelpunkt. Am Morgen ihres fünften Hochzeitstages scheint Amy Dunne (Rosamund Pike) aus ihrem Haus gekidnappt worden zu sein. Ihr Ehemann Nick (Ben Affleck) schaltet sogleich die Polizei ein und beginnt am nächsten Tag mit seinen Schwiegereltern und Zwillingsschwester Margo (Carrie Coon) eine mediale Suchaktion. Doch je mehr Tage vergehen, desto stärker wiegt bei Medien und Polizei der Verdacht, dass Nick selbst am Verschwinden seiner Frau nicht unschuldig ist. Und mit fortlaufender Dauer kommen immer mehr Geheimnisse der beiden Eheleute ans Tageslicht – was nicht folgenlos bleibt.
Da, darauf lässt das Echo der Resonanz zum Film schließen, Gone Girl primär oder ausschließlich über seine „Twists“ funktioniert, sollen diese an dieser Stelle nicht vorweg genommen werden. Sie fangen mit Beginn des zweiten Akts an, wissen dem müden Handlungsverlauf jedoch auch keine Würze zu geben. Vielmehr manövriert sich Finchers Film in seiner zweiten Hälfte dank seiner Wendungen gewissermaßen in eine Sackgasse, aus der es für ihn im weiteren Verlauf keinen Ausweg mehr gibt. Hauptsächlich deswegen, weil Gone Girl seinen vermeintlichen Twist über die Charakterisierung der Figuren stellt – wodurch die Wendung letztlich verpufft. Insbesondere auf eine Motivation für die etwaigen Handlungen muss der Zuschauer verzichten.
Das Thema von Buch wie Film – das Drehbuch schrieb die Romanautorin selbst – dreht sich dabei nach Angaben von Gillian Flynn um die Dynamik von Langzeitbeziehungen und die Lügen, mit denen sich Partner in einer Ehe gegenseitig begegnen. In Rückblenden sehen wir dabei verschiedene Stadien von Nick und Amys Beziehung: vom ersten Kennenlernen zum Heiratsantrag bis hin zu ersten Eheproblemen als Folge der wirtschaftlichen Rezession. Beide verlieren ihren Job und als Nicks Mutter erkrankt, ziehen sie von New York nach Missouri. Als ein Kommentar auf die Institution Ehe kann der Film dabei aber genauso schlecht gelesen werden wie auf die Dynamik zwischen zwei Beziehungspartnern. Zu willkürlich gerät Gone Girl hierzu.
Und obschon es wohl überspitzt wäre, zu sagen, es handele sich um einen Kitschroman, greift Flynn dennoch auf viele bekannte Klischees zurück, die einer vermeintlichen Originalität, die dem Film mitunter von mancher Seite unterstellt wurde, Einhalt gebietet. Obendrein wirkt Gone Girl wenig gelungen besetzt, was zwar bisweilen im Falle von Carrie Coon und Tyler Perry wenig dramatisch ist, gerade bei Neil Patrick Harris und insbesondere Rosamund Pike jedoch zum Laster wird. Anstelle von Letzterer wäre vielleicht Reese Witherspoone, die am Ende nur zu den Produzenten zählt, eine geschicktere Wahl gewesen. Wobei auch dies Gone Girl nicht mehr Qualität verliehen hätte, die der Film gerade im Drehbuch vermissen lässt.
Abgesehen von einigen so gelungenen wie willkommenen humorvollen Auflockerungen überzeugt Finchers jüngster Film am meisten als Schablone von Ben Afflecks Medien-Dasein. Wie der Schauspieler wird auch Nick Dunne in Gone Girl medial seziert, kritisch beäugt und allmählich unter die Räder geworfen. Eine Erfahrung, die Affleck im Zuge seiner (Post-)Bennifer-Jahre am eigenen Leib gemacht hat – und die er hier nochmals durchleben darf. Dennoch verkommt Gillian Flynns Werk selbst hier nicht zu einer vollen Medienschelte, selbst wenn es insbesondere den Fernsehjournalismus in kein gutes Licht rückt. Immerhin findet sich hier gegenüber den anderen Themen des Films eine Motivation und zugleich eine authentische Einordnung.
Und auch wenn die Handlung nicht allzu spannend gerät und das Finale eher beschämend ausfällt weiß der Film trotz seiner fast zweieinhalbstündigen Laufzeit nicht zu langweilen. Technisch ist Gone Girl selten ein Vorwurf zu machen, auch wenn die für Finchers Werke inzwischen übliche Farbpalette, die oft ins Braune und Grüne abfällt, zumindest mich wenig begeistert. Als Unterhaltung auf mehrstündigen Flügen ist Gone Girl somit sicher nicht verkehrt und wider Erwarten ist der Film unterm Strich gegenüber The Girl with the Dragon Tattoo sogar eine Steigerung für David Fincher. Der – und das ist vielleicht am bedauernswertesten – scheint sich nun endgültig als Regisseur für Filme von Trivialliteratur und Groschenromanen zu etablieren.
Nachdem er sich in The Social Network dem „Kulturgut“ Facebook widmete und die Stieg-Larsson-Verfilmung The Girl with the Dragon Tattoo ablieferte, wanderte David Fincher gleich weiter zum nächsten Bestseller auf Groschenromanniveau. Wochenlang stand Gillian Flynns Krimi Gone Girl vor zwei Jahren an der Bestseller-Spitze, verkaufte zwei Millionen Exemplare. Ein gefundenes Fressen also für Fincher, um auch diese Flugzeuglektüre in ein 140-Minuten-Epos zu verwandeln. Das Ergebnis begeisterte Kritiker wie Zuschauer – bei denen Fincher jeweils Narrenfreiheit genießt – sogleich im Sturm. Dumm also für den Regisseur, dass die Inszenierung von Fifty Shades of Grey bereits an Kollegin Sam Taylor-Johnson vergeben wurde.
In weiten Teilen ähneln sich dabei The Girl with the Dragon Tattoo und Gone Girl, steht hier wie da doch das Verschwinden einer Blondine im Mittelpunkt. Am Morgen ihres fünften Hochzeitstages scheint Amy Dunne (Rosamund Pike) aus ihrem Haus gekidnappt worden zu sein. Ihr Ehemann Nick (Ben Affleck) schaltet sogleich die Polizei ein und beginnt am nächsten Tag mit seinen Schwiegereltern und Zwillingsschwester Margo (Carrie Coon) eine mediale Suchaktion. Doch je mehr Tage vergehen, desto stärker wiegt bei Medien und Polizei der Verdacht, dass Nick selbst am Verschwinden seiner Frau nicht unschuldig ist. Und mit fortlaufender Dauer kommen immer mehr Geheimnisse der beiden Eheleute ans Tageslicht – was nicht folgenlos bleibt.
Da, darauf lässt das Echo der Resonanz zum Film schließen, Gone Girl primär oder ausschließlich über seine „Twists“ funktioniert, sollen diese an dieser Stelle nicht vorweg genommen werden. Sie fangen mit Beginn des zweiten Akts an, wissen dem müden Handlungsverlauf jedoch auch keine Würze zu geben. Vielmehr manövriert sich Finchers Film in seiner zweiten Hälfte dank seiner Wendungen gewissermaßen in eine Sackgasse, aus der es für ihn im weiteren Verlauf keinen Ausweg mehr gibt. Hauptsächlich deswegen, weil Gone Girl seinen vermeintlichen Twist über die Charakterisierung der Figuren stellt – wodurch die Wendung letztlich verpufft. Insbesondere auf eine Motivation für die etwaigen Handlungen muss der Zuschauer verzichten.
Das Thema von Buch wie Film – das Drehbuch schrieb die Romanautorin selbst – dreht sich dabei nach Angaben von Gillian Flynn um die Dynamik von Langzeitbeziehungen und die Lügen, mit denen sich Partner in einer Ehe gegenseitig begegnen. In Rückblenden sehen wir dabei verschiedene Stadien von Nick und Amys Beziehung: vom ersten Kennenlernen zum Heiratsantrag bis hin zu ersten Eheproblemen als Folge der wirtschaftlichen Rezession. Beide verlieren ihren Job und als Nicks Mutter erkrankt, ziehen sie von New York nach Missouri. Als ein Kommentar auf die Institution Ehe kann der Film dabei aber genauso schlecht gelesen werden wie auf die Dynamik zwischen zwei Beziehungspartnern. Zu willkürlich gerät Gone Girl hierzu.
Und obschon es wohl überspitzt wäre, zu sagen, es handele sich um einen Kitschroman, greift Flynn dennoch auf viele bekannte Klischees zurück, die einer vermeintlichen Originalität, die dem Film mitunter von mancher Seite unterstellt wurde, Einhalt gebietet. Obendrein wirkt Gone Girl wenig gelungen besetzt, was zwar bisweilen im Falle von Carrie Coon und Tyler Perry wenig dramatisch ist, gerade bei Neil Patrick Harris und insbesondere Rosamund Pike jedoch zum Laster wird. Anstelle von Letzterer wäre vielleicht Reese Witherspoone, die am Ende nur zu den Produzenten zählt, eine geschicktere Wahl gewesen. Wobei auch dies Gone Girl nicht mehr Qualität verliehen hätte, die der Film gerade im Drehbuch vermissen lässt.
Abgesehen von einigen so gelungenen wie willkommenen humorvollen Auflockerungen überzeugt Finchers jüngster Film am meisten als Schablone von Ben Afflecks Medien-Dasein. Wie der Schauspieler wird auch Nick Dunne in Gone Girl medial seziert, kritisch beäugt und allmählich unter die Räder geworfen. Eine Erfahrung, die Affleck im Zuge seiner (Post-)Bennifer-Jahre am eigenen Leib gemacht hat – und die er hier nochmals durchleben darf. Dennoch verkommt Gillian Flynns Werk selbst hier nicht zu einer vollen Medienschelte, selbst wenn es insbesondere den Fernsehjournalismus in kein gutes Licht rückt. Immerhin findet sich hier gegenüber den anderen Themen des Films eine Motivation und zugleich eine authentische Einordnung.
Und auch wenn die Handlung nicht allzu spannend gerät und das Finale eher beschämend ausfällt weiß der Film trotz seiner fast zweieinhalbstündigen Laufzeit nicht zu langweilen. Technisch ist Gone Girl selten ein Vorwurf zu machen, auch wenn die für Finchers Werke inzwischen übliche Farbpalette, die oft ins Braune und Grüne abfällt, zumindest mich wenig begeistert. Als Unterhaltung auf mehrstündigen Flügen ist Gone Girl somit sicher nicht verkehrt und wider Erwarten ist der Film unterm Strich gegenüber The Girl with the Dragon Tattoo sogar eine Steigerung für David Fincher. Der – und das ist vielleicht am bedauernswertesten – scheint sich nun endgültig als Regisseur für Filme von Trivialliteratur und Groschenromanen zu etablieren.
5.5/10
Aus Angst vor Spoiler nur überflogen, da ich den Film auch noch sehr gerne sehen will. Ich mochte bisher ja alle Finchers (nur seine "Verblendung"-Verfilmung kenne ich noch nicht). Ich gehe also mal davon aus, dass bei mir mehr als 5.5 Punkte drin sind... ;)
AntwortenLöschenDas Review – siehe Beginn 4. Absatz *wink* – enthält keine Spoiler zur Handlung. Das nur nebenbei.
LöschenAber ja, vermutlich wird der Film von 99% der Zuschauer besser bewertet als bei mir.
Das mit den fehlenden Spoilern musst du doch gleich in den ersten Absatz packen! ;-)
LöschenDas stört den Erzählfluss :D
LöschenIch kann dir in nur einem deiner Kritikpunkte ganz klar zustimmen: Der Look des Films erinnert an manch anderen Fincherfilm, insbesondere an THE SOCIAL NETWORK. Zwar mag ich es, wenn man bereits optisch erkennen kann, wer sich hinter der Kamera tummelt, aber Fincher könnte den Farb-Look seiner Filme ruhig mal erweitern.
AntwortenLöschenImmerhin :-)
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