Sie könne nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand, hat Romy Schneider mal über sich gesagt. Ein Zitat, an das man sich erinnert fühlt, wenn man Crystal Moselles Dokumentarfilm The Wolfpack ansieht. Der erzählt von einer Filmverrückten Familie, die von der Gesellschaft zurückgezogen in einer Sozialwohnung der Lower East Side von Manhattan lebt. Den einzigen Schlüssel zur Wohnung besitzt Familienoberhaupt Oscar Angulo, dessen Frau Susanne und ihre sieben Kinder selten bis nie vor die Tür dürfen. Manchmal gab es neun Kurzausflüge in einem Jahr, manchmal nur einen, berichtet der 15-jährige Mukunda. Und in einem Jahr durften er und seine sechs jüngeren Geschwister sogar gar nicht raus. Die einzige Flucht bieten ihnen Filme.
“If I didn’t have movies, life would be pretty boring”, verrät Mukunda zu Beginn. “Movies open up another world.” Stunden verbringt er damit, die Dialoge aus Filmen wie Pulp Fiction abzuschreiben und anschließend mit einer Schreibmaschine abzutippen. Dann, wenn aus alten Kartons von Frühstücksflocken Requisiten gebastelt wurden, stellen er und seine Brüder ihre Lieblingsfilme nach. Von Reservoir Dogs bis The Dark Knight Returns. Es ist ihre einzige Ablenkung von ihrem tristen Alltag in ihrer 4-Zimmer-Wohnung mit neun Personen. Während draußen in Manhattan rund 1,6 Millionen Menschen leben, sind die Angulos auf wenigen Quadratmetern unter sich. So wollten die Eltern ihre Kinder vor der Gesellschaft schützen.
Mutter Susanne übernahm den Hausunterricht, denn in öffentlichen Schulen sei “a lot of socialization (..) not positive socialization”. Die Angulos gleichen dabei einer Art Stamm, in dem jeder der Brüder mit seinen Hüftlangen Haaren einander ähnlich sieht. Vater Oscar, den seine Frau einst nach der Schule in Chile kennenlernte, lehnt es ab zu arbeiten, sieht dies als Rebellion gegen das System. “Most people would go insane”, resümiert Mukundas Bruder Narayana die Situation der Angulos. Glücklich mit dem Patriarchat sind die Söhne derweil nicht. “His system is just like a ticking bomb”, sagt Mukunda. Und wagt schließlich eines Tages den Ausbruch aus dem familiären Gefängnis – was nicht ohne Folgen für die Beziehung zu seinem Vater bleibt.
Der kommt im Laufe von The Wolfpack auch zu Wort. Mit dem Wegsperren der Kinder wollte er, dass diese lernen “who they are and what they are”. Mochte Mutter Susanne dies anfangs noch unterstützt haben, wirkt sie nun bisweilen wie eine von Skepsis gebrochene Frau. “Too much of anything is not good”, erzählt sie Crystal Moselle an einer Stelle. Dennoch wird als Betrachter nicht wirklich klar, wieso der Rest der Familie die Entscheidungen des Vaters noch mitträgt, wenn sie diese selbst überwerfen könnten. Ein wirkliches Aufbäumen fehlt, dabei zeigen die vielen liebevoll nachgemalten Filmposter und detailliert nachgebauten Requisiten und Kostüme für die eigenen Dreharbeiten die Sehnsucht der Kinder, ihrem Leben zu entfliehen.
Das eint The Wolfpack mit dem thematisch nicht unähnlichen, allerdings fiktiven, Kynodontas von Yorgos Lanthimos. Zugleich erschwert Moselles Film dem Publikum weitaus mehr als dieser den Zugang. Fraglich bleibt, wieso das Jugendamt der Stadt nicht spätestens dann einschreitet, wenn Mukunda nach seinem ersten unerlaubten Ausflug in einer Klinik landet. Wie genau sich zu neunt von Sozialhilfe leben lässt, wenn gleichzeitig allerlei Kostüme und DVDs bestellt werden. Und wie es für die Brüder genau ist, auf engem Raum fernab der Gesellschaft zu leben, diese jedoch jeden Tag von ihrem Fenster aus beobachten zu können. Der soziale Aspekt gerät in Moselles Film oft etwas in den Hintergrund zu Gunsten der Filmaffinität der Angulos.
Die ist durchaus ein Highlight, von den liebevoll gestalteten Kostümen über eine private Halloween-Party mit Verkleidungen à la Freddy Krueger bis hin zu den durchaus gelungenen nachgestellten Filmszenen. Sei es, wenn einer der Brüder punktgenau Steve Buscemi aus Reservoir Dogs wiedergibt oder Heath Ledgers Joker aus The Dark Knight. Mukunda und seine Brüder sind eine schrullig sympathische Sippschaft, die allerdings – daran dürfte wohl kaum ein Weg vorbei führen – durch ihre Zurückgezogenheit sozial gestört sein dürften. Ein Punkt, den The Wolfpack vernachlässigt in seiner Betonung der Eskapismusqualitäten des Mediums Film. Und so können die Angulos vielleicht alles auf der Leinwand, im Leben aber wohl leider wenig.
“If I didn’t have movies, life would be pretty boring”, verrät Mukunda zu Beginn. “Movies open up another world.” Stunden verbringt er damit, die Dialoge aus Filmen wie Pulp Fiction abzuschreiben und anschließend mit einer Schreibmaschine abzutippen. Dann, wenn aus alten Kartons von Frühstücksflocken Requisiten gebastelt wurden, stellen er und seine Brüder ihre Lieblingsfilme nach. Von Reservoir Dogs bis The Dark Knight Returns. Es ist ihre einzige Ablenkung von ihrem tristen Alltag in ihrer 4-Zimmer-Wohnung mit neun Personen. Während draußen in Manhattan rund 1,6 Millionen Menschen leben, sind die Angulos auf wenigen Quadratmetern unter sich. So wollten die Eltern ihre Kinder vor der Gesellschaft schützen.
Mutter Susanne übernahm den Hausunterricht, denn in öffentlichen Schulen sei “a lot of socialization (..) not positive socialization”. Die Angulos gleichen dabei einer Art Stamm, in dem jeder der Brüder mit seinen Hüftlangen Haaren einander ähnlich sieht. Vater Oscar, den seine Frau einst nach der Schule in Chile kennenlernte, lehnt es ab zu arbeiten, sieht dies als Rebellion gegen das System. “Most people would go insane”, resümiert Mukundas Bruder Narayana die Situation der Angulos. Glücklich mit dem Patriarchat sind die Söhne derweil nicht. “His system is just like a ticking bomb”, sagt Mukunda. Und wagt schließlich eines Tages den Ausbruch aus dem familiären Gefängnis – was nicht ohne Folgen für die Beziehung zu seinem Vater bleibt.
Der kommt im Laufe von The Wolfpack auch zu Wort. Mit dem Wegsperren der Kinder wollte er, dass diese lernen “who they are and what they are”. Mochte Mutter Susanne dies anfangs noch unterstützt haben, wirkt sie nun bisweilen wie eine von Skepsis gebrochene Frau. “Too much of anything is not good”, erzählt sie Crystal Moselle an einer Stelle. Dennoch wird als Betrachter nicht wirklich klar, wieso der Rest der Familie die Entscheidungen des Vaters noch mitträgt, wenn sie diese selbst überwerfen könnten. Ein wirkliches Aufbäumen fehlt, dabei zeigen die vielen liebevoll nachgemalten Filmposter und detailliert nachgebauten Requisiten und Kostüme für die eigenen Dreharbeiten die Sehnsucht der Kinder, ihrem Leben zu entfliehen.
Das eint The Wolfpack mit dem thematisch nicht unähnlichen, allerdings fiktiven, Kynodontas von Yorgos Lanthimos. Zugleich erschwert Moselles Film dem Publikum weitaus mehr als dieser den Zugang. Fraglich bleibt, wieso das Jugendamt der Stadt nicht spätestens dann einschreitet, wenn Mukunda nach seinem ersten unerlaubten Ausflug in einer Klinik landet. Wie genau sich zu neunt von Sozialhilfe leben lässt, wenn gleichzeitig allerlei Kostüme und DVDs bestellt werden. Und wie es für die Brüder genau ist, auf engem Raum fernab der Gesellschaft zu leben, diese jedoch jeden Tag von ihrem Fenster aus beobachten zu können. Der soziale Aspekt gerät in Moselles Film oft etwas in den Hintergrund zu Gunsten der Filmaffinität der Angulos.
Die ist durchaus ein Highlight, von den liebevoll gestalteten Kostümen über eine private Halloween-Party mit Verkleidungen à la Freddy Krueger bis hin zu den durchaus gelungenen nachgestellten Filmszenen. Sei es, wenn einer der Brüder punktgenau Steve Buscemi aus Reservoir Dogs wiedergibt oder Heath Ledgers Joker aus The Dark Knight. Mukunda und seine Brüder sind eine schrullig sympathische Sippschaft, die allerdings – daran dürfte wohl kaum ein Weg vorbei führen – durch ihre Zurückgezogenheit sozial gestört sein dürften. Ein Punkt, den The Wolfpack vernachlässigt in seiner Betonung der Eskapismusqualitäten des Mediums Film. Und so können die Angulos vielleicht alles auf der Leinwand, im Leben aber wohl leider wenig.
6/10
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