In der Mythologie warnte Kassandra stets ihre Umgebung vor Unheil, fand jedoch kein Gehör. Vergeblich mahnte die Tochter des Priamos so ihren Vater und König vor dem Untergang von Troja. Eine nicht minder tragische Figur als Kassandra war auch der Bärenfreund Timothy Treadwell. 13 Jahre lang lebte Treadwell unter Grizzlybären eines Nationalparks in Alaska, ehe er und seine Freundin Amie Huguenard 2003 einem der Tiere zum Opfer fielen. „Wenn ich Schwäche zeige, werde ich vielleicht getötet“, sagt Treadwell in Grizzly Man, einer Dokumentation von Werner Herzog. „Sie werden mich ausschalten, mich enthaupten, mich in Kleinteile zerlegen. Ich bin tot. Aber bislang harre ich aus“, griff Treadwell unwissentlich seinem Schicksal voraus. Am Ende wurde er tatsächlich enthauptet, zerstückelt und teils verspeist.
Auch in einem Fernsehauftritt bei Talkshow-Host David Letterman wurde sein Tod durch die Bären angekündigt und letztlich wunderte sich niemand, dass als es dann so kam. Eher, dass Treadwell seinen wahnwitzigen Lebensstil wirklich ganze 13 Jahre überleben konnte. Fünf Jahre vor seinem Tod begann Treadwell seine Aktivitäten im Katmai-Nationalpark mit einer Kamera aufzuzeichnen. Diese platzierte er mit einem Stativ und kehrte den Bären im Hintergrund dabei meist seinen Rücken zu. Dabei ging es Treadwell weniger darum, das Bild vom bösen Bären zu verkehren, als potentielle Wilderer abzuwehren. Und natürlich darum, in der Nähe dieser von ihm so geliebten Säuger zu sein. „Ich würde für diese Tiere sterben“, proklamierte Treadwell an einer Stelle in Herzogs Dokumentation. Er würde Recht behalten.
Neben dem massigen Material, das Treadwell selbst gefilmt hat, kümmerte sich Herzog um Interviews mit Park-Rangern, einigen Bären-Experten sowie der Familie und Freunde des Verstorbenen. Das Resultat ist ein oftmals tiefgehender Einblick in die Psyche eines Mannes mit sozialen Schwächen. Treadwell, ein rehabilitierter Drogensüchtiger mit einem Hang zur bipolaren Störung, fand seinen inneren Frieden erst inmitten seiner Bären. Er gab ihnen allen Namen, kannte ihre hierarchischen Strukturen und erfreute sich selbst an ihren Exkrementen. Am liebsten inszenierte sich Treadwell jedoch selbst, was man nicht zuletzt an den vielen Einstellungen sieht, die er von sich in der Wildnis aufnahm. Mit einem Gespür für das Cineastische spielte er seinen Part so oft, bis er selbst mit seiner Darstellung zufrieden war.
Grizzly Man geht somit über diesen Bären-Mann-Status von Treadwells Persönlichkeit hinaus, und verkommt zu einem weitaus vielschichtigeren Porträt als der Titel des Films und seine Inhaltsangabe vermuten lassen. Dies ist die Timothy Treadwell Show. Zugleich hatte der exaltiert auftretende Amerikaner aber auch ein kinematografisches Gespür, welches auch Herzog aus dem Off lobend anerkennt. So gelangen Treadwell im Folgenden nicht wenige unbezahlbare Aufnahmen, beispielsweise von einer Bären-Balgerei oder einem Fuchs, der ein gewisses Maß an Vertrauen zu diesem Menschen gefunden zu haben schien. Und als dann Bilder später sogar zeigen, wie Treadwell direkten Körperkontakt zu den Bären aufnimmt, glaubt man fast selbst an eine besondere Union zwischen Mensch und Tier.
Vielleicht auch zur Abschreckung und zur Demaskierung dieser trügerischen Bilder steuert Herzog im Kommentar pessimistisch dagegen. In den Gesichtern der Bären entdecke er weder Verwandtschaft noch Verständnis oder Gnade. „Für mich gibt es nicht so etwas wie eine geheime Welt der Bären“, so Herzog. Er glaube nicht, dass Harmonie der dem Universum innewohnende Charakter sei, „sondern Chaos, Feindseligkeit und Mord“. Ungewohnt anti-sympathische Worte des Exzentrikers, dem es aber gelingt, Treadwells Video-Material mit Interviews der Außenstehenden zu einem starken Porträt zusammenzufügen. Das fällt dank gefälliger Naturaufnahmen und der bipolaren Persönlichkeit seines „Helden“ ungemein faszinierend wie unterhaltsam aus. Dass Timothy Treadwell durch einen Bären starb, ist tragisch, aber letztlich auch irgendwie konsequent für ihn – den Grizzly Man.
Auch in einem Fernsehauftritt bei Talkshow-Host David Letterman wurde sein Tod durch die Bären angekündigt und letztlich wunderte sich niemand, dass als es dann so kam. Eher, dass Treadwell seinen wahnwitzigen Lebensstil wirklich ganze 13 Jahre überleben konnte. Fünf Jahre vor seinem Tod begann Treadwell seine Aktivitäten im Katmai-Nationalpark mit einer Kamera aufzuzeichnen. Diese platzierte er mit einem Stativ und kehrte den Bären im Hintergrund dabei meist seinen Rücken zu. Dabei ging es Treadwell weniger darum, das Bild vom bösen Bären zu verkehren, als potentielle Wilderer abzuwehren. Und natürlich darum, in der Nähe dieser von ihm so geliebten Säuger zu sein. „Ich würde für diese Tiere sterben“, proklamierte Treadwell an einer Stelle in Herzogs Dokumentation. Er würde Recht behalten.
Neben dem massigen Material, das Treadwell selbst gefilmt hat, kümmerte sich Herzog um Interviews mit Park-Rangern, einigen Bären-Experten sowie der Familie und Freunde des Verstorbenen. Das Resultat ist ein oftmals tiefgehender Einblick in die Psyche eines Mannes mit sozialen Schwächen. Treadwell, ein rehabilitierter Drogensüchtiger mit einem Hang zur bipolaren Störung, fand seinen inneren Frieden erst inmitten seiner Bären. Er gab ihnen allen Namen, kannte ihre hierarchischen Strukturen und erfreute sich selbst an ihren Exkrementen. Am liebsten inszenierte sich Treadwell jedoch selbst, was man nicht zuletzt an den vielen Einstellungen sieht, die er von sich in der Wildnis aufnahm. Mit einem Gespür für das Cineastische spielte er seinen Part so oft, bis er selbst mit seiner Darstellung zufrieden war.
Grizzly Man geht somit über diesen Bären-Mann-Status von Treadwells Persönlichkeit hinaus, und verkommt zu einem weitaus vielschichtigeren Porträt als der Titel des Films und seine Inhaltsangabe vermuten lassen. Dies ist die Timothy Treadwell Show. Zugleich hatte der exaltiert auftretende Amerikaner aber auch ein kinematografisches Gespür, welches auch Herzog aus dem Off lobend anerkennt. So gelangen Treadwell im Folgenden nicht wenige unbezahlbare Aufnahmen, beispielsweise von einer Bären-Balgerei oder einem Fuchs, der ein gewisses Maß an Vertrauen zu diesem Menschen gefunden zu haben schien. Und als dann Bilder später sogar zeigen, wie Treadwell direkten Körperkontakt zu den Bären aufnimmt, glaubt man fast selbst an eine besondere Union zwischen Mensch und Tier.
Vielleicht auch zur Abschreckung und zur Demaskierung dieser trügerischen Bilder steuert Herzog im Kommentar pessimistisch dagegen. In den Gesichtern der Bären entdecke er weder Verwandtschaft noch Verständnis oder Gnade. „Für mich gibt es nicht so etwas wie eine geheime Welt der Bären“, so Herzog. Er glaube nicht, dass Harmonie der dem Universum innewohnende Charakter sei, „sondern Chaos, Feindseligkeit und Mord“. Ungewohnt anti-sympathische Worte des Exzentrikers, dem es aber gelingt, Treadwells Video-Material mit Interviews der Außenstehenden zu einem starken Porträt zusammenzufügen. Das fällt dank gefälliger Naturaufnahmen und der bipolaren Persönlichkeit seines „Helden“ ungemein faszinierend wie unterhaltsam aus. Dass Timothy Treadwell durch einen Bären starb, ist tragisch, aber letztlich auch irgendwie konsequent für ihn – den Grizzly Man.
8.5/10