„Kunst ist sehr schnell, weil jede Kunstform, kaum bekannt gemacht, in einer Woche wieder altmodisch ist“, hat Andy Warhol gesagt. Für kaum eine Kunstform könnte dieses Zitat wohl so zutreffen wie auf Streetart. “Street art has a short life span so it needed documenting“, erklärt der britische Streetart-Künstler Banksy in seinem Debütfilm Exit Through the Gift Shop. Eine Dokumentation, die in ihren Ursprüngen als sinnloses Abfilmen eines Exil-Franzosen in Los Angeles begann und sich später zum Ziel setzte, mit Banksy das große Phänomen einer Untergrundszene abzulichten. Oder anders gesagt: Eine brillante Mockumentary, in der sich ein Künstler via Mise en abyme selbst inszeniert und zugleich einem Massenpublikum “authentic insight of the birth of a movement“ verschafft.
Mittel zum Zweck ist der Franzose Thierry Guetta, der in den neunziger Jahren in die USA auswanderte und dort anfing, seinen Alltag aufzuzeichnen, nachdem ihm als Kind die Mutter starb. Per Zufall traf er bei einem Heimaturlaub 1999 auf das künstlerische Schaffen seines Cousins, der niemand Geringeres sein soll als der Streetartist Invader. Mit der Kamera folgt ihm Thierry, fasst früh die Intention von Streetart zusammen, wenn er sagt: “You want to express yourself and put [the art] outside so people can see it“. Zudem gesteht Thierry, dass ihm die den Aktionen innewohnende Gefahr gefällt. Bald ist Invader nicht mehr genug und so kommt es zum Kontakt mit Künstler Shepard Fairey, der auch für das berühmte „Hope“-Plakat von Barack Obama verantwortlich war.
Auf Fairey folgen weitere Künstler wie Monsieur André, Zeus, Seizer, Borf, Swoon und andere, die Thierry bei ihren nächtlichen Ausflügen begleitet, um ihre Arbeiten - und mit ihnen “the biggest counter-cultural movement since punk“, so Erzähler Rhys Ifans - mit seiner Kamera zu dokumentieren. Während alle, insbesondere Fairey, in dem Glauben gelassen werden, dass Thierry eine Dokumentation über Streetart dreht, ist die Wahrheit, dass dieser einfach weiterhin alles ohne wirkliche Hintergedanken abfilmt. Obschon er keinen fertigen Film plant, wünscht Thierry sich dennoch, für diesen den mysteriösen Banksy vor die Kamera zu kriegen. Was natürlich über kurz oder lang gelingt, und mit Banksy erhält Thierry Einzug in eine Welt, die er später selbst bewohnen soll.
Ob der Film nun docu- oder mockumentary (Jeannette Catsoulis nannte ihn in der New York Times eine “prankumentary“) ist, bleibt dem Urteil des Zuschauers überlassen. Grundsätzlich ist Banksys Debütfilm jedoch weniger Dokument über Thierry Guetta respektive Mr. Brainwash, zu dem er am Ende verkommt, sondern bleibt durchweg der Versuch, einem Milieufremden Publikum eine neue Kunstbewegung nahe zu bringen. Und indem der Film die Geschichte von Thierry erzählt (den man nie künstlerisch arbeiten sieht und der in einer Szene sogar von einem seiner Bilder ablesen muss, was dieses eigentlich darstellen soll), präsentiert er uns wahrscheinlich doch mehr Einblicke nicht nur in das Schaffen des gesichtslosen Banksy, sondern auch in dessen eigenes Selbstverständnis.
Wenn Banksy plötzlich in Kunstsammlungen neben Roy Lichtenstein, Keith Haring und Andy Warhol auftaucht, wenn seine Werke in Auktionshäusern für eine halbe Million Dollar verkauft werden, dann ist die Feststellung von Mr. Brainwash (“It’s like being an artist overnight“) möglicherweise lediglich die Feststellung von Banksy selbst. Und Exit Through the Gift Shop mehr eine eigene mediale Dekonstruktion denn wirkliche Dokumentation, wenn sich Banksys Resümee “Maybe it means it’s a bit of a joke“ nicht nur auf die Intention seines Filmes sondern auch auf sein eigenes Standing innerhalb der Kunstszene münzen lässt. Oder wie es Banksy mit seinem Zitat für die „Life is beautiful“-Ausstellung von Mr. Brainwash ausdrückte: “It’s a phenomenon. And I don’t mean that in a good way“.
Zuträglich ist hierbei natürlich, dass Banksy ein Pseudonym ist. Ein gesichtsloser Künstler, dessen Stimme zudem noch verzerrt wird. Was viel Interpretationsspielraum lässt, beispielsweise, dass Guetta selbst Banksy ist oder dass Banksy letztlich auch mehrere Personen sein können. Ein Phantom und “maybe a bit of a joke“ einiger Streetartists, die verwundert feststellen, dass das, was manche Vandalismus schimpfen, bei anderen neben Picasso und Co. gehängt wird. Insofern ist Banksy inzwischen auch Marke und wenn zu seiner „Barely Legal“-Ausstellung Stars wie Jude Law oder Brangelina erscheinen, darf man sich die Frage stellen, ob Banksy hier von deren Anwesenheit profitiert oder ob nicht vielmehr die Schauspieler davon profitieren, auf seiner Vernissage gewesen zu sein.
Was den Film auszeichnet, ist die Tatsache, dass er es nicht versäumt, tatsächlich authentische Einblicke zu liefern und sich zugleich als narrativ-stringentes Gesamtpaket zu verkaufen. Die Kamera begleitet Banksy bei einigen seiner Arbeitsprozesse und rückt auch andere Künstler ins Licht. Als roter Faden funktioniert Thierry in seiner liebenswürdigen Art (“I don't know how to play chess, but to me, life is like a game of chess“), der später seine Werke auf dieselbe Weise verkauft, wie zuvor die Klamotten in seinem Fashion-Laden (billig ein- und teuer als Sonderstück verkaufen), bestens, verdankt es sich doch primär seinem Schauspiel, dass die Illusion, Exit Through the Gift Shop könnte eine Dokumentation sein, aufrecht erhalten wird. It’s a phenomenon. And I mean that in a good way.
8.5/10
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