19. November 2013

Blackfish

I really know nothing about killer whales.

Der Mensch ergötzt sich gern am Tiere, schließlich sollen wir uns ja diese untertan machen (1.Mo 1,28). Umso schockierter reagiert das Volk dann, wenn es zu Angriffen auf Menschen kommt, durch Tiere, die ihr ganzes Leben lang auf engstem Raum zur Unterhaltung Kunststücke vollführen müssen. Beispielsweise als Anfang des Jahres ein Tiger im Suárez-Zirkus im mexikanischen Bundesstaat Sonora seinen Dompteur totgebissen hat oder als am 24. Februar 2010 im SeaWorld Erlebnispark in Orlando, Florida die Trainerin Dawn Brancheau von dem Schwertwal Tilikum getötet wurde. In ihrer Dokumentation Blackfish arbeitete die Regisseurin Gabriela Cowperthwaite nun diesen Vorfall und andere Schwertwalangriffe auf.

Wer trägt die Schuld an Brancheaus Tod? Die Trainerin selbst, weil sie – wie SeaWorld anführt – ihren zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare nicht entsprechend sicherte, als sie mit Tilikum arbeitete? Der Orca, der bereits zuvor für zwei tödliche Attacken verantwortlich war und ein Jahr nach Brancheaus Tod wieder in die Show integriert wurde? Oder generell die Haltung von Schwertwalen in Erlebnisparks wie SeaWorld? Im Gespräch mit zahlreichen ehemaligen Orca-Trainern, die inzwischen zu Gegnern der Orca-Haltung avancierten, erörtert Cowperthwaite die Begleitumstände, die zum gegenwärtigen Status quo geführt haben. Die Schuld, das zeigt sich für den Betrachter zumindest, liegt letztendlich bei allen (menschlichen) Beteiligten.

“This is the worst thing I’ve ever done”, blickt John Crowe zurück auf jene Zeit, als er und andere Schwertwaljunge ihren Eltern entrissen und an Freizeitparks verkauft haben. Als man dies in den USA verbot, fing man die Orcas eben in Islands Gewässern. So wie Tilikum, der seine Freiheit 1983 im Alter von zwei Jahren aufgeben musste. Stattdessen erwartete ihn eine Zukunft voller kleiner Bassins. “The Orcas were immobile for the most part”, bestätigt Steve Huxter, ein ehemaliger Direktor von SeaWorld. Tilikum selbst, mit 7 Meter Länge und einem Gewicht von 5.400 Kilogramm der größte Orca in Gefangenschaft, wurde meist isoliert gehalten, da die Tiere von den Weibchen geführt werden und er ein großes Opfer darstellte.

Die selbstkritische Einsicht von Crowe lassen viele der ehemaligen Orca-Trainer leider vermissen. “I always thought you needed, like, a masters degree in marine biology to be a trainer”, gesteht Kim Ashdown. Stattdessen musste man nur Individualität besitzen und gut schwimmen können. “I really know nothing about killer whales”, sagt auch Ex-Trainerin Samantha Berg. Oft stammen die Orca-Trainer aus dem Mittleren Westen oder der Ostküste der USA. Aber wirklich eine Ahnung von den Tieren, mit denen sie jeden Tag arbeiteten, hatte keiner. Eine Beziehung zu ihnen, so ihr Glaube, dagegen schon. “A very personal relationship”, sagt Trainer John Jett und sein Kollege Mark Simmons nennt sie sogar: “A relationship like I never had.”

Dass die Behandlung der Tiere inhuman ist oder ein Risiko existiert, kam den meisten von ihnen scheinbar nicht in den Kopf. Und wieso auch, gibt es doch keine wirklichen Aufzeichnungen von Schwertwalangriffen auf Menschen in freier Wildbahn. “They’re amazingly friendly and understanding”, sagt Schwertwalforscher Howard Garrett. “Everything about them is social”, versichert Neurologin Lori Marino. “Everyhing.” Wenn Tilikum also Menschen tötet, dann “because he’s frustrated”. Und wer will es einem Tier verdenken, das fast 30 Jahre lang in Gefangenschaft für Kunststücke herhalten muss? Die Schuld trägt somit, das ist der klare Standpunkt von Cowperthwaites Blackfish, der Erlebnispark SeaWorld mit seiner Haltung der Orca-Wale.

Damit macht es sich der Film natürlich leicht, gerade die Trainer, die Jahre lang selbst vor Ort waren und erst Probleme haben, als ein Todesfall zu beklagen ist. Ein menschlicher natürlich. Ob es für die Erkenntnis, dass die Arbeit mit von Natur aus wilden Raubtieren zum einen Gefahren bergen könnte und zum anderen unmenschlich gegenüber den Tieren ist, eine Dokumentation gebraucht hat, sei dahingestellt. Wie im Falle von Head Games scheint hier speziell in den USA Aufklärung von Nöten. So bietet Blackfish abgesehen von einem Plädoyer gegen Wildtierhaltung und einer Aufarbeitung tödlicher Attacken durch Tilikum und andere Schwertwale aber nicht genug, um eine ähnliche Tragweite wie The Cove zu erlangen.

6.5/10

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