Wer aus der Masse herausragen will, muss anders als die Masse sein. Das ist im Filmfach nicht anders als in der menschlichen Soziologie. Gerade in Genre-Werken kann Individualismus zum Alleinstellungsmerkmal führen. Im Falle eines Zombie-Films heißt das, eben nicht so zu sein, wie jeder andere Zombie-Film. Auch wenn man dadurch womöglich die Fans jenes Genres vergrätzt, die besonders dessen klassische Elemente schätzen. Henry Hobson, der für die Titelsequenz des geschätzten PlayStation-Spiels The Last of Us verantwortlich ist, hat mit Maggie nun einen Zombie-Film abgeliefert, der durchaus anders ist als der klassische Zombie-Film. Und das nicht nur, weil Arnold Schwarzenegger eine der Hauptrollen in diesem übernimmt.
Was in den 80er Jahren vermutlich ein feuchter Traum jedes Filmfans gewesen wäre, ist in Zeiten der Post-Gouverneur-Phase des Österreichers eher ein Nischenprodukt. Schwarzenegger spielt Wade, einen Farmer, der zu Beginn in die Stadt fährt, um seine Tochter Maggie, gespielt von Abigail Breslin, abzuholen, nachdem diese von einem Zombie gebissen wurde. Wider den Genre-Gepflogenheiten mutieren die Menschen hier nicht sofort oder über Nacht in die wandelnden Toten, sondern schleichend über Wochen. “Quarantine is eight weeks in”, gibt Maggies Arzt ihrem Vater mit auf dem Weg als er sie entlässt. Mit dem Hinweis: ”Say your goodbyes.” Was folgt, ist also ein Abschied auf Raten. Im Wissen um das, was die Zukunft bringt.
Vorbei an brennenden Feldern, leeren Straßen und verlassenen Tankstellen geht es für Wade und Maggie zurück nach Hause. Dort werden die beiden kleinen Halbgeschwister bis zum Tod der Schwester zur Tante weitergereicht. Die Zombie-Epidemie wird als solche in Maggie nur angerissen. Ein Junge in seiner Klasse sei ebenfalls infiziert gewesen, berichtet Maggie ihr kleiner Bruder. “I didn’t like him much, but I didn’t think he deserved to die”, sagt er, ehe er sich verabschiedet. Weitaus schwerer als Wade tut sich Maggies Stiefmutter (Joely Richardson) mit dem Familiengast auf Zeit. Man arrangiert sich, alle drei. Auch dann, als die Infektion ins nächste Stadium übergeht und Maggie scheinbar ein Finger abstirbt. Und diese ihn daraufhin amputiert.
Wie sich die Jugendliche infizierte wird nicht genauer erklärt, genauso wenig ihre Vorgeschichte mit ihrer Familie. Sie muss sich nun mit ihrem Schicksal arrangieren, was umso schwerer fällt, als sie sich abends mit ihren alten Freunden an einem Lagerfeuer trifft. Die Folgen des Virus nimmt Hobson quasi im Vorbeigehen mit. Kaum eine Figur, die nicht Menschen verloren hat. Dabei sind Zombies selbst eine eher unscheinbare Präsenz im Film. Aber wenn, eine gewichtige. So als Wade eines Tages seinem Nachbarn begegnet. “Nathan… say something”, fleht Schwarzenegger fast um einen Rest von Menschlichkeit in seinem Gegenüber, dessen Tochter er einst beaufsichtigte. Zugleich bietet ihm der Nachbar einen Blick in die Zukunft von Maggie.
Drei Optionen habe Wade für seine Tochter, klärt Wade sein Hausarzt auf. Die Quarantäne ist für den Vater dabei außen vor, das macht er auch dem befreundeten Sheriff klar, der ab und an das Gelände besucht. “I promised your mother that I’d protect you”, sagt Wade zu Maggie – im Wissen, dass er im Grunde schon versagt hat. Alternativ zu Option Eins könne Wade seiner Tochter selbst den tödlichen Cocktail verabreichen, der enorm schmerzvoll sei – selbst für Infizierte, die keinen Schmerz mehr spüren. “What’s option three?”, fragt Wade und scheint die Antwort bereits zu kennen. Unterdessen verschlechtert sich Maggies Zustand, ihre Augen werden immer milchiger, Maden nisten sich langsam in ihrer Wunde ein, die zu verwesen beginnt.
Im weitesten Sinne ist Maggie weniger Zombie-Horror als ein Familiendrama. Hobson erzählt seine Geschichte in überaus ruhigen Bildern, ein Tempo, dem sich auch Breslin und Schwarzenegger in ihrem Spiel anpassen. Gerade der alternde Hollywood-Star hinterlässt dabei einen starken Eindruck durch ein enorm nuanciertes Spiel, in dem Hobson oftmals darauf verzichtet, dem Österreicher überhaupt Dialogzeilen zu schenken. In der Regel greift Schwarzenegger also schlicht auf sorgenvolle Blicke zurück, umspielt seine Lippen mit einem leichten Lächeln, schenkt seinem Gegenüber einen warmen Händedruck. Schauspielerisch hat man Arnold Schwarzenegger selten besser gesehen, das ist auch einer von Henry Hobsons Verdiensten in Maggie.
Abigail Breslin und Joely Richardson stehen dem in nichts nach und komplettierten eine überzeugende Leistung des Ensembles. Beeindruckend gerät auch die ganze Atmosphäre des Films, die durchaus an The Last of Us erinnert, nicht nur weil John Scott hier die Geschichte einer Jugendlichen und ihres väterlichen Begleiters in einer Zombie-infizierten Welt erzählt. In David Wingos musikalischem Theme schwingt jene Melancholie mit, die die Welt in Maggie heimgesucht hat. Lukas Ettlins Bilder wiederum fangen genug Postapokalypse ein, um dem Zuschauer einen Eindruck von dieser zu geben, kontrastiert dies gleichzeitig aber geschickt mit warmen Bildern von Wades Farm, die eine Idee von einer besseren, glücklicheren Zeit vermitteln.
Im Grunde könnte Maggie statt von einem Zombie-Virus – der im Film “Necro-Ambulant” betitelt wird – genauso gut ein Aids- oder sonstigen Viren-Drama sein. Eine unheilvolle Infektion, die das Leben des Betroffenen aus den Fugen reißt und auf lange Sicht nur im Tod enden kann, was wiederum eine Trauerstimmung über Freunde und Familie legt. Dies macht sich Hobson hier zum Thema, für den Zombie an sich interessiert sich sein Film nahezu kaum. Stattdessen geht es um das Zwischenmenschliche und welche Folgen die Epidemie für Infizierte und designierte Hinterbliebene hat. So wie im Falle von Wades Sohn und dessen Schulkamerad, Nachbar Nathan oder einem von Maggies Freunden, der ebenfalls wie sie zu den Infizierten gehört.
Fans des klassischen Zombie-Films, die womöglich gehofft hatten, dass Schwarzenegger in bester 80er-Jahre-Arnie-Manier hier Zombie-Herden mit dem MG niedermäht und Gehirn mittels Baseballschlägen, die auf Schädel treffen, an die Wände verteilt, werden sicherlich nur wenig Gefallen an Maggie finden (nicht, dass es keine Arnold-Zombie-Konfrontationen gibt). Maggie ist kein gewöhnlicher Zombie-Film, sondern außergewöhnlich. Als Folge dessen ragt Hobsons Film aus seinem Genre heraus und gewinnt obendrein eine Strahlkraft, die ihn auch über die Genregrenzen hinaus auszeichnen. Insofern ist Maggie nicht nur ein besonders starker Vertreter des Zombie-Films, sondern auch des filmischen Jahrgangs 2015 allgemein.
Was in den 80er Jahren vermutlich ein feuchter Traum jedes Filmfans gewesen wäre, ist in Zeiten der Post-Gouverneur-Phase des Österreichers eher ein Nischenprodukt. Schwarzenegger spielt Wade, einen Farmer, der zu Beginn in die Stadt fährt, um seine Tochter Maggie, gespielt von Abigail Breslin, abzuholen, nachdem diese von einem Zombie gebissen wurde. Wider den Genre-Gepflogenheiten mutieren die Menschen hier nicht sofort oder über Nacht in die wandelnden Toten, sondern schleichend über Wochen. “Quarantine is eight weeks in”, gibt Maggies Arzt ihrem Vater mit auf dem Weg als er sie entlässt. Mit dem Hinweis: ”Say your goodbyes.” Was folgt, ist also ein Abschied auf Raten. Im Wissen um das, was die Zukunft bringt.
Vorbei an brennenden Feldern, leeren Straßen und verlassenen Tankstellen geht es für Wade und Maggie zurück nach Hause. Dort werden die beiden kleinen Halbgeschwister bis zum Tod der Schwester zur Tante weitergereicht. Die Zombie-Epidemie wird als solche in Maggie nur angerissen. Ein Junge in seiner Klasse sei ebenfalls infiziert gewesen, berichtet Maggie ihr kleiner Bruder. “I didn’t like him much, but I didn’t think he deserved to die”, sagt er, ehe er sich verabschiedet. Weitaus schwerer als Wade tut sich Maggies Stiefmutter (Joely Richardson) mit dem Familiengast auf Zeit. Man arrangiert sich, alle drei. Auch dann, als die Infektion ins nächste Stadium übergeht und Maggie scheinbar ein Finger abstirbt. Und diese ihn daraufhin amputiert.
Wie sich die Jugendliche infizierte wird nicht genauer erklärt, genauso wenig ihre Vorgeschichte mit ihrer Familie. Sie muss sich nun mit ihrem Schicksal arrangieren, was umso schwerer fällt, als sie sich abends mit ihren alten Freunden an einem Lagerfeuer trifft. Die Folgen des Virus nimmt Hobson quasi im Vorbeigehen mit. Kaum eine Figur, die nicht Menschen verloren hat. Dabei sind Zombies selbst eine eher unscheinbare Präsenz im Film. Aber wenn, eine gewichtige. So als Wade eines Tages seinem Nachbarn begegnet. “Nathan… say something”, fleht Schwarzenegger fast um einen Rest von Menschlichkeit in seinem Gegenüber, dessen Tochter er einst beaufsichtigte. Zugleich bietet ihm der Nachbar einen Blick in die Zukunft von Maggie.
Drei Optionen habe Wade für seine Tochter, klärt Wade sein Hausarzt auf. Die Quarantäne ist für den Vater dabei außen vor, das macht er auch dem befreundeten Sheriff klar, der ab und an das Gelände besucht. “I promised your mother that I’d protect you”, sagt Wade zu Maggie – im Wissen, dass er im Grunde schon versagt hat. Alternativ zu Option Eins könne Wade seiner Tochter selbst den tödlichen Cocktail verabreichen, der enorm schmerzvoll sei – selbst für Infizierte, die keinen Schmerz mehr spüren. “What’s option three?”, fragt Wade und scheint die Antwort bereits zu kennen. Unterdessen verschlechtert sich Maggies Zustand, ihre Augen werden immer milchiger, Maden nisten sich langsam in ihrer Wunde ein, die zu verwesen beginnt.
Im weitesten Sinne ist Maggie weniger Zombie-Horror als ein Familiendrama. Hobson erzählt seine Geschichte in überaus ruhigen Bildern, ein Tempo, dem sich auch Breslin und Schwarzenegger in ihrem Spiel anpassen. Gerade der alternde Hollywood-Star hinterlässt dabei einen starken Eindruck durch ein enorm nuanciertes Spiel, in dem Hobson oftmals darauf verzichtet, dem Österreicher überhaupt Dialogzeilen zu schenken. In der Regel greift Schwarzenegger also schlicht auf sorgenvolle Blicke zurück, umspielt seine Lippen mit einem leichten Lächeln, schenkt seinem Gegenüber einen warmen Händedruck. Schauspielerisch hat man Arnold Schwarzenegger selten besser gesehen, das ist auch einer von Henry Hobsons Verdiensten in Maggie.
Abigail Breslin und Joely Richardson stehen dem in nichts nach und komplettierten eine überzeugende Leistung des Ensembles. Beeindruckend gerät auch die ganze Atmosphäre des Films, die durchaus an The Last of Us erinnert, nicht nur weil John Scott hier die Geschichte einer Jugendlichen und ihres väterlichen Begleiters in einer Zombie-infizierten Welt erzählt. In David Wingos musikalischem Theme schwingt jene Melancholie mit, die die Welt in Maggie heimgesucht hat. Lukas Ettlins Bilder wiederum fangen genug Postapokalypse ein, um dem Zuschauer einen Eindruck von dieser zu geben, kontrastiert dies gleichzeitig aber geschickt mit warmen Bildern von Wades Farm, die eine Idee von einer besseren, glücklicheren Zeit vermitteln.
Im Grunde könnte Maggie statt von einem Zombie-Virus – der im Film “Necro-Ambulant” betitelt wird – genauso gut ein Aids- oder sonstigen Viren-Drama sein. Eine unheilvolle Infektion, die das Leben des Betroffenen aus den Fugen reißt und auf lange Sicht nur im Tod enden kann, was wiederum eine Trauerstimmung über Freunde und Familie legt. Dies macht sich Hobson hier zum Thema, für den Zombie an sich interessiert sich sein Film nahezu kaum. Stattdessen geht es um das Zwischenmenschliche und welche Folgen die Epidemie für Infizierte und designierte Hinterbliebene hat. So wie im Falle von Wades Sohn und dessen Schulkamerad, Nachbar Nathan oder einem von Maggies Freunden, der ebenfalls wie sie zu den Infizierten gehört.
Fans des klassischen Zombie-Films, die womöglich gehofft hatten, dass Schwarzenegger in bester 80er-Jahre-Arnie-Manier hier Zombie-Herden mit dem MG niedermäht und Gehirn mittels Baseballschlägen, die auf Schädel treffen, an die Wände verteilt, werden sicherlich nur wenig Gefallen an Maggie finden (nicht, dass es keine Arnold-Zombie-Konfrontationen gibt). Maggie ist kein gewöhnlicher Zombie-Film, sondern außergewöhnlich. Als Folge dessen ragt Hobsons Film aus seinem Genre heraus und gewinnt obendrein eine Strahlkraft, die ihn auch über die Genregrenzen hinaus auszeichnen. Insofern ist Maggie nicht nur ein besonders starker Vertreter des Zombie-Films, sondern auch des filmischen Jahrgangs 2015 allgemein.
7.5/10
Klingt sehr, sehr gut. Könnte mir auch vorstellen, dass der Film bei mir die richtigen Knöpfe drückt. Also schätze ich mal auf 9 Punkte in meiner Skala... ;)
AntwortenLöschenWerde ich definitiv nachholen, danke für den Tipp!
Ja, ein sehr gelungener Film – zumindest für mich, gibt auch viele weniger gute Stimmen.
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