Wenn die Gesellschaft dir den Rücken zukehrt, drehst du der Gesellschaft ebenfalls den Rücken zu. Ganz getreu nehmen es die Einwohner von Uncertain, Texas nicht mit der Philosophie von Timon aus The Lion King. Und doch bleiben sie weitestgehend für sich, in ihrem 94-Seelen-Dorf am Caddo Lake, der in den benachbarten Bundesstaat Louisiana übergeht. Dies sorgt wiederum dafür, dass sich Menschen mit juristischen Problemen über den See nach Uncertain aufmachen. “Uncertain is a good place to hide”, weiß der lokale Sheriff Tom McCool. Auch die drei Protagonisten in Uncertain, dem Dokumentarfilm von Anna Sandilands und Ewan McNicol, haben bereits ihre Erfahrungen mit dem Gesetz gemacht. Und ihre Lehren daraus gezogen.
Zum Beispiel Henry Lewis, der einst im Streit einen jungen Mann erschoss und nun mit dem Gedanken hadert, womöglich im Jenseits nicht mit seiner Familie vereint zu werden. Er wisse, er hat viel Schlechtes in seinem Leben getan. Aber es sei auch viel Gutes darunter gewesen, sinniert der alternde Mann gegen Ende. Ebenfalls geläutert gibt sich Wayne Smith. Der ehemalige Junkie hat viele Jahre im Gefängnis verbracht, unter anderem weil er einem jungen Mann alkoholisiert bei einem Verkehrsunfall das Leben nahm. Heute teilt er sich mit seiner Frau in einem Trailer Park ein Wohnmobil und verbringt seine Nächte mit der Jagd auf Mr. Ed, einen hiesigen Eber. Er und seine Frau “built a life beyond anything we ever dreamed”, verrät Wayne.
So weit ist Zach Warren dagegen noch nicht. Der junge Diabetiker kämpft noch gegen seine Sucht an. Mit 21 gehe man in Uncertain in Rente, erzählt er eingangs. Denn dann gibt es in dem Örtchen nichts mehr für einen zu tun – außer sich zum Biertrinken in die lokale Bar zurückzuziehen. Uncertain, scheint es, ist kein Ort, um sich eine Zukunft aufzubauen. Sondern um seine Vergangenheit zu vergessen. “Uncertain is not on the way to anywhere”, beschreibt Sheriff McCool. “You’re either got to know where you’re going or be lost to find it.” Das trifft es eigentlich ganz gut, um die Bevölkerung am Rande der Gesellschaft in dem überschaubaren See-Dorf zu skizzieren. Ein Platz von Vergessenen oder denjenigen, die vergessen (werden) wollen.
Aber zugleich, wie Sandilands und McNicols Film zeigt, ein Ort mit vielen faszinierenden Facetten. Nicht nur wegen des fantastischen Ortsnamens, der zu tollen Beschreibungen wie The Church of Uncertain und ähnlichem führt. Grundsätzlich zeigt uns Uncertain keine schlechten Menschen, eher das Gegenteil. Zach ist aufrichtig und sympathisch, aber eben auch ein Kind seiner Umstände. Seine Heimat hält keine Zukunft für ihn bereit jenseits der Bier-Bars, das weiß er selbst auch. Weshalb er im Verlauf einen Neuanfang in Austin versucht. Er muss wie Henry und Wayne lernen, mit sich selbst und seinen Dämonen fertig zu werden. Gerade Wayne scheint diese in seine an Moby Dick erinnernde Jagd auf seine Nemesis Mr. Ed zu projizieren.
An vielen Stellen erinnert Uncertain bisweilen an Errol Morris’ Vernon, Florida, wenn sich der Film diesen von der Gesellschaft eher belächelten Charakteren widmet. Es dürfte viele überraschen, wie zufrieden Wayne mit seiner Trailer-Park-Situation wirkt, bis er in der zweiten Hälfte der Doku von seinen dunkelsten Momenten erzählt. Sandilands und McNicol sind nah dran an ihren Figuren und überfrachten die Geschichte nicht mit zu vielen von ihnen. In gewisser Weise repräsentieren Henry, Wayne und Zach drei Generationen, was die Parallelen zwischen ihnen nur noch tragischer, aber zugleich optimistisch macht. Obschon ein weiblicher Blick auf den Ort nicht geschadet hätte, selbst wenn Zach moniert, es gäbe kaum Frauen in ihm.
Die Bewohner von Uncertain kämpfen für ihr Recht zu existieren. Das eint sie mit dem Caddo Lake, der von einer Schwimmfarn-Plage befallen ist, die ihn zu ersticken droht. Weshalb mit Lee Eisenberg eine der Nebenfiguren bemüht ist, Rüsselkäfer zu züchten, die dem Farn Einhalt gebieten können. Es bedarf Stärke, um in Uncertain zu bestehen. “Not that I may best my brother, but that I may defeat my greatest enemy, myself”, wie Wayne ein altes Sprichwort amerikanischer Ureinwohner zitiert. Auch wenn Uncertain sicher ein idealer Ort ist, um sich zu verstecken, so zeigt der Dokumentarfilm von Anna Sandilands und Ewan McNicol doch auch, dass es ein Ort ist, an dem es viel zu entdecken gibt. Man muss nur wissen, wie man ihn findet.
Zum Beispiel Henry Lewis, der einst im Streit einen jungen Mann erschoss und nun mit dem Gedanken hadert, womöglich im Jenseits nicht mit seiner Familie vereint zu werden. Er wisse, er hat viel Schlechtes in seinem Leben getan. Aber es sei auch viel Gutes darunter gewesen, sinniert der alternde Mann gegen Ende. Ebenfalls geläutert gibt sich Wayne Smith. Der ehemalige Junkie hat viele Jahre im Gefängnis verbracht, unter anderem weil er einem jungen Mann alkoholisiert bei einem Verkehrsunfall das Leben nahm. Heute teilt er sich mit seiner Frau in einem Trailer Park ein Wohnmobil und verbringt seine Nächte mit der Jagd auf Mr. Ed, einen hiesigen Eber. Er und seine Frau “built a life beyond anything we ever dreamed”, verrät Wayne.
So weit ist Zach Warren dagegen noch nicht. Der junge Diabetiker kämpft noch gegen seine Sucht an. Mit 21 gehe man in Uncertain in Rente, erzählt er eingangs. Denn dann gibt es in dem Örtchen nichts mehr für einen zu tun – außer sich zum Biertrinken in die lokale Bar zurückzuziehen. Uncertain, scheint es, ist kein Ort, um sich eine Zukunft aufzubauen. Sondern um seine Vergangenheit zu vergessen. “Uncertain is not on the way to anywhere”, beschreibt Sheriff McCool. “You’re either got to know where you’re going or be lost to find it.” Das trifft es eigentlich ganz gut, um die Bevölkerung am Rande der Gesellschaft in dem überschaubaren See-Dorf zu skizzieren. Ein Platz von Vergessenen oder denjenigen, die vergessen (werden) wollen.
Aber zugleich, wie Sandilands und McNicols Film zeigt, ein Ort mit vielen faszinierenden Facetten. Nicht nur wegen des fantastischen Ortsnamens, der zu tollen Beschreibungen wie The Church of Uncertain und ähnlichem führt. Grundsätzlich zeigt uns Uncertain keine schlechten Menschen, eher das Gegenteil. Zach ist aufrichtig und sympathisch, aber eben auch ein Kind seiner Umstände. Seine Heimat hält keine Zukunft für ihn bereit jenseits der Bier-Bars, das weiß er selbst auch. Weshalb er im Verlauf einen Neuanfang in Austin versucht. Er muss wie Henry und Wayne lernen, mit sich selbst und seinen Dämonen fertig zu werden. Gerade Wayne scheint diese in seine an Moby Dick erinnernde Jagd auf seine Nemesis Mr. Ed zu projizieren.
An vielen Stellen erinnert Uncertain bisweilen an Errol Morris’ Vernon, Florida, wenn sich der Film diesen von der Gesellschaft eher belächelten Charakteren widmet. Es dürfte viele überraschen, wie zufrieden Wayne mit seiner Trailer-Park-Situation wirkt, bis er in der zweiten Hälfte der Doku von seinen dunkelsten Momenten erzählt. Sandilands und McNicol sind nah dran an ihren Figuren und überfrachten die Geschichte nicht mit zu vielen von ihnen. In gewisser Weise repräsentieren Henry, Wayne und Zach drei Generationen, was die Parallelen zwischen ihnen nur noch tragischer, aber zugleich optimistisch macht. Obschon ein weiblicher Blick auf den Ort nicht geschadet hätte, selbst wenn Zach moniert, es gäbe kaum Frauen in ihm.
Die Bewohner von Uncertain kämpfen für ihr Recht zu existieren. Das eint sie mit dem Caddo Lake, der von einer Schwimmfarn-Plage befallen ist, die ihn zu ersticken droht. Weshalb mit Lee Eisenberg eine der Nebenfiguren bemüht ist, Rüsselkäfer zu züchten, die dem Farn Einhalt gebieten können. Es bedarf Stärke, um in Uncertain zu bestehen. “Not that I may best my brother, but that I may defeat my greatest enemy, myself”, wie Wayne ein altes Sprichwort amerikanischer Ureinwohner zitiert. Auch wenn Uncertain sicher ein idealer Ort ist, um sich zu verstecken, so zeigt der Dokumentarfilm von Anna Sandilands und Ewan McNicol doch auch, dass es ein Ort ist, an dem es viel zu entdecken gibt. Man muss nur wissen, wie man ihn findet.
6.5/10