19. Januar 2018

Porto

I feel like nothing of this can go wrong.

Liebesglück ist oft Momentabhängig. Manchmal muss man die richtige Person zur richtigen Zeit erwischen, damit der Funke überspringen kann. Eine Idee, die zuletzt nicht nur Tim Van Patten für die Black Mirror-Episode “Hang the DJ”, in der zwei junge Menschen sich über einen Online-Dating-Service finden, aber nicht sofort zusammenkommen, umsetzte. Und auch der Südkoreaner Hong Sang-soo widmete sich in seinem Right Now, Wrong Then der unterschiedlichen Entwicklung einer Bekanntschaft zweier Menschen. Im Taumel ihrer Gefühlswelt und als Spielball des Schicksals sieht sich auch die männliche Hauptfigur in Regisseur Gabe Klingers Spielfilmdebüt Porto.

Darin erzählt Klinger, ursprünglich Filmwissenschaftler, von einem One-Night-Stand zwischen Jake (Anton Yelchin) und Mati (Lucie Lucas) sowie den Folgen aus diesem für die Figuren. Die 32-jährige Archäologie-Studentin arbeitet auf einer Ausgrabungsstätte nahe der portugiesischen Küstenstadt Porto. Dort verdingt sich auch der 26-jährige Amerikaner mit einem Aushilfsjob. Auf der Heimfahrt und abends in einem Café begegnen sie sich zufällig wieder – und landen anschließend zusammen im Bett. Normalerweise tue sie sowas nicht, behauptet Mati auf dem Weg zu ihrer Wohnung noch, doch die Umstände sind dieses Mal anders. So hat es den Anschein.

Bis Klinger jenes Aufeinandertreffen zeigt, hat er das Scheitern der Romanze bereits vorweg genommen. Im Wechsel mit Rückblenden beginnt Porto nämlich mit dem Leben nach dem One-Night-Stand. Unterteilt in drei Kapitel widmet sich der Film anfangs einem gealterten Jake, wie er ziellos durch die Straßen Portos wandert – und dabei, wie sich herausstellen wird, Erinnerungsorte jener Nacht mit Mati abklappert. Ihr wiederum gehört das zweite Kapitel, in dem auch sie plötzlich vor jenem Restaurant steht, in dem sie einst mit Jake speiste. Ehe sie ihren Freund heiratete und eine Tochter mit ihm zeugte, obwohl sie – so sagte sie es Jake – ihre Freiheit bevorzuge.

“It doesn’t feel like a matter of choice”, erklärt Jake zu Beginn und später im Film erneut. “This is happening to us.” In gewisser Weise erzählen Gabe Klinger und sein Co-Autor Larry Gross eine Geschichte über Entscheidungen und deren Folgen. So war es ein Entschluss innerhalb eines Familienzwists, der dazu führte, dass Jake nun in Portugal lebt. Und dadurch Mati überhaupt erst kennenlernte. So wie deren Entschluss, ungeachtet der Nacht mit Jake nicht ihren Freund João (Paulo Calatré) zu verlassen, nur um Jahre später dennoch vor einer gescheiterten Ehe zu stehen. “You’ll be like me… alone”, sagt Matis Mutter (Françoise Lebrun) ihr später voraus. “And you’ll regret it.”

Das gemeinsame Unglück nach der einst geteilten Passion macht aus Jake und Mati aber noch lange keine “star-crossed lovers”. Sie versichert ihm, sie habe normal keine One-Night-Stands – was diesem etwas Besonders verleiht. Naturgemäß zeigt sich Jake dann überrascht, wenn plötzlich am nächsten Tag João vor ihm steht, nachdem er in Matis Abwesenheit nach deren jüngstem Umzug als Liebesdienst ein Regal für sie aufgebaut hat. Weitere Besuche blockt Mati fortan ab, was an der Besitzergriffenheit des Amerikaners wenig ändert. Bis dieser gar handgreiflich wird. “It’s like you’re a different person!”, entfährt es ihm zurecht. Doch trifft dies auch auf ihn zu.

Erst im dritten Kapitel, das die gesamte zweite Filmhälfte ausmacht, präsentiert Klinger dem Zuschauer die Begegnung der Figuren in Gänze. Von einer atmosphärisch dichten Szene im Nebel auf Matis Ausgrabung hin zu jenen Stunden, in denen Jake später die gebürtige Französin von einem Orgasmus zum nächsten vögelt. Als visuelle Spielerei und deutlichstes Merkmal filmt Klinger die Kapitel und Momente in verschiedenen Filmformaten, von der trüben Zukunft in Super 8 über vereinzelte 16-mm-Aufnahmen hin zum finalen Schlussakt in 35 mm. Einen Zugang zu seinen Figuren vermittelt der Film dabei leider jedoch wenig bis keinen.

Er liebe sie, versichert Jake nach wenigen Stunden stürmischer Liebelei. Und sie liebe ihn auch, versichert Mati zurück. Dabei scheint er vielmehr einfach nur vereinnahmt von einer attraktiven, gebildeten Frau, die sich körperlich zu ihm hingezogen fühlt, während Mati an Jake womöglich allenfalls das Mysteriöse reizt. Wo Hong Sang-soo nuanciert aufzeigt, wie sich das Verhalten in Einzelmomenten auf unser Verhältnis zu einer anderen Person in Gänze auswirken kann, vermisst man ein solches Feingefühl bei Klinger. Weshalb die Affäre zwischen Jake und Mati auch keine Emotion entfaltet, selbst wenn Jake immerzu bedeutungsschwanger eine solche impliziert.

Von der interessanten Figurenzeichnung und atmenden Atmosphäre eines Jim Jarmusch, der hier als ausführender Produzent fungiert, fehlt Porto letztlich einiges. Entweder müsste Klinger seine Charaktere oder aber die Handlung stärken, statt sich audiovisuell ans europäische Arthouse-Kino anzubiedern. Dabei wirkt der Wechsel der Filmformate für die Segmente genauso unausgegoren wie so vieles. Immerhin funktioniert der Film bei mehrmaliger Sichtung etwas besser, selbst wenn ich weit entfernt bin, wie Jake zu sagen: “I understand completely.” Vielleicht muss man Porto ja auch nur zum richtigen Zeitpunkt sehen, um sich doch in ihn zu verlieben.

5/10

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