So viele bekannte Persönlichkeiten der Zeitgeschichte es gibt, so wenige haben die Geschichte davon wirklich geprägt. Mohandas Gandhi zählte nicht dazu, war er nicht nur ein essentieller Bestandteil für die Unabhängigkeit von (Britisch-)Indien im Jahr 1947, sondern mit seiner friedvollen Satyagraha-Bewegung als Form des nichtkooperativen zivilen Ungehorsams zugleich Inspiration für andere historische Personen wie Reverend Dr. Martin Luther King Jr., Nelson Mandela, den Dalai Lama und Barack Obama. Ein Charakter, wie geschaffen für eine epische Filmbiografie, auch wenn es einige Jahre dauern sollte, ehe Regisseur Richard Attenborough schließlich im Jahr 1982 endlich mit Gandhi sein filmisches Denkmal in die Kinos bringen konnte.
Der Lohn waren stolze acht Oscars, darunter als Bester Film sowie verdientermaßen für Ben Kingsley, der in die großen Fußstapfen des Mannes, der sich später den Zunamen „Mahatma“ verdiente, trat. Wie viele klassische Biopics beginnt Gandhi seine Geschichte dabei am Ende und läutet den Film mit dem tödlichen Attentat auf Mohandas Gandhis (Ben Kingsley) Leben am 30. Januar 1948 ein. Die eigentliche Erzählung steigt kurz darauf 55 Jahre zuvor ein, als Gandhi während einer Zugreise im südafrikanischen Pietermaritzburg aufgrund seiner Hautfarbe der ersten Klasse und letztlich des Zuges verwiesen wird. Die erste Begegnung mit einer Diskriminierung der indischen Bevölkerung, die den Stein zum Anstoß für sein Handeln gibt.
Vor Ort schließt sich Gandhi mit dem Indischen Nationalkongress zusammen, protestiert gegen unterdrückende Gesetze und legt sich mit dem Regierungsapparat an. Ein Einsatz für sein Volk, der sich bei seiner viele Jahre später erfolgenden Rückkehr 1914 nach Indien bezahlt macht. Die Partei um ihre Mitglieder wie Jawaharlar Nehru (Roshan Seth) schickt Gandhi auf eine Reise durch das Land, um ein Gefühl für das Anliegen der Bevölkerung zu gewinnen. “You will see what needs to be said. What we need to hear”, kriegt der damals 45-jährige Heimkehrer mit auf den Weg. Gandhi soll zu diesem Zeitpunkt bereits Swaraj, die Selbstverwaltung der Inder, angestrebt haben – auch wenn Attenborough das nicht betont.
Über seine Laufzeit von mehr als drei Stunden hinweg geriert sich Gandhi dabei im Kern als eine Art „Best of“ auf dem Weg zu dieser Selbstverwaltung. Neben den ersten aktivistischen Bemühungen in Südafrika und der Reise-Montage durch Indien hangelt sich Attenborough neben den etwaigen Inhaftierungen Gandhis über das Massaker von Amritsar in 1919 hin zum berühmten Salzmarsch in 1930 und letztlich der Unabhängigkeit Indiens im Verbund mit den Unruhen zwischen hinduistischer und arabischer Bevölkerung, die in der Gründung Pakistans gipfeln. Hierbei fällt der Film – was vermutlich nur konsequent ist – mitunter etwas zu hagiografisch aus, mit wenig Raum für Kritik an der Heiligen-Legende von Mahatma Gandhi.
Attenborough zeichnet das Bild der politischen Figur und nicht des Menschen Gandhi. In dessen Persönlichkeit erhalten wir nur wenig Einblick, seine Familie um die vier Kinder spart der Film beispielsweise nahezu ganz aus. Dabei hatte Gandhi gerade zu seinem ältesten Sohn Haribal ein schwieriges Verhältnis, aber auch positive Auswirkungen auf seine Enkel wie Ramchandra Gandhi, Arun Gandhi oder dessen Schwester Ela Gandhi, die allesamt ebenfalls als Aktivisten auftraten und -treten. Genauso drängt der Film bisweilen Gandhis Frau Kasturba (Rohini Hattangadi) und ihre Beziehung in den Hintergrund, trotz der streckenweise turbulenten Ehe, welche die beiden mit 13 Jahren zwangsverheirateten Liebenden ihr Leben lang einte.
Für Richard Attenborough war Gandhi ein Passions-Projekt, dessen Umsetzung ihn viele Jahre kostete. Dies mag entschuldigen, wieso sich der Film nicht allzu sehr für Kritik an seiner Figur interessiert, insofern der britische Regisseur überhaupt bereit gewesen wäre, diese einzugestehen. Im Fokus steht das Erreichen der Unabhängigkeit mittels Ahimsa, dem hinduistischen Prinzip der Gewaltlosigkeit, der sich Gandhis Satyagraha verschreibt. “Through our pain we will make them see their injustice”, lautete seine Botschaft, angelehnt an das christliche Hinhalten der anderen Backe (Mt 5, 39). Inwieweit diese als universell angesehen werden kann und nicht vielleicht eher ein Ideal ist, bleibt bei Attenborough außen vor.
So war Gandhi seiner Zeit der Ansicht, die Juden hätten im Holocaust den Märtyrertod sterben sollen, um damit auf die Ungerechtigkeit ihrer Täter hinzuweisen. Und schrieb selbst Hitler, um an ihn zu appellieren. Im Fall der Nazis mag man dies als naiv erachten, für die Methoden von Gandhi in Südafrika und Indien sowie in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eines Dr. King waren sie durchaus zielführend. “Why should we not walk on the pavement like other men?”, fragt ein junger Gandhi da eingangs in Südafrika – und findet darin die Geburt jenes Mannes, von dem sie später sagen würden: “He bows to all and despises none.” Auf seine Weise zeichnet Attenborough jenes Heiligenbild von Gandhi, das dieser anstrebte.
Der Film gerät dabei trotz etwaiger Auslassungen wie Gandhis Rolle im 2. Burenkrieg oder seines Studiums in England eine Spur zu lang. Da mag es etwas irritieren, dass die Handlung zusätzlich durch Auftritte von Figuren wie der Fotografin Margaret Bourke-White (Candice Bergen) oder dem (fiktiven) Journalisten Vince Walker (Martin Sheen) aufgebläht wird, die der Film prinzipiell nicht nötig hätte. Außer, das zum Großteil aus Indern bestehende Ensemble mit ein paar bekannten weißen Gesichtern aufzupeppen. Obwohl wir von diesen mit britischen Charakteren wie dem Pfarrer Charles F. Andrews (Ian Charleson) oder Brigade-General Reginald Dyer (Edward Fox), jenem „Schlächter von Amritsar“, eigentlich doch ausreichend sehen.
Aus heutiger Sicht lassen sich in Gandhi zudem einige Parallelen zu anderen historischen Ereignissen erkennen. “Without a paper, a journal of some kind, you cannot unite a community”, hatte Gandhi in Südafrika einst die Rolle einer Zeitung für das Anliegen der Inder vor Ort hervorgehoben. In gewisser Weise mag man in der Bedeutung von Social-Media-Diensten wie Twitter für den Arabischen Frühling von 2010 eine ähnliche Funktion von Medien sehen. Auch Ähnlichkeiten zu Jesus Christus, der wie Gandhi – sowie später auch Nelson Mandela – für seinen friedvollen, aber grundsätzlich revolutionären, Einsatz einer unterdrückten Bevölkerungsschicht inhaftiert wurde, sind neben dessen Satyagraha-Ansatz praktisch offensichtlich erkenntlich.
In seiner Summe bietet Gandhi somit einen guten, wenn auch nicht umfassenden (oder absolut authentischen) Einblick in das Schaffen Gandhis. Auch wenn wir der Person selbst nicht wirklich näher kommen. Gekonnt von Richard Attenborough inszeniert und überzeugend vom Ensemble gespielt, funktioniert der Film vor allem aufgrund des aufopferungsvollen und starken Spiels von Ben Kingsley, der ganz in seiner Rolle verschwindet. „Ich weiß, daß ich einen schwierigen Weg vor mir habe. Ich muss mich selbst zur Null machen“, diktierte der inhaftierte Gandhi 1924 seinem Vertrauten Charles F. Andrews als seine Autobiografie. Jene Demut war es, die Mohandas Gandhi auszeichnete und andere große Persönlichkeiten später inspirieren würde.
Der Lohn waren stolze acht Oscars, darunter als Bester Film sowie verdientermaßen für Ben Kingsley, der in die großen Fußstapfen des Mannes, der sich später den Zunamen „Mahatma“ verdiente, trat. Wie viele klassische Biopics beginnt Gandhi seine Geschichte dabei am Ende und läutet den Film mit dem tödlichen Attentat auf Mohandas Gandhis (Ben Kingsley) Leben am 30. Januar 1948 ein. Die eigentliche Erzählung steigt kurz darauf 55 Jahre zuvor ein, als Gandhi während einer Zugreise im südafrikanischen Pietermaritzburg aufgrund seiner Hautfarbe der ersten Klasse und letztlich des Zuges verwiesen wird. Die erste Begegnung mit einer Diskriminierung der indischen Bevölkerung, die den Stein zum Anstoß für sein Handeln gibt.
Vor Ort schließt sich Gandhi mit dem Indischen Nationalkongress zusammen, protestiert gegen unterdrückende Gesetze und legt sich mit dem Regierungsapparat an. Ein Einsatz für sein Volk, der sich bei seiner viele Jahre später erfolgenden Rückkehr 1914 nach Indien bezahlt macht. Die Partei um ihre Mitglieder wie Jawaharlar Nehru (Roshan Seth) schickt Gandhi auf eine Reise durch das Land, um ein Gefühl für das Anliegen der Bevölkerung zu gewinnen. “You will see what needs to be said. What we need to hear”, kriegt der damals 45-jährige Heimkehrer mit auf den Weg. Gandhi soll zu diesem Zeitpunkt bereits Swaraj, die Selbstverwaltung der Inder, angestrebt haben – auch wenn Attenborough das nicht betont.
Über seine Laufzeit von mehr als drei Stunden hinweg geriert sich Gandhi dabei im Kern als eine Art „Best of“ auf dem Weg zu dieser Selbstverwaltung. Neben den ersten aktivistischen Bemühungen in Südafrika und der Reise-Montage durch Indien hangelt sich Attenborough neben den etwaigen Inhaftierungen Gandhis über das Massaker von Amritsar in 1919 hin zum berühmten Salzmarsch in 1930 und letztlich der Unabhängigkeit Indiens im Verbund mit den Unruhen zwischen hinduistischer und arabischer Bevölkerung, die in der Gründung Pakistans gipfeln. Hierbei fällt der Film – was vermutlich nur konsequent ist – mitunter etwas zu hagiografisch aus, mit wenig Raum für Kritik an der Heiligen-Legende von Mahatma Gandhi.
Attenborough zeichnet das Bild der politischen Figur und nicht des Menschen Gandhi. In dessen Persönlichkeit erhalten wir nur wenig Einblick, seine Familie um die vier Kinder spart der Film beispielsweise nahezu ganz aus. Dabei hatte Gandhi gerade zu seinem ältesten Sohn Haribal ein schwieriges Verhältnis, aber auch positive Auswirkungen auf seine Enkel wie Ramchandra Gandhi, Arun Gandhi oder dessen Schwester Ela Gandhi, die allesamt ebenfalls als Aktivisten auftraten und -treten. Genauso drängt der Film bisweilen Gandhis Frau Kasturba (Rohini Hattangadi) und ihre Beziehung in den Hintergrund, trotz der streckenweise turbulenten Ehe, welche die beiden mit 13 Jahren zwangsverheirateten Liebenden ihr Leben lang einte.
Für Richard Attenborough war Gandhi ein Passions-Projekt, dessen Umsetzung ihn viele Jahre kostete. Dies mag entschuldigen, wieso sich der Film nicht allzu sehr für Kritik an seiner Figur interessiert, insofern der britische Regisseur überhaupt bereit gewesen wäre, diese einzugestehen. Im Fokus steht das Erreichen der Unabhängigkeit mittels Ahimsa, dem hinduistischen Prinzip der Gewaltlosigkeit, der sich Gandhis Satyagraha verschreibt. “Through our pain we will make them see their injustice”, lautete seine Botschaft, angelehnt an das christliche Hinhalten der anderen Backe (Mt 5, 39). Inwieweit diese als universell angesehen werden kann und nicht vielleicht eher ein Ideal ist, bleibt bei Attenborough außen vor.
So war Gandhi seiner Zeit der Ansicht, die Juden hätten im Holocaust den Märtyrertod sterben sollen, um damit auf die Ungerechtigkeit ihrer Täter hinzuweisen. Und schrieb selbst Hitler, um an ihn zu appellieren. Im Fall der Nazis mag man dies als naiv erachten, für die Methoden von Gandhi in Südafrika und Indien sowie in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eines Dr. King waren sie durchaus zielführend. “Why should we not walk on the pavement like other men?”, fragt ein junger Gandhi da eingangs in Südafrika – und findet darin die Geburt jenes Mannes, von dem sie später sagen würden: “He bows to all and despises none.” Auf seine Weise zeichnet Attenborough jenes Heiligenbild von Gandhi, das dieser anstrebte.
Der Film gerät dabei trotz etwaiger Auslassungen wie Gandhis Rolle im 2. Burenkrieg oder seines Studiums in England eine Spur zu lang. Da mag es etwas irritieren, dass die Handlung zusätzlich durch Auftritte von Figuren wie der Fotografin Margaret Bourke-White (Candice Bergen) oder dem (fiktiven) Journalisten Vince Walker (Martin Sheen) aufgebläht wird, die der Film prinzipiell nicht nötig hätte. Außer, das zum Großteil aus Indern bestehende Ensemble mit ein paar bekannten weißen Gesichtern aufzupeppen. Obwohl wir von diesen mit britischen Charakteren wie dem Pfarrer Charles F. Andrews (Ian Charleson) oder Brigade-General Reginald Dyer (Edward Fox), jenem „Schlächter von Amritsar“, eigentlich doch ausreichend sehen.
Aus heutiger Sicht lassen sich in Gandhi zudem einige Parallelen zu anderen historischen Ereignissen erkennen. “Without a paper, a journal of some kind, you cannot unite a community”, hatte Gandhi in Südafrika einst die Rolle einer Zeitung für das Anliegen der Inder vor Ort hervorgehoben. In gewisser Weise mag man in der Bedeutung von Social-Media-Diensten wie Twitter für den Arabischen Frühling von 2010 eine ähnliche Funktion von Medien sehen. Auch Ähnlichkeiten zu Jesus Christus, der wie Gandhi – sowie später auch Nelson Mandela – für seinen friedvollen, aber grundsätzlich revolutionären, Einsatz einer unterdrückten Bevölkerungsschicht inhaftiert wurde, sind neben dessen Satyagraha-Ansatz praktisch offensichtlich erkenntlich.
In seiner Summe bietet Gandhi somit einen guten, wenn auch nicht umfassenden (oder absolut authentischen) Einblick in das Schaffen Gandhis. Auch wenn wir der Person selbst nicht wirklich näher kommen. Gekonnt von Richard Attenborough inszeniert und überzeugend vom Ensemble gespielt, funktioniert der Film vor allem aufgrund des aufopferungsvollen und starken Spiels von Ben Kingsley, der ganz in seiner Rolle verschwindet. „Ich weiß, daß ich einen schwierigen Weg vor mir habe. Ich muss mich selbst zur Null machen“, diktierte der inhaftierte Gandhi 1924 seinem Vertrauten Charles F. Andrews als seine Autobiografie. Jene Demut war es, die Mohandas Gandhi auszeichnete und andere große Persönlichkeiten später inspirieren würde.
8/10
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