“There is no spring without a winter”, erklärt uns Archy (Mark Strong) am Ende von RocknRolla und reflektiert damit nicht nur die zuvor gesehene Geschichte, sondern an sich auch die Karriere von Regisseur Guy Ritchie. Mit seinen beiden Erstlingswerken Lock, Stock & Two Smoking Barrels sowie Snatch gelang es diesem innerhalb von zwei Jahren zum angesagtesten Regisseur Großbritanniens zu avancieren. Dann kam die Ehe mit Madonna und der Karriereknick. Sein drittes Filmprojekt Swept Away, mit der Gattin in der Hauptrolle, war zum Scheitern verurteilt und stellte einen herben Wintereinbruch in Ritchies Sommermärchen dar. Revolver war ein erster zaghafter Schritt zurück ins Licht, und in RocknRolla fokussiert sich der Engländer auf das, was er am besten kann: Einen humoristischen Blick in die Unterwelt Londons zu werfen.
Hier verwebt Ritchie drei Geschichten miteinander: Da wäre zum einen Lenny (Tom Wilkinson), ein geldgieriger Kredithai, der London kontrolliert, weil Lenny jeden in London kontrolliert. Immer loyal an seiner Seite: Archy. Dieser ist für seine berüchtigten Ohrfeigen bekannt, seine bevorzugte Foltermethode. “Keep your receipts, cos this ain’t the Mafia”, gibt er seinen Jungs mit auf den Weg, als diese sich auf die Suche nach einem Bild machen. Nicht irgendein Bild, sondern das Glücksbild von Uri Omovich (Karel Roden) – einem russischen Oligarchen, der nicht von ungefähr an Roman Abramovich erinnert. Uri und Lenny machen einen Deal und der Russe hat Lenny als Zeichen des guten Willens jenen Bild überlassen. Doch als sich der Deal und die Rückgabe des Bildes in die Länge ziehen, wird die Beziehung beiden Männer zum Pulverfass.
Dass mit Lenny nicht zu Spaßen ist, weiß auch dessen Stiefsohn und Rockstar Johnny Quid (Tobey Kebbell), wurde er doch als Kind ins Internat abgeschoben. Um seine Ruhe zu haben und zugleich seine Plattenverkäufe anzukurbeln, hat Johnny mal wieder sein eigenes Ableben inszeniert und vertreibt sich in einem verfrackten Loft die Zeit, indem er jenes Bild bestaunt, dass Uri Lenny geliehen und Johnny Lenny gestohlen hat. Die letzten im Bunde sind The Wild Bunch. Eine Gruppe von Kleinkriminellen, die bei einem Immobiliendeal von Lenny „gefickt“ wurden. Nun haben One Two (Gerard Butler), Mumbles (Idris Elba) und Handsome Bob (Tom Hardy) nicht nur das Grundstück verloren, sondern auch noch Schulden bei Lenny. Daher willigt One Two ein, für Uris Buchhalterin Stella (Thandiwe Newton) unwissentlich einen von Lennys Geldtransporten zu überfallen.
Wo Ritchies ersten beiden Kinofilme den Mut besaßen, ihre simple und primitive Geschichte durch ihre Charaktere, Tempo und Wortwitz auszeichnen zu lassen, fehlen diese Aspekte in RocknRolla bisweilen. So wirken durch die sommerliche Platzierung die Bilder meist zu freundlich und aufgehellt, infolgedessen dann die ganze Atmosphäre weniger bedrohlich. Hinzu kommt, dass Ritchie seinen Heist-Film zu elegant daherkommen lässt. RocknRolla biedert sich zu sehr wie eine Mainstream-Version eines Films von Guy Ritchie an, weshalb es mitunter so wirkt, als würden sich Snatch und Match Point auf halber Strecke treffen. Alles verläuft zu reibungslos, ist zu einfach und wirkt dadurch weniger gefährlich. Nichts, womit The Wild Bunch nicht klar käme, keine Tendenzen, welche die ewigen Drahtzieher verraten würden.
Das größte Problem von RocknRolla jedoch ist die Tatsache, dass er zu selten Tempo aufnimmt. Zwar steht der Film sichtbar in der Tradition von Lock, Stock & Two Smoking Barrels und Snatch – nur vermisst er ihre Stärken. Es verwundert also nicht, dass gerade jene Szene den Höhepunkt des Filmes darstellt, die am meisten von Ritchies Eigenschaften zu transferieren weiß. Als One Two, Mumble und Handsome Bob ihren zweiten Geldtransporterüberfall durchziehen, beschenkt Ritchie sein Publikum mit einer brillanten sechsminütigen Heist-Szene, die alles besitzt, was Ritchie auszeichnet. Liebenswerte, schräge Figuren. Treffende Einzeiler. Tempo, Witz, Charme. Insbesondere Gerard Butler läuft hier zur Hochform auf. Es ist also weniger ein verhunztes Rezept, dass einem etwas sauer aufstößt. Das Fleisch schmeckt nicht schlecht, nur ist es ein wenig zu lang gebraten.
Nichtsdestotrotz ist RocknRolla ein gelungener Film, mit sympathischen Figuren in einem tollem Ensemble. Zudem genoss es Ritchie sichtlich, etwaige Filmreferenzen zu Jaws, Pulp Fiction, Terminator 2, The Italian Job und Hitchcock (das ominöse Bild fungiert als bloßer MacGuffin) in seine Geschichte einzubauen. Deren Herzstück ist wie so oft ihr Soundtrack. Egal ob „Bankrobber“ von The Clash, „I’m a Man“ von Black Strobe oder Wanda Jacksons „Funnel of Love” – im Grunde ist der gesamte Soundtrack außergewöhnlich und ein einziger 54-minütiger Ohrwurm. Wenn man also mit den richtigen Erwartungen in Guy Ritchies letztes Werk geht und keinen neuen Snatch erwartet, wird man Unterhaltung finden die zwar nicht meisterlich, aber überdurchschnittlich ist. Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer, aber Guy Ritchies Frühling hat sichtbar eingesetzt.
7/10
Hier verwebt Ritchie drei Geschichten miteinander: Da wäre zum einen Lenny (Tom Wilkinson), ein geldgieriger Kredithai, der London kontrolliert, weil Lenny jeden in London kontrolliert. Immer loyal an seiner Seite: Archy. Dieser ist für seine berüchtigten Ohrfeigen bekannt, seine bevorzugte Foltermethode. “Keep your receipts, cos this ain’t the Mafia”, gibt er seinen Jungs mit auf den Weg, als diese sich auf die Suche nach einem Bild machen. Nicht irgendein Bild, sondern das Glücksbild von Uri Omovich (Karel Roden) – einem russischen Oligarchen, der nicht von ungefähr an Roman Abramovich erinnert. Uri und Lenny machen einen Deal und der Russe hat Lenny als Zeichen des guten Willens jenen Bild überlassen. Doch als sich der Deal und die Rückgabe des Bildes in die Länge ziehen, wird die Beziehung beiden Männer zum Pulverfass.
Dass mit Lenny nicht zu Spaßen ist, weiß auch dessen Stiefsohn und Rockstar Johnny Quid (Tobey Kebbell), wurde er doch als Kind ins Internat abgeschoben. Um seine Ruhe zu haben und zugleich seine Plattenverkäufe anzukurbeln, hat Johnny mal wieder sein eigenes Ableben inszeniert und vertreibt sich in einem verfrackten Loft die Zeit, indem er jenes Bild bestaunt, dass Uri Lenny geliehen und Johnny Lenny gestohlen hat. Die letzten im Bunde sind The Wild Bunch. Eine Gruppe von Kleinkriminellen, die bei einem Immobiliendeal von Lenny „gefickt“ wurden. Nun haben One Two (Gerard Butler), Mumbles (Idris Elba) und Handsome Bob (Tom Hardy) nicht nur das Grundstück verloren, sondern auch noch Schulden bei Lenny. Daher willigt One Two ein, für Uris Buchhalterin Stella (Thandiwe Newton) unwissentlich einen von Lennys Geldtransporten zu überfallen.
Wo Ritchies ersten beiden Kinofilme den Mut besaßen, ihre simple und primitive Geschichte durch ihre Charaktere, Tempo und Wortwitz auszeichnen zu lassen, fehlen diese Aspekte in RocknRolla bisweilen. So wirken durch die sommerliche Platzierung die Bilder meist zu freundlich und aufgehellt, infolgedessen dann die ganze Atmosphäre weniger bedrohlich. Hinzu kommt, dass Ritchie seinen Heist-Film zu elegant daherkommen lässt. RocknRolla biedert sich zu sehr wie eine Mainstream-Version eines Films von Guy Ritchie an, weshalb es mitunter so wirkt, als würden sich Snatch und Match Point auf halber Strecke treffen. Alles verläuft zu reibungslos, ist zu einfach und wirkt dadurch weniger gefährlich. Nichts, womit The Wild Bunch nicht klar käme, keine Tendenzen, welche die ewigen Drahtzieher verraten würden.
Das größte Problem von RocknRolla jedoch ist die Tatsache, dass er zu selten Tempo aufnimmt. Zwar steht der Film sichtbar in der Tradition von Lock, Stock & Two Smoking Barrels und Snatch – nur vermisst er ihre Stärken. Es verwundert also nicht, dass gerade jene Szene den Höhepunkt des Filmes darstellt, die am meisten von Ritchies Eigenschaften zu transferieren weiß. Als One Two, Mumble und Handsome Bob ihren zweiten Geldtransporterüberfall durchziehen, beschenkt Ritchie sein Publikum mit einer brillanten sechsminütigen Heist-Szene, die alles besitzt, was Ritchie auszeichnet. Liebenswerte, schräge Figuren. Treffende Einzeiler. Tempo, Witz, Charme. Insbesondere Gerard Butler läuft hier zur Hochform auf. Es ist also weniger ein verhunztes Rezept, dass einem etwas sauer aufstößt. Das Fleisch schmeckt nicht schlecht, nur ist es ein wenig zu lang gebraten.
Nichtsdestotrotz ist RocknRolla ein gelungener Film, mit sympathischen Figuren in einem tollem Ensemble. Zudem genoss es Ritchie sichtlich, etwaige Filmreferenzen zu Jaws, Pulp Fiction, Terminator 2, The Italian Job und Hitchcock (das ominöse Bild fungiert als bloßer MacGuffin) in seine Geschichte einzubauen. Deren Herzstück ist wie so oft ihr Soundtrack. Egal ob „Bankrobber“ von The Clash, „I’m a Man“ von Black Strobe oder Wanda Jacksons „Funnel of Love” – im Grunde ist der gesamte Soundtrack außergewöhnlich und ein einziger 54-minütiger Ohrwurm. Wenn man also mit den richtigen Erwartungen in Guy Ritchies letztes Werk geht und keinen neuen Snatch erwartet, wird man Unterhaltung finden die zwar nicht meisterlich, aber überdurchschnittlich ist. Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer, aber Guy Ritchies Frühling hat sichtbar eingesetzt.
7/10
Hört sich ja doch recht gut an - sehen möchte ich den Film auf alle Fälle.
AntwortenLöschenbin doch überrascht wie gut der bei Dir ankam. ich hab ihn ausgelassen, klang für mich danach, als ob der film gefühlte zehn jahre zu spät kam.
AntwortenLöschenMir als Ritchie-Fan gefällt der Film natürlich und ich fand auch nicht, dass er zu spät kam, sondern im Gegenteil viel zu modern ist.
AntwortenLöschenMir hat er auch richtig gut gefallen. Ich kann halt auch nicht umhin, alle nachfolgenden Ritchie-Filme immer wieder mit Snatch oder Lock, Stock and Two Smoking Barrels zu vergleichen. Aber das ist vermutlich auch unfair, man darf nicht immer ein kleines Meisterwerk erwarten.
AntwortenLöschen@marcus: Auf keinen Fall kam der Film 10 Jahre zu spät, hast was verpasst, der Film macht schöne Andeutung an das heutige London (Russen und Preiswucher) und das mag ich.
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