Posts mit dem Label Marcia Gay Harden werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Marcia Gay Harden werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

19. April 2013

Meet Joe Black

In this world nothing can be said to be certain, except death and taxes.
(Benjamin Franklin)

Was der Mensch nicht versteht, dem verleiht er gern Gestalt – oft in humanoider Form. So wird die Entstehung aller Dinge einem Gott zugeschrieben, der uns nach seinem Ebenbild erschaffen hat (respektive vice versa). Obschon es in der Bibel heißt „Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen“ (Hiob 1,21) holt der Schöpfergott seine Kreationen beim Ableben dem Verständnis nach nicht selbst ab. Vielmehr ist es der Tod, der entsprechend eine allegorische Darstellung als Sensenmann oder blasse Gestalt in schwarzer Kutte erhält. Unvergessen ist seine Porträtierung durch Bengt Ekerot in Ingmar Bergmans Det sjunde inseglet, auch wenn Gevatter Tod wohl nie so sexy war wie in Meet Joe Black.

Gespielt von Hollywood-Star Brad Pitt, drei Jahre zuvor noch zum Sexiest Man Alive gekürt, macht es sich der Tod als Beau in der High Society bequem. Martin Brests Film basiert dabei auf dem italienischen Stück La morte in vacanza (1924) von Alberto Casella und behandelt im Prinzip dieselbe Thematik. Der Tod nimmt Urlaub von seinen Pflichten, um aus erster Hand zu erfahren, was das eigentlich ist: das Leben. Durch dieses soll ihn der Medienmogul Bill Parrish (Anthony Hopkins) führen, dessen Ableben sich ankündigt, durch das plötzliche Auftauchen des adretten „Joe Black“ (Brad Pitt) jedoch verzögert wird. Fortan probiert Joe alles aus, von Erdnussbutter bis zum Sex mit Parrishs Tochter Susan (Claire Forlani).

Die wiederum hatte mit dem blonden Schönling am Morgen seines Erscheinens noch munter geflirtet, ehe dieser zwecks Inanspruchnahme vom Tod ins Jenseits befördert wurde. Jenes erste Gefühl des Verliebtseins projiziert die gelernte Ärztin fortan auf den so einsilbigen wie naiven Joe – sehr zum Missmut von ihrem Vater sowie dessen rechter Hand und ihrem Freund Drew (Jake Weber). Und da Joe nicht mehr von Bills Seite weicht und dieser seinerseits eine Übernahme seiner Firma abschmettert, beginnt Drew ein Netz aus Intrigen zu spinnen. Alle Ereignisse laufen letztlich am Abend von Bills 65. Geburtstag zusammen, den seine älteste Tochter Allison (Marcia Gay Harden) in mühevoller Kleinarbeit geplant hat.

Relativ wenig passiert in Meet Joe Black, zumindest angesichts seiner epischen Länge von fast drei Stunden. Dennoch vermag Brests Film, so unausgereift die Handlung letztlich auch ausfällt, nie wirklich zu langweilen. Dass Susan ziemlich schnell Hals über Kopf Joe verfällt beziehungsweise dem Echo ihrer morgendlichen Begegnung, gerät ebenso in den Hintergrund wie die Frage, warum sich der Tod ausgerechnet Bill Parrish als Führer durchs Leben wählt. Denn wer eine Ahnung vom menschlichen Leben haben will, sucht sich vermutlich nicht repräsentativ einen One Percenter als Beispiel aus oder verbringt seine Zeit auf der Erde in den Mahagoni-Büros und Ledersesseln von Downtown-Wolkenkratzern.

Allerdings wäre eine Variante im Stil von Slumdog Millionaire wohl weniger interessant für die Produzenten und das Studio gewesen. Dass der Tod also aufgrund eines väterlichen Rats von Bill an Susan, ein wenig spontaner zu sein, diesen als lebendes Beispiel auswählt, ist ebenso geschenkt. Stimmiger wäre eventuell gewesen, wenn Bill aus eigenem Antrieb sein Ableben aufgeschoben hätte, im Austausch für sein kurzfristiges Dasein als Reiseleiter. Aber wie angesprochen steht die Handlung in diesem Fall hinter der grundsätzlichen Prämisse von Meet Joe Black zurück: Der Idee, dass der Tod auf die Erde kommt, um die Menschen, die er täglich ins Jenseits befördert, näher kennenzulernen.

“Only recently (..) your affairs here have piqued my interest”, eröffnet der Tod gegenüber Bill in ihrer ersten Begegnung. “Call it boredom.” Wie mag es dort wohl sein, wo alle seine „Fahrgäste“ herstammen? An jenem Ort, den keiner wirklich verlassen will, an den sich jeder von ihnen klammert? “All these things they say about you in testimonials”, erklärt der Tod. Nun will er sich also selbst ein Bild davon machen, mit Bill als Führer. Ob er sterbe, fragte dieser zuvor die Fragen aller Fragen, die ihm der blonde Beau im Anzug daraufhin bejahte. Offen bleibt, ob Parrish stirbt, damit der Tod ein Druckmittel für seine Anwesenheit und Bills Anleitung hat oder ob der Tod des 65-Jährigen seit jeher immer schon so vorgesehen war.

Weitaus interessanter als das Zusammenspiel zwischen Joe und Bill fallen jedoch zwei Szenen zwischen Ersterem und einer alten, krebskranken Jamaikanerin und Patientin von Susan im Krankenhaus aus. Die wiederum erkennt den Tod in Menschengestalt und befürchtet zuerst, von diesem geholt zu werden, nur um später exakt darum zu bitten: ihr Lebensende. “Can’t do no right by people”, lamentiert Joe darauhin in Patois. “Come to take you, you want to stay. Leave you stay, you want to go. Rahtid.” Im Dialog mit der alten Dame dröselt Meet Joe Black auch die Motive des Sensenmannes für seine erstmalige Präsenz im Reich der Lebenden auf. “I not lonely here”, gesteht er ihr nun, “somebody want me here”.

Bereits zuvor hatte er eine entsprechende Andeutung gegenüber Susan gemacht, als er vorschlug, sie würden Freunde – was sie ablehnte, da sie genügend hätte. “I don’t have any”, erwidert Joe. Die vermeintliche Einsamkeit des Todes überwältigt sogar seine eigenen „Gefühle“: Was ihm angeboten wird, gefällt ihm. Sei es Erdnussbutter, Geschlechtsverkehr oder der Schwager in spe (Jeffrey Tambor). “Schoolboy things in your head”, wiegelt die Jamaikanerin ab. Wie Joe auf seine Umwelt reagiert, gibt uns gleichzeitig eine Andeutung, was in ihm vorgehen muss, wenn er nicht auf der Erde ist. Niemand, der sich freut, dass er da ist, keine Wertschätzung. “We lonely here mostly too”, offenbart die alte Frau.

Am Ende muss sich der Tod mit seinem Schicksal abfinden, ebenso wie Bill selbst. Während dessen Zeit abgelaufen ist, darf der Tod als ein Geschöpf angesehen werden, das außerhalb der Idee von Zeit existiert. Ob er wirklich nachempfunden hat, was es bedeutet, menschlich zu sein, darf bezweifelt werden. Zumindest hat er eine Ahnung davon, warum die Menschen an ihrem Leben hängen. Und fortan ist er nicht mehr alleine, hat er doch nun seine Erinnerungen. Die sind es auch, wozu jede Flucht aus dem Alltag schließlich wird. “Like you come to the island and had a holiday”, sinniert die Jamaikanerin. “If we lucky, maybe, we got some nice pictures to take with us.” Im Falle von Meet Joe Black sind es 178 Minuten.

8.5/10

15. Januar 2008

The Mist

I don’t know how good it is. But I guess we’ll have to make do.

Wenn man an das Genre Horror denkt, taucht ein Name unweigerlich mit auf: Stephen King. Er gilt als Meister des Horrors und hat seine Fans mit Romanen wie It das Grauen gelehrt. Und wenn man zu den großen Geschichtenerzählern der USA gehört, führt an ihnen für Hollywood unweigerlich kein Weg vorbei. Über 200 Kurzgeschichten und 50 Romane hat King bisher verfasst – ein quantitatives Paradies für die Produzenten und Studiobosse. Bis zum Jahr 2007 entstanden rund achtzig Verwirklichungen von Kings Werken in den Medien. Egal ob Kino-, Fernseh- oder Kurzfilm, Mehrteiler, Serien oder Hörspiele. Am besten funktionieren hierbei natürlich die Kinofilme, die eine größere Masse ansprechen und zugleich die – zumindest technisch – beste Qualität bieten. Reizvoll fanden auch die großen Regisseure Kings Geschichten, hierzu zählen Brian De Palma (Carrie), Stanley Kubrick (The Shining) und Rob Reiner (Stand By Me, Misery). Gewissermaßen einen Narren am König hat Frank Darabont gefressen, der dieses Jahr mit The Mist seine dritte King-Verfilmung in die Kinos brachte. Für seine Adaptionen von The Shawshank Redemption und The Green Mile war Darabont gelobt und gerühmt worden. Doch bereits vor der Produktion dieser beiden Filme hatte Darabont geplant gehabt, The Mist zu verwirklichen. Die Kingsche Novelle entstammte der 1980 erschienenen Horror Anthologie Dark Forces, die Geschichte selbst basiert – so King – auf eigenen Erfahrungen. Nach einem enormen Sturm habe King einst mit seinem Sohn einen Supermarkt aufgesucht und sich in der Schlange zur Kasse stehend gefragt, was wohl wäre, wenn die eingeschlossene Menge von einem prähistorischen Vogel terrorisiert würde. Doch in Kings Geschichten geht es oftmals weniger um das personifizierte Böse, als vielmehr um die Psyche seiner Opfer. Der Fokus seiner Geschichte liegt daher nicht auf der Kreatur, außerhalb des Supermarktes, sondern auf den „Kreaturen“, innerhalb des Supermarktes. Eingepfercht vom Horror – dieselbe Thematik lag bereits den anderen beiden King-Verfilmungen von Darabont zu Grunde.

Ein Sturm zu Beginn prophezeit sich als unheilsvolles Omen. Familienvater David Drayton (Thomas Jane) sucht gemeinsam mit seinem Sohn den örtlichen Supermarkt auf und befindet sich bald als Gefangener in diesem wieder. In einer ursprünglichen Szene wurde zu Beginn erklärt, was es mit dem Nebel auf sich hat, welcher sich über das friedliche Örtchen legen sollte. Doch Darabont entfernte diese Szene und tat letztlich gut daran. Ein blutiger Mann stürmt in den Supermarkt, redet von Toten, von einem ominösen Nebel. Dieser legt sich sofort über die Kleinstadt, die Kunden des Supermarktes sind verängstigt. Sie wissen ebenso wenig wie der Zuschauer, was hier eigentlich vor sich geht. Was ist der Nebel und wo kommt er her? Es ist nicht klar und wird an sich auch nicht aufgelöst werden. Darabont überlässt dem Publikum seine Spekulation, die Krümel für seine Fährte lässt er jedoch fallen. Während King in Geschichten wie Duddits oder It eine Bande von Freunden, von Gleichgesinnten, auf ein Übel treffen ließ, so findet in The Mist die Umkehrt statt. Logischerweise dient der Supermarkt als Querschnitt durch die Gesellschaft. Eine Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig teils verabscheuen – nunmehr verdammt zusammen zu arbeiten. Ein Tropfen Öl kann einen ganzen Wasservorrat verunreinigen. Dieser Tropfen Öl ist Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden), eine christliche Alttestamentlerin, Anhängerin eines rachsüchtigen Gottes. Sie ist ein zwiespältiger Charakter, ähnlich wie in Paul Thomas Anderson im selben Jahr mit seiner Figur Eli in There Will Be Blood erschaffen wird. Gottestreu verabscheuen sie anders denkende Menschen und bedienen sich dennoch dieser als Anhänger und Mittel zum Zweck. Carmody spielt der Nebel die Karten in die Hand, welche sie gerissen zu nutzen weiß. Nichts treibt Menschen näher zusammen als Angst und ein gemeinsamer Feind. Diesen macht sie jedoch nicht außerhalb der Barrikaden aus, sondern inmitten ihrer Schäfchen.

Blasphemie und Gotteslästerei als Ursachen der Verdammung. Der Nebel spielt der Offenbarungspredigt von Carmody gelungen in die Karten, mit jedem Unheil wächst ihre Macht und die Verschiebung der Gewichtung. Während es für Carmody um das Jüngste Gericht geht, suchen die Eltern im Supermarkt, unter ihnen Drayton, lediglich einen Weg ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Es bilden sich zwei Lager, die Gläubigen und Skeptiker. Dieser Nebel ist nicht von Gott geschaffen, doch an sein Unheil glauben nicht alle. Später spaltet sich das übrig gebliebene Lager der Gläubigen nochmals auf. Die zentralen Figuren Drayton und Carmody jeweils auf einer Seite. Zu diesem Zeitpunkt spielen die Monster des Nebels nur noch eine untergeordnete Rolle – der wahre Feind schläft eine Reihe weiter bei der Milch. King gelingt hier ein glaubwürdiges Kammerspiel, welches Darabont versucht mit Steadycam einzufangen. Zwei Kamerateams der Fernsehserie The Shield unterstützten ihn vor Ort und halfen ihm mit ihrer Beweglichkeit in den engen Gängen des Supermarktes. Was manche einem Zuschauer negativ aufstoßen mag, ist durchaus ausgeklügelt. Darabont erschafft dadurch ein solches „YouTube“-Gefühl, dessen sich auch andere Horrorvertreter wie Vorreiter The Blair Witch Project oder Cloverfield verschrieben. Willkürliche, wackelige Nahaufnahmen und ungewöhnliche Kameraeinstellungen erzeugen ein Gefühl der Anwesenheit. Die Abkehr fester Einstellungen, die stur draufgehalten sind wie bei einem 30 Days of Night gelingt hier und ist zweckdienlich. Weniger wie ein omnipräsenter Erzähler richtet Darabont seine Kamera vielmehr auf das, was seine Figuren in ihr Blickfeld aufnehmen. Ruckartig, ungenau, wackelig und daher irgendwie authentisch. Selbstverständlich unterstützt dies alles einen gewissen trashigen Faktor, aber Edward D. Wood Jr. wäre stolz auf Darabont gewesen. Die wechselseitige Atmosphäre im Film hätte wahrscheinlich nicht besser, als auf diese Weise eingefangen werden können.

Während im Kino eine Farbfassung des Filmes lief, packte Darabont auf eine limitierte DVD-Version auch seine favorisierte Fassung. Seine Schwarz-Weiß Version von The Mist ist als Director’s Cut zu sehen und spiegelt die Intention des Filmes durchaus etwas gelungener wieder. In den schwarz-weißen Bilden, die oftmals ungenau in ihren eigenen Schattierungen verschwinden, wird das Gefühl der Horror-Filme aus den fünfziger und sechziger Jahren wiederbelebt. Es findet sich kein gravierender Unterschied zwischen Farb- und schwarz-weiß-Fassung (wie ihn Darabont beschwört), aber die farblosen Bilder helfen durchaus ungemein dabei die Atmosphäre des Filmes und zugleich die Intention des Regisseurs zu verstärken. Obschon es nicht dem Willen des Regisseurs entsprach, haftet The Mist ein extremer Trash-Faktor an. Ausgelöst wird dies unter anderem durch die Tatsache, dass eine Handlung, die im Grunde in den Achtzigern beheimatet ist – man betrachte nur die Dialoge und Charakterzeichnungen – in eine Atmosphäre aus den Sechzigern versetzt wurde. Die Vermischung dieser beiden Zeitepochen in einem Film, der in der Gegenwart spielen soll, erzwingt praktisch Lacher. Dabei ist Darabonts Film nicht unlogischer wie die meisten anderen Genrevertreter, nur fällt es hier eher auf. Geschmälert wird der trashige Faktor allerdings durch die Schwarz-Weiß-Fassung, die eher das Ambiente der klassischen Horrorfilme hervorruft und damit stärker den Ton trifft als die Farbversion. In Verbindung mit der Steadycam erhalten die farblosen Bilder nochmals einen zusätzlichen Touch, was eine bisher ungeahnte Vermischung ergibt – wackelige Schwarz-Weiß Bilder. Nicht auszudenken, wie viel der Film noch hätte gewinnen können, hätte man das Filmmaterial absichtlich „ramponiert“, wie in Quentin Tarantinos Death Proof bisweilen geschehen.

In dieses Bild eines klassischen B-Movie-Horror-Films fügen sich auch die Effekte glänzend ein. Sie sind alles andere als perfekt, wirken zum Teil billig und gerade deshalb so gut in die wackeligen schwarz-weißen Einstellungen. Die letzte gelungene Nuance ist das fast völlige Verzichten auf jegliche musikalische Untermalung. Der Terror im Supermarkt, der Kampf zwischen den Überlebenden untereinander – Darabont liefert dies seinem Publikum pur und Zuckerrohr. Erst als zum Ende die Flucht gelingt, in eine ungenaue, pessimistische Zukunft, erklingt das apokalyptische The Host of Seraphim von Dead Can Dance. Im Gegensatz zu dem Wunsch des Studios konnte sich Darabont bei seinem Filmende durchsetzen. Die Trostlosigkeit und der Terror nimmt kein Ende – und erneut geht dieser Terror nicht von den Wesen aus dem Nebel aus. Vielmehr ist er selbst geschaffen, ein Resultat einer paranoiden, verängstigten Gesellschaft. Letztlich zahlt sich weder Mrs. Carmodys Fundamentalismus aus, noch Draytons Spontan-Mentalität. Stattdessen feiert Darabont eine reine und naive Seele als den Gewinner aus dem ganzen Chaos. Jenes Chaos, das nicht von Gott aufgelastet, sondern vom Mensch selbst verursacht wurde. Ein Chaos, welches die Menschen im Supermarkt nur aufgrund ihres eigenen Verschuldens heimgesucht hat. Zu oft schlägt The Mist einen amüsanten, trashigen Weg ein, ist allerdings dennoch ein über weite Strecken gelungener Horrorfilm, der den wahren Horror nicht in Monstern, sondern in Menschen findet.

7/10 - in anderer Form erschienen bei Wicked-Vision

11. November 2007

Mystic River

Things lookin’ any better on the Sprite?

Drei Jungen spielen Straßenhockey, da verschlägt Dave den Ball und er rollt in einen Gulli hinunter – das Spiel der drei ist beendet. Jimmy schlägt vor ein Auto zu knacken und es um den Block zu fahren, Sean ist jedoch dagegen. Stattdessen wollen die drei ihre Namen in frischen Zement schreiben, werden aber durch das Eintreffen zweier Zivilpolizisten dabei unterbrochen. Der Polizist fragt wo die Jungs wohnen, Dave ist der einzige, der nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Seine Autorität ausnutzend zwingt der Polizist Dave auf seine Rückbank, Jimmy und Sean schauen zu wie ihr Freund Dave eskortiert wird. In kurzen Schnitten wird nun offenbart, dass es sich nicht um Polizisten, sondern Pädophile gehandelt hat, welche Dave in einem Keller missbrauchten, ehe es im gelang zu fliehen. Mehrere Jahre später sieht man nunmehr einen sichtlich verstörten Dave (Tim Robbins) mit seinem Sohn an ebenjener Strasse vorbeilaufen, an der eins seine eigene Jugend zerstört wurde. Dave ist mit Celeste (Marcia Gay Harden) verheiratet, einer Cousine von Annabeth (Laura Linney), der Frau von Jimmy (Sean Penn). Dieser ist seiner kriminellen Natur anheim gefallen, beweist sich jedoch als liebevoller Vater seiner drei Töchter. Als seine älteste eines Nachts ermordet wird tritt Sean (Kevin Bacon), nunmehr Kriminalbeamter im Staatsdienst, auf und muss gemeinsam mit seinem Partner Whitey (Laurence Fishburne) Dave als Tatverdächtigen untersuchen.

Die Geschichte von Mystic River basiert auf einem Roman von Dennis Lehane und wurde für die Kinoleinwand von dem Oscarpreisträger Brian Helgeland (L.A. Confidential) adaptiert. Im Jahr 2003 wurde Clint Eastwoods Film für sechs Oscar nominiert, neben dem besten Film, dem besten adaptierten Drehbuch, der besten Nebendarstellerin (Marcia Gay Harden) und der besten Regie konnte er in den Kategorien bester Haupt- (Penn) und Nebendarsteller (Robbins) auch zwei Preise entgegennehmen. Mit einem tollen und perfekt aufspielenden Schauspielerensemble erzählt Eastwood seine Geschichte über Rache und Sühne in den Arbeitervierteln von Boston vor allem durch die Verwendung von Kamerakränen. In fast jeder Szene verwendet er eine solche Kamerafahrt, am liebsten für die Übergänge zwischen den Szenen. Zwar nett anzusehen, jedoch ziemlich überflüssig. Seinen eigenen Angaben nach wusste Eastwood sofort als er das Buch von Lehane (dessen weiterer Roman Gone Baby Gone dieses Jahr von Ben Affleck inszeniert worden ist) gelesen hatte, dass dies sein nächster Regiestoff werden sollte und konnte hierfür viele Stars bis in die Nebenrollen (Emmy Rossum, Eli Wallach) gewinnen. Mit seiner Einleitung schafft der Film ein Paradebeispiel für einen Vorfall, welcher selbst Autor Lehane widerfahren ist: Kinder, steigt nicht zu fremden Männern ins Auto! Nur weil sich jemand als Polizist ausgibt, heißt dies nicht, dass er einer ist. Und wie Jimmy und Sean dem Auto hinterher blicken, offenbart dies ihre zukünftige Einstellung und Karriere. Jimmy, der designierte Autoknacker, scheint sein Vertrauen in das Gesetz verloren zu haben und nun nach seinen eigenen Richtlinien zu leben, während Sean den Polizeiberuf wählte, um gerade solches Unrecht nicht mehr auftreten zu lassen. Dave dagegen lebt gefangen in seiner eigenen Welt voller Angst.

An zwei Abenden sollen sich die Schicksale aller Charaktere treffen und das Leben von allen verändern. Jimmys Tochter will mit ihrem Freund nach Las Vegas ausbüchsen und feiert ein letztes Mal mit ihren Freundinnen, kommt danach jedoch nicht mehr lebend nach Hause. Am selben Abend hat Dave sie noch gesehen und kehrte anschließend verletzt und blutüberströmt nach Hause, erklärt seiner Frau jedoch, dass er einem Überfall entkommen ist. Jimmy, von Schmerz verzerrt, will das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und beordert seine Jungs nach Beweismaterial zu suchen. Auch Sean und sein Partner Whitey untersuchen den Fall, möglichst bevor Jimmy etwas Dummes tun kann. Während Sean den Freund der Toten verdächtigt, hat Whitey sein Augenmerk auf Dave gerichtet, auch Celeste hegt allmählich Verdachtsmomente gegen ihren Mann und so nimmt die Geschichte langsam einen dunklen Verlauf, hinüber ins Misstrauen. Dass alle drei Freunde hierbei im Laufe des Filmes von sich behaupten, nicht miteinander befreundet zu sein, spricht für ebenjenen Tag, an welchem nicht nur Daves Unschuld, sondern die Unschuld aller drei geraubt wurde und die Bande zwischen ihnen zerstört hat.

Daves Schicksal wird schließlich zweimal in einander gegenübergestellten Szenen bestimmt, denn zweimal steigt er zu zwei Männern ins Auto ein, die ihm nichts Gutes wollen. Verraten und verkauft ist Dave, dessen wahres Ich damals in Keller gestorben zu sein scheint. Keiner will ihm glauben, manches spricht gegen ihn, z. B. Blut in seinem Kofferraum. Seltsam ist jedoch, dass die forensische Abteilung keine DNA-Untersuchung an dem Blut vornehmen kann, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Katies (Emmy Rossum) Blut handelt. Dies hätte Dave mit Sicherheit entlastet, auf diese Idee kommt jedoch keine der Figuren. Die Tatwaffe wird gefunden und zu einem gewissen Ray Harris zugeordnet, ebenjener Ray Harris, der Jimmy einst verraten und danach scheinbar seine Familie, seinen Sohn Brandon, verlassen hat, welcher nun mit Katie zusammen war. Auch dieses Indiz bleibt ohne wirkliche Berücksichtigung. Genauso wie der Notruf am Tatabend, den sich die ermittelnden Polizisten erst Tage später anhören! Schlampiger kann man wohl nicht arbeiten und allgemein plätschert die Geschichte nur so vor sich hin, dreht sich im Kreis, macht keinen Sinn und stagniert. Hier hat man Dave als Tatverdächtigen, mit Blut im Kofferraum, welches man jedoch nicht untersuchen will. Die Tatwaffe wird mit jemanden aus Jimmys Vergangenheit in Verbindung gebracht – Pustekuchen, warum groß ermitteln. Dehane schreibt seine Geschichte so, dass kein anderer Ausweg übrig bleibt, als der, welchen er schließlich in seiner Geschichte offeriert. Dabei ignoriert er alle logischen Lösungen für das von ihm gestellte Problem.

So gut die Schauspieler und Schauspielerinnen auch spielen, das Ambiente, die Optik stimmt – so sehr hadert Mystic River mit seiner inkonsequenten und schlechten Handlung. Die Charaktere verhalten sich unnatürlich, sehen nur dass, was sie sehen wollen und lassen ins Auge fallendes Beweismaterial einfach außer Acht. Dave wird dabei als klassisches Sexualopfer inszeniert und ist damit für Whitey schon im Vorfeld vorverurteilt. Die finale Auflösung ist dabei in ihrer Aussage nicht nur absolut unwahrscheinlich, da sich alles auf die reinsten Zufälle – oder absurdes Schicksal – beruft, sondern auch vollkommen profan, billig, armselig. Wie die Figuren am Ende nicht nur mit dem Verlauf der Handlung, sondern auch mit sich selbst umgehen, ist logische Konsequenz aus den ganzen anderen unlogischen Handlungen durch den Film hinweg. Nach dem Motto „nach mir die Sinflut“ widmet sich alles wieder den alten Gepflogenheiten, auf ebenjener Strasse, in der einst ihre Freundschaft und ihre Kindheit jäh beendet wurden. Mystic River will vieles sein, was er nicht ist, spannend, gewichtig – was am Ende bleibt, ist ein technisch gut gemachter, sehr gut gespielter, durchschnittlicher und überbewerteter Krimi, mit einer äußerst schwachen Story und Nebenhandlungen (Seans Frau), die irrelevant für die Handlung und langweilig sind. Das beste am Film sind in der Tat die Darstellungen von Penn und Robbins – der Rest ist Schweigen.

5.5/10