Never start a fight, but always finish it.
Sein Name beherrscht wie fast kein anderer die Landschaft der Auszeichnungen in Hollywood des aktuellen Jahrzehnts. In den letzten fünf Jahren war Clint Eastwood sieben Mal für einen Academy Award nominiert. Zweimal konnte er die Trophäe mit nach Hause nehmen, wo er bereits zwei Exemplare für seinen Western-Abgesang Unforgiven stehen hat. Mit Filmen wie Mystic River, Million Dollar Baby und Letters from Iwo Jima hat sich Eastwood, der raubeinige Schauspieler des vergangenen Jahrhunderts, einen Namen als ernstzunehmender Drama-Regisseur gemacht. Und wie es den Anschein hat, macht er mit Changeling gerade da weiter, wo er zuletzt aufgehört hat. Dabei ist das period piece nur einer von zwei Eastwood-Filmen, die in den nächsten Wochen im Kino laufen. Während er sich in Gran Torino eher vom Darstellerdrama entfernt, beginnen die Vorbereitungen für The Human Factor, in welchem er sich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle der großen Persönlichkeit Nelson Mandela widmen möchte.
In Changeling wird die wahre Geschichte von Christine Collins (Angelina Jolie) erzählt. Diese lebte 1928 gemeinsam mit ihrem Sohn Walter in Los Angeles. Als Collins an einem Wochenende unerwartet arbeiten musste, lässt sie Walter allein zu Hause. Bei ihrer Heimkehr abends ist der Junge verschwunden und kein Anzeichen seines Verbleibs zu finden. Es vergehen mehrere Monate, die Collins in Ungewissheit verbringen muss. Nach beinahe einem halben Jahr meldet sich die Polizei in Person von Captain Jones (Jeffrey Donovan) bei ihr. Man habe ihren Sohn gefunden. Das erste Wiedersehen am Bahnhof verläuft suboptimal. Zwar ist sich Collins sicher, dass der Junge, den man ihr präsentierte, nicht ihr Sohn ist. Aus gutem Willen lässt sie sich für den Pressekonvoi jedoch lächelnd ablichten. Doch die Gewissheit nimmt zu, dass es sich bei dem Jungen nicht um ihren Sohn Walter handelt. Für Jones hingegen ist der Fall abgeschlossen. Ein Junge wurde vermisst und ein vermisster Junge wurde zurückgebracht. Gemeinsam mit dem Radioprediger Gustav Briegleb (John Malkovich) beginnt Collins einen Sysyphos-Kampf gegen die Polizei Los Angeles’.
Während die Mitte des Filmes relativ ruhig daherkommt, zeichnen sich besonders Anfang und Ende des Filmes durch die unsägliche Komposition von Clint Eastwood aus. Speziell die Inszenierung von Christine Collins Heimkehr exemplifiziert das Manko des Filmes. Zu übertrieben pathetischer Musik bildet sich auf dem Gesicht Jolies bereits die Gewissheit ab, ehe sie überhaupt durch die Haustür geschritten ist. Anschließend präsentiert Eastwood ein elterliches Unverständnis, dass die Polizei Vermisstenmeldungen erst nach 24 Stunden aufnimmt. Zu keinem Zeitpunkt wird während des Filmes jedoch das Handeln von Collins an jenem Tag hinterfragt. Wieso hat sie ihren Sohn alleine zu Hause gelassen? Zwar erwähnt sie Walter gegenüber, dass die Nachbarn nach ihm sehen werden, doch als sie nach Hause gelangt und ihren Sohn nicht vorfindet, kommt ihr nicht der Gedanke, zuerst zu eben jenen Nachbarn zu gehen. Vielmehr rennt sie die Nachbarschaft rauf und runter.
Es gibt mehrere Gründe, aufgrund derer Changeling nicht funktioniert. Zum einen die viel zu pathetische und überzogene Musikuntermalung des Regisseurs selbst, zum anderen auch die Fehlbesetzung seiner Figuren. Unter anderem Reese Witherspoone und Hilary Swank hatten sich für den Part von Christine Collins beworben. Den Zuschlag erteilte Eastwood schließlich Jolie, weil sie seiner Ansicht so aussah, als hätte sie aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen können. So kommt es, dass Angelina Jolie die meiste Zeit über nicht nur mit mehr Schminke als Alice Cooper durch die Gegend stolziert, sondern oft auch gnadenlos überspielt. Nicht weniger deplatziert wirkt John Malkovich in der Rolle des nach Recht strebenden Presbyteriers. Auch hier war es eine oberflächliche Entscheidung des Regisseurs, der Malkovich gegen den Strich besetzen wollte. Lediglich Donovan und Amy Ryan in einer Nebenrolle wissen zu überzeugen, die meiste Zeit hindurch gehört die Aufmerksamkeit jedoch Newcomer Jason Butler Harner in der Rolle von Gordon Northcott.
Eastwood versucht das Experiment, in seinem neuesten Film nicht nur ein Familiendrama zu erzählen, sondern zugleich auf einer Nebenspur einen Serienmörder-Thriller abzuspielen. Im Laufe des Filmes bedient sich Drehbuchautor J. Michael Straczynski immer mehr der Details der Wineville Hühnerstall Morde. Die Vermischung der beiden Handlungen gereicht Changeling jedoch keineswegs zum Vorteil. Stattdessen wird der Film unnötig in die Länge gezogen und ist unter dem Strich gesehen gut eine Stunde zu lang geworden. Es wäre empfehlenswert gewesen, wenn sich Eastwood und Straczynski entweder auf Collins oder aber auf Northcott beschränkt hätten. Die Geschichten von beiden zusammen verkommen zu einem spannungsarmen, langatmigen und überzogenen Drama, welches zu keinen Zeitpunkt Zug oder Atmosphäre entwickeln will. Sein Potential schöpft die Geschichte somit prinzipiell nie wirklich aus und ist insgesamt nicht mehr als ein überkandideltes period piece.
5.5/10
Sein Name beherrscht wie fast kein anderer die Landschaft der Auszeichnungen in Hollywood des aktuellen Jahrzehnts. In den letzten fünf Jahren war Clint Eastwood sieben Mal für einen Academy Award nominiert. Zweimal konnte er die Trophäe mit nach Hause nehmen, wo er bereits zwei Exemplare für seinen Western-Abgesang Unforgiven stehen hat. Mit Filmen wie Mystic River, Million Dollar Baby und Letters from Iwo Jima hat sich Eastwood, der raubeinige Schauspieler des vergangenen Jahrhunderts, einen Namen als ernstzunehmender Drama-Regisseur gemacht. Und wie es den Anschein hat, macht er mit Changeling gerade da weiter, wo er zuletzt aufgehört hat. Dabei ist das period piece nur einer von zwei Eastwood-Filmen, die in den nächsten Wochen im Kino laufen. Während er sich in Gran Torino eher vom Darstellerdrama entfernt, beginnen die Vorbereitungen für The Human Factor, in welchem er sich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle der großen Persönlichkeit Nelson Mandela widmen möchte.
In Changeling wird die wahre Geschichte von Christine Collins (Angelina Jolie) erzählt. Diese lebte 1928 gemeinsam mit ihrem Sohn Walter in Los Angeles. Als Collins an einem Wochenende unerwartet arbeiten musste, lässt sie Walter allein zu Hause. Bei ihrer Heimkehr abends ist der Junge verschwunden und kein Anzeichen seines Verbleibs zu finden. Es vergehen mehrere Monate, die Collins in Ungewissheit verbringen muss. Nach beinahe einem halben Jahr meldet sich die Polizei in Person von Captain Jones (Jeffrey Donovan) bei ihr. Man habe ihren Sohn gefunden. Das erste Wiedersehen am Bahnhof verläuft suboptimal. Zwar ist sich Collins sicher, dass der Junge, den man ihr präsentierte, nicht ihr Sohn ist. Aus gutem Willen lässt sie sich für den Pressekonvoi jedoch lächelnd ablichten. Doch die Gewissheit nimmt zu, dass es sich bei dem Jungen nicht um ihren Sohn Walter handelt. Für Jones hingegen ist der Fall abgeschlossen. Ein Junge wurde vermisst und ein vermisster Junge wurde zurückgebracht. Gemeinsam mit dem Radioprediger Gustav Briegleb (John Malkovich) beginnt Collins einen Sysyphos-Kampf gegen die Polizei Los Angeles’.
Während die Mitte des Filmes relativ ruhig daherkommt, zeichnen sich besonders Anfang und Ende des Filmes durch die unsägliche Komposition von Clint Eastwood aus. Speziell die Inszenierung von Christine Collins Heimkehr exemplifiziert das Manko des Filmes. Zu übertrieben pathetischer Musik bildet sich auf dem Gesicht Jolies bereits die Gewissheit ab, ehe sie überhaupt durch die Haustür geschritten ist. Anschließend präsentiert Eastwood ein elterliches Unverständnis, dass die Polizei Vermisstenmeldungen erst nach 24 Stunden aufnimmt. Zu keinem Zeitpunkt wird während des Filmes jedoch das Handeln von Collins an jenem Tag hinterfragt. Wieso hat sie ihren Sohn alleine zu Hause gelassen? Zwar erwähnt sie Walter gegenüber, dass die Nachbarn nach ihm sehen werden, doch als sie nach Hause gelangt und ihren Sohn nicht vorfindet, kommt ihr nicht der Gedanke, zuerst zu eben jenen Nachbarn zu gehen. Vielmehr rennt sie die Nachbarschaft rauf und runter.
Es gibt mehrere Gründe, aufgrund derer Changeling nicht funktioniert. Zum einen die viel zu pathetische und überzogene Musikuntermalung des Regisseurs selbst, zum anderen auch die Fehlbesetzung seiner Figuren. Unter anderem Reese Witherspoone und Hilary Swank hatten sich für den Part von Christine Collins beworben. Den Zuschlag erteilte Eastwood schließlich Jolie, weil sie seiner Ansicht so aussah, als hätte sie aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen können. So kommt es, dass Angelina Jolie die meiste Zeit über nicht nur mit mehr Schminke als Alice Cooper durch die Gegend stolziert, sondern oft auch gnadenlos überspielt. Nicht weniger deplatziert wirkt John Malkovich in der Rolle des nach Recht strebenden Presbyteriers. Auch hier war es eine oberflächliche Entscheidung des Regisseurs, der Malkovich gegen den Strich besetzen wollte. Lediglich Donovan und Amy Ryan in einer Nebenrolle wissen zu überzeugen, die meiste Zeit hindurch gehört die Aufmerksamkeit jedoch Newcomer Jason Butler Harner in der Rolle von Gordon Northcott.
Eastwood versucht das Experiment, in seinem neuesten Film nicht nur ein Familiendrama zu erzählen, sondern zugleich auf einer Nebenspur einen Serienmörder-Thriller abzuspielen. Im Laufe des Filmes bedient sich Drehbuchautor J. Michael Straczynski immer mehr der Details der Wineville Hühnerstall Morde. Die Vermischung der beiden Handlungen gereicht Changeling jedoch keineswegs zum Vorteil. Stattdessen wird der Film unnötig in die Länge gezogen und ist unter dem Strich gesehen gut eine Stunde zu lang geworden. Es wäre empfehlenswert gewesen, wenn sich Eastwood und Straczynski entweder auf Collins oder aber auf Northcott beschränkt hätten. Die Geschichten von beiden zusammen verkommen zu einem spannungsarmen, langatmigen und überzogenen Drama, welches zu keinen Zeitpunkt Zug oder Atmosphäre entwickeln will. Sein Potential schöpft die Geschichte somit prinzipiell nie wirklich aus und ist insgesamt nicht mehr als ein überkandideltes period piece.
5.5/10
Ach so, Eastwood bzw. der Film hätten Christine also noch als Rabenmutter abstempeln müssen, um in deiner ideologischen Gunst zu steigen, ja? ;)
AntwortenLöschenDas wäre jedenfalls wirklich zu konservativ und auch völlig unnötig gewesen. Es wird sehr deutlich, dass Christine im Innern Schuldgefühle plagen.
Dass Jolie over-the-top inszeniert ist, hinterfragst du m.E. nicht ausreichend, denn das ist nun mal die classical hollywood attitude. Jolie gibt die Mae West oder Claudette Colbert, das muss so sein.
Ach ja, "exemplifiziert" fällt sprachlich sehr unschön aus deinem Text heraus.
Und wofür steht jetzt eigentlich die überdurchschnittliche Bewertung?
Die steht für die solide technische Inszenierung und den überzeugenden Harner sowie Teilaspekte der Serialkiller-Story. Generell hätte ich einen Film ausschließlich über die Hühnerstall-Morde bevorzugt.
AntwortenLöschenSowas sollte aber keine Bedeutung haben, wenn man ausschließlich negative Aspekte herausstellt.
AntwortenLöschenZudem du über die Inszenierung eigentlich auch nichts gutes zu berichten hast - die Musik mochtest du nicht, die Regie ebenso wenig, die Schauspielführung nicht... was bleibt da noch? Gefiel dir der Tonschnitt so gut oder was? ;)
Die Ausstattung war glaubwürdig, die Effekte im Grunde auch, Kostüme und Tralala.
AntwortenLöschenHm, wenn man nicht die Wertung am Ende sehen würde, man würde denken, es wäre eine glatter Veriss. Ist es ja irgendwie auch. ;-)
AntwortenLöschenDie Kritik stammt aus dem Dez. - die hab ich damals hochgeladen und gespeichert. Als ich sie heut durchgelesen hab, musste ich feststellen, dass die Kritik sehr schlecht geschrieben ist. Dass geb ich zu.
AntwortenLöschenDer Film besteht aus zwei Geschichten, wo eine hingehört. Folglich viel zu lang und schlecht gespielt. Aber hat seine Momente, die Hühnerstallmorde und Harners Figur sind gut inszeniert. C.H. wird der Film sicher gefallen - mein Ding war es nicht.
@rajko
AntwortenLöschenUnd wofür steht jetzt eigentlich die überdurchschnittliche Bewertung?
5,5 von 10 Punkten, also 55%, interpretiere ich als knapp vor durchgefallen. Wie wohl die meisten anderen Menschen auch. Frage mal Deine Profs, wie überdurchschnittlich die Deine Klausuren finden, die sie mit 55% bewerten.;)
5 ist rein faktisch gesehen der Durchschnitt von 10. Somit ist 5,5 überdurchschnittlich.
AntwortenLöschenDer Rest ist Interpretation.
Für mich ist 5 schon eine solide Wertung.
5 ist nicht der Durchschnitt von 10, sondern die Hälfte.
AntwortenLöschenMal anders gefragt. Wenn der Taxifahrer Dich nach der Hälfte der Strecke rauswirft, würdest Du dann behaupten das war ne solide Fahrt?:D
@Tumulder: Touché.
AntwortenLöschenSehe das wie Rajko, 5 ist die Hälft und 5.5 damit leicht überdurchscnittlich. Also wenn ich 5.5 vergebe, darf man das auch so sehen.
AntwortenLöschenDass ich 5 für solide befinde, ist ja nur meine Interpretation.
AntwortenLöschenAber in der Schule musste man z.B. mindestens die Hälfte richtig haben, um (bei mir damals sogar: gerade noch so) eine 4 zu bekommen. Das war dann "ausreichend".
Und jetzt ist auch wieder gut. Sinnloses Thema. ;)
also ich finde diese filmkritik absolut nicht gerecht fertigt. als erstes hat angelina jolie die verzweifelung als mutter sehr überzeugend dargestellt und reese witherspoone sehe ich in dieser rolle nicht. ich bin der meinung, dass eastwood mit diesem film eine großartiges werk über die damaligen ereignisse vollbracht hat. ich bekomme immer noch gänsehaut, wenn ich an diesen film denke!
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