Man muss sich das mal vorstellen: Es klopft nachts an der Tür und als man diese öffnet, sieht man sich bewaffneten Männern gegenüber, die einem mitteilen, dass das eigene Grundstück zur Militärzone erklärt wird. Und kurz darauf wird man verhaftet, weil man sich in dieser aufhält. Was eine Szene aus NS-Deutschland sein könnte, ist seit Jahren in Israel Gang und Gäbe. So ereignete sich eine solche Szene im palästinensischen Dörfchen Bil’in im Westjordanland, als an die Tür von Emad Burnat geklopft wurde. Sie wurde von diesem selbst mit seiner Kamera als eine der vielen Episoden in seiner und Guy Davidis Dokumentation 5 Broken Cameras festgehalten, die den Kampf von Bil’in gegen die israelischen Siedler zeigt.
Was im Februar 2005 mit Burnats erster Kamera begann, um die Geburt seines vierten Sohnes Gibreel zu dokumentieren, entwickelte sich zur langjährigen Begleitung der hiesigen Protestbewegung gegen zwei israelische Siedlungen, die unweit von Bil’in errichtet wurden und den Palästinensern ihr Land raubten. Da die meisten Dorfbewohner keine Arbeit haben, sondern vom Land leben, stellt der Siedlungsbau eine Existenzgefahr für sie dar. Schließlich beschlossen die Palästinenser, jeden Freitag nach dem Gebet an der Umzäunung zu protestieren, was von Burnat mit der Kamera gefilmt wurde. 5 Broken Cameras dokumentiert aber nicht nur die Entwicklung des Protests, sondern auch die von Gibreel.
“I film to hold onto my memories”, sagt der vierfache Familienvater zu Beginn. “When something happens in the village, my instinct is to film it.” Egal ob nun israelische Soldaten in der Nacht ins Dorf kommen, um kleine Kinder zu verhaften oder die Armee Tränengas in die Massen schießt, als wären es Feuerwerkskörper an Silvester. Das Bild, das hier von Israel gezeichnet wird, ist das von Invasoren. Mit kruden Gesetzen wird den Palästinensern ihr Land geraubt und als diese dieselben Gesetze zu ihren Gunsten anwenden wollen, dies einfach ignoriert. “It takes strength to turn anger into something positive”, sinniert Burnat aus dem Off. Und dennoch ist es erstaunlich, wie positiv sich die Einwohner von Bil’in geben.
Zum Beispiel Burnats bester Freund Bassem Abu Rahma, von allen nur ‘Phil’ genannt, weil er sich so resistent wie ein Elefant gibt, für die Kinder Zuversicht ausstrahlt. Oder Adeeb, der sich wie kein Zweiter den Protest auf die Fahnen geschrieben hat. “Adeeb is always looking for an opportunity to make a scene”, verrät uns Burnat. Immer wieder sehen wir ihn, wie er die israelischen Soldaten fragt, ob sie kein Herz hätten. Und wie er sich im Spiegel ausgiebig das Gel in die Haare schmiert. Amüsiert fragt Burnat, ob er auf eine Hochzeit geht. “A day of demonstration in the village is better than any wedding”, erwidert Adeeb. Im Laufe des Films wird er angeschossen und verhaftet. Und er ist dabei nicht der Einzige.
Auch Burnat wird zur – sprichwörtlichen – Zielscheibe als eine Kugel nur knapp sein Gesicht verfehlt und seine dritte Kamera zerstört. “When I film I feel like my camera protects me. But it’s an illusion”, hatte er dabei ursprünglich gemeint. In diesem Fall rettete ihm die Kamera das Leben. Aber nicht nur die palästinensischen Dorfbewohner werden angeschossen, auch die Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan erwischte es im April 2007 am Bein. Später wird 5 Broken Cameras auch nicht um Todesfälle umhin kommen. “When someone dies, the anger is so overwhelming”, beschreibt Burnat. Eines Tages fragt ihn Gibreel, warum er die Soldaten nicht mit einem Messer tötet. Weil sie Gewehre haben, lautet die Antwort.
Und hier reißt Burnat mit seinem Film, wenn auch nur oberflächlich und ohne dem nachzugehen, eines der zentralen Themen in dem israelisch-palästinensischen Konflikt an: Dem zur Mordlust werdenden Hass aufeinander. Die Jungen von Bil’in müssen mit ansehen, wie ihre Väter, Onkel und Brüder beschossen und verhaftet werden – weil sie dafür demonstrieren, dass sie ihr Land behalten dürfen. Stirbt dann noch jemand, ist der Hass so überwältigend “that people’s feelings erupt”. Auf ihre eigene Weise erzieht Israel so seinen selbst erschaffenen „Feind“, denn bei allen Aktionen der Soldaten “it’s the anger that remains” in den Herzen der palästinensischen Kinder und Bevölkerung von Bil’in.
Erstaunlich ruhig zeigt sich dagegen Burnat selbst wenn er filmt, wie Freunde blutend auf dem Boden liegen, drei seiner Brüder verhaftet werden und sein Vater auf einen Wagen der Armee klettert, um selbst einer solchen Verhaftung zu entgehen. Vermutlich ist es seine durch die Kamera angestoßene Rolle als Beobachter, die ihm etwas Distanz verleiht und so Raum bietet, über das Gesehene und Erlebte nachzudenken. Der Titel der Dokumentation verdankt sich der Tatsache, dass zwischen Februar 2005 und Herbst 2010 ganze fünf Kameras von Burnat beschädigt wurden. Sei es von israelischen Siedlern oder durch den Beschuss von scharfer Munition beziehungsweise Gaspatronen der israelischen Soldaten.
In Anbetracht der Umstände und des Risikos, dem sich Burnat beim Drehen ausgesetzt hat, ist der Film ein eindringliches Dokument eines Konflikts, der in den Medien nicht zuletzt aufgrund vieler anderer und ähnlicher Konflikte nicht mehr viel Aufmerksamkeit erhält. Das Verhalten der israelischen Regierung mit seiner Siedlungspolitik bringt jedenfalls nur Kopfschütteln mit sich und ist nicht zuletzt deswegen erschreckend, wenn man die Parallelen zu NS-Deutschland zieht. Dieses trägt letztlich in gewisser Weise natürlich auch eine Mitschuld daran, dass aus den Opfern von damals die Täter von heute geworden sind. Umso bemerkenswerter, dass 5 Broken Cameras dieses Jahr für einen Oscar nominiert wurde.
Damit befindet sich die Dokumentation in der Gesellschaft des ebenfalls Israel-thematischen The Gatekeepers, was durchaus löblich ist, auch wenn beide gegenüber Searching for Sugar Man das Nachsehen haben dürften. Dennoch ist 5 Broken Cameras wider Erwarten auch visuell trotz des 4:3-Videomaterials durchaus ansehnlich geworden, mit vielen eingestreuten persönlichen und sinnierenden Momenten, was nicht zuletzt dem erfahreneren israelischen Co-Regisseur Guy Davidi zu verdanken sein dürfte. “I have to believe that capturing these images will have some meaning”, hofft Emad Burnat. Und angesichts der Resonanz, die sein Film auch hinsichtlich der Oscars erhält, dürfte ihm diese sicherlich gewiss sein.
Was im Februar 2005 mit Burnats erster Kamera begann, um die Geburt seines vierten Sohnes Gibreel zu dokumentieren, entwickelte sich zur langjährigen Begleitung der hiesigen Protestbewegung gegen zwei israelische Siedlungen, die unweit von Bil’in errichtet wurden und den Palästinensern ihr Land raubten. Da die meisten Dorfbewohner keine Arbeit haben, sondern vom Land leben, stellt der Siedlungsbau eine Existenzgefahr für sie dar. Schließlich beschlossen die Palästinenser, jeden Freitag nach dem Gebet an der Umzäunung zu protestieren, was von Burnat mit der Kamera gefilmt wurde. 5 Broken Cameras dokumentiert aber nicht nur die Entwicklung des Protests, sondern auch die von Gibreel.
“I film to hold onto my memories”, sagt der vierfache Familienvater zu Beginn. “When something happens in the village, my instinct is to film it.” Egal ob nun israelische Soldaten in der Nacht ins Dorf kommen, um kleine Kinder zu verhaften oder die Armee Tränengas in die Massen schießt, als wären es Feuerwerkskörper an Silvester. Das Bild, das hier von Israel gezeichnet wird, ist das von Invasoren. Mit kruden Gesetzen wird den Palästinensern ihr Land geraubt und als diese dieselben Gesetze zu ihren Gunsten anwenden wollen, dies einfach ignoriert. “It takes strength to turn anger into something positive”, sinniert Burnat aus dem Off. Und dennoch ist es erstaunlich, wie positiv sich die Einwohner von Bil’in geben.
Zum Beispiel Burnats bester Freund Bassem Abu Rahma, von allen nur ‘Phil’ genannt, weil er sich so resistent wie ein Elefant gibt, für die Kinder Zuversicht ausstrahlt. Oder Adeeb, der sich wie kein Zweiter den Protest auf die Fahnen geschrieben hat. “Adeeb is always looking for an opportunity to make a scene”, verrät uns Burnat. Immer wieder sehen wir ihn, wie er die israelischen Soldaten fragt, ob sie kein Herz hätten. Und wie er sich im Spiegel ausgiebig das Gel in die Haare schmiert. Amüsiert fragt Burnat, ob er auf eine Hochzeit geht. “A day of demonstration in the village is better than any wedding”, erwidert Adeeb. Im Laufe des Films wird er angeschossen und verhaftet. Und er ist dabei nicht der Einzige.
Auch Burnat wird zur – sprichwörtlichen – Zielscheibe als eine Kugel nur knapp sein Gesicht verfehlt und seine dritte Kamera zerstört. “When I film I feel like my camera protects me. But it’s an illusion”, hatte er dabei ursprünglich gemeint. In diesem Fall rettete ihm die Kamera das Leben. Aber nicht nur die palästinensischen Dorfbewohner werden angeschossen, auch die Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan erwischte es im April 2007 am Bein. Später wird 5 Broken Cameras auch nicht um Todesfälle umhin kommen. “When someone dies, the anger is so overwhelming”, beschreibt Burnat. Eines Tages fragt ihn Gibreel, warum er die Soldaten nicht mit einem Messer tötet. Weil sie Gewehre haben, lautet die Antwort.
Und hier reißt Burnat mit seinem Film, wenn auch nur oberflächlich und ohne dem nachzugehen, eines der zentralen Themen in dem israelisch-palästinensischen Konflikt an: Dem zur Mordlust werdenden Hass aufeinander. Die Jungen von Bil’in müssen mit ansehen, wie ihre Väter, Onkel und Brüder beschossen und verhaftet werden – weil sie dafür demonstrieren, dass sie ihr Land behalten dürfen. Stirbt dann noch jemand, ist der Hass so überwältigend “that people’s feelings erupt”. Auf ihre eigene Weise erzieht Israel so seinen selbst erschaffenen „Feind“, denn bei allen Aktionen der Soldaten “it’s the anger that remains” in den Herzen der palästinensischen Kinder und Bevölkerung von Bil’in.
Erstaunlich ruhig zeigt sich dagegen Burnat selbst wenn er filmt, wie Freunde blutend auf dem Boden liegen, drei seiner Brüder verhaftet werden und sein Vater auf einen Wagen der Armee klettert, um selbst einer solchen Verhaftung zu entgehen. Vermutlich ist es seine durch die Kamera angestoßene Rolle als Beobachter, die ihm etwas Distanz verleiht und so Raum bietet, über das Gesehene und Erlebte nachzudenken. Der Titel der Dokumentation verdankt sich der Tatsache, dass zwischen Februar 2005 und Herbst 2010 ganze fünf Kameras von Burnat beschädigt wurden. Sei es von israelischen Siedlern oder durch den Beschuss von scharfer Munition beziehungsweise Gaspatronen der israelischen Soldaten.
In Anbetracht der Umstände und des Risikos, dem sich Burnat beim Drehen ausgesetzt hat, ist der Film ein eindringliches Dokument eines Konflikts, der in den Medien nicht zuletzt aufgrund vieler anderer und ähnlicher Konflikte nicht mehr viel Aufmerksamkeit erhält. Das Verhalten der israelischen Regierung mit seiner Siedlungspolitik bringt jedenfalls nur Kopfschütteln mit sich und ist nicht zuletzt deswegen erschreckend, wenn man die Parallelen zu NS-Deutschland zieht. Dieses trägt letztlich in gewisser Weise natürlich auch eine Mitschuld daran, dass aus den Opfern von damals die Täter von heute geworden sind. Umso bemerkenswerter, dass 5 Broken Cameras dieses Jahr für einen Oscar nominiert wurde.
Damit befindet sich die Dokumentation in der Gesellschaft des ebenfalls Israel-thematischen The Gatekeepers, was durchaus löblich ist, auch wenn beide gegenüber Searching for Sugar Man das Nachsehen haben dürften. Dennoch ist 5 Broken Cameras wider Erwarten auch visuell trotz des 4:3-Videomaterials durchaus ansehnlich geworden, mit vielen eingestreuten persönlichen und sinnierenden Momenten, was nicht zuletzt dem erfahreneren israelischen Co-Regisseur Guy Davidi zu verdanken sein dürfte. “I have to believe that capturing these images will have some meaning”, hofft Emad Burnat. Und angesichts der Resonanz, die sein Film auch hinsichtlich der Oscars erhält, dürfte ihm diese sicherlich gewiss sein.
7.5/10
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