(François Truffaut)
Ein Filmjahresrückblick zum Jahr 2006? Bin ich damit nicht ein bisschen spät dran? Sicher, mehr als sechseinhalb Jahre. Aber öfters mal was Neues ist ja auch ganz nett und die Ausrede „vieles davon hab ich nicht gesehen“ könnte sich angesichts des halben Jahrzehnts seit dem Kinostart dieses Mal erübrigen. Dementsprechend habe auch ich nicht jeden Film dieses „Prequels“ meiner bisherigen Filmjahresrückblicke damals bereits gesehen, was dieser Retrospektive sicherlich eine gewisse Sonderstellung verschafft. Dennoch sind die gesichteten Filme nicht vielfältiger ausgefallen als vergleichsweise in späteren Jahren. Aber dazu gleich mehr. Wer sich jedoch nicht auf diese Zeitreise ins Filmjahr 2006 mit mir begeben will, kennt das Spiel ja: Die Bestenliste findet sich am Ende des Beitrages.
Durch die Rückschau kam ich also in den Genuss von 147 Filmen aus dem Jahr 2006, was folglich weitaus mehr sind als in 2007 (105), 2008 (120), 2009 (134) und 2010 (116). Lediglich 2011 (150) sowie im vergangenen Jahr (161) fiel der Konsum höher aus. Logisch also, dass die – allerdings relativ knappe – Mehrheit der Sichtungen auf das Heimkino entfallen muss, wo ich im Gegensatz zu den 69 Kinobesuchen die übrigen 78 Filme gesehen habe. Rund 42 Prozent der Kinobesuche waren dabei der 2006 noch sehr oft frequentierten Sneak Preview geschuldet, bei der ich 29 Mal im Publikum saß. Zwei Mal ein Ticket löste ich lediglich für DreamWorks’ Over the Hedge, während ich damals noch keine Pressevorführungen besucht habe und somit alle Kinobesuche regulär stattfanden.
Solcher war es sicher auch geschuldet, dass Filme wie The Departed und Das Leben der Anderen als große Meisterwerke abgefeiert wurden. Ohnehin avancierte Martin Scorses US-Remake des Hongkong-Klassikers Mou gaan dou mit vier Oscar®-Trophäen zum großen Gewinner des Jahres. Auch bei den Nutzern der IMDb kam The Departed mit einer Wertung von 8.5/10 am besten weg, dicht gefolgt – und das ist durchaus überraschend – von Florian Henckel von Donnermarcks Debütfilm Das Leben der Anderen mit 8.4/10. Der einzige Film, der mit der Popularität dieser Beiden mithalten konnte, war die Comicverfilmung V for Vendetta von James McTeigue mit 8.1/10. Und dann kommt lange nichts, was ob der mäßigen Qualität dieser drei Filme so verwunderlich wie erschreckend ist.
Wenig verwunderlich sind dagegen die erfolgreichsten Filme des Jahres 2006 gewesen. Dabei schickte sich Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest an, als damals erst dritter Film nach Titanic und The Return of the King die magische Einspiel-Marke von einer Milliarde Dollar zu überschreiten. Und das ganz ohne 3D wohlgemerkt, sondern allein auf dem Erfolg des Vorgängerfilms aufbauend. Ähnliches konnte auch der Zweit- und Drittplatzierte für sich in Anspruch nehmen. Nach dem Hype um Dan Browns Roman avancierte The Da Vinci Code auch zum weltweiten Kinophänomen und setzte sich damit sogar noch vor Ice Age: The Meltdown, der somit der erfolgreichste Animationsfilm des Jahres war (aber dennoch bei den Academy Awards 2007 außen vor gelassen wurde).
Während sich The Da Vinci Code als lachender Dritter – oder in diesem Fall: Zweiter – präsentierte und lediglich in Griechenland und ironischerweise Italien auf Platz 1 der Jahrescharts setzte, fochten Dead Man’s Chest und Ice Age 2 in einer Privatfehde um die Gunst des internationalen Publikums. So enterten Jack Sparrow und Co. unter anderem Japan, Australien, Bulgarien, Thailand, die Niederlande, Spanien, Schweden sowie mit den USA die Heimat des Blockbuster-Kinos. Scrat und seine Bande prähistorischer Säuger obsiegten dagegen in Argentinien, Norwegen, Polen, der Schweiz und hierzulande in Deutschland mit 8,7 Millionen Zuschauern. In den USA schmolz The Meltdown dagegen nur auf Platz 8 und damit noch hinter den späteren Oscar®-Gewinner Happy Feet.
Es gab allerdings auch Nationen, die sich stattdessen – ganz patriotisch – für einen einheimischen Film als Jahresfavoriten entschieden. Die Franzosen untermauerten dabei mit 10,3 Millionen Besuchern für Bronzés 3 - Amis pour la vie ihren Status als Kinofans, während die Russen ganz gespannt auf Dnevnoy dozor (Wächter des Tages), das Sequel zu Nochnoy dozor, waren. In Tschechien setzte sich derweil Obsluhoval jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient) als Jahressieger durch und in der Türkei mit sehr großem Abstand der Kriegs- und Skandalfilm Kurtlar Vadisi – Irak (Tal der Wölfe – Irak). Im Vereinigten Königreich erfreute man sich wiederum an der Rückkehr von James Bond in Casino Royale, der überraschend auch Spitzenreiter in Finnland wurde.
Dementsprechend darf sich Daniel Craig durchaus zu den Gewinnern des Jahres zählen, überzeugte er entgegen zuvorigen Befürchtungen im Internet als blonder und blauäugiger 007 im Geheimdienst ihrer Majestät. Bereits angesprochen waren die bei den Academy Awards honorierten Martin Scorsese und Florian Henckel von Donnersmarck, aber auch Danny Huston darf mit dem Kinojahr 2006 zufrieden sein. In vier Filmen (Children of Men, The Proposition, The Constant Gardener, Marie Antoinette) war der Sohn von Regie-Legende John Huston zu sehen und schlug sich in allen von ihnen beachtlich – wenn auch nur in Nebenrollen. Ebenfalls auf sich aufmerksam machten die Globale Erwärmung in Al Gores Dokumentarfilm An Inconveniant Truth und Sacha Baron Cohens kultige Kunstfigur Borat.
Schauspielerisch setzte 2006 niemand allzu große Glanzlichter, dennoch wusste bei den Männern Heath Ledger sowohl im Drogen-Biopic Candy als auch im Liebesdrama Brokeback Mountain zu überzeugen. Bei den Damen wiederum hinterließen einerseits Sigourney Weaver als Autistin in Snow Cake einen nachhaltigen Eindruck, andererseits Felicity Huffman als Transsexueller in Transamerica. Den Titel des vielversprechendsten Newcomers verdient sich aufgrund der nunmehr ersichtlichen Karriere rückblickend wohl eher Ellen Page in Hard Candy als Q’Orianka Kilcher in The New World. Und während sich der beste Animationsfilm in den Top Ten findet, soll die erste Staffel von Dexter derweil zur besten Serie gekürt werden, die sich gegen die starke zweite Staffel von Lost durchsetzt.
Ansonsten bleibt in Erinnerung, dass sowohl Oliver Stone (World Trade Center) als auch Paul Greengrass (United 93) dem Terror vom 11. September nach fünf Jahren ein filmisches Gesicht verliehen. Während Greengrass’ Film Lob erhielt, begeisterte Stones Drama nur die Wenigsten. Dabei waren er und Scorsese nicht die einzigen prominenten Regisseure mit einem Film in 2006, unter anderem lieferten auch Steven Spielberg (Munich), Richard Donner (16 Blocks), Woody Allen (Scoop) sowie Spike Lee und Pedro Almodóvar neue Werke ab. Letztere mit Inside Man respektive Volver sogar die erfolgreichsten ihrer Karriere. Aber langer Rede kurzer Sinn präsentiere ich nun meine zehn besten Filmen des Jahres 2006 (die Flops und Runner-ups finden sich als erster Kommentar):
10. Wer früher stirbt, ist länger tot (Marcus H. Rosenmüller, D 2006): In dieser Mundart-Komödie zeigt Rosenmüller, dass Deutschland durchaus zu originellen wie humorvollen Filmen fähig ist, wenn ein bayrischer Lausbub versucht, unsterblich zu werden, um dadurch dem Jüngsten Gericht zu entgehen. Zu Beginn des dritten Akts überschlagen sich dann zwar etwas die Ereignisse und das Finale wirkt nicht sonderlich stimmig, es ist jedoch ein Verdienst des Films, dass es diesem nicht das Genick bricht.
9. Syriana (Stephen Gaghan, USA 2005): Selten lässt sich heute über einen Hollywood-Film sagen, dass er intelligent ist. Umso verdienstvoller gerät dieser Polit-Thriller angesichts seiner Thematik, übt Gaghans Episodenfilm doch ganz unsubtil Kritik an der US-Politik, die Strukturen im Mittleren Osten nach ihrem Gusto umzumodellieren. Gaghan gelingt es, uns ein Intrigenspiel zu servieren, konventionell genug, damit wir ihm folgen, und smart genug, damit wir von ihm womöglich sogar noch etwas lernen.
8. When the Levees Broke (Spike Lee, USA 2006): Ein simpler Sturm avancierte im August 2005 zum sechststärksten Atlantiksturm aller Zeiten und zur teuersten Naturkatastrophe in der US-Geschichte. Verantwortlich hierfür war jedoch weniger Katrina denn menschliches Versagen bei der Deichkonstruktion in New Orleans. In seiner vierteiligen Dokumentation arbeitete Lee auf, was genau geschah, welche Folgen es hatte und dass man es hätte verhindern können. Eine Geschichte des Scheiterns.
7. The New World (Terrence Malick, USA/UK 2005): Das Bild des aus dem Paradies verstoßenen Menschen durchzieht Malicks Œuvre, doch nirgends thematisiert er die gescheiterte Rückkehr wie hier. Sich des Philosophen Ralph Waldo Emerson bedienend schlägt sein unterschätzter Film eine Brücke zwischen The Thin Red Line und seinen jüngsten, persönlichsten Werken, wenn Malick anhand der Pocahontas-Legende seine tota allegoria der Unschuld der Welt erzählt. Weniger Geschichte denn Erfahrung.
6. Goya’s Ghosts (Miloš Forman, USA/E 2006): In Formans Historiendrama zur spanischen Inquisition verzichtet eine junge Kaufmannstochter in der Taverne auf Schweinefleisch – die Folge sind darauf Folter, jahrelange Inhaftierung, Vergewaltigung, Wahnsinn und Prostitution. Im Grunde lässt sich der Film, obschon er den Namen Francisco de Goyas im Titel trägt, je nach Fokus seiner drei Figuren einem anderen Genre zuordnen. Biografie, Tragödie und Historienfilm – dabei alles drei gleichermaßen überzeugend.
5. Grizzly Man (Werner Herzog, USA 2005): Ganze 13 Jahre lebte Timothy Treadwell in einem Nationalpark mit Bären, ehe er 2003 von einem getötet wurde. Herzog inszenierte dieses – größtenteils von Treadwell vor seinem Tod selbst gefilmte – Porträt als tiefgehenden Einblick in die Psyche eines Mannes mit sozialen Schwächen, der ein Gespür für das Cineastische und eine aufrichtige Wertschätzung für die Bären besaß. Durch und durch ein Werner Herzog Film und zugleich aber die Timothy Treadwell Show.
4. Tenkû no shiro Rapyuta (Miyazaki Hayao, J 1986): Mit seiner großen Vorstellungskraft ist Miyazaki der einzig wahre Erbe Disneys als Zeichentrickpapst. Kein Wunder, dass auch dieser erste offizielle Ghibli – der in Deutschland erst 2006 in den Kinos lief – ein kleines Meisterwerk ist. Die Geschichte zwei Kinder, deren Moral und Ethik ebenso rein ist wie ihre Loyalität zueinander, bietet hier bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere und ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm.
3. The Last Kiss (Tony Goldwyn, USA 2006): In ihrem Remake von Gabriele Muccinos L’ultimo bacio zeichnen Goldwyn und Drehbuchautor Paul Haggis ein wahrlich deprimierend-depressives Bild von der Institution Ehe und Beziehungen im Allgemeinen, die für die Protagonisten ein emotionales Gefängnis darstellen. Als Gesamtkonstrukt gefällt der Film dabei weniger wegen seiner philosophischen Ansätze über Beziehungen denn seines Versuchs, eine Momentaufnahme einer zerfahrenen solchen sein zu wollen.
2. Brick (Rian Johnson, USA 2005): Inspiriert von der Noir-Welt eines Dashiell Hammetts konzipierte Johnson für sein Debüt seine eigene hardboiled detective story an einer High School. Dort wartet der Film mit einer durchaus seriösen Behandlung eines Kriminalfalls auf, ist somit weniger ein Mordkomplott im Gewand eines infantilen American Pie als vielmehr ein auf dem Schulhof spielender Chinatown. Ein mit einem Augenzwinkern servierter Neo Noir, der zurecht zum Kultfilm aufstieg.
1. Brokeback Mountain (Ang Lee, USA/CDN 2005): Zwar hebt sich Lees vorlagentreue Adaption einer untolerierten Liebe zweier Cowboys in seiner Tragik nicht großartig von anderen Melodramen ab, dennoch gelang dem Taiwanesen eine epische Romanze, die – wohl auch aufgrund der Prämisse – ihren Weg in die Filmgeschichte fand. Das exzellente Ensemble, die malerischen Aufnahmen von Rodrigo Prieto und die sanften Gitarrenklänge Gustavo Santaollalas bieten somit bestes emotionales Gefühlskino.
Durch die Rückschau kam ich also in den Genuss von 147 Filmen aus dem Jahr 2006, was folglich weitaus mehr sind als in 2007 (105), 2008 (120), 2009 (134) und 2010 (116). Lediglich 2011 (150) sowie im vergangenen Jahr (161) fiel der Konsum höher aus. Logisch also, dass die – allerdings relativ knappe – Mehrheit der Sichtungen auf das Heimkino entfallen muss, wo ich im Gegensatz zu den 69 Kinobesuchen die übrigen 78 Filme gesehen habe. Rund 42 Prozent der Kinobesuche waren dabei der 2006 noch sehr oft frequentierten Sneak Preview geschuldet, bei der ich 29 Mal im Publikum saß. Zwei Mal ein Ticket löste ich lediglich für DreamWorks’ Over the Hedge, während ich damals noch keine Pressevorführungen besucht habe und somit alle Kinobesuche regulär stattfanden.
Solcher war es sicher auch geschuldet, dass Filme wie The Departed und Das Leben der Anderen als große Meisterwerke abgefeiert wurden. Ohnehin avancierte Martin Scorses US-Remake des Hongkong-Klassikers Mou gaan dou mit vier Oscar®-Trophäen zum großen Gewinner des Jahres. Auch bei den Nutzern der IMDb kam The Departed mit einer Wertung von 8.5/10 am besten weg, dicht gefolgt – und das ist durchaus überraschend – von Florian Henckel von Donnermarcks Debütfilm Das Leben der Anderen mit 8.4/10. Der einzige Film, der mit der Popularität dieser Beiden mithalten konnte, war die Comicverfilmung V for Vendetta von James McTeigue mit 8.1/10. Und dann kommt lange nichts, was ob der mäßigen Qualität dieser drei Filme so verwunderlich wie erschreckend ist.
Wenig verwunderlich sind dagegen die erfolgreichsten Filme des Jahres 2006 gewesen. Dabei schickte sich Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest an, als damals erst dritter Film nach Titanic und The Return of the King die magische Einspiel-Marke von einer Milliarde Dollar zu überschreiten. Und das ganz ohne 3D wohlgemerkt, sondern allein auf dem Erfolg des Vorgängerfilms aufbauend. Ähnliches konnte auch der Zweit- und Drittplatzierte für sich in Anspruch nehmen. Nach dem Hype um Dan Browns Roman avancierte The Da Vinci Code auch zum weltweiten Kinophänomen und setzte sich damit sogar noch vor Ice Age: The Meltdown, der somit der erfolgreichste Animationsfilm des Jahres war (aber dennoch bei den Academy Awards 2007 außen vor gelassen wurde).
Während sich The Da Vinci Code als lachender Dritter – oder in diesem Fall: Zweiter – präsentierte und lediglich in Griechenland und ironischerweise Italien auf Platz 1 der Jahrescharts setzte, fochten Dead Man’s Chest und Ice Age 2 in einer Privatfehde um die Gunst des internationalen Publikums. So enterten Jack Sparrow und Co. unter anderem Japan, Australien, Bulgarien, Thailand, die Niederlande, Spanien, Schweden sowie mit den USA die Heimat des Blockbuster-Kinos. Scrat und seine Bande prähistorischer Säuger obsiegten dagegen in Argentinien, Norwegen, Polen, der Schweiz und hierzulande in Deutschland mit 8,7 Millionen Zuschauern. In den USA schmolz The Meltdown dagegen nur auf Platz 8 und damit noch hinter den späteren Oscar®-Gewinner Happy Feet.
Es gab allerdings auch Nationen, die sich stattdessen – ganz patriotisch – für einen einheimischen Film als Jahresfavoriten entschieden. Die Franzosen untermauerten dabei mit 10,3 Millionen Besuchern für Bronzés 3 - Amis pour la vie ihren Status als Kinofans, während die Russen ganz gespannt auf Dnevnoy dozor (Wächter des Tages), das Sequel zu Nochnoy dozor, waren. In Tschechien setzte sich derweil Obsluhoval jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient) als Jahressieger durch und in der Türkei mit sehr großem Abstand der Kriegs- und Skandalfilm Kurtlar Vadisi – Irak (Tal der Wölfe – Irak). Im Vereinigten Königreich erfreute man sich wiederum an der Rückkehr von James Bond in Casino Royale, der überraschend auch Spitzenreiter in Finnland wurde.
Dementsprechend darf sich Daniel Craig durchaus zu den Gewinnern des Jahres zählen, überzeugte er entgegen zuvorigen Befürchtungen im Internet als blonder und blauäugiger 007 im Geheimdienst ihrer Majestät. Bereits angesprochen waren die bei den Academy Awards honorierten Martin Scorsese und Florian Henckel von Donnersmarck, aber auch Danny Huston darf mit dem Kinojahr 2006 zufrieden sein. In vier Filmen (Children of Men, The Proposition, The Constant Gardener, Marie Antoinette) war der Sohn von Regie-Legende John Huston zu sehen und schlug sich in allen von ihnen beachtlich – wenn auch nur in Nebenrollen. Ebenfalls auf sich aufmerksam machten die Globale Erwärmung in Al Gores Dokumentarfilm An Inconveniant Truth und Sacha Baron Cohens kultige Kunstfigur Borat.
Schauspielerisch setzte 2006 niemand allzu große Glanzlichter, dennoch wusste bei den Männern Heath Ledger sowohl im Drogen-Biopic Candy als auch im Liebesdrama Brokeback Mountain zu überzeugen. Bei den Damen wiederum hinterließen einerseits Sigourney Weaver als Autistin in Snow Cake einen nachhaltigen Eindruck, andererseits Felicity Huffman als Transsexueller in Transamerica. Den Titel des vielversprechendsten Newcomers verdient sich aufgrund der nunmehr ersichtlichen Karriere rückblickend wohl eher Ellen Page in Hard Candy als Q’Orianka Kilcher in The New World. Und während sich der beste Animationsfilm in den Top Ten findet, soll die erste Staffel von Dexter derweil zur besten Serie gekürt werden, die sich gegen die starke zweite Staffel von Lost durchsetzt.
Ansonsten bleibt in Erinnerung, dass sowohl Oliver Stone (World Trade Center) als auch Paul Greengrass (United 93) dem Terror vom 11. September nach fünf Jahren ein filmisches Gesicht verliehen. Während Greengrass’ Film Lob erhielt, begeisterte Stones Drama nur die Wenigsten. Dabei waren er und Scorsese nicht die einzigen prominenten Regisseure mit einem Film in 2006, unter anderem lieferten auch Steven Spielberg (Munich), Richard Donner (16 Blocks), Woody Allen (Scoop) sowie Spike Lee und Pedro Almodóvar neue Werke ab. Letztere mit Inside Man respektive Volver sogar die erfolgreichsten ihrer Karriere. Aber langer Rede kurzer Sinn präsentiere ich nun meine zehn besten Filmen des Jahres 2006 (die Flops und Runner-ups finden sich als erster Kommentar):
10. Wer früher stirbt, ist länger tot (Marcus H. Rosenmüller, D 2006): In dieser Mundart-Komödie zeigt Rosenmüller, dass Deutschland durchaus zu originellen wie humorvollen Filmen fähig ist, wenn ein bayrischer Lausbub versucht, unsterblich zu werden, um dadurch dem Jüngsten Gericht zu entgehen. Zu Beginn des dritten Akts überschlagen sich dann zwar etwas die Ereignisse und das Finale wirkt nicht sonderlich stimmig, es ist jedoch ein Verdienst des Films, dass es diesem nicht das Genick bricht.
9. Syriana (Stephen Gaghan, USA 2005): Selten lässt sich heute über einen Hollywood-Film sagen, dass er intelligent ist. Umso verdienstvoller gerät dieser Polit-Thriller angesichts seiner Thematik, übt Gaghans Episodenfilm doch ganz unsubtil Kritik an der US-Politik, die Strukturen im Mittleren Osten nach ihrem Gusto umzumodellieren. Gaghan gelingt es, uns ein Intrigenspiel zu servieren, konventionell genug, damit wir ihm folgen, und smart genug, damit wir von ihm womöglich sogar noch etwas lernen.
8. When the Levees Broke (Spike Lee, USA 2006): Ein simpler Sturm avancierte im August 2005 zum sechststärksten Atlantiksturm aller Zeiten und zur teuersten Naturkatastrophe in der US-Geschichte. Verantwortlich hierfür war jedoch weniger Katrina denn menschliches Versagen bei der Deichkonstruktion in New Orleans. In seiner vierteiligen Dokumentation arbeitete Lee auf, was genau geschah, welche Folgen es hatte und dass man es hätte verhindern können. Eine Geschichte des Scheiterns.
7. The New World (Terrence Malick, USA/UK 2005): Das Bild des aus dem Paradies verstoßenen Menschen durchzieht Malicks Œuvre, doch nirgends thematisiert er die gescheiterte Rückkehr wie hier. Sich des Philosophen Ralph Waldo Emerson bedienend schlägt sein unterschätzter Film eine Brücke zwischen The Thin Red Line und seinen jüngsten, persönlichsten Werken, wenn Malick anhand der Pocahontas-Legende seine tota allegoria der Unschuld der Welt erzählt. Weniger Geschichte denn Erfahrung.
6. Goya’s Ghosts (Miloš Forman, USA/E 2006): In Formans Historiendrama zur spanischen Inquisition verzichtet eine junge Kaufmannstochter in der Taverne auf Schweinefleisch – die Folge sind darauf Folter, jahrelange Inhaftierung, Vergewaltigung, Wahnsinn und Prostitution. Im Grunde lässt sich der Film, obschon er den Namen Francisco de Goyas im Titel trägt, je nach Fokus seiner drei Figuren einem anderen Genre zuordnen. Biografie, Tragödie und Historienfilm – dabei alles drei gleichermaßen überzeugend.
5. Grizzly Man (Werner Herzog, USA 2005): Ganze 13 Jahre lebte Timothy Treadwell in einem Nationalpark mit Bären, ehe er 2003 von einem getötet wurde. Herzog inszenierte dieses – größtenteils von Treadwell vor seinem Tod selbst gefilmte – Porträt als tiefgehenden Einblick in die Psyche eines Mannes mit sozialen Schwächen, der ein Gespür für das Cineastische und eine aufrichtige Wertschätzung für die Bären besaß. Durch und durch ein Werner Herzog Film und zugleich aber die Timothy Treadwell Show.
4. Tenkû no shiro Rapyuta (Miyazaki Hayao, J 1986): Mit seiner großen Vorstellungskraft ist Miyazaki der einzig wahre Erbe Disneys als Zeichentrickpapst. Kein Wunder, dass auch dieser erste offizielle Ghibli – der in Deutschland erst 2006 in den Kinos lief – ein kleines Meisterwerk ist. Die Geschichte zwei Kinder, deren Moral und Ethik ebenso rein ist wie ihre Loyalität zueinander, bietet hier bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere und ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm.
3. The Last Kiss (Tony Goldwyn, USA 2006): In ihrem Remake von Gabriele Muccinos L’ultimo bacio zeichnen Goldwyn und Drehbuchautor Paul Haggis ein wahrlich deprimierend-depressives Bild von der Institution Ehe und Beziehungen im Allgemeinen, die für die Protagonisten ein emotionales Gefängnis darstellen. Als Gesamtkonstrukt gefällt der Film dabei weniger wegen seiner philosophischen Ansätze über Beziehungen denn seines Versuchs, eine Momentaufnahme einer zerfahrenen solchen sein zu wollen.
2. Brick (Rian Johnson, USA 2005): Inspiriert von der Noir-Welt eines Dashiell Hammetts konzipierte Johnson für sein Debüt seine eigene hardboiled detective story an einer High School. Dort wartet der Film mit einer durchaus seriösen Behandlung eines Kriminalfalls auf, ist somit weniger ein Mordkomplott im Gewand eines infantilen American Pie als vielmehr ein auf dem Schulhof spielender Chinatown. Ein mit einem Augenzwinkern servierter Neo Noir, der zurecht zum Kultfilm aufstieg.
1. Brokeback Mountain (Ang Lee, USA/CDN 2005): Zwar hebt sich Lees vorlagentreue Adaption einer untolerierten Liebe zweier Cowboys in seiner Tragik nicht großartig von anderen Melodramen ab, dennoch gelang dem Taiwanesen eine epische Romanze, die – wohl auch aufgrund der Prämisse – ihren Weg in die Filmgeschichte fand. Das exzellente Ensemble, die malerischen Aufnahmen von Rodrigo Prieto und die sanften Gitarrenklänge Gustavo Santaollalas bieten somit bestes emotionales Gefühlskino.
Runner Ups: (alphabetisch)
AntwortenLöschenCasino Royale (Martin Campbell, USA/UK/CZ/D/BUR 2006)
Children of Men (Alfonso Cuarón, USA/UK 2006)
The Constant Gardener (Fernando Meirelles, USA/UK/D/CN 2005)
Ein Freund von mir (Sebastian Schipper, D 2006)
Lord of War (Andrew Niccol, USA/F/D 2005)
Napoleon Dynamite (Jared Hess, USA 2004)
Over the Hedge (Tim Johnson/Karey Kirkpatrick, USA 2006)
Superman Returns (Bryan Singer, USA 2006)
Volver (Pedro Almodóvar, E 2006)
The Weather Man (Gore Verbinski, USA/D 2005)
Flop Ten:
10. Requiem (Hans-Christian Schmid, D 2006)
9. The Black Dahlia (Brian De Palma, USA/F/D 2006)
8. Das Haus der schlafenden Schönen (Vadim Glowna, D 2006)
7. Hostel (Eli Roth, USA 2005)
6. The Fog (Rupert Wainwright, USA 2005)
5. Wo ist Fred? (Anno Saul, D 2006)
4. Hotel (Jessica Hausner, A 2004)
3. Date Movie (Aaron Seltzer, USA 2006)
2. Big Momma’s House 2 (John Whitesell, USA 2006)
1. Der freie Wille (Matthias Glasner, D 2006)
Ahh, da seh ich die höchste Ehrung für "Der freie Wille" :D
AntwortenLöschenIch kann mit Platz 1 und 2 recht wenig anfangen. Bei Brick hab ich mich (bei Erst- und Zweitsichtung!) streckenweise arg gelangweilt und Brokeback Mountain hat mich emotional nicht mitgenommen. Nur bei Grizzly Man kann ich wertungstechnisch mitgehen. Und dass der größte Schnarchfilm des Jahres (Superman Returns) in den Runners Up auftaucht, das kann ich nicht einmal mehr nachvollziehen.
AntwortenLöschenMusst du ja auch nicht.
Löschen^^
LöschenVon mir gibt's natürlich ausnahmsweise mal ein <3, weißt ja wofür.
Du Verrückter. Jetzt mit 2006 um die Ecke zu kommen. Chapeau.
AntwortenLöschenVon deinen Top 10 mag ich auch viele Filme sehr ("Wer früher stirbt, ist länger tot", "Syriana", "The Last Kiss" und "Brick") - und die anderen haben nun zumindest mein Interesse geweckt. Ich hätte auf jeden Fall "Children of Men" höher eingestuft. "Über die Hecke" und "Ein Freund von mir" vielleicht auch.
Und "Wo ist Fred?" fand ich tatsächlich herrlich komisch. So.