13. Juni 2007

Brick

You better be sure you wanna know what you wanna know.

Der hardboiled detective hat im angloamerikanischen Roman Noir eine archetypische Funktion inne, mit seinem zynischen Weltbild und seinen eigenen, nicht immer gesetzeskonformen Idealen. Bekannte Vertreter sind Raymond Chandlers Philip Marlowe sowie Dashiell Hammetts Sam Spade, beide bezeichnenderweise von Humphrey Bogart in The Big Sleep und The Maltese Falcon dargestellt. Speziell Hammett war es dann, der mit seinen Romanen einen bleibenden Eindruck auf den jungen Regisseur Rian Johnson gemacht hat. Inspiriert von der Noir-Welt Hammetts konzipierte Johnson für seinen Debütfilm seine eigene Kriminalgeschichte: Brick. Das Ungewöhnliche an Johnsons Geschichte ist: Sie spielt in einer High School.

Die Funktion des Ermittlers übernimmt der Außenseiter Brendan (Joseph Gordon-Levitt), dessen Ex, Emily (Emilie de Ravin), sich mit dem lokalen Drogenboss The Pin (Lukas Haas) einlässt und dies schließlich mit ihrem Leben bezahlt. Sukzessive versucht Brendan die Zusammenhänge aufzuschlüsseln, unterstützt vom Schulhof-Schlaubi The Brain (Matthew O’Leary), Insider-Starlet Kara (Meagan Good) und der Femme fatale Laura (Nora Zehetner). Worin hatte sich Emily verstrickt? Und welche Rollen spielten dabei ihr Junkie-Lover Dode (Noah Segan) und Tug (Noah Fleiss), das physische Yin zu dem psychischen Yang des Pins? Brendan dringt tiefer in die lokale Drogenszene ein und macht sich bald selbst verdächtig.

Weil er nicht einfach nur die Welt von Hammett imitieren wollte, kam Johnson die Idee, seinen Neo Noir an einer Schule anzusiedeln. Die Prämisse war so originell, dass sie bezeichnenderweise bei den Studios in Hollywood auf Ablehnung stieß. Daher tat Johnson, was vor ihm schon andere Filmdebütanten taten – er lieh sich das Produktionsbudget bei Freunden und Familie. Für weniger als eine halbe Millionen Dollar inszenierte er Brick letztlich an seiner eigenen ehemaligen High School im kalifornischen San Clemente. Der Lohn war das fast neunfache Einspiel der Kosten, Auszeichnungen in Sundance (2005) und beim deutschen Fantasy Filmfest (2006), sowie der rasch gewonnene Status als Kultfilm.

Mit ein Hauptgrund hierfür dürfte schlicht die Prämisse des Films gewesen sein, an einer High School eine Noir-Geschichte zu erzählen. Johnson spart Klassenraumszenen aus, lässt Brick vielmehr nach der Schule oder in Freistunden spielen. Der Schulhof ist zumeist verlassen, wüsste man es nicht besser, man würde die Filmhandlung in die Ferien verorten. Das wahre Leben in Brick spielt sich in Hinterräumen ab. Im Keller des Pin, in einer sturmfreien Oberschichtsvilla, zwischen den Stühlen der Theater AG. Gekonnt und zielsicher bewegt sich der vermeintliche Außenseiter und Loner Brendan zwischen diesen Plätzen hin und her – und damit auch zwischen den sozialen Schichten und Hierarchien seines Schulkosmos.

Zugleich wartet der Film jedoch mit einer durchaus seriösen Behandlung seines Kriminalfalls auf, ist damit keineswegs ein Mordkomplott im Gewand eines quietschig-infantilen American Pie, sondern vielmehr ein auf dem Schulhof stattfindender Chinatown. Die Schule ist hier ihre eigene kleine Welt, zu der auch der Konrektor (Richard Roundtree) keinen Zugang hat, auch wenn er im brickschen Kosmos die Funktion des Gesetzes übernimmt. Konsequent bedarf es für die Auflösung des Falls daher Brendan, der weiß, wo und wie er die Aufmerksamkeit derjenigen Personen auf sich zieht, die er für notwendig hält. Auch die übrigen Figuren partizipieren an diesem „Gesellschaftssystem“ und doch auch wieder nicht.

Jeder Charakter hat seine eigene Agenda, von Brendan über Tug bis hin zu Laura. Dabei nutzt Johnson den Titelgebenden Brick, ein Stück Heroin mit tragischer Verkettung, nicht so sehr als MacGuffin wie auch das Mysterium des Plots zweitrangig ist. Selbst für Brendan geht es nicht darum, den Mörder seiner Ex zu finden, sondern das große Ganze dahinter aufzudecken. Der Weg ist somit das Ziel und Johnson offenbart sich als so unterhaltsamer wie zuverlässiger Führer. Denn Brick funktioniert nur, wenn seine Neo-Noir-Atmosphäre funktioniert. Wenn wir seine Figuren ernst nehmen und die gezeigte Welt als Gegebenheit akzeptieren. Auch wenn dies bisweilen nicht einfach fällt, aufgrund der komischen Momente.

Denn für wirklich voll mag man Figuren wie Tug nicht nehmen, wie auch der Pin dank Mutti-bringt-Plätzchen-Szenen, sowie theatralischen Umhang und Hobbit-Verweise eher als Witzfigur, denn Drogenboss anmutet. Durchaus mit einem Augenzwinkern serviert Johnson also seine hardboiled high school story, die dennoch weitestgehend zu gefallen weiß. Nicht zuletzt dank seiner Darsteller Joseph Gordon-Levitt und Nora Zehetner, die glaubhaft die beiden interessantesten Figuren mit der faszinierendsten Dynamik verkörpern. Für ein selbstfinanziertes Independent-Projekt kann sich Brick also allemal sehen lassen. Letztlich ist seine Schul-Noir-Geschichte weniger ungewöhnlich als einfach ungewöhnlich gut.

8.5/10

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