10. März 2014

True Detective - Season One

You’re like the Michael Jordan of being a son of a bitch.

Früher waren die Stars froh, wenn sie wöchentlichen Auftritten auf den Fernsehbildschirmen entfliehen konnten, für eine Karriere auf der großen Leinwand. Inzwischen gewinnen sie dank Serienangeboten Oscars. So in der Vorwoche geschehen bei Matthew McConaughey, der die Auszeichnung der Academy of Motion Picture Arts & Sciences zwar für seine Rolle in Dallas Buyers Club erhielt, sie jedoch fast mehr seiner Rolle in der HBO-Show True Detective verdankt. So erklärte mancher Academy-Voter, er habe für McConaughey gestimmt, weil er True Detective so toll finde. Sogar Barack und Michelle Obama outeten sich neulich als Fans. Und in der Tat, so gut wie der Schauspieler im AIDS-Drama Dallas Buyers Club auch ist, in seiner selbstproduzierten Mini-Serie legt er noch eine Schippe drauf.

Darin spielt Matthew McConaughey den exzentrischen Mordkommissar Rustin Cohle, der 1995 ins Vermilion Parish, Louisiana versetzt und seinem dortigen Kollegen Martin Hart (Woody Harrelson) als neuer Partner zur Seite gestellt wird. Sogleich wird das Duo mit einem okkultistischen Mord an einer jungen Frau konfrontiert. Wie sich zeigen soll, handelt es sich dabei nur um einen Mord von vielen und ein Serienverbrechen, das seine düsteren und perversen Schatten bis ins Jahr 2012 werfen wird. In diesem verhören die beiden Ermittler Gilbough (Michael Potts) und Papania (Tory Kittles) sowohl Cohle als auch Hart über die Vorgänge von vor 17 Jahren. Und auch darüber, was die Partner im Jahr 2002 letztlich entzweite. Die Übergänge zwischen den beiden Zeitebenen sind dabei oftmals fließend.

True Detective entstammt der Feder von Nic Pizzolatto und wird außer von McConaughey auch von seinem Kumpel und Kollegen Woody Harrelson produziert. Die HBO-Show, die dem Sender seinen besten Premierenstart seit Boardwalk Empire bescherte, ist als Anthology-Serie geplant. Die jeweiligen Staffeln bauen folglich weder inhaltlich noch was ihre Besetzung angeht aufeinander auf. Zudem sollte man sich nicht vom Namen blenden lassen: Die Serie gehört nicht zum Genre des true crime, sondern ist fiktiv. Was nicht heißen soll, dass derartige Verbrechen unwahrscheinlich erscheinen. Eher im Gegenteil. Dennoch ist der hier gezeigte Mordfall derart außergewöhnlich, dass er unsere beiden Protagonisten bis ins Mark erschüttern wird. Und nicht mehr loslässt – bis zum bitteren Ende.

Dank des herausragenden Spiels seiner beiden Stars und der intensiven Atmosphäre von Regisseur Cary Fukunaga gerät True Detective zu einem enigmatischen Blick in die Abgründe der menschlichen Existenz. Die dargestellte Mordserie ist dazu im Grunde nur Mittel zum Zweck. Eine von vielen, entsprechend der Natur der Show als Anthology-Serie. Und dennoch nicht so einfach abzuschütteln, da Pizzolatto klassischerweise Kinder zu Opfern und die Protagonisten zu Vätern verklärt. Das Grauen wird folglich nicht direkt von Fukunaga eingefangen, sondern gespiegelt über die Gesichter und Emotionen der Figuren. Diese wiederum stehen im Mittelpunkt des Geschehens, nicht so sehr das Verbrechen selbst. Immerhin heißt die Serie nicht True Crime, sondern True Detective.

Vollends dreidimensional macht dies die Charaktere aber auch nicht. Pizzolattos Serie lebt von McConaugheys und Harrelsons Figuren sowie deren eher von Animosität befeuerten Beziehung zueinander. Cohle ist ein pragmatischer Nihilist, der einst seine Tochter verlor und mit ihr einen Teil seiner Menschlichkeit. Hart wiederum ist ein konservativ geprägter Lebemann, der dem Sex und Alkohol verfallen ist. Und dessen Affären sich negativ auf die Ehe mit Gattin Maggie (Michelle Monaghan) auswirken. Außer ihrer Arbeit haben beide wenig gemeinsam, ihre Motive werden aber auch in acht Stunden lediglich durch bekannte Klischees erklärt. Die Figuren sind somit ebenso unwichtig wie die Handlung, in der sie sich befinden. Was zählt, ist mehr die Dynamik, die sich daraus entfaltet.

Bis auf zwei lediglich solide Ausnahmen – The Locked Room und Haunted Houses – gelingt dies der Serie ausgesprochen gut. Nicht von ungefähr wird sie überall gelobt, mit der brillanten Plansequenz zum Abschluss von Who Goes There als Höhepunkt. Auch die darauf folgende Episode The Secret Fate of All Life überzeugt mit einem vermeintlichen Durchbruch im Fall, ebenso herausragend wie diese beiden Folgen ist das Staffelfinale Form and Void mit seiner angespannten Klimax. Diese, das zeichnet die Show ebenfalls aus, liefert keine absoluten Antworten auf alles, was zuvor etabliert wurde. An sich sogar weniger, als man vermutlich das Gefühl hat, tatsächlich bekommen oder verdient zu haben. Details spielen in True Detective allerdings eine geringere Rolle als das große Ganze.

Dass Figuren wie Kevin Dunn oder Jay O. Sanders ebenso von der Rust & Marty Show übertrumpft werden wie Michelle Monaghans vernachlässigtes und verletztes Frauchen oder das 2012er Ermittlungsteam um Gilbough und Papania ist genauso verzeihenswert wie das nicht alles rund um Carcosa und den Yellow King oder Harts Familienleben zu einem abgeschlossenen Ende geführt wird. Pizzolatto und Fukunaga folgen hier dem Motto, dass der Weg das Ziel ist und die etwa achtstündige – beziehungsweise 17-jährige – Reise an der Seite von Cohle und Hart ist für das Publikum durchaus zufriedenstellend. Dass die Serie nicht in Iowa oder Georgia, sondern in Louisiana spielt (beinahe ein eigener Charakter), passt als Setting für dieses Okkult-Verbrechen wie die Faust aufs Auge.

Insofern ist True Detective unter den Krimi-Serien ein fraglos gelungener und denkwürdiger Beitrag, aber auch darüber hinaus dürfte es 2014 wohl keine Show geben, die dieser hier den Titel als Serie des Jahres streitig macht. Wie Pizzolatto und HBO mit der kommenden Staffel verfahren und qualitativ an diese erste heranreichen wollen, bleibt abzuwarten. Rücken Gilbough und Papania ins Zentrum, nachdem sie nun eingeführt wurden? Oder wechselt die Serie den Schauplatz mit neuen Kinoschauspielern als Hauptfiguren? Attraktiv genug sind die Show und das Medium Fernsehen inzwischen ja, was nicht nur McConaugheys Karriere-Renaissance oder der Durchbruch eines Bryan Cranston belegt. Im Gegensatz zu früher sind die Stars also vielleicht froh, wenn sie wieder zurück ins Fernsehen dürfen.

8/10

5 Kommentare:

  1. Oha! Wenn Flo eine HBO-Serie lobt, dann müsste dies für mich ja eine glatte 10er Wertung bedeuten. Wäre so oder so auf die Liste gekommen und ich freue mich schon sehr darauf. Nun umso mehr.

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    1. Tz Tz, diese alten Ressentiments, ich habe hier schon zahlreiche HBO-Serien gelobt, u.a. VEEP, während THE NEWSROOM es 2012 sogar zu meiner "Serie des Jahres" schaffte. Im Übrigen lobte ich auch THE WIRE - dennoch gucken manche Leute lieber Football-Serien :-D

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    2. Und mit was? Mit Recht! Und Spaß und Freude! :D

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  2. Du bringst vieles gut auf den Punkt.
    Ich dachte die ersten Folgen: Das ist die neue Meisterserie. Großartiges Schauspiel, smarte Story, konzentrierte Inszenierung etc. Aber die Auflösung ließ einige unverzeihliche Fragezeichen zurück und der Killer ist letzlich auch nur aus Backwood-Klischees zusammengezimmert. Schade, auf der Zielgerade hat TD einige Punkte verspielt, kommt bei mir aber trotzdem noch knapp über die 90er-Marke.

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    1. Trotzdem noch über die 90er-Marke – sicher ein Ausdruck der Gewalt, die da anfangs über dich hereingebrochen zu sein scheint :)

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