18. März 2014

Kurz & Knackig: Bong Joon-ho

Flandersui gae [Barking Dogs Never Bite]

Manch einer wird es schon erlebt haben (gerade diejenigen, die keine Hundehalter sind): Das Kläffen von Kötern in der Nachbarschaft kann zum auditiven Ärgernis werden. Auch der arbeitslose Uni-Dozent Ko Jun-ju (Lee Sung-jae) hat in Bong Joon-hos Debütfilm Flandersui gae (aka Barkings Dogs Never Bite) ob der bellenden Hunde in seinem Apartmentkomplex die Nase voll. Nur tut er sich mit deren Ermordung etwas schwer. Dem Hausmeister (Byun Hee-bong) fällt dies schon leichter und als sich Ko dann doch durchringt, hat die Verwaltungsangestellte Park Hyun-nam (Bae Doona) eine Hundemordserie an der Backe. Dabei will der unter den Pantoffeln seiner Frau stehende Ko nur an 10.000 Won (rund 6.700 Euro) gelangen, um seinen Arbeitgeber für eine Professorenstelle zu bestechen.

Auch wenn Bong Joon-ho heute als Südkoreas erfolgreichster Regisseur gilt, war seiner in 2000 erschienenen Sozialsatire kein sonderlicher Erfolg beschert. Die Aversion respektive Faszination der Protagonisten mit den Hunden gereicht in Flandersui gae lediglich zum Zweckmittel. Kos die Handlung auslösende Aktion erhält wenig Motivation, deren Vollendung durch den Hausmeister, der mit einem Obdachlosen nach Hundesuppe lechzt, ebenso. Bei der verträumten Park sieht dies schon wieder anders aus. Dennoch verdient sich Ko Sympathiepunkte, da die Gattin als schwangerer Drachen skizziert wird, die ihren Mann dazu verdonnert, ihr Säckeweise Walnüsse zu knacken. Ein Großteil des Humors dieser Satire, die nie tiefgründig Soziales analysiert, entstammt ihrer skurrilen Figuren.

Diese sind im asiatischen Kino keine Seltenheit, weswegen ihre Verschrobenheit auch eher subtil vorhanden ist. Beispielsweise wenn des Hausmeisters Suppe in seiner Abwesenheit vom Obdachlosen verspeist wird, Ko ein Argument mit einer Rolle Klopapier gewinnen will oder Hyun-nam trotz wiederholter Hinweise ihrer Freundin die S-Bahn verpasst. Im Mittelpunkt stehen jedoch zwei durchaus überzeugend gefilmte Verfolgungsjagden mit Hyun-nam durch den Wohnkomplex – erst als Verfolgerin, später dann als Verfolgte. Kurzweilige Unterhaltung ist somit versprochen in Bong Joon-hos Flandersui gae, der sich – wie so viele Debüts – als Fingerübung verstehen darf. Hundehasser werden ob der Thematik sicherlich nochmals auf ihre ganz persönlichen Kosten kommen.

6.5/10

Salinui chueok [Memories of Murder]

Die Vermutung liegt nah, dass Serienmörder-Filme sich weitaus einfacher schreiben lassen als andere. Schließlich liefert die pervertierte Menschheit hier genug Material, das Basis für spannende Thriller liefert. So wie in David Finchers Zodiac, aber auch in Bong Joon-hos Salinui chueock (aka Memories of Murder), der drei Jahre nach seinem Debüt erschien. Darin greift der Regisseur die wahren Geschehnisse eines Serienmörders auf, der in den 1980ern Frauen einer ländlichen Kleinstadt ermordete. Zwei lokale Ermittler um Park Doo-man (Song Kang-ho) erhalten hierbei Unterstützung durch den Seouler Kollegen Seo Tae-yoon (Kim Sang-kyung), und stoßen auf eine handvoll Leichen sowie ein anmutiges Lied, das stets dann im Radio läuft, wenn der Regen die Erde benetzt.

Bong Joon-ho beginnt seinen zweiten Film sehr stimmig, wenn Park zum Tatort des ersten Mordes in einem sonnengefluteten Feld gefahren wird. An gängigen Klischees des Genres kommt allerdings auch Salinui chueock im Folgenden nicht vorbei. So sind Park und sein Partner rabiate Polizisten am Rande der Korruption, die Geständnisse aus Verdächtigen herausprügeln, unabhängig davon, ob diese schuldig sind oder nicht. Als Gegenstück darf Seo die Stimme der Räson repräsentieren, doch auch er weiß zuerst keine Täteralternativen anzubieten als die lokale Sammlung an sexuell Pervertierten oder geistig Behinderten aufbietet. Unterdessen regnet es weiter vom Himmel und damit entsprechend auch Leichen. Was mit der steigenden Pressekritik an der Ermittlungsweise den Druck auf alle erhöht.

Blieb dem Koreaner mit seinem Debüt der Durchbruch noch vergönnt, kam dieser nun im Stile einer Lawine. Schließlich avancierte Salinui chueock 2003 zum erfolgreichsten und meistgesehenen Film Südkoreas, was auf seine Weise sicherlich verdient ist. Die Mordserie selbst ist ebenso unheimlich wie ihre Begleitumstände, ausgewählte starke Handlungsorte tragen ihren Teil dazu bei. Song Kang-ho und Kim Sang-kyung holen das Maximum aus ihren wenig ausgefeilten Figuren heraus, dennoch leidet Bong Joon-hos Film vor allem darunter, dass die Charaktere nicht vollends konkretisiert wurden. Auch nagt an ihm eine gewisse Überlänge. Wirklich heranreichen an westliche Genrevertreter wie Se7en oder Zodiac vermag dieser Serienmörderfilm somit nicht, ist aber dennoch gelungen.

7/10

Gwoemul [The Host]

Monsterfilme haben eine lange Tradition – allen voran natürlich im asiatischen Raum. Gojira ist das Paradebeispiel eines durch Fehlverhalten der Menschen erschaffenen Monstrums, das seine Schöpfer heimsucht. Auf ähnliche, wenn auch größtenteils missratene, Weise inszeniert Bong Joon-ho seinen als Magnus opum geltenden Gwoemul (aka The Host), der mit einem US-Einspiel von 64 Millionen Dollar auch acht Jahre nach seiner Veröffentlichung noch der erfolgreichste südkoreanische Film aller Zeiten ist. In einem grausigen Intro versucht Bong den Brückenschlag zum japanischen Vorbild, wenn ein US-Militär-Pathologe seinen koreanischen Assistenten auffordert, Formaldehyd-Abfall in den Hangang zu kippen. Das Resultat terrorisiert sechs Jahre später Seoul und die Familie Park.

In deren Zentrum steht erneut Song Kang-ho als leicht zurückgebliebenes man-child Gang-du, der im Imbiss seines Vaters Hee-bong (Byun Hee-bong) aushilft und auf den selbst sein dem Alkohol verfallener Bruder Nam-il (Park Hae-il) herabblickt. Als das durch das Formaldehyd mutierte Kaulquappenmonster (?) Gwoemul jedoch während seines ersten Angriffs auf die Seouler Bevölkerung Gang-dus Tochter Hyun-seo (Go Ah-sung) verschleppt, machen sich die Parks, zu denen auch Gang-dus Schwester Nam-joo (Bae Doona) dazustößt, auf ins vom Militär abgeschirmte Kanalgebiet. Hier, wo irgendwo Gwoemuls Nest liegt, trennen sich dann bis zum Finale die Wege der Familie in eine vierteilig gegliederte Handlung, ehe es zu einem finalen Showdown mit allen Parteien kommt.

Die Geschichte steht und fällt somit mit der als gescheitert eingeführten Familie Park, die sinnbildlich für all die Opfer stehen wird, die dem Monster anheim fallen. Trotz individueller Charakterzeichnung – oder versuchter – mutieren Gang-du, Nam-il und Nam-joo jedoch nie zu echten Identifikationsfiguren. Im Gegenteil, Gwoemul macht umso deutlicher, was Roland Emmerich mit seinem Godzilla-Reboot so viel besser gemacht hat. Die Konsequenz des Handlungsverlaufs, die Bong Joon-ho hier zur Schau trägt, lässt über miserable US-Schauspieler und bereits 2006 reichlich dated wirkende Spezialeffekten zwar streckenweise hinweg sehen. Als Beitrag zum Monster-Genre kann Bong Joon-hos Magnus opum – zumindest mich – nie wirklich überzeugen. Trotz des Made in Asia-Labels.

5.5/10

Madeo [Mother]

Die Liebe einer Mutter für ihre Kinder ist wohl eines der großen wissenschaftlichen Themen. Eine Bindung wie kaum eine Zweite im Leben – allen voran dem des Menschen. Sie hat sich Bong Joon-ho für seinen vierten Spielfilm Madeo (aka Mother) zum Thema gemacht, in welchem der geistig zurückgebliebene Do-joon (Won Bin) eines Tages des Mordes an einer Schülerin verdächtigt und verhaftet wird. Ein Schock für seine alleinerziehende Mutter (Kim Hye-ja), die fortan alles daran setzt, ihr Fleisch und Blut wieder aus der Untersuchungshaft und in den eigenen Schoß zurückzuholen. Bei ihren privaten Ermittlungen stößt die renitente Seniorin nicht nur auf das ein oder andere Geheimnis im Leben des Opfers, sondern reißt auch bei Do-joon alte Wunden wieder auf.

Wohlgesinnte könnten Madeo als Zwei-Personen-Stück beschreiben, doch so überzeugend Won Bin auch spielt, ist dies ohne Zweifel die Kim Hye-ja-Show. Nicht von ungefähr kürte ich die Koreanerin vor drei Jahren im Filmjahresrückblick 2010 zur Darstellerin des Jahres. Kim trägt dieses Krimi-Drama die meiste Zeit so selbstverständlich wie beispiellos, wenn sich ihre namenlos bleibende Mutter – quasi als Ur-Mutter – auf eine Reise in die eigenen Abgründe begibt. So sehr die Idee des Whodunit den primären Filmverlauf auch antreibt, ist die Aufdeckung des vermeintlichen Täters zweitrangig. Allen voran für unsere Mutter selbst. Nötig ist nur, was Do-joon aus der Haft entlässt. Und wie andere Figuren in Bong Joon-hos Œuvre, werden hier eigene, finanzielle Opfer in Kauf genommen.

Musste Kos Gattin in Flandersui gae ihre Abfindung für die Beförderung ihres Mannes opfern und die Familie Park ihre Ersparnisse in Gwoemul für den Zugang ins abgesperrte Gebiet, ist es an Kims Mutterfigur, finanzielle Rücklagen zum Wohl des Sohnes zu opfern. Am Ende ist aber auch die Mutter nicht vor dem Schicksal von Bongs Figuren gefeit, die selbst wenn sie obsiegen in gewisser Weise gebrochen zurückbleiben. Ein Lob gebührt an dieser Stelle dann auch Kameramann Hong Kyung-pyo für seine mitunter anmutigen Bilder – ein- und ausgeleitet von einer tanzenden Kim Hye-ja. Zwar nimmt sich der Regisseur auch hier die Zeit für ein oder zwei seiner klassisch humoristischen Auflockerungen, dennoch ist Madeo von all seinen Film stimmungstechnisch wohl der trostloseste geworden.

7/10

Snowpiercer

Inzwischen gibt es derart viele Comic-Verfilmungen, dass der gewöhnliche Zuschauer kaum mehr weiß, wenn er eine solche sieht. Schließlich hüpfen in solchen nicht nur Superhelden im Strumpfhosenkostüm durch die Gegend. Auch Filme wie La vie d’Adele oder Oldeuboi basierten auf Comics, selbst Bong Joon-ho erweckt nun eines von ihnen auf der Leinwand zum Leben. Vor zehn Jahren stieß er in seinem Comicladen auf Le Transperceneige von Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochette, welches die Vorlage für seinen Sci-Fi-Action-Film Snowpiercer gibt. Darin reisen die Überbleibsel der Menschheit nach einer Eiszeit in einem Zug über die Kontinente, die Abteile dabei schön in eine Klassengesellschaft unterteilt. Eine Revolution ist da natürlich nicht weit.

Die Unterschicht um deren Anführer Curtis (Chris Evans) schickt sich an, vom hinteren Wagon die Lok zu übernehmen. Bis dahin muss man sich jedoch erstmal der Unterdrücker erwehren und die entsprechenden Türen öffnen. Nachrichten aus einem scheinbaren Untergrund weisen Curtis’ Mentor Gilliam (John Hurt) auf den Sicherheitsexperten Namgoong Minsu (Song Kang-ho) hin, der von Curtis und Co. als sie ihren Umsturz beginnen nebst seiner Tochter Yona (Go Ah-sung) aus der Einzelhaft befreit wird. Unterdessen setzt die für den als Heiland gepriesenen Zugentwickler Wilford arbeitende Ministerin Masin (Tilda Swinton) alles daran, den Aufstand der Unterschicht im Keim zu ersticken, ehe diese noch einen der für die Oberschicht wichtigen Wagons einnehmen kann.

Mit Snowpiercer, dem teuersten südkoreanischen Film aller Zeiten, gibt Bong Joon-ho sein US-Debüt. Dieses eint viel mit seinem größten Erfolg Gwoemul, besitzen beide Filme doch leidlich interessante Figuren und Spezialeffekte eines B-Movies. Zuvorderst scheitert Bongs jüngster Film jedoch an seiner Prämisse, wird doch zu keinem Zeitpunkt klar, welchen Zweck Wilford mit dem Unterschichtswagon eigentlich verfolgt. Denn Curtis und Co. müssen keine Arbeiten verrichten, sondern vegetieren einfach vor sich hin. Beanspruchen hierfür aber gleichzeitig Strom, Heizung und Ernährung. Selbst wenn Letztere so rudimentär wie möglich daherkommt. Auch als Metapher versagt das Zugkonstrukt, fehlt doch eine Mittelschicht, die zwischen Curtis und Co sowie Masin und Konsorten steht.

Die Welt von Snowpiercer, in einem hastigen Intro alsbald abgefrühstückt, verwundert ebenso. Überall ist es zu kalt, in der Sahara wiederum zu warm – Stillstand bedeutet Tod. Auf engstem Raum also frönt ein multiethnischer Mix seinen klassischen Gelüsten, darunter natürlich Saunieren, aber auch Sushi. Die Menschheit als Mikrokosmos, gepresst in einen TGW. Was auf dem Papier vielleicht nett klingt, funktioniert leider nie während der zähen zwei Stunden Laufzeit. Curtis ist ein leidlich charismatischer – und in seinen Entscheidungen dilettantischer – Anführer, mit einem unnötigen und eher peinlichen Geständnis als Motivation gegen Schluss. Diesbezüglich weniger Mühe gibt sich der Film da nur noch mit Bongs alten Gwoemul-Weggefährten Song Kang-ho und Go Ah-sung.

Das Konzept verpufft, das Sezieren von sozialen Strukturen gelang der Community-Episode App Developments and Condiments vor einigen Wochen weitaus intelligenter, konsequenter und unterhaltsamer als hier der Fall. Das Ensemble – zu dem noch Jamie Bell, Ed Harris, Ewen Bremner und Octavia Spencer gehören – bleibt wiederum so blass wie die visuellen Effekte. Für typisch Bong’schen Humor sorgen hier nur die (den Höhepunkt bildenden) Auftritte von Tilda Swinton als schrullige Ministerin und Alison Pill als sektiererische Erzieherin. Mehr solcher überspitzen, dystopischen Momente in den Upper-Class-Wagons hätten Snowpiercer gut getan. So verkommt der Film leider zu Bong Joon-hos schlechtestem und untermauert, dass ein geringeres Budget bei ihm besser angelegt scheint.

4.5/10

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