6. April 2015

Furious 7 [aka Fast & Furious 7]

Do whatever it is you do.

Wer wissen will, wie weit das Fast&Furious-Franchise seit 2001 gekommen ist, muss nur in den Abspann schauen. Keine sieben Minuten betrug jener von Rob Cohens The Fast and the Furious seinerzeit. Und das auch nur, weil sich der Film damals Zeit ließ. Kein Vergleich zu James Wans Furious 7, der beinahe Lord of the Ring’sche Ausmaße annimmt – und wen wundert’s, selbst Weta liefert inzwischen die Effekte. Produzent Neal H. Moritz hätte sich vor 14 Jahren wohl selbst nicht träumen lassen, dass aus seinem Quasi-Point-Break-Remake mal ein Billion-Dollar-Franchise entwachsen würde. Mit Budgets der Größenordnung von Skyfall und Avengers: Age of Ultron. Und einem Starteinspiel, rund doppelt so hoch wie das Budget des Vorgängers.

Insofern übertrumpft Furious 7 nochmals Fast & Furious 6, der bereits Fast Five in den Schatten stellte. Jene jüngsten drei Teile, die einer bis dahin eher milde belächelten und an den Kinokassen nur bedingt beachteten Filmreihe plötzlich ihren Stempel aufdrückten. Schlicht, weil man sich von Schlichtheit verabschiedete und dem Eskapismus mehr und mehr frönte. Der Erfolg der Reihe spiegelt sich daher auch in der Konzeption der Filme wider. Getreu dem Motto: The bigger, the better. Was folgerichtig in Fast Five eine ganze Reihe neu ausrichtete – nachdem Fast & Furious schon mit einigen Elementen hierzu spielte –, drückt seither verstärkt aufs Gaspedal. Und lässt dabei (leider) einige vergangene Vorzüge verstärkt im Rückspiegel zurück.

Inzwischen wird The Fast and the Furious eher müde belächelt, dabei ist das Original – zumindest für mich – neben Fast Five der beste Teil der Reihe. Ein Abklatsch von Point Break, sicher. Aber viel mehr wollte der Film auch nie sein. Und steht in einer Reihe mit Werken wie Drop Zone oder Terminal Velocity – zweitklassiges Actionkino um Extremsportler. Der Film verbarg das nicht und drehte sich dennoch um Werte wie Vertrauen, Loyalität, Freundschaft und Familie. Es ging letztlich um eine Handvoll Figuren und ihre Interaktion – die schnellen Autos waren Mittel zum Zweck. Ein Element, das naturgemäß in 2 Fast 2 Furious eher in den Hintergrund rückte, das aber durch die Integration von Tyrese Gibson abgeschwächt bewahrt wurde.

Das familiäre Element ist es, dass die Reihe seit Teil 5 ununterbrochen propagiert. So auch in Furious 7, indem die Bedrohung dieser Familie zum zentralen Thema wird. “The sins of London followed us back home”, sagt Vin Diesels Dominic Toretto in einer Szene mit Verweis auf Fast & Furious 6. Der Bruder des Antagonisten aus jenem Film sinnt nun nach Rache – und dient im Nachhinein als Bindeglied für The Fast and the Furious: Tokyo Drift und dem Franchise. War Fast Five im Kern ein reiner Heist-Film und Teil 6 schon eine Art Spy-Thriller, geht es nun ums reine Überleben. Jason Statham bleibt als Bösewicht dabei so blass wie seine Vorgänger, ist aber schon allein dadurch ernst zu nehmen, da er Dwayne Johnson ins Krankenhaus schickt.

Obschon inzwischen alle Figuren Multimillionäre sind (siehe Fast Five), heißt es für sie getreu Shakespeares Henry V: “Once more unto the breach, dear friends, once more.“ Und auch weil sie die Gejagten sind, will sie Kurt Russell in einer Nebenrolle als Regierungsstrippenzieher Mr. Nobody zu den Jägern machen. Schlichtweg damit der Film etwas zu erzählen hat. Hackerin Ramsey (Nathalie Emmanuel) hat ein Überwachungsprogramm entwickelt, nun müssen Dom und seine Crew um Freundin Letty (Michelle Rodriguez), Familienvater Brian (Paul Walker), Lebemann Roman (Tyrese Gibson) und Tech-Guy Tej (Ludacris) jene Hackerin aus Feindeshand befreien, das Programm sichern und sich zugleich Stathams Bösewicht vom Leib halten.

Auch das wiederum ist nur ein Vorwand, um jenen Vehikel-Eskapismus zu zelebrieren, der die Reihe spätestens nach Teil 5 ausmacht. Zugleich funktionieren das Franchise und seine Figuren gerade dann am besten, wenn sie in hanebüchenen Actionszenen wie ein Rad ins andere greifen müssen. Egal ob man mit Autos aus Flugzeugen schanzt oder von einem Hochhaus ins andere. Der Wahnsinn als Programm eint “Fast & Furious” dabei mit der Mission: Impossible-Reihe, nicht nur, da das Set Piece des zweiten Akts in Abu Dhabi spielt. Und in der Tat sind die Ähnlichkeiten hier ziemlich evident, wenn Diesel den Cruise, Walker den Renner (Wortwitz unbeabsichtigt) und Ludacris den Pegg gibt. James Wan reüssiert dabei genauso wie Brad Bird.

Über allem steht jedoch das Familienthema, gerade in den Beziehungen zwischen Dom und Letty (die weiterhin an Amnesie leidet) sowie Brian und Mia (Jordana Brewster). Selbst Johnsons Agenten-Hüne Hobbs kriegt eine altkluge Tochter ans Krankenbett geschrieben – eine Beziehung, die weitaus ausgefeilter wirkt als die zwischen Stathams Deckard Shaw und seinem kleinen Bruder. Beide Figuren, Diesels und Stathams, sind durch ihren Familieninstinkt motiviert – leider geht der Film nicht sonderlich darauf ein. Vielmehr verkommt Statham lediglich zu einem roten Faden, der Furious 7 einen Vorwand für seine Handlung geben soll. Dass der Film in Djimon Hounsou und Tony Jaa weitere blasse Gegenspieler einführt, hilft auch nicht.

Genauso thematisiert die Reihe nur unzureichend, welche Folgen der Lebensstil der Figuren auf die so hoch gehaltene Familie hat. Jesse starb bereits in Teil 1, Letty vermeintlich in Teil 4, Vince in Teil 5 und Han (zumindest für das Publikum) sowie Giselle schließlich in Teil 6. Da ist es einerseits so unsinnig wie zugleich nachvollziehbar, dass Mia stets ihren Mann mit ihrem Bruder ins Gefecht schickt. Selbst wenn (oder vielleicht weil) gerade das eigene Zuhause in die Luft gesprengt wurde. In gewisser Weise macht es sich der Film in seiner Handlung unnötig schwer, was womöglich aber auch bloß der Tatsache geschuldet ist, da man den Tod von Paul Walker während der Dreharbeiten berücksichtigend einarbeiten musste.

Grundsätzlich macht Furious 7 über den Großteil seiner Dauer durchaus Spaß, auch wenn der erst gegen Ende des ersten Akts einsetzt, indem die eigentliche Handlung rund um den MacGuffin startet (obschon auch Stathams Rache ein solcher ist). Beide zentralen und schon in den Trailern angeteaserten Action Set Pieces sind innovativ und ansprechend inszeniert. Wie schon in Mission: Impossible – Ghost Protocol bewährt sich Abu Dhabi als visuell unverbrauchte Location – und gefällt schon allein deswegen mehr als das Finale in Los Angeles. Auch wenn der Film wohl hier mehr als anderswo nach Musikvideo aussieht. Die ersten zwei Drittel seiner Laufzeit funktioniert Furious 7 relativ gut – und dann gerät der Motor ins Stottern.

Nicht nur, weil der Film sich letztlich eingesteht, dass die fast 90 Minuten Handlung zuvor wenig Bedeutung hatten, sondern weil Wan und Co. hier den Blockbuster-Fehler machen, zu glauben, man muss immer mehr bieten als der Vorgänger. Was Furious 7 in seinen finalen 30 Minuten vom Stapel lässt, ist eine Krawallorgie, die innerhalb des Films selbst – sicherlich ironisch gewollt – als “vehicular warfare” bezeichnet wird. Bei allem Wahnwitz aus Fast Five und selbst der unendlichen Landebahn in Fast & Furious 6 spottet dieser wirre Mix aus Live Free or Die Hard und GTA V nahezu jeder Beschreibung. Wo sich die früheren Teile fürs Finale meist zurückzogen, reiht sich Furious 7 ein neben solche Filme wie The Avengers und Man of Steel.

Kein Wunder also, dass Dominic, Hobbs und Co. in den Kritiken selbst als Universals ganz eigenes Superhelden-Franchise tituliert werden. Und wer weiß, vielleicht ist dies auch die einzige Art und Weise, wie sich die Reihe an den Kinokassen mit dem Marvel- und DC-Gehabe behaupten kann. Grundsätzlich machen jedoch hier, wie auch bei den Kollegen, die Figuren den Film aus. Man muss Letztere nicht vermeintlich ins Jenseits gleiten oder Gebäude zusammenstürzen lassen, um Spannung oder Gefühle zu erzeugen. Wie es wenn schon nicht richtig dann zumindest besser geht, beweist Furious 7 in seiner überaus emotionalen und zutiefst berührenden Schlussszene, die sich mehr von Paul Walker als seiner Figur verabschiedet, sogleich selbst.

So ist der Film in seiner Summe sicher konsequent weitergedacht, vermag dabei aber nicht alle seine alten Eigenschaften mitzutragen. Vielleicht auch nur, weil alte Figuren wie Vince, Han und Giselle nicht mehr vorhanden sind. Zugleich macht sich Furious 7 aber auch keine Mühe, selbst jemanden wie Sean Boswell (Lucas Black) bis auf einen Cameo zu integrieren. Ganz seinen ursprünglichen Charme hat sich der siebte Teil also nicht bewahrt, was umso deutlicher ist, wenn der Film zum Abschluss nochmal die Vergangenheit Revue passieren lässt (ähnlich wie im Opening zu Teil 6, aber mit Fokus auf Paul Walker). Auch in dieser Bilderschau sieht man, wie weit das Franchise in 14 Jahren gekommen ist. So weit, wie es die meisten erst gar nicht schaffen.

6/10

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