In der Natur versuchen sich Jungtiere so viel wie möglich von ihren Eltern abzuschauen, um mit deren Wissen und Kenntnissen das eigene Überleben sicherzustellen. Beim homo sapiens liegt die Sache etwas anders, hier wollen sich die Jungtiere in der Regel so weit wie möglich von ihren Erzeugern emanzipieren. Und bloß nicht so enden wie diese. Ähnlich ergeht es den Figuren in Taylor Hackfords Film An Officer and a Gentleman (bei uns: „Ein Offizier und Gentleman“). Oberflächlich erzählt dieser von einer Offiziersausbildung der US-Marine, gewürzt mit einer turbulenten Romanze. Im Kern dreht sich das Drehbuch von Douglas Day Stewart jedoch vielmehr um Kinder, die versuchen, sich vom Rollenbild ihrer Eltern zu lösen.
Im Mittelpunkt steht dabei Zack Mayo (Richard Gere), der quasi als Vollwaise aufwächst, nachdem seine Mutter Selbstmord begeht. Sein Vater Byron (Robert Loggia) ist für die Navy auf den Philippinen stationiert, jedoch charakterschwach und abhängig von Alkohol sowie Prostituierten. Eine klassische Erziehung genoss Zack somit nicht, obschon wir immerhin zu Beginn sehen, dass er ein College besucht hat. Die Figur trifft eingangs die überraschende Entscheidung, eine Ausbildung zum Offizier als Marinepilot anzustreben. Vielleicht, um sich selbst – und letztlich auch seinem Vater – zu beweisen, dass man(n) mehr Charakter haben kann als dieser, ungeachtet dessen, dass das eigene Leben in den Dienst des Landes gestellt wird.
Mayo ist jemand, der stets auf sich allein gestellt gewesen ist. Was erklären mag, wieso er sich über weite Strecken während seiner Ausbildung auf sich selbst fokussiert. Zwar freundet er sich mit Zimmernachbar Sid (David Keith) an, doch einen Teamgedanken verfolgt er nicht wirklich. “You don’t give no shit about anybody than yourself”, wirft ihm später sein Ausbilder Foley (Louis Gossett Jr.) zurecht an den Kopf. “You oughta be good at this, Mayo. Something you can do alone”, stachelt er ihn im Verlauf während einer Solo-Simulationsübung an. Mayo ist sich selbst am nächsten – damit aber nicht unbedingt im Militär ideal aufgehoben. Der Film nutzt dies natürlich geschickt, um am Ende die Katharsis der Figur zu unterstreichen.
Wenn Mayo zum Abschluss seiner Ausbildung den Rundenrekord der Akademie opfert, um Kameradin Seeger (Lisa Eilbacher) das Bestehen zu sichern, ist der ehemalige Einzelgänger scheinbar endlich angekommen. Dabei ist Mayo keineswegs ein Außenseiter, vielmehr besitzt die Rolle respektive Gere ausreichend Charme, um trotz seines sozialen Status bei seinen Kameraden wie Sid, Seeger oder Daniels (David Caruso) ein gewisses Ansehen zu besitzen. Die Reife, die ihm fehlt, wird er über die zweistündige Laufzeit von An Officer and a Gentleman erhalten – mit allen Höhen und Tiefen. Darunter, wenn er kurz vor dem Rauswurf durch Foley steht, aber diesem dann unter Tränen erklärt, er wisse sonst nicht, wohin mit sich.
All diese Momente sind natürlich überaus plakativ und mitunter mit dem Holzhammer ans Publikum kommuniziert. Etwas subtiler gibt sich der Film da schon in der Ausarbeitung seiner Nebenfiguren. Paula (Debra Winger) ist dabei in gewisser Weise das Spiegelbild von Mayo, entstammt genauso wie dieser einer Affäre der Mutter mit einem Soldaten, ohne dass der im Anschluss Interesse an einer Familie gehabt hätte. Kein gewöhnlicher Soldat, sondern wie Mayo ein Offiziersanwärter für die Marine. So lebt Paula nun in derselben Stadt wie ihre Mutter Esther (Grace Zabriskie), arbeitet sogar in derselben Fabrik wie diese zusammen mit ihrer Freundin Lynette (Lisa Blount). Wie die Mutter, so die Tochter, scheint sich zu bewahrheiten.
Für die Frauen des Ortes, so skizziert es zumindest der Film, bilden die Offiziersanwärter die einzige Möglichkeit zur Flucht und zum sozialen Aufstieg. Entsprechend „warnt“ Foley die Kadetten eingangs, sich nicht in einer Babyfalle zu verirren, deren Personifikation – wie wir aber erst später lernen – in Paula dargestellt wird. Lynette ist es, die über Andeutungen zu ähnlichen Mitteln greift, um in Sid ihr Ticket für ein besseres Leben zu finden. Der hat wiederum seine eigenen Probleme mitgeschleppt, die wie bei den anderen Charakteren in der Beziehung zu den Eltern ihren Ursprung finden. Aus einer Militärfamilie entstammend, hadert Sid mit jener Rolle, die ihm zugeschrieben wird, nachdem sein älterer Bruder in Vietnam stirbt.
Fortan ist er kaum mehr als ein Ersatzsohn – und kein sonderlich geschätzter obendrein. Die Ausbildung als Marinepilot ist weniger auf seinem Mist gewachsen, als die Fortführung des Karriereplans seines verstorbenen Bruders. Hinzu kommt, dass Sid auch gleich dessen Verlobung übernahm, mit einer Frau, die zwar toll sei, die er selbst sich aber nicht ausgesucht hat. “I was here for everybody but me”, gesteht sich Sid am Ende ein, als er dem Druck nicht mehr Stand hält und kurz vor dem Abschluss aus der Akademie ausscheidet. Der Moment der seelischen Freiheit währt aber nur kurz, als er realisiert, dass sich Lynettes Träume mit ihm letztlich mit den Berufsplänen seiner Eltern für ihn gedeckt haben (“I want to marry a pilot”).
Mit Mitte 20 hat keine dieser Figuren, von Mayo über Paula hin zu Sid und Lynette, wirklich eine Idee, wer sie sein könnte. Höchstens, wer sie nicht sein will. “Lord, lift us up where we belong / Far from the world we know, up where the clear winds blow”, heißt es passend im Refrain von Will Jennings’ Lyrics zum Oscarprämierten Schmachtfetzen “Up Where We Belong”. Gemeinsam mit dem romantischen Happy End, wie es acht Jahre später auch Pretty Woman – ironischer Weise ebenfalls mit Richard Gere – inszenieren sollte, könnte sich der Eindruck aufdrängen, An Officer and a Gentleman sei eine Liebesschnulze, die der Film mit seinen Themen von Verlassen- und Orientierungslosigkeit sowie Suizid keineswegs ist.
Liebe spielt natürlich dennoch eine große Rolle. Jene Liebe, die Mayo und Paula ineinander finden, und die auch Sid sucht in seinem Leben. Die Figuren ersehnen eine gewisse Form der Geborgenheit, die Mayo sowohl in emotionaler (Paula) als auch moralischer (Foley) Person zuerst abzulehnen scheint. Zum Schluss von An Officer and a Gentleman haben Mayo und Paula den vermeintlichen Absprung geschafft – bei Sid und Lynette dagegen hat es nicht gereicht. Dass sich der Kreislauf weiter dreht, beobachtet Mayo kurz vor seinem Abschied von der Akademie, wenn Foley den nächsten Jahrgang begrüßt. Sie könnten sich von ihm, den ehemaligen Einzelgänger, eigentlich einiges abschauen. Emanzipieren müssen sie sich letztlich aber allein.
Im Mittelpunkt steht dabei Zack Mayo (Richard Gere), der quasi als Vollwaise aufwächst, nachdem seine Mutter Selbstmord begeht. Sein Vater Byron (Robert Loggia) ist für die Navy auf den Philippinen stationiert, jedoch charakterschwach und abhängig von Alkohol sowie Prostituierten. Eine klassische Erziehung genoss Zack somit nicht, obschon wir immerhin zu Beginn sehen, dass er ein College besucht hat. Die Figur trifft eingangs die überraschende Entscheidung, eine Ausbildung zum Offizier als Marinepilot anzustreben. Vielleicht, um sich selbst – und letztlich auch seinem Vater – zu beweisen, dass man(n) mehr Charakter haben kann als dieser, ungeachtet dessen, dass das eigene Leben in den Dienst des Landes gestellt wird.
Mayo ist jemand, der stets auf sich allein gestellt gewesen ist. Was erklären mag, wieso er sich über weite Strecken während seiner Ausbildung auf sich selbst fokussiert. Zwar freundet er sich mit Zimmernachbar Sid (David Keith) an, doch einen Teamgedanken verfolgt er nicht wirklich. “You don’t give no shit about anybody than yourself”, wirft ihm später sein Ausbilder Foley (Louis Gossett Jr.) zurecht an den Kopf. “You oughta be good at this, Mayo. Something you can do alone”, stachelt er ihn im Verlauf während einer Solo-Simulationsübung an. Mayo ist sich selbst am nächsten – damit aber nicht unbedingt im Militär ideal aufgehoben. Der Film nutzt dies natürlich geschickt, um am Ende die Katharsis der Figur zu unterstreichen.
Wenn Mayo zum Abschluss seiner Ausbildung den Rundenrekord der Akademie opfert, um Kameradin Seeger (Lisa Eilbacher) das Bestehen zu sichern, ist der ehemalige Einzelgänger scheinbar endlich angekommen. Dabei ist Mayo keineswegs ein Außenseiter, vielmehr besitzt die Rolle respektive Gere ausreichend Charme, um trotz seines sozialen Status bei seinen Kameraden wie Sid, Seeger oder Daniels (David Caruso) ein gewisses Ansehen zu besitzen. Die Reife, die ihm fehlt, wird er über die zweistündige Laufzeit von An Officer and a Gentleman erhalten – mit allen Höhen und Tiefen. Darunter, wenn er kurz vor dem Rauswurf durch Foley steht, aber diesem dann unter Tränen erklärt, er wisse sonst nicht, wohin mit sich.
All diese Momente sind natürlich überaus plakativ und mitunter mit dem Holzhammer ans Publikum kommuniziert. Etwas subtiler gibt sich der Film da schon in der Ausarbeitung seiner Nebenfiguren. Paula (Debra Winger) ist dabei in gewisser Weise das Spiegelbild von Mayo, entstammt genauso wie dieser einer Affäre der Mutter mit einem Soldaten, ohne dass der im Anschluss Interesse an einer Familie gehabt hätte. Kein gewöhnlicher Soldat, sondern wie Mayo ein Offiziersanwärter für die Marine. So lebt Paula nun in derselben Stadt wie ihre Mutter Esther (Grace Zabriskie), arbeitet sogar in derselben Fabrik wie diese zusammen mit ihrer Freundin Lynette (Lisa Blount). Wie die Mutter, so die Tochter, scheint sich zu bewahrheiten.
Für die Frauen des Ortes, so skizziert es zumindest der Film, bilden die Offiziersanwärter die einzige Möglichkeit zur Flucht und zum sozialen Aufstieg. Entsprechend „warnt“ Foley die Kadetten eingangs, sich nicht in einer Babyfalle zu verirren, deren Personifikation – wie wir aber erst später lernen – in Paula dargestellt wird. Lynette ist es, die über Andeutungen zu ähnlichen Mitteln greift, um in Sid ihr Ticket für ein besseres Leben zu finden. Der hat wiederum seine eigenen Probleme mitgeschleppt, die wie bei den anderen Charakteren in der Beziehung zu den Eltern ihren Ursprung finden. Aus einer Militärfamilie entstammend, hadert Sid mit jener Rolle, die ihm zugeschrieben wird, nachdem sein älterer Bruder in Vietnam stirbt.
Fortan ist er kaum mehr als ein Ersatzsohn – und kein sonderlich geschätzter obendrein. Die Ausbildung als Marinepilot ist weniger auf seinem Mist gewachsen, als die Fortführung des Karriereplans seines verstorbenen Bruders. Hinzu kommt, dass Sid auch gleich dessen Verlobung übernahm, mit einer Frau, die zwar toll sei, die er selbst sich aber nicht ausgesucht hat. “I was here for everybody but me”, gesteht sich Sid am Ende ein, als er dem Druck nicht mehr Stand hält und kurz vor dem Abschluss aus der Akademie ausscheidet. Der Moment der seelischen Freiheit währt aber nur kurz, als er realisiert, dass sich Lynettes Träume mit ihm letztlich mit den Berufsplänen seiner Eltern für ihn gedeckt haben (“I want to marry a pilot”).
Mit Mitte 20 hat keine dieser Figuren, von Mayo über Paula hin zu Sid und Lynette, wirklich eine Idee, wer sie sein könnte. Höchstens, wer sie nicht sein will. “Lord, lift us up where we belong / Far from the world we know, up where the clear winds blow”, heißt es passend im Refrain von Will Jennings’ Lyrics zum Oscarprämierten Schmachtfetzen “Up Where We Belong”. Gemeinsam mit dem romantischen Happy End, wie es acht Jahre später auch Pretty Woman – ironischer Weise ebenfalls mit Richard Gere – inszenieren sollte, könnte sich der Eindruck aufdrängen, An Officer and a Gentleman sei eine Liebesschnulze, die der Film mit seinen Themen von Verlassen- und Orientierungslosigkeit sowie Suizid keineswegs ist.
Liebe spielt natürlich dennoch eine große Rolle. Jene Liebe, die Mayo und Paula ineinander finden, und die auch Sid sucht in seinem Leben. Die Figuren ersehnen eine gewisse Form der Geborgenheit, die Mayo sowohl in emotionaler (Paula) als auch moralischer (Foley) Person zuerst abzulehnen scheint. Zum Schluss von An Officer and a Gentleman haben Mayo und Paula den vermeintlichen Absprung geschafft – bei Sid und Lynette dagegen hat es nicht gereicht. Dass sich der Kreislauf weiter dreht, beobachtet Mayo kurz vor seinem Abschied von der Akademie, wenn Foley den nächsten Jahrgang begrüßt. Sie könnten sich von ihm, den ehemaligen Einzelgänger, eigentlich einiges abschauen. Emanzipieren müssen sie sich letztlich aber allein.
7/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen