Vor genau 40 Jahren feierte My Brilliant Career von Gillian Armstrong seine Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes 1979. Die Adaption des gleichnamigen semi-autobiografischen Romans von Autorin Miles Franklin markierte einen neuen Feminismus, waren viele der Beteiligten wie die fürs Szenenbild zuständige Luciana Arrighi, Produzentin Margaret Fink, Gillian Armstrong und Drehbuchautorin Eleanor Witcombe allesamt Frauen. Und weibliche Regisseure seiner Zeit in Australien eher selten, wie Armstrong im Bonusmaterial der Criterion Edition verrät. Womit sie sich in gewisser Weise als Vorreiter von späteren Kolleginnen wie Jane Campion oder Jennifer Kent sieht. Dabei ist My Brilliant Career weniger feministisch als er sein könnte.
Die Handlung spielt kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts im australischen Busch. Als die finanziellen Schwierigkeiten ihrer Familie für ihre Kuh-Farm zunehmen, wird die 13-jährige Sybylla (Judy Davis) zu ihrer wohlhabenden Großmutter Bossier (Aileen Britton) geschickt – in der Hoffnung, Sybylla zu verheiraten. Was sich aber angesichts des eher stur-wilden Charakters des Mädchens als schwierig herausstellt. Zugleich hat Sybylla eigentlich ganz andere Träume, zum Beispiel eine große künstlerische Karriere in der Literatur oder Musik. Und dann ist da noch der gut betuchte Junggeselle Harry (Sam Neill), ein Freund der Familie. Beide beginnen im Laufe der Geschichte mehr und mehr, für den anderen Gefühle zu entwickeln.
Wirklich feministisch gerät My Brilliant Career dabei nur bedingt, eher wohnt dem Film ein emanzipatorisches Thema inne. Doch auch dieses wird außer den Szenen zu Beginn und zum Schluss weitestgehend vernachlässigt. “Don’t you ever dream that there’s more to life than this?”, fragt Sybylla eingangs ihre kleine Schwester Gertie (Marion Shad). Der Familien-Farm ist das Mädchen überdrüssig, kennt das Leben im Outback doch “just two states of existence: work and sleep”. Da die Farm ohnehin aufgrund einer Dürre seit kurzem schwächelt, nehmen die hungrigen Mäuler überhand. Weshalb Sybyllas Mutter (Julia Blake) sie als Hausmädchen einstellen lassen will. “I want to do great things”, klagt die Tochter wiederum, “not be a servant.”
Sie träumt von einer – brillanten – Karriere. Literatur, Musik, Schauspielerei – egal, solange sie kein Dasein im Busch fristen muss. “Illusions of grandeur” tut ihr Vater jene Träumereien ab. Statt im Dienst einer anderen Familie landet Sybylla kurz darauf auf dem Anwesen ihrer Großmutter, wobei man sich fragen mag, wieso Sybylla überhaupt als Hausmädchen arbeiten sollte, wenn ein betüdeltes Leben bei ihrer Großmutter eine Option war. Das Melken der Kühe weicht fortan Schönheitskuren: Maniküren, Gesichtsmasken, gekämmten Haare und hübschen Kleidern. Sybylla hätte nun die Möglichkeiten, ihre Träume zu verwirklichen – oder es zumindest zu versuchen. Das Problem von My Brilliant Career ist: Sie tut es aber nicht.
Seitens der Gesellschaft und ihrer Familie wird dies auch nicht erwartet. Ziel ist es, Sybylla zu verheiraten, sodass sie Ehefrau und Mutter sein kann. Eine (Geschlechter-)Rolle, die das Mädchen aber nicht so ohne weiteres annehmen will. Womit die Figur in der Tradition solcher Vorbilder wie Jane Austens Elizabeth Bennet (Pride and Prejudice) oder Louisa May Alcotts Josephine March (Little Women) steht. Wenn ihre Großmutter sie in der Folge fragt “do you want to be a burden on your family forever?”, dann gilt dies nicht nur für ihre Mutter, die mit der strauchelnden Farm genug zu tun hat, sondern auch für das Leben auf Bossiers Anwesen. Einfach aushalten lassen kann keine Lösung sein – schon gar nicht eine emanzipatorische.
“She needs a man’s hand”, meint Großmutter Bossier zwar, aber die Frauen in Sybyllas unmittelbarem Umfeld sprechen eher ein anderes Bild. So lebt Sybyllas Tante Helen (Wendy Hughes) als Strohwitwe bei ihrer Mutter. Sie hatte einst aus Liebe geheiratet, ehe ihr Mann sie für eine andere Frau verließ. Weshalb sie ihrer Nichte von einer romantischen Ehe abrät – ungeachtet der Tatsache, dass auch eine Ehe aus Zweck derart enden kann. Großmutter Bossier ist ebenso unabhängig und alleine wie Sybyllas Großtante Gussie (Patricia Kennedy). Keine dieser Frauen versteht sich als abschreckendes Beispiel, wieso sollte also Sybylla bestrebt sein, an ihrem (neuen, wohlhabenden, Mann-freien) Status quo zwingend etwas zu ändern?
“They’re fortunate, aren’t they? Every day they get their food”, bewundert sie in einer Szene die Vögel des Vogelhauses von Tante Gussie. Deren Leben unterscheidet sich nicht so sehr von ihrem eigenen, besteht dieses inzwischen doch statt aus Arbeit und Schlaf aus Schlafen und Feiern. In ihrem Audiokommentar zum Film geht Gillian Armstrong auch nie wirklich auf feministische Aspekte in Franklins Roman ein, sondern eher auf gesellschaftliche. Für die Regisseurin ist Sybylla “the new girl that was testing out society”. Dabei avanciert My Brilliant Career zu einer Art “fish out of water”-Geschichte, in der Sybylla eher mit ihren Busch-Gepflogenheiten in der gehobenen Gesellschaft auffällt als mit ihrem künstlerischen Talent.
Sybyllas Aversion gegen die Ehe und Rebellion gegen das Rollenbild, um sich als Künstlerin oder zumindest als Persönlichkeit zu finden, irritiert. Das eine schließt das andere nicht aus, solange sie den richtigen Partner an ihrer Seite weiß, der sie unterstützt. Immerhin scheint Harry von ihrem Charakter angetan, wird Sybylla doch nicht gerade als Schönheit erachtet. Gertrude Bell, die zur selben Zeit aufwuchs wie Miles Franklin, biss sich ebenfalls an der Erwartungshaltung an ihr Geschlecht und emanzipierte sich in der Folge, indem sie ihren Träumen folgte. Hier hätte es in My Brilliant Career schon gereicht, wenn wir Sybylla bei ihren künstlerischen Versuchen begleiten, die von dem Umfeld entweder verlacht oder nicht für voll genommen werden.
“I can’t lose myself in somebody else’s life, when I haven’t lived my own yet”, meint Sybylla zum Schluss, wenn sie nach einigen Entwicklungen (die sie, ironischer Weise, dann doch noch kurzzeitig zur Bediensteten machten) endlich beginnt, ihre Träume zu verwirklichen. Abseits der Probleme der Geschichte gelang Gillian Armstrong ein überzeugendes Regie-Debüt, mit herrlichen Bildern des Outbacks von Don McAlpine und einem gefälligen Ensemble. Selbst wenn eine 24-jährige Judy Davis wenig glaubhaft eine 13-Jährige darstellt (der Film spart das Alter jedoch aus). So ist My Brilliant Career vielleicht nicht zwingend feministisch, half aber zumindest weiblichen Filmschaffenden in Australien auf dem Weg zur eigenen brillanten Karriere.
Die Handlung spielt kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts im australischen Busch. Als die finanziellen Schwierigkeiten ihrer Familie für ihre Kuh-Farm zunehmen, wird die 13-jährige Sybylla (Judy Davis) zu ihrer wohlhabenden Großmutter Bossier (Aileen Britton) geschickt – in der Hoffnung, Sybylla zu verheiraten. Was sich aber angesichts des eher stur-wilden Charakters des Mädchens als schwierig herausstellt. Zugleich hat Sybylla eigentlich ganz andere Träume, zum Beispiel eine große künstlerische Karriere in der Literatur oder Musik. Und dann ist da noch der gut betuchte Junggeselle Harry (Sam Neill), ein Freund der Familie. Beide beginnen im Laufe der Geschichte mehr und mehr, für den anderen Gefühle zu entwickeln.
Wirklich feministisch gerät My Brilliant Career dabei nur bedingt, eher wohnt dem Film ein emanzipatorisches Thema inne. Doch auch dieses wird außer den Szenen zu Beginn und zum Schluss weitestgehend vernachlässigt. “Don’t you ever dream that there’s more to life than this?”, fragt Sybylla eingangs ihre kleine Schwester Gertie (Marion Shad). Der Familien-Farm ist das Mädchen überdrüssig, kennt das Leben im Outback doch “just two states of existence: work and sleep”. Da die Farm ohnehin aufgrund einer Dürre seit kurzem schwächelt, nehmen die hungrigen Mäuler überhand. Weshalb Sybyllas Mutter (Julia Blake) sie als Hausmädchen einstellen lassen will. “I want to do great things”, klagt die Tochter wiederum, “not be a servant.”
Sie träumt von einer – brillanten – Karriere. Literatur, Musik, Schauspielerei – egal, solange sie kein Dasein im Busch fristen muss. “Illusions of grandeur” tut ihr Vater jene Träumereien ab. Statt im Dienst einer anderen Familie landet Sybylla kurz darauf auf dem Anwesen ihrer Großmutter, wobei man sich fragen mag, wieso Sybylla überhaupt als Hausmädchen arbeiten sollte, wenn ein betüdeltes Leben bei ihrer Großmutter eine Option war. Das Melken der Kühe weicht fortan Schönheitskuren: Maniküren, Gesichtsmasken, gekämmten Haare und hübschen Kleidern. Sybylla hätte nun die Möglichkeiten, ihre Träume zu verwirklichen – oder es zumindest zu versuchen. Das Problem von My Brilliant Career ist: Sie tut es aber nicht.
Seitens der Gesellschaft und ihrer Familie wird dies auch nicht erwartet. Ziel ist es, Sybylla zu verheiraten, sodass sie Ehefrau und Mutter sein kann. Eine (Geschlechter-)Rolle, die das Mädchen aber nicht so ohne weiteres annehmen will. Womit die Figur in der Tradition solcher Vorbilder wie Jane Austens Elizabeth Bennet (Pride and Prejudice) oder Louisa May Alcotts Josephine March (Little Women) steht. Wenn ihre Großmutter sie in der Folge fragt “do you want to be a burden on your family forever?”, dann gilt dies nicht nur für ihre Mutter, die mit der strauchelnden Farm genug zu tun hat, sondern auch für das Leben auf Bossiers Anwesen. Einfach aushalten lassen kann keine Lösung sein – schon gar nicht eine emanzipatorische.
“She needs a man’s hand”, meint Großmutter Bossier zwar, aber die Frauen in Sybyllas unmittelbarem Umfeld sprechen eher ein anderes Bild. So lebt Sybyllas Tante Helen (Wendy Hughes) als Strohwitwe bei ihrer Mutter. Sie hatte einst aus Liebe geheiratet, ehe ihr Mann sie für eine andere Frau verließ. Weshalb sie ihrer Nichte von einer romantischen Ehe abrät – ungeachtet der Tatsache, dass auch eine Ehe aus Zweck derart enden kann. Großmutter Bossier ist ebenso unabhängig und alleine wie Sybyllas Großtante Gussie (Patricia Kennedy). Keine dieser Frauen versteht sich als abschreckendes Beispiel, wieso sollte also Sybylla bestrebt sein, an ihrem (neuen, wohlhabenden, Mann-freien) Status quo zwingend etwas zu ändern?
“They’re fortunate, aren’t they? Every day they get their food”, bewundert sie in einer Szene die Vögel des Vogelhauses von Tante Gussie. Deren Leben unterscheidet sich nicht so sehr von ihrem eigenen, besteht dieses inzwischen doch statt aus Arbeit und Schlaf aus Schlafen und Feiern. In ihrem Audiokommentar zum Film geht Gillian Armstrong auch nie wirklich auf feministische Aspekte in Franklins Roman ein, sondern eher auf gesellschaftliche. Für die Regisseurin ist Sybylla “the new girl that was testing out society”. Dabei avanciert My Brilliant Career zu einer Art “fish out of water”-Geschichte, in der Sybylla eher mit ihren Busch-Gepflogenheiten in der gehobenen Gesellschaft auffällt als mit ihrem künstlerischen Talent.
Sybyllas Aversion gegen die Ehe und Rebellion gegen das Rollenbild, um sich als Künstlerin oder zumindest als Persönlichkeit zu finden, irritiert. Das eine schließt das andere nicht aus, solange sie den richtigen Partner an ihrer Seite weiß, der sie unterstützt. Immerhin scheint Harry von ihrem Charakter angetan, wird Sybylla doch nicht gerade als Schönheit erachtet. Gertrude Bell, die zur selben Zeit aufwuchs wie Miles Franklin, biss sich ebenfalls an der Erwartungshaltung an ihr Geschlecht und emanzipierte sich in der Folge, indem sie ihren Träumen folgte. Hier hätte es in My Brilliant Career schon gereicht, wenn wir Sybylla bei ihren künstlerischen Versuchen begleiten, die von dem Umfeld entweder verlacht oder nicht für voll genommen werden.
“I can’t lose myself in somebody else’s life, when I haven’t lived my own yet”, meint Sybylla zum Schluss, wenn sie nach einigen Entwicklungen (die sie, ironischer Weise, dann doch noch kurzzeitig zur Bediensteten machten) endlich beginnt, ihre Träume zu verwirklichen. Abseits der Probleme der Geschichte gelang Gillian Armstrong ein überzeugendes Regie-Debüt, mit herrlichen Bildern des Outbacks von Don McAlpine und einem gefälligen Ensemble. Selbst wenn eine 24-jährige Judy Davis wenig glaubhaft eine 13-Jährige darstellt (der Film spart das Alter jedoch aus). So ist My Brilliant Career vielleicht nicht zwingend feministisch, half aber zumindest weiblichen Filmschaffenden in Australien auf dem Weg zur eigenen brillanten Karriere.
5/10