10. Juli 2007

Next

I've seen every possible ending. None of them are good for you.

Sie sind beliebt. Sie sind begehrt. Es handelt sich um die Geschichten des Autors und Visionärs Philip K. Dick. Einer der Großen des Cyberpunk-Genres, berühmt geworden durch Romane wie Ubik, The Three Stigmata of Palmer Eldritch oder A Scanner Darkly. Zudem war Dick auch Verfasser einiger Kurzgeschichten, darunter fallen auch Second Variety, Impostor, We Can Remember It For Your Wholesale und The Minority Report. Letztere wurden deswegen angeführt, da sie für Verfilmungen in Hollywood mit namhafter Besetzung führten, Second Variety und We Can Remember It For Your Wholesale dürften eher unter den Namen Screamers und Total Recall bekannt sein. Problematisch bei Dick-Verfilmungen sind immer die Erwerbungen der jeweiligen Rechte, die ähnlich wie bei den Tolkien-Nachfahren nur für horrende Summen herausgegeben werden. Abgesehen von der ersten Dickschen Verfilmung, Blade Runner (basierend auf dem Roman Do Androids Dream of Electric Sheep?), konnten die Nachfolger auch nicht so recht überzeugen. Meist scheiterten die Versuche bereits daran, die Geschichte zu korrumpieren, und wenn man von Dick die Geschichten nimmt, nimmt man praktisch alles. Am Ende kommt dann Chaoskino a la Minority Report heraus, das letztlich überhaupt nichts mehr zu bieten hat. Und wenn Hollywood dann die nächste Dicksche Verfilmung ankündigt, kann sich der Dick-Fan bereits darauf freuen, dass hier ein nächstes Debakel ansteht. Wenn das Projekt dann auch noch in der Regie mit Lee Tamahori besetzt wird, bräuchte man sich den Film nicht mal im Kino ansehen. Wie sehr der Neuseeländer seit Once Were Warriors abgestürzt ist, stimmt einen traurig. Dabei war sein Debütfilm so kraftvoll und von Leben erfüllt. Da wusste nur noch The Edge etwas anzuknüpfen, ohne am Ende vollends zu überzeugen.

Der Magier Cris Johnson (Nicolas Cage) ist mehr als nur ein einfacher Magier – Cris verfügt über die Fähigkeit zwei Minuten in seine persönliche Zukunft zu sehen. Dies macht ihn interessant für das Federal Bureau of Investigation und deren Agentin Callie Ferris (Julianne Moore). Eine ominöse Terroristengruppe (angeführt von Thomas Kretschmann) plant einen nuklearen Anschlag in den Vereinigten Staaten. Agentin Ferris möchte sich Cris’ Talent zu Nutzen machen und dem Wohle der nationalen Sicherheit unterordnen. Doch Cris will nicht, schließlich hat er unglückliche Erinnerungen an seine Jugend, in der er zum Versuchsobjekt degradiert wurde. Vielmehr will Cris die ihm unbekannte Liz (Jessica Biel) kennen lernen, von der er seit langem Visionen hat. Wegen des Interesses des FBI geraten Cris und Liz jedoch auch zur Zielscheibe der Terroristengruppe und plötzlich sieht sich Cris gezwungen, Ferris und ihren Männern zu helfen. Dies ist die Handlung des Filmes, die mit Dicks Kurzgeschichte The Golden Man kaum noch etwas zu tun hat. Und ironischerweise hat die Handlung auch relativ wenig mit dem ersten Drehbuchentwurf zu tun, der im Jahr 2004 aus der Feder von Gary Goldman (Total Recall, Big Trouble in Little China) entstand. In Dicks Kurzgeschichte ging es um den Mutante Cris, der in die Zukunft blicken konnte und eine goldfarbene Hautschicht hatte. Die Regierung versucht Cris gefangen zu nehmen, um ihn hinzurichten, da die genetische Evolution der Mutanten eine Gefahr für die übrige Menschheit darstellt. Dicks Geschichte ist jedoch weniger ein Plädoyer für die Mutanten – wie bei X-Men der Fall, sondern eher ein Pamphlet für deren Vernichtung, falls die Menschheit überlegen möchte. Schließlich wurde in seiner Handlung angedeutet, dass Cris’ Rasse die Menschheit auf kurz oder lang verdrängen könnte respektive würde.

Bereits in Goldmans Drehbuch war die Handlung stark abgewandelt. Der rassistische Unterton gegenüber Mutanten wurde entfernt, Cris selbst wurde zum mutierten Wolfskind mit übernatürlichen Fähigkeiten, statt seiner goldenen Hautfarbe. Ansonsten wurde das Hauptelement beibehalten, denn Cris wurde zum Interessenspunkt des Büros zur Nationalen Sicherheit. Diese wollten Cris quasi in ein Zimmer einsperren, um sich seiner Fähigkeiten zu bedienen. Als Gegenpol wurde die Figur von Liz eingeführt, die ebenfalls eine Mutantin war. In diesem Drehbuchentwurd schwängerte Cris Liz und begab sich schließlich in die Hände der Regierung, um die Sicherheit seines ungeborenen Kindes zu gewähren. Sicherlich handelte es sich bei The Golden Man um kein Meisterwerk des Sci-Fi-Genres, aber durch die Hereinnahme der Liebesgeschichte verlor das erste Skript zu Next noch mal an Kraft. Auch die Abänderung des Rassismus, der während Dicks Lebzeiten in den USA ja noch eminent war, nimmt der Geschichte etwas Präsenz. Doch wenige Monate später sollte das Drehbuch nochmals geändert werden, nachdem es bei Nicolas Cages Produktionsfirma Saturn Films landete und von Jonathan Hensleigh (Die Hard: With a Vengeance). Dieser brachte den unsäglichen Nebenplot um die Terroristen herein und nahm jegliche politische Brisanz aus dem Werk sowohl Dicks als auch Goldmans. Was am Ende dabei herauskam, war ein 70 Millionen Dollar teures Vehikel, welches mit Ach und Krach seine Kosten wiedereinspielen konnte, was jedoch hauptsächlich dem Ausland zu verdanken war, dass dreimal so viel das Kino besuchte, wie die Amerikaner selbst.

Im Endeffekt weiß Next nicht nur wegen der erneut kruden Frisur von Hauptdarsteller und Produzent Nic Cage zu schocken. Vielmehr stören die herben Drehbuchfehler beziehungsweise die darin enthaltenen Logiklöcher. Wieso kann Cris nur oder ausgerechnet zwei Minuten in die Zukunft blicken? Warum wird diese Zeit ausgedehnt, wenn er in Gegenwart von Liz ist? Und was hat es eigentlich mit den Terroristen auf sich, was wollen sie und wieso tun sie es? Mit den Fragen, die Next offen lässt, könnte man eine ganze Trilogie ausfüllen, denn die Terroristen taugen nicht als bloßer MacGuffin, wenn sie letztlich das sind, was bekämpft werden muss. Fraglich auch, wie das FBI sprich Ferris überhaupt auf Cris aufmerksam wurde. Nett sind zwar die Verweise auf Kubricks Dr. Strangelove und A Clockwork Orange, doch bilden diese lediglich die Ausnahme. Weiß der Anfang von Next noch halbwegs zu überzeugen und Cris’ Talent gebührlich zu zelebrieren, geht diese Eigenschaft bald flöten. Hilfreich unterstützt wird das vom wenig überzeugenden Schauspiel aller Beteiligten, wobei man dem Film zu Gute halten muss, dass er im englischen Original weit weniger dämlich daher kommt, wie es in der deutschen Synchronisation der Fall ist. Dennoch hätte man aus der Handlung und auch aus dem zumindest kreativ angehauchten Plottwist sehr viel mehr machen können, als es am Ende bei Tamahori der Fall war. An sich ist Next dabei wieder mal ein hervorragendes Beispiel, weshalb Dickscher Stoff nicht adäquat auf die Leinwand zu bannen ist. Seine oftmalige sozial-politische Kritik ist den Hollywood-Produzenten meist zu unbequem und wird für Entertainment-Plots geopfert. Wenn diese dann auch noch so miserabel ausgearbeitet werden wie hier, können selbst namhafte Darsteller wie Cage und Moore nicht mehr viel retten. Insbesondere da beide im Drama-Genre viel eher beheimatet und weitaus besser aufgehoben sind.

4/10

4 Kommentare:

  1. Moore selbst fand ich dennoch immer noch 100mal besser als den gesamten Film. ;)

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  2. Ich denke sie war unterfordert und hat sich dann gedacht "Was soll's", anders lässt sich ihre Darstellung (vor allem in der FBI-Zentrale) nicht erklären.

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