If I leave I live. If I stay I die.
Vampire sind etwa 290 Jahre alt. Also per se und nicht im Speziellen. Ihre erste Erwähnung finden sie 1718 in offiziellen österreichischen Dokumenten aus Serbien und der kleinen Wallachei. Im selben Jahrhundert fanden Vampire dann auch Einzug in etwaige Gedichte, darunter bei Goethe. Während Varney, the Vampire von James Malcolm Rymer Mitte des 19. Jahrhunderts ein Meilenstein für das Vampir-Genre war, ist der größte nachträgliche Einfluss sicherlich Bram Stokers Dracula aus dem Jahr 1897 zuzuschreiben. Im 20. Jahrhundert wiederum wurde der Mythos Vampir freizügig im Film gepflegt, allen voran in Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu von 1922. Als Klischeevampir neben Max Schrecks Portraitierung gelten auch die Darstellungen von Bela Lugosi und Christopher Lee. Sowohl Einzug in Romane wie auch den zugehörigen Filmen fanden Vampire in Anne Rices Vampire Chronicles oder neuerdings in Stephenie Meyers Twilight-Saga.
Dass Vampire wahrlich kaum auszusterben vermögen, merkt man auch an Joss Whedons langelebiger Reihe Buffy the Vampire Slayer oder der Comicadaption Blade und ihrer Auskopplung zu einer Trilogie. Außerdem nahmen sich auch Stephen Sommers in Van Helsing und Len Wiseman in seinen beiden Underworld-Filmen der Legende der Blutsauger an. Die Faszination für die bleichen Unsterblichen ist ungebrochen. In Deutschland bekannt sein dürfte die Kinderbuchreihe Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg, in der die Freundschaft zwischen dem kleinen Anton und dem Vampir Rüdiger thematisiert wird. In eine ähnliche Richtung schlägt John Ajvide Lindqvists Roman Låt den rätte komma in aus dem Jahr 2004, der von Thomas Alfredson verfilmt wurde und übernächstes Jahr von Matt Reeves ein amerikanisches Remake erfahren wird.
In Blackeberg, einer Vorstadt von Stockholm, lebt der 12-jährige Oskar (Kåre Hedebrant) mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem Blockbau. Oskar ist von hagerer Gestalt und wird in der Schule stets von drei Mitschülern gemobbt. Als eines Tages in seinem Haus neue Nachbarn einziehen, beginnt sich Oskar vorsichtig mit der scheinbar gleichaltrigen Eli (Lina Leandersson) anzufreunden. Fast jeden Abend trifft er sie bei beißend kalten Temperaturen nur im T-Shirt bekleidet an einem Klettergerüst an. Durch die Freundschaft mit Eli gelingt es Oskar seinem Alltag selbstbewusster gegenüber zu stehen. Was er allerdings nichts weiß: Eli ist ein Vampir, ein vor hundert Jahren kastrierter Junge, dessen Aufsichtsperson Håkan (Per Ragnar) des Nachts auszieht, um Unschuldigen im Wald aufzulauern und mit ihrem Blut Elis Durst zu stillen.
Als einer seiner Mordversuche schief läuft, sucht Håkan den Suizid. Auf sich allein gestellt überfällt Eli einen Kneipengast aus der Nachbarschaft. Dessen Kumpel Erik (Henrik Dahl) beginnt auf eigene Faust nach dem „Monster“ zu suchen. Während sich zwischen Eli und Oskar langsam eine sanfte Romanze entspinnt, steigert sich das Ausmaß der Bedrohung für die beiden. Denn Erik will den Mord an seinem Freund nicht ungestraft lassen, während Oskars neugewonnenes Selbstvertrauen in der Schule auf eine harte Probe gestellt wird. Im Kontext seiner Geschichte ist Låt den rätte komma in (dt. So finster die Nacht) weniger klassische Vampirmär als vielmehr ein sorgsames coming-of-age-Drama in Verbindung mit einer liebevoll aufbereiteten Liebesgeschichte zweier gesellschaftlicher Außenseiter entgegen allen Vorurteilen.
Durch die Kameraarbeit von Hoyte Van Hoytema und das Production Design von Eva Norén ist die kalte Tristesse von Blackeberg durchgängig spürbar. Es ist dem Film dabei sehr zuträglich, dass er durchgehend im Schnee spielt, was die Atmosphäre nochmals verstärkt. Daher transferiert sich ein Großteil des Filmes über seine Bildkomposition, die äußerst gelungen mit träumerisch-melancholischer Untermalung von Johan Söderqvist versehen wurde. Alfredson schafft es mit einem geringen Budget von 3.3 Millionen Euro sein Publikum nicht nur authentisch in das Jahr 1982 zurückzuversetzen, sondern zugleich auch tatsächlich den Eindruck eines Romanes in bewegten Bildern zu erschaffen. Dies speziell dadurch bewerkstelligt, dass die Handlung stets im Vordergrund steht und sich somit frei entfalten kann. Abgesehen von der einen oder anderen etwas misslungenen Szene. Auch die Besetzung zeichnet sich hier aus, überzeugt der blonde und karge Kåre Hedebrant als eingeschüchterter Oskar. Etwas zurückhaltender aber nicht weniger sympathisch spielt seine Nebendarstellerin Lina Leandersson. So verwundert es kaum, wenn es die Szenen der beiden Jugendlichen sind, die zu den beeindruckendsten des Filmes gehören. Allein die Komposition und Präsentation des dramatischen Finales wird einem hinterher noch in Erinnerung bleiben.
Generell stören jedoch die Sequenzen rund um Håkan oder Erik etwas den Erzählfluss des Filmes. Speziell bei Håkan ist dies der Fall, was nochmals dadurch unterstützt wird, dass er in einem öffentlichen Park im Licht einer Laterne (!) seine Opfer an Bäumen aufhängt und ausbluten lässt. Hier könnte man meinen, Håkan wäre zum ersten Mal für Eli unterwegs, sodass es auch nicht verwundert, wenn es der alte Mann schließlich nicht gebacken kriegt, seinen Auftrag entsprechend auszufüllen. Auch sein Suizidversuch wirkt hier nicht minder lächerlich, sodass die ganze Figur leidlich gelungen ist. Ähnlich verhält es sich mit Erik, dessen Handeln einem nicht immer klar wird. Gegebenenfalls findet dies seine Ursache in Alfredsons Schnitt, denn wie Erik es in einer Szene des Filmes schafft, in eine abgeschlossene Wohnung einzudringen, will sich dem Publikum nicht so recht erschließen. Auch die eine oder andere Szene zwischen Oskar und Eli verwirrt, wenn Oskar einerseits äußerst zärtlich und rücksichtsvoll erscheint, um kurz darauf geradezu aggressiv und brüsk zu reagieren.
In jenen Szenen ist man kurz überrascht, nur um kurz darauf wieder von Alfredsons Film mitgenommen zu werden, in jene dramatischen Umstände sowohl von Elis als auch Oskars Leben. Da der Fokus des Filmes eher auf letzterem liegt, erfährt man zusätzlich etwas über sein Familienleben, das durchaus einige seiner Verhaltensweisen erklärt. Die Mutter ist selten anwesend und wenn trotzdem abwesend. Der Vater weiß die Zeit mit seinem Sohn nicht entsprechend zu Nutzen, sondern lädt lieber seinen Liebhaber ein. Es ist diese Einsamkeit, die Oskar nicht wirklich darüber nachdenken lässt, dass Eli gar kein Mädchen ist. „Wir sorgen uns um sie mehr, als sie um sich selbst”, schreibt der amerikanische Filmkritiker daher sehr treffend in seiner Rezension zum Film über die beiden Jugendlichen. Und letztlich ist Låt den rätte komma in ein Vampirfilm, der eigentlich gar kein Vampirfilm ist.
8/10 - erschienen bei Wicked-Vision
Vampire sind etwa 290 Jahre alt. Also per se und nicht im Speziellen. Ihre erste Erwähnung finden sie 1718 in offiziellen österreichischen Dokumenten aus Serbien und der kleinen Wallachei. Im selben Jahrhundert fanden Vampire dann auch Einzug in etwaige Gedichte, darunter bei Goethe. Während Varney, the Vampire von James Malcolm Rymer Mitte des 19. Jahrhunderts ein Meilenstein für das Vampir-Genre war, ist der größte nachträgliche Einfluss sicherlich Bram Stokers Dracula aus dem Jahr 1897 zuzuschreiben. Im 20. Jahrhundert wiederum wurde der Mythos Vampir freizügig im Film gepflegt, allen voran in Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu von 1922. Als Klischeevampir neben Max Schrecks Portraitierung gelten auch die Darstellungen von Bela Lugosi und Christopher Lee. Sowohl Einzug in Romane wie auch den zugehörigen Filmen fanden Vampire in Anne Rices Vampire Chronicles oder neuerdings in Stephenie Meyers Twilight-Saga.
Dass Vampire wahrlich kaum auszusterben vermögen, merkt man auch an Joss Whedons langelebiger Reihe Buffy the Vampire Slayer oder der Comicadaption Blade und ihrer Auskopplung zu einer Trilogie. Außerdem nahmen sich auch Stephen Sommers in Van Helsing und Len Wiseman in seinen beiden Underworld-Filmen der Legende der Blutsauger an. Die Faszination für die bleichen Unsterblichen ist ungebrochen. In Deutschland bekannt sein dürfte die Kinderbuchreihe Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg, in der die Freundschaft zwischen dem kleinen Anton und dem Vampir Rüdiger thematisiert wird. In eine ähnliche Richtung schlägt John Ajvide Lindqvists Roman Låt den rätte komma in aus dem Jahr 2004, der von Thomas Alfredson verfilmt wurde und übernächstes Jahr von Matt Reeves ein amerikanisches Remake erfahren wird.
In Blackeberg, einer Vorstadt von Stockholm, lebt der 12-jährige Oskar (Kåre Hedebrant) mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem Blockbau. Oskar ist von hagerer Gestalt und wird in der Schule stets von drei Mitschülern gemobbt. Als eines Tages in seinem Haus neue Nachbarn einziehen, beginnt sich Oskar vorsichtig mit der scheinbar gleichaltrigen Eli (Lina Leandersson) anzufreunden. Fast jeden Abend trifft er sie bei beißend kalten Temperaturen nur im T-Shirt bekleidet an einem Klettergerüst an. Durch die Freundschaft mit Eli gelingt es Oskar seinem Alltag selbstbewusster gegenüber zu stehen. Was er allerdings nichts weiß: Eli ist ein Vampir, ein vor hundert Jahren kastrierter Junge, dessen Aufsichtsperson Håkan (Per Ragnar) des Nachts auszieht, um Unschuldigen im Wald aufzulauern und mit ihrem Blut Elis Durst zu stillen.
Als einer seiner Mordversuche schief läuft, sucht Håkan den Suizid. Auf sich allein gestellt überfällt Eli einen Kneipengast aus der Nachbarschaft. Dessen Kumpel Erik (Henrik Dahl) beginnt auf eigene Faust nach dem „Monster“ zu suchen. Während sich zwischen Eli und Oskar langsam eine sanfte Romanze entspinnt, steigert sich das Ausmaß der Bedrohung für die beiden. Denn Erik will den Mord an seinem Freund nicht ungestraft lassen, während Oskars neugewonnenes Selbstvertrauen in der Schule auf eine harte Probe gestellt wird. Im Kontext seiner Geschichte ist Låt den rätte komma in (dt. So finster die Nacht) weniger klassische Vampirmär als vielmehr ein sorgsames coming-of-age-Drama in Verbindung mit einer liebevoll aufbereiteten Liebesgeschichte zweier gesellschaftlicher Außenseiter entgegen allen Vorurteilen.
Durch die Kameraarbeit von Hoyte Van Hoytema und das Production Design von Eva Norén ist die kalte Tristesse von Blackeberg durchgängig spürbar. Es ist dem Film dabei sehr zuträglich, dass er durchgehend im Schnee spielt, was die Atmosphäre nochmals verstärkt. Daher transferiert sich ein Großteil des Filmes über seine Bildkomposition, die äußerst gelungen mit träumerisch-melancholischer Untermalung von Johan Söderqvist versehen wurde. Alfredson schafft es mit einem geringen Budget von 3.3 Millionen Euro sein Publikum nicht nur authentisch in das Jahr 1982 zurückzuversetzen, sondern zugleich auch tatsächlich den Eindruck eines Romanes in bewegten Bildern zu erschaffen. Dies speziell dadurch bewerkstelligt, dass die Handlung stets im Vordergrund steht und sich somit frei entfalten kann. Abgesehen von der einen oder anderen etwas misslungenen Szene. Auch die Besetzung zeichnet sich hier aus, überzeugt der blonde und karge Kåre Hedebrant als eingeschüchterter Oskar. Etwas zurückhaltender aber nicht weniger sympathisch spielt seine Nebendarstellerin Lina Leandersson. So verwundert es kaum, wenn es die Szenen der beiden Jugendlichen sind, die zu den beeindruckendsten des Filmes gehören. Allein die Komposition und Präsentation des dramatischen Finales wird einem hinterher noch in Erinnerung bleiben.
Generell stören jedoch die Sequenzen rund um Håkan oder Erik etwas den Erzählfluss des Filmes. Speziell bei Håkan ist dies der Fall, was nochmals dadurch unterstützt wird, dass er in einem öffentlichen Park im Licht einer Laterne (!) seine Opfer an Bäumen aufhängt und ausbluten lässt. Hier könnte man meinen, Håkan wäre zum ersten Mal für Eli unterwegs, sodass es auch nicht verwundert, wenn es der alte Mann schließlich nicht gebacken kriegt, seinen Auftrag entsprechend auszufüllen. Auch sein Suizidversuch wirkt hier nicht minder lächerlich, sodass die ganze Figur leidlich gelungen ist. Ähnlich verhält es sich mit Erik, dessen Handeln einem nicht immer klar wird. Gegebenenfalls findet dies seine Ursache in Alfredsons Schnitt, denn wie Erik es in einer Szene des Filmes schafft, in eine abgeschlossene Wohnung einzudringen, will sich dem Publikum nicht so recht erschließen. Auch die eine oder andere Szene zwischen Oskar und Eli verwirrt, wenn Oskar einerseits äußerst zärtlich und rücksichtsvoll erscheint, um kurz darauf geradezu aggressiv und brüsk zu reagieren.
In jenen Szenen ist man kurz überrascht, nur um kurz darauf wieder von Alfredsons Film mitgenommen zu werden, in jene dramatischen Umstände sowohl von Elis als auch Oskars Leben. Da der Fokus des Filmes eher auf letzterem liegt, erfährt man zusätzlich etwas über sein Familienleben, das durchaus einige seiner Verhaltensweisen erklärt. Die Mutter ist selten anwesend und wenn trotzdem abwesend. Der Vater weiß die Zeit mit seinem Sohn nicht entsprechend zu Nutzen, sondern lädt lieber seinen Liebhaber ein. Es ist diese Einsamkeit, die Oskar nicht wirklich darüber nachdenken lässt, dass Eli gar kein Mädchen ist. „Wir sorgen uns um sie mehr, als sie um sich selbst”, schreibt der amerikanische Filmkritiker daher sehr treffend in seiner Rezension zum Film über die beiden Jugendlichen. Und letztlich ist Låt den rätte komma in ein Vampirfilm, der eigentlich gar kein Vampirfilm ist.
8/10 - erschienen bei Wicked-Vision
Vergibst Du neuerdings hohe Wertungen in Sekundentakt? :D
AntwortenLöschenHört sich toll an und ist für mich als alten Vampir-Fetischisten (ja, diesen Stempel hast du mir aufgedrückt!) wohl Pflicht! :-)
AntwortenLöschenWährend Varney, the Vampire von James Malcolm Rymer Mitte des 19. Jahrhunderts ein Meilenstein für das Vampir-Genre war
AntwortenLöschenZu nennen wäre in diesem Kontext vielleicht auch noch die Kurzgeschichte "Der Vampir" von John Polidori, die 1816 entstanden, auch maßgeblichen Einfluß auf Stoker hatte.
Aber nun zum Film: Hört sich durchaus interessant an, zumal ich den skandinavischen Film per se eigentlich immer mag, auch wenn ich nach dem Lesen der Rezension ebenfalls dazu tendiere, deinen Schlußsatz zu unterstreichen: Hört sich nach einem Vampir-Film an, in dem der Vampir nicht Zentrum, sondern nur Mittel zum Zweck ist. Was ja durchaus in Ordnung ist.
@Kaltduscher: Ja mei, wenn se okay sind, sind se okay ;)
AntwortenLöschen@moviescape: Ja, doch, durchaus, dir würde ich den sehr ans Herz legen.
@c.h.: Mittel zum Zweck klingt so hart, das spielt schon alles eine Rolle und kommt auch nicht zu kurz. Nur ist die Essenz eben diese Freundschaft/Liebe zwischen zwei gesellschaftlichen Außenseitern.
Ui, na das macht mir bissl Angst - bin nach wie vor der Ansicht, dass das einer meiner Filme des Jahres werden könnte, aber wenn Du ihn schon abfeierst ... *angst* ;-)
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