10. Oktober 2007

30 Days of Night

There are no such things as vampires.

Vampire. Wer kennt sie nicht, gemeinsam mit Zombies und Mutanten zählen sie zu den beliebtesten Gegner im Horrorgenre. Was alle drei gemeinsam haben ist ihre äußerliche Ähnlichkeit mit ihren menschlichen Vertretern, unterscheiden tun sie sich von diesen durch ihre oftmals übermenschlichen Fähigkeiten. Durch die gorelastigen Horrorstreifen der Herren James Wan, Alejandre Aja und Eli Roth hat das Genre im neuen Jahrtausend frisches Blut erhalten. Dasselbe lässt sich für das Comicgenre sagen, welches wiederum durch Bryan Singers X-Men und Sam Raimis Spiderman seinen festen Platz in den Spitzen der Kinocharts gefunden hat. Inzwischen wird alles, was jemals auf eine Serviette in einem Diner gekritzelt wurde von den Studiobossen wie wild gekauft. Mit der Blade-Trilogie hatte bereits einer der gezeichneten Vampire seinen Weg auf die Leinwände gefunden und es verwundert nicht, wenn ein Mann, der mit beiden Genres verbunden ist, einen symbiotischen Film herausbringt. Sam Raimi, dessen Name heutzutage mit der Spiderman-Trilogie in Verbindung gebracht wird, der seinen Namen in der Szene jedoch seinem kulthaft veehrten Evil Dead zu verdanken hat.

Sein langjähriger Partner in Produktionen wie Evil Dead, Darkman, Xena oder The Gift ist sein Freund Rob Tapert, mit welchem er 2002 die Produktionsfirma Ghost House Pictures gründete und seitdem Filme wie Boogeyman oder das amerikanische Remake zu Ju-on, The Grudge, zu verzeichnen hat. Raimis Wunsch war es mit 30 Days of Night, welches er als Herzensangelegenheit ansieht, zu seinen persönlichen Horrorwurzeln zurück zu kehren und auf fantasievolle Art Furcht zu erregen. Das Potential von 30 Days schätzte er dabei höher ein, als das der Horrorfilme der letzten Jahre. Als Regisseur für dieses Projekt wählten Raimi und Tapert den Werbe- und Musikvideoregisseur David Slade, der mit seinem Spielfilmdebüt Hard Candy für Furore gesorgt hatte. Sein kammerspielartiger Psychothriller über einen weiblichen Teenager, der einen potentiellen Pädophilen foltert, gewann mehrere Preise und begeisterte auch Raimi und Tapert. Die restliche Zusammensetzung von Produzenten und Crew setzt sich in Form von Vitamin B zusammen. Slade holte von seiner Hard Candy Crew seinen Drehbuchautor, Kameramann und Editor an Bord. Mit beiden letztgenannten hatte Slade bereits einschlägige Erfahrung bei Werbung und Musikvideos gemacht. Als ausführende Produzenten fungieren Personen, die mit Raimi und Tapert bei Boogeyman oder The Grudge zusammengearbeitet haben.

Die kleine Gemeinde Barrow im amerikanischen Staat Alaska ist keine gewöhnliche Gemeinde, denn jedes Jahr beginnt im Winter eine große Wanderung. Denn Barrow liegt nördlich des Polarkreises und während der Winterzeit dauert die Nacht nicht eine, sondern dreißig Tage. Dieser Umstand treibt viele Menschen dazu in diesem Zeitraum Richtung Süden zu ziehen. So hatte es auch Stella Olemaun (Melissa George) geplant, die ohnehin nur kurzfristig in der Stadt war, um eine Begegnung mit ihrem Mann Eben zu vermeiden, von welchem sie getrennt lebt. Eben Olemaun (Josh Hartnett) ist der Sheriff in Barrow und muss sich an diesem letzten Sonnentag mit dubiosen Zwischenfällen wie verbrannten Mobiltelefonen und bestialisch ermordeten Huskys herumschlagen. Schon früh geht Eben den Verdacht, dass es sich hierbei um keinen dummen Jungenstreich handelt, während Stella ihren Flug nach Seattle verpasst und somit die nächsten dreißig Tage um Dunkeln mit ihrem Mann feststeckt. Die Spannung zwischen den Ehepartnern wird jäh unterbrochen als ein mysteriöser Fremder (Ben Foster) die Stadt betritt. Auf der Polizeiwache beschwört er den baldigen Tod aller Einwohner und ehe Eben sich versieht, stehen er und die Einwohner dem mysteriösen Vampiranführer Marlow (Danny Huston) gegenüber – in einer dreißig Tage währenden Nacht…

Was bietet eine bessere Vampir-Horror-Grundlage als eine scheinbar immerwährende Nacht? Flüchten sich die meisten Gejagten in Vampirfilmen wie From Dusk Till Dawn durch höchstens zwölf Stunden am Ende in den rettenden Sonnenaufgang, ist ihnen dieser Ausweg in 30 Days of Night verwehrt. Wer nun jedoch eine 90minütige Hatz erwartet sieht sich getäuscht, denn Slades Film bewegt sich mehr auf einem Versteckspielniveau. Nachdem Marlow und seine Vampirbrut in Barrow einfallen, ergießen sie sich erstmal in Videospielästhetik über die Mehrheit der verbliebenen Einwohner. Die restlichen Überlebenden scharen sich um Eben und Stella zusammen und harren aus. Slade erzählt ihr Schicksal nach dem ersten Überfall in drei Zeitsprüngen, nach sieben, siebzehn und siebenundzwanzig Tagen. In der Zwischenzeit tun die Vampire scheinbar nichts, denn wenn es zu einem Überfall käme, würde Slade dies zeigen oder zumindest eine seiner Figuren verbal darauf hinweisen lassen. Bedenkt man die Tatsache, dass die Vampire 720 Stunden Zeit haben um ein 150-Seelen-Dorf auszumerzen, ist es in der Tat erstaunlich, wie selten es zu Attacken kommt. Sein groteskes Finale bietet sich hierin am Ende, wenn Marlow und die seinen erst einen Tag vor Sonnenaufgang langsam in die Gänge kommen. Dieser erhebliche Kontrast zwischen dem ersten und den letzten Tag widerspricht der ganzen Idee des Films.


Regisseur David Slade standen 35 Millionen Dollar, 250 Tonnen Kunstschnee und 4000 Liter Filmblut zur Verfügung, um ein Ambiente zu schaffen, das dem Publikum seinen eigenen Worten nach Albträume bescheren soll. Einen gruseligen Vampirfilm wollte er zu Stande bringen, denn von diesen, so fand er, gab es bisher nicht allzu viele und zudem seien diese alle gleich strukturiert. In 70 Drehtagen, die alle nachts stattfanden und von einem „Mittagessen“ um Mitternacht abgerundet wurden, versuchten sich Slade, Raimi und Co. dem Geiste des Comics treu zu bleiben. Dieser Comic stammt aus dem Jahr 2002 und aus der Feder von Ben Templesmith, unterlegt mit den Worten von Steve Niles. Für beide bedeutete 30 Days of Night damals den Durchbruch und diente als reformatorische Neubelebung des Vampir- und Horrorgenres. Der Ansatz ihrer Vampirgeschichte, sowie deren Aussehen sollten neu sein und nicht den klassischen Konventionen entsprechen. Templesmith wollte Vampire, deren Gesichter weniger menschlich und dafür wilder, fremdartiger erschienen, jedoch noch menschlich genug, um als Mensch erkannt zu werden. Von den klassischen vornehmen Vampiren wie bei Anne Rice (Interview with a vampire) wollte man sich ebenso distanzieren, wie den bikermäßigen Haudrauftypen der Blade-Reihe. Templesmith wollte punkerartige Nihilisten und Fressmaschinen. Visuell unterstützt wurde dies auf der Leinwand durch die Trickschmiede von Weta Workshop. Dabei erscheinen die Vampire jedoch schon fast zu animalisch, sodass ihr vogelartiges Gekreische mehr lächerlich als angsteinflößend wirkt.

Die Atmosphäre von 30 Days erinnert durch ihre kühl-kalte Schneelandschaft gewollt an John Carpenters Remake von The Thing, die Tatsache, dass sich Eben und die anderen vor einer Überzahl feindlich Gesinnter verstecken an dessen Assault on Precinct 13. Marlow und seine Vampire fürchten zwar kein Knoblauch, sind aber dennoch unsterblich und überstark, außerdem fürchten sie natürlich immer noch das Tageslicht. Viel neues gibt es hier also nicht und ihre animalisch-aufgedrehte Art erinnert stark an die Speed-Zombies aus 28 Days/Weeks Later. Man könnte also sagen, dass sie sich der heutigen Zeit angepasst haben, ihr Verhalten mitunter allerdings irritierend ist. Auf der einen Seite sind sie wild wie Tiere und weisen keine Kultur auf, andererseits beginnen sie diese am Ende jedoch verteidigen zu wollen. Dieser Fehler geht mit der Adaption des Comics einher, was auch andere Details vermissen lässt. Charaktere fließen ineinander und verlieren dadurch ihre Bedeutung, genauso wie die Tatsache, weshalb die Vampire im Film eine Handvoll Überlebender nicht ausmachen kann im Comic durch die herrschende Kälte von minus 50 Grad Celsius erklärt wird. Solche Detailfehler – wie Josh Hartnetts nicht vorhandener 30-Tage-Bart – sind bei einem Mann wie Slade, der von seinen Produzenten gerade wegen seiner Detailtreue gelobt wird, eigentlich unentschuldbar.

Als Auszug zu hollywoodschen Verhaltenmäßigkeiten lässt sich auch der Terz um das Drehbuch anführen. Dieses wurde in seiner ersten Fassung vom Comicautor Steve Niles im Jahr 2002 an das Studio gesandt und führte zum Engagement von Raimi und Tapert. Zwei Jahre später wurde es 2004 von einem namhafteren und versierteren Drehbuchautor, Stuart Beattie überarbeitet, um vor Produktionsbeginn erneut, diesmal von Slades Partner Brian Nelson, überarbeitet zu werden. Den Kredit teilen sich im Abspann dafür alle drei – eine Methode, die in Hollywood inzwischen zum Alltag geworden ist. Obschon 30 Days of Night atmosphärisch dicht und sowohl von seiner musikalischen Untermalung wie Ausstattung gelungen ist, fesselt die Handlung einen nicht, unterstützt von unkonventionell agierenden Figuren. Sheriff Eben schützt nur seine Frau Stella und seinen Bruder, andere Einwohner opfert er hingegen gerne. Wirklich reformatorisch arbeitet der Film also nicht und bedient sich derselben – von Slade kritisierten – Muster, wie alle anderen Horrorfilme auch, von Außenseitern, die sich plötzlich für die Gemeinschaft opfern bis hin zu zwischenmenschlichen Konflikten hervorgerufen durch den Feind im eigenen Lager. Ein großer Name wie Sam Raimi mit großer Vergangenheit macht noch lange keinen großen Film und so scheitert 30 Days of Night am Erbe von Evil Dead und bleibt am Ende nichts anderes als ein gut gestylter, allerdings durchschnittlicher Vampirfilm, der allzu oft ins Lächerliche abdriftet.

4.5/10

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