Eine der klassischen Hollywoodgeschichten ganz nach dem Motto „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ nahm mit diesem Film ihren Anfang. Ein Videothekenangestellter in Manhattan Beach schreibt innerhalb von 3 ½ Wochen ein Drehbuch und ist heute weltweit unter den Namen Quentin Tarantino bekannt. Dabei ist die Story im Ganzen noch abstruser, als sie ohnehin schon wirkt. Tarantino war zu diesem Zeitpunkt mit Produzent Lawrence Bender befreundet und dieser nahm das Drehbuch zu Reservoir Dogs mit in seine Schauspielklasse, wo er es seinem Lehrer gab. Dieser wiederum las es und schickte es von Los Angeles nach New York zu seiner Frau. Diese Frau, Lilly Parker, führte das Drehbuch zu Harvey Keitel, welcher anschließend nicht nur Co-Produzent, sondern auch Nebendarsteller wurde und wie Tarantino immer wieder hervorhub, dem Film Legitimität verlieh. Tarantino, welcher zuvor sein Skript zu True Romance für den Mindestpreis verkauft hatte, wollte Reservoir Dogs unter allen Umständen selber inszenieren und erwehrte sich gegen ein Engagement von Tony Scott und hätte Reservoir Dogs notfalls auch für dreißigtausend Dollar gedreht.
Fünf sich nicht bekannte Gauner werden von Joe (Lawrence Tierney) und seinem Sohn Nice Guy Eddie (Chris Penn) für einen Juwelenjob engagiert. Aber der Raub geht schief, die Polizei steht bereit und macht Jagd auf die Bande. Es gelingt Mr. White (Harvey Keitel) und Mr. Orange (Tim Roth) zu dem geheimen Treffpunkt, einem Lagerhaus, zu gelangen, doch Mr. Orange ist durch einen Bauchschuss schwer verwundet. Als mit Mr. Pink (Steve Buscemi) ein weiterer Überlebender aufkreuzt, äußert er Mr. White gegenüber seinen Verdacht eines Verräters innerhalb der Gruppe. Während Mr. White den verwundeten Mr. Orange in ein Krankenhaus bringen will, beharrt Mr. Pink darauf, auf Joe und die anderen zu warten. Ihr Handgemenge wird durch das Auftauchen von dem letzten Überlebenden der Gruppe, Mr. Blonde (Michael Madsen), unterbrochen. Während die Emotionen allmählich hoch kochen, wird in Rückblenden die Vorgeschichte des Coups und der Hintergrund von Mr. Orange, Mr. White und Mr. Blonde geklärt – und auch, wer der Verräter ist.
Quentin Tarantino ist ein Filmnerd wie er im Buche steht und wer seine Filme kennt, der weiß, dass er sich nicht dafür zu schade ist, Handlungselemente anderer Filme zusammen zu klauen. Im Gegenteil, Tarantino gibt diese Tatsache unumwunden zu und offenbart, dass die Idee die Charaktere in schwarze Anzüge zu stecken aus John Woo’s Ying hung book sik II (A Better Tomorrow II) von 1987 stammt, ebenso wie er zwei Szenen und eine Plotidee aus Ringo Lam’s Lung fu fong wan (City on Fire) aus demselben Jahr übernommen hat. Das Benennen der Charaktere nach Farben um ihre Anonymität zu sichern kam bereits in The Taking of Pelham One Two Three vor. Mit Reservoir Dogs beginnt auch aber die Einführung in Tarantinos eigenes Universum, voll von Big Kahuna Burgern und anderen Dingen. Reservoir Dogs hat Querverweise zu True Romance und Pulp Fiction, Mr. White ist der Cousin von Jimmy aus Pulp Fiction und hat früher mit Alabama aus True Romance zusammengearbeitet, währen Mr. Blonde alias Vic Vega, der Bruder von Vincent Vega aus Pulp Fiction ist. Die Schauspieler Harvey Keitel, Steve Buscemi und Tim Roth hatten schließlich auch Auftritte in Pulp Fiction, Michael Madsen eine Rolle in Kill Bill: Volume II.
Reservoir Dogs weist alles auf, was typisch für Tarantino ist, von seinen obligatorischen Kofferraumszenen, hin zu seiner Frühstücksgesprächsrunde in einem Diner oder seinem Dialogreichtum. Highlight ist hierbei sicherlich Mr. Blondes Gang aus dem Lagerhaus zu seinem Kofferraum um einen Kanister Benzin zu holen, was uns Tarantino in einer einzigen langen Einstellung serviert. Hierbei konzentriert er sich auf das wesentlichste des wesentlichen. Der Überfall und wie er schief geht spielt keine Rolle für die Handlung, wichtig ist allein, dass er schief gegangen ist. Mr. Blonde ist scheinbar durchgedreht und plötzlich war die Polizei vor Ort. Über Mr. Whites und Mr. Pinks Schilderungen der Vorgänge erhält das Publikum fast ein besseres Bild von Mr. Blonde, wie er hinterher selber geben kann. Mr. Blue und Mr. Brown bleiben in der Handlung außen vor, wir erfahren nichts über sie und Brown (Quentin Tarantino) ist auch der einzige der beiden, der überhaupt Textzeilen offerieren darf. Auch Mr. Pinks Hintergrund bleibt im Dunkeln, obschon er gegenüber Mr. White erwähnt, dass er Joe angeblich seit seiner Kindheit kennt.
Die Konzentration liegt also auf Mr. Orange – auch wenn Michael Madsen das in einem Interview bestritten hat – und seine Tätigkeit als verdeckter Ermittler in der Gruppe. Er ist der Unsicherheitsfaktor, derjenige, über den Joe und Nice Guy Eddie nicht viel wissen. Am nahsten mit den beiden verbunden ist Mr. Blonde und diese fast familiäre Verbindung führt am Ende auch zum großen Finale, während die Beziehung der beiden zu Mr. White rein freundschaftlicher Natur ist. Dabei ist Mr. White die ungenauste Figur aller vier Überlebenden, denn während Mr. Blonde eine kranke Natur ist, hat Mr. Pink nur sein Überleben zum Ziel. Mr. White hingegen war bereits in einer früheren Situation mit einem Maulwurf auseinander gesetzt, konnte diesen jedoch rechtzeitig ausfindig machen. Er fühlt sich aber für den Bauchschuss von Mr. Orange verantwortlich und will diesen daher nicht einfach so opfern, wie es alle anderen fordern. Charakterisieren tut Tarantino dabei wie immer seine Figuren nicht so sehr durch ihre Handlungen, sondern durch ihre Äußerungen. Wenn Mr. Pink aus Prinzip kein Trinkgeld geben will oder Mr. Blonde sich als Lee-Marvin-Fan offenbart – Tarantino lässt seine Figuren alltägliche, belanglose Gespräche führen, da dies nun mal das ist, was Menschen so machen, belanglose Gespräche führen.
In Reservoir Dogs trifft man wie bei Tarantino gewohnt verrückte Figuren, ideenreiche Dialoge, eine exzellente Musikauswahl und eine unterhaltsame Handlung, die sich auf das wesentliche konzentriert. Der Film besticht durch seinen eigenen Charme, welcher allen Werken Tarantinos zu Eigen ist und erkenntlich macht, was True Romance letzen Endes gefehlt hat. Dabei ist der Film nicht so rasant wie Pulp Fiction oder Kill Bill, sondern eine Dialogreiches Aufeinandertreffen verschiedener Figuren mit Autoritätsproblem. Wer hier zuerst wegschaut, der hat verloren und dass will sich niemand gefallen lassen. Somit ist Tarantino sein Spielfilmdebüt gelungen und sicherlich ein kleines Meisterwerk für sich genommen – wie viele Videothekenangestellte seitdem wohl ihre eigenen Drehbücher verfasst haben lässt sich wohl nicht ermessen.
9/10
Den Film habe ich nun bestimmt auch schon seit 7 Jahren nicht mehr gesehen. Die DVD steht auch schon länger im Regal. Deine Kritik macht wirklich Lust auf den Film. :-)
AntwortenLöschenden hab icha uch schon ewig nicht mehr gesehen, aber jetz wirds echt mal wieder zeit!!!
AntwortenLöschenZusammen dann, Axi. ;-)
AntwortenLöschenGute Kritik, der ich ganz und gar zustimmen kann. Super Film, super Regisseur, der seine Genialität mit seinem Minimalisumus unter Beweis stellt.
AntwortenLöschenDen muss ich unbedingt mal schauen. Bei Tarantino hab ich sowieso unglaublichen Nachholbedarf.
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