12. August 2010

The Lovely Bones

I was here for a moment, and then I was gone.

Der Limbus ist dieser Tage ein sehr beliebtes narratives Mittel in Hollywood. Er spielte eine große Rolle in der Hit-Serie Lost und auch in Christopher Nolans Inception. Auch für Alice Sebolds Roman The Lovely Bones von 2002 spielt ist der Limbus von Bedeutung, auch wenn er hier als Zwischenwelt bezeichnet wird. Nicht mehr am Leben, aber noch nicht im Himmel. Definitorische Augenwischerei, die letztlich auf dasselbe hinausläuft. Unruhige Seelen, „geparkt“ zwischen dem Hier und Da. Wo in Lost jener Raum relativ unspektakulär aussieht - sicher auch dem Budget geschuldet -, lassen Nolan und Peter Jackson, verantwortlich für Sebolds Adaption, die Spezialeffektmuskeln spielen. Angesichts des deutschen Titels, In meinem Himmel, sollte man meinen, dass jene Zwischenwelt eine besondere Rolle spielt, was jedoch, speziell im direkten Vergleich zu Lost, nicht der Fall ist. Die planlose Integration der Zwischenwelt fügt sich dabei geschickt ein, in einen Film, der eigentlich alles falsch macht, was man falsch machen kann.

Sebold erzählt die Geschichte von Susie Salmon (Saoirse Ronan), „Salmon, like the fish“. Ein lebenslustiges Mädchen, eine begeisterte Fotografin, die einst ihrem kleinen Bruder das Leben rettete, weil sie ihn als Zwölfjährige ins Krankenhaus fuhr. „We weren’t those people. Those unlucky people to whom bad things happened for no reason“, lässt Susie später wissen. Kurz bevor ihrer Familie etwas Schlimmes widerfuhr. So ganz ohne Grund. Es war ein Tag wie jeder andere, sollte man meinen, an dem Susie stirbt. Sie darf zwar nicht alle ihre Filme entwickeln lassen und muss eine hässliche Mütze tragen, aber immerhin hätte sie fast ihren Schulschwarm Ray (Reece Ritchie) geküsst. Eine Abkürzung über ein zugefrorenes Maisfeld führt sie jedoch in die Arme ihres Nachbarn George Harvey (Stanley Tucci), der Susie anschließend vergewaltigt und ermordet. Beziehungsweise in Jacksons Filmversion nur ermordet, vermutlich, weil das ja schon schlimm genug ist. Susie Tod bringt erwartungsgemäß die Familienharmonie durcheinander. Ihr Vater (Marky Mark) ist am Boden zerstört, die Mutter (Rachel Weisz) verlässt die Familie, um in Kalifornien Obst zu pflücken und der Großmutter (Susan Sarandon) ist der Tod der Enkelin eigentlich schnuppe.

Während das Leben also auf der Erde weitergeht, landet Susie in der Zwischenwelt. Zu Beginn installierte Jackson eine Analogie, als die kleine Susie eine Schneekugel mit Pinguin betrübt bestaunt, ehe ihr Vater ihr erklärt, er sei gefangen „in a perfect world“. Was an sich schon eine reichlich behämmerte Formulierung ist, denn wie perfekt kann eine Welt sein, wenn man in ihr gefangen ist? Susie jedoch übernimmt den väterlichen Hinweis und erachtet ihr Dasein in der Zwischenwelt als Wink des Schicksals. „I was alive in my own perfect world”, erklärt sie und vergnügt sich mit einem Inuit-Mädchen in einer phantasiereichen Welt, wo sie Pop-Star sein kann und Hundeschlittenrennen zelebriert. Gelegentlich schaut sie dann mal auf der Erde vorbei, hat aus unerfindlichen Gründen Einblicke in das Innenleben ihres Mörders und stalkt ihren alten Schwarm Ray, der inzwischen mit der verschrobenen Ruth Connors (Carolyn Dando) angebandelt hat, die mit Susie seit der Nacht ihres Mordes ein besonderes Band verbindet.

Man würde nun meinen, dass es in The Lovely Bones darum geht, dass Susie aus der Zwischenwelt ihren Beitrag dazu leistet, Harvey als ihren Mörder zu überführen und ihre Familie somit Ruhe findet. Pustekuchen. Zwar entbrennt irgendwann eine Verfolgung von Harvey durch Susies Vater und ihre Schwester, doch wird diese so unmotiviert begonnen, wie irgendwann auch wieder fallengelassen. Jackson will also keinen Krimi, keine Überführung des Täters, erzählen. Allerdings auch kein Drama über die emotionale Aufarbeitung der Hinterbliebenen. Vater Jack lässt Monat für Monat einen von Susies Filmen entwickeln, ehe er - natürlich - ausgerechnet in den letzten Bildern einen Hinweis entdeckt. Zuvor hatte er bereits jeden in der Nachbarschaft beim polizeilichen Ermittler (Michael Imperioli) angeschwärzt - außer selbstverständlich den eigentlichen Täter. Angetrieben dabei von Susies Hass auf Harvey, der irgendwann in ihrer perfekten Welt anscheinend plötzlich aufgekommen ist.

Mal ist die Zwischenwelt also dufte, dann aber doch irgendwie nicht. Wieso und warum erfährt man nicht so recht, denn Susies Innenleben ist obschon sie als allwissende Erzählerin fungiert, relativ selten Inhalt der jeweiligen Szenen. Womit man immer noch mehr über sie erfährt, als über die anderen Charaktere, die diese Bezeichnung im Grunde nicht verdienen. Marky Mark, der erst kurz vor knapp Ryan Gosling ersetzt hat, animiert eher zum Lachen, wie er mal wieder am Unterfangen, Schauspiel zu betreiben, grandios scheitert. Und Weisz wirkt ohnehin wie ein Fremdkörper dank einer Figur, die nie beleuchtet und bei der erstbesten Gelegenheit aus der Szenerie befördert wird. Susan Sarandon gibt dagegen die durchgeknallte Oma, die so inkompetent ist, dass man sich fragt, wie sie jemals ihr eigenes Kind großziehen konnte. Der Sinn und Zweck der übrigen Figuren von Imperioli, Dando und Ritchie erschließt sich einem ebenfalls nicht wirklich, während Tuccis Serienmörder mit seiner brummigen Stimme und dem Look eines heruntergekommenen Jason Schwartzman in seinen Fünfzigern wie im Falle von Marky Mark eher amüsiert.

Jackson präsentiert blasse Figuren, zu denen man nie Zugang erhält. Die Geschichte selbst wiederum wird leidlich unterhaltsam und ausgesprochen uninspiriert wie willkürlich erzählt. Die Integration von Susie in ihrer Zwischenwelt ist dabei häufig völlig fehl am Platz beziehungsweise ohne Mehrwert. Mit The Lovely Bones ist Peter Jackson an seinem bisherigen Tiefpunkt angelangt, auf den er bereits die letzten Jahre mit The Two Towers über The Return of the King bis hin zu seinem unnötigen King Kong-Remake zugesteuert war. Allenfalls Christopher Nolan wird noch ähnlich überschätzt und der Misserfolg von The Lovely Bones erhöht nach dem Ausscheiden von Guillermo del Toro die Wahrscheinlichkeit, dass Jackson sich auf das besinnt, was er zu können glaubt: Die Werke von J.R.R. Tolkien zu verhunzen. Die beiden Hobbit-Filme, sollten sie denn in absehbarer Zeit grünes Licht erhalten, würden Jackson die Chance geben, wieder über den Klee gelobt zu werden. Denn mit effektlosem Drama scheint der Neuseeländer inzwischen überfordert.

2/10

5 Kommentare:

  1. Okay, der Film ist Banana, ja, aber einen Verweis auf die tatsächich kreativen Himmelsbilder hätte nicht geschadet.

    Kann es übrigens sein, dass du in letzter Zeit zwei, drei Artikel veröffentlicht und dann wieder gelöscht hast?

    PS: Die Filme erscheinen, soweit ich weiß, erst am 19.

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  2. Nicht gelöscht, verschoben bisweilen. Beim Einfügen vergess ich mitunter das Datum der Veröffentlichung einzugeben. Ansonsten gehen sie direkt auf die Seite und dann muss ich das nacheditieren, im Feed-Reader taucht es aber dennoch auf. Und ja, die Scheiben kommen später, da hab ich das ursprüngliche Veröffentlichungsdatum des Posts eingetragen.

    P.S.: Die Himmelsbilder fand ich scheiße, quietschebunt und wie oben geschrieben (^^): ohne Mehrwert. Den Film sollte man verbrennen...

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  3. Sarandon und Tucci fand ich nicht einmal so schlecht, aber beim Rest kann ich Dir im Grunde Recht geben, vor allem im letzten Absatz wo Du Jacksons Überbewertung ansprichst.

    Mein Resümee fiel dennoch freundlicher aus ;-)

    Der Krimipart wäre nämlich ganz ok gewesen wenn man sich diesem intensiver gewidmet hätte und die bunten Himmelsbilder weggelassen hätte, denn Jackson scheut sich scheinbar hier konkretere Aussagen bzw. Erklärungen zu geben.

    So wurde letztendlich leider so gut wie alles versäumt, ja auch die Figuren sind platter als platt, das ist korrekt.

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  4. Den Film sollte man verbrennen...

    Was für eine beklagenswerte und tieftraurige Aussage.

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