Vor neun Jahren widmete Andrew Dominik mit Chopper Australiens berühmtesten Gefängnisinsassen Mark “Chopper“ Read einen Film. Sieben Jahre später würde sich Dominik mit dem amerikanischen Westernhelden Jesse James erneut des Lebens eines Kriminellen annehmen. Große Kriminelle eignen sich in manchen Fällen - man sah es dieses Jahr in Michael Manns Public Enemies - durchaus zu Helden oder zumindest zum Stoff für Legenden. Daher war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, ehe sich jemand an der Lebensgeschichte von Michael Peterson versuchen würde, der in den Medien als Großbritanniens gewalttätigster Gefängnisinsasse gilt. Peterson, eher bekannt durch sein Boxerpseudonym „Charles Bronson“, verbrachte 34 seiner 57 Lebensjahre in britischen Gefängnissen und erhält in diesem Jahr vom dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn, bekannt geworden durch seine Pusher-Trilogie, ein filmisches Denkmal. Dieses wird bisweilen sogar als A Clockwork Orange des 21. Jahrhunderts bezeichnet.
Eigentlich stammt Michael Peterson (Tom Hardy) aus einer gut situierten, mittelständischen Familie. Dennoch prügelt er sich schon in der Schulzeit sowohl mit Mitschülern als auch mit Lehrern. Nachdem er mit 22 Jahren eine Postfiliale für keine hundert Mark überfällt, landet Peterson schließlich im Knast. Hier bleibt Peterson ein derart unbequemer Zeitgenosse, dass er von Vollzugsanstalt zu Vollzugsanstalt weitergeschoben wird. Als es Vater Staat zu viel wird, steckt man Peterson der Einfachheit halber in die Klapsmühle, wo er mit Hilfe von Medikamenten ruhig gehalten wird. Doch Peterson lässt sich nicht aufhalten und schafft es sogar kurzzeitig - und nach einer Millionen teuren Revolte - auf freien Fuß gesetzt zu werden, ehe es ihn keine siebzig Tage und einen neuen Namen später erneut ins Gefängnis verschlägt. Erzähler der Geschichte ist dabei Peterson bzw. Bronson selbst, der bisweilen direkt in die Kamera oder zu einem Theaterpublikum gerichtet spricht. Dabei bewegt sich der gesamte Film stets auf einem schwarzhumorigen Level.
Entgegen der Proklamation zu Beginn, dass das Folgende auf „wahren Begebenheiten“ basiert, nimmt sich Winding Refn sehr viele Freiheiten in der Porträtierung von Peterson heraus. Etliche Darstellungen wie die Entlassung als geistig gesund und Petersons kurze Romanze mit einer vergebenen Frau scheinen der Phantasie des Dänen entsprungen zu sein. Generell fühl sich Bronson daher eher durch das Leben des britischen Häftlings gelegentlich inspiriert als das er dieses möglichst authentisch einfangen möchte. Denn von dem Menschen Michael Peterson erfährt das Publikum im Grunde gar nichts. Wieso wandte sich der Junge der Gewalt zu und wieso verlängerte er durch seine Eskapaden stets seine Haftdauer? Was geht in Peterson vor, was sind seine Ängste, was seine Wünsche? Winding Refn missbraucht lediglich Petersons Leben, um eine zynische Gefängnischose zu erzählen, die letztlich nicht einmal wirklich etwas über das Gefängnis erzählen will, sondern sich ausschließlich auf Gewalt als cooles Ausdrucksmittel eines introvertierten Mannes beschränkt.
Dabei schadet es Bronson am meisten, dass er keine wirkliche Geschichte zu erzählen hat, auch nicht in kleinen Episodenformen. Stattdessen verliert sich Winding Refn in redundanten Bildern von Petersons verschiedenen Geiselnahmen, die schließlich nur in redundante Bilder von Schlägereien mit dem Gefängnispersonal münden. Eine Ähnlichkeit mit Stanley Kubricks A Clockwork Orange ist da nur marginal und dient wohl ausschließlich als kurze Referenz wie auch die Szenen in der Irrenanstalt Milos Formans One Flew Over the Cuckoo’s Nest entlehnt zu sein scheinen. Hätte sich der Däne wenigstens daran versucht, einige zusammenhängende Bilder mit Hilfe einer kohärenten Erzählung zu verknüpfen, könnte sein Film auch mitunter das Potential ausschöpfen, das fraglos in einer derart ambivalenten Figur wie Peterson vorhanden ist. Denn so ist Bronson nur ein Mann, dessen Handeln keinen Sinn zu ergeben scheint, wenn er sich beispielsweise auch an Männern gewaltsam vergeht, die ihm an sich aufrichtig helfen wollen.
Getragen wird der Film daher zum einen von der gelungenen musikalischen Untermalung, die Lieder wie „It’s a sin“ von den Pet Shop Boys bereit hält, und zum anderen von Tom Hardy, der die meiste Zeit in der Tat großartig aufspielt. Hardy, der am ehesten durch Star Trek: Nemesis, RocknRolla und Inception bekannt sein dürfte, hat für die Rolle nicht nur ordentlich Muskelmasse, sondern auch schauspielerisches Gewicht zugelegt. Nur die Szenen im Theater, in denen er das Publikum direkt anspricht, wollen nicht so recht überzeugen. Ansonsten gelingt ihm die Darstellung des zynischen Humors in Verbindung mit den brachialen Szenen überaus glaubwürdig und allen voran auch äußerst sympathisch. Doch auch Hardy vermag Bronson nicht vor seiner durchschnittlichen Qualität zu bewahren, so dass der Film am Ende zwar ein bisweilen durchaus gelungenes Porträt einer zumindest in England wohl außerordentlich bekannten Figur geworden ist, was jedoch nicht zu kaschieren vermag, dass es Winding Refn versäumt hat, seiner illustren Persönlichkeit auch eine ebenso illustre Handlung zu schenken.
5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision
Na bitte, es geht doch. Endlich mal einer Meinung :D
AntwortenLöschenHast du Refns "Valhalla Rising" gesehen? Ähnliche Probleme wie Bronson (kaum existente Handlung) aber auch dieselben Stärken, vor allem die atemberaubenden Bilder und ein fantastischer Mads Mikkelsen machen den Film absolut sehenswert.
Nein,hab ich nicht gesehen. Reizt mich nach dem Trailer aber auch nicht wirklich.
AntwortenLöschenLass dich von dem Trailer bitte nicht beeinflussen, die versuchen den als Wikingeraction zu kaufen, das ist er ganz sicher nicht. Eher surreal und sehr ruhig mit ganz wenigen Actionszenen. Wenn dir zumindest der Style von Bronson gefallen hat schau ihn bei Gelegenheit mal an, danken kannste mir auch noch später ;)
AntwortenLöschenDann spick ich bei Gelegenheit mal in die DVD ;)
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