24. Februar 2011

True Grit

You give out very little sugar with your pronouncements.

Wie viele große Hollywood-Stars war auch Marion Robert Morrison, besser bekannt unter seinem Bühnennamen John Wayne, eine ambivalente Figur. Mit problematischen Äußerungen über US-amerikanische Ureinwohner, Afroamerikaner und Sozialismus machte sich Wayne nicht nur Freunde (so hatte Josef Stalin einst ein Attentat auf ihn geplant). Dennoch galt Wayne vor allem als Patriot und wurde verständlicherweise zur US-Ikone. Seinen einzigen Oscar erhielt er dabei für seine Rolle in True Grit. Dass dieser nun ein Remake erfährt, das nicht als Leichenfledderei anmutet, verdankt man sicherlich den Umständen. Zuvorderst ist True Grit weniger ein Remake denn eine weitere Adaption des gleichnamigen Romans von Charles Portis.

Seit dem Oscar-Erfolg von No Country For Old Men gelten sie als die Unfehlbaren. Auch der jüngste Western der Coens ist wieder für unzählige Academy Awards nominiert und zugleich der erfolgreichste Film ihrer Karriere. Die Coen-Brüder Ethan und Joel orientierten sich in ihrer Version von True Grit mehr an der Vorlage als dies bei der Wayne-Verfilmung auf der Agenda stand, ohne es jedoch zu versäumen, John Wayne entsprechend Reverenz zu erweisen. So folgt auf den Duke in der Hauptrolle nur konsequent der Dude. Nach seinem Oscar als bester Hauptdarsteller in Crazy Heart kann Jeff Bridges, ohnehin mit einem Sympathienimbus ausgestattet, kaum Respektlosigkeit gegenüber der Rolle vorgeworfen werden.

Im Gegenteil, schnallt er sich doch sogar jene Augenklappe um, die der einäugige Held in Portis’ Roman vermissen lässt. Sowieso rückt Waynes True Grit in weite Ferne, bedenkt man, dass den Coens nicht nur der finanziell einträglichste Western seit Kevin Costners Dances With Wolves gelang, sondern – mit einem Einspielergebnis jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke sowie zehn Oscarnominierungen – zugleich ihre bisher erfolgreichste Arbeit. Gewohnt schwarzhumorig erzählen sie in True Grit die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld), die den versoffenen, einäugigen US-Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges) für 50 Dollar anheuert, um Tom Chaney (Josh Brolin), den Mörder ihres Vaters, zu überführen.

Auf ihre Suche nach Chaney erfahren sie zusätzliche Unterstützung durch den Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon). Obschon sich auch hier wieder viele stilistische Merkmale der Brüder finden lassen – von den schrulligen Figuren wie Cogburn und LaBoeuf bis hin zu schnellzüngigen Tischdialogen –, leidet True Grit zugleich an den damit oft Hand in Hand gehenden narrativen Unausgewogenheiten. Die eigentliche Handlung wirkt bisweilen sehr konstruiert, und die Coens versäumten es, sie inhaltlich kohärenter oder zumindest glaubwürdiger zu gestalten. So trabt Mattie in einer charakterbildenden Szene mit ihrem Pony durch einen Fluss, während zuvor Cogburn und LaBoeuf für dessen Überquerung eigens einer Fähre bedurften.

Auch die Einleitung zur finalen Klimax erinnert stark an Deus ex machina. Wie so oft bleiben dem Zuschauer die Charaktere emotional weitestgehend unnahbar. Bridges’ versoffener Marshal wirkt in der Tat so, als ob der Dude einen auf Duke macht, wohingegen Damons selbstüberzeugter LaBoeuf in seiner karikierten Art wie ein Spiegelbild seiner Role aus The Informant! wirkt. Über beide Figuren lässt sich allenfalls schmunzeln, über ihre Katharsis im Finale dagegen weniger. Klare Identifikationsfigur soll und muss daher die von Hailee Steinfeld (sehr überzeugend) gespielte Mattie sein, deren Vendetta angesichts ihres Alters und der bereitwilligen Vernachlässigung von Seiten ihrer Mutter allerdings etwas leicht befremdlich anmutet.

Dass die Coens zudem interessante Figuren wie Brolins Chaney oder einen Lucky Ned Pepper (Barry Pepper) in ihrer Eindimensionalität vergammeln lassen, ist da umso bedauerlicher. Von technischer Seite ist True Grit jedoch wie alle Coen-Filme über jeden Zweifel erhaben. Zeigte sich bereits in Andrew Dominiks phantastischem The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford, dass die verwahrlosten Weiten des Wilden Westens eine metaphorisch dichte und atmosphärisch stimmige Kulisse abgeben, wird dies von Roger Deakins’ kalten Bildern nochmals untermauert. Carter Burwells Komposition zählt, auch wenn sie manch humoristischen Aspekt konterkariert, ebenfalls zu den gelungensten Eigenschaften dieses Films.

Wären die Werke der Brüder von inhaltlicher Seite stets ebenso gekonnt in Szene gesetzt wie dies bei Kamera, Licht, Schnitt und Musik der Fall ist, hätte auch das Publikum mehr davon. „Joel und Ethan Coen stehen für erstklassiges amerikanisches Independent-Kino“, hat Dieter Kosslick über den diesjährigen Berlinale-Eröffnungsfilm verlautet. Mit Independent-Kino haben die Coens  seit Intolerable Cruelty aber wenig zu tun, kosteten ihre letzten fünf Filme im Schnitt doch fast 40 Millionen Dollar. Allerdings zeigt Kosslicks Äußerung sehr gut, dass die Coens seit No Country For Old Men als “larger than life” verklärt werden. Letztlich ist True Grit eine solide Western-Komödie, erstklassig inszeniert, aber mit manch narrativem Fauxpas.

6/10

2 Kommentare:

  1. Ach, ich fand ihn gut, hab mich gut unterhalten gefühlt im Kino. Aber es bleibt dabei, an ihre wirklich tollen Filme können die Coens nicht mehr anknüpfen. Auch No Country For Old Men fand ich schon deutlich schwächer, und A Serious Man ging inhaltlich komplett an mir vorbei.
    Western Fans sollten sich an True Grit erfreuen können, denke ich.

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  2. "Western-Komödie" - habe ich auch so empfunden und anders als bei NCFOM waren mir die (Comic-)Figuren ziemlich egal bzw. habe ich mit ihnen nie wirklich mitfiebern können.

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