14. Dezember 2013

Aladdin

Do you trust me?

Heutzutage wäre ein Film wie Aladdin vermutlich undenkbar und dies nicht nur, weil sich in Disney ein US-Studio eines orientalischen Volkmärchens annahm. Schließlich gelang es dem Zeichentrickfilm 1992 nach sieben Wochen über die Weihnachtszeit doch noch auf Platz 1 in den Kinocharts zu klettern und dabei eine 65-prozentige Steigerung gegenüber seinem Startwochenende hinzulegen. Am Ende sollte Aladdin eine halbe Milliarde Dollar einspielen und zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten avancieren – zumindest bis zur Ankunft von The Lion King zwei Jahre später. Nicht von ungefähr spricht man daher vom damaligen Zeitraum Ende der 80er bis zum Ende der 90er von der Disney Renaissance.

Dabei ist Aladdin im Vergleich zu seinen Vorgängern The Little Mermaid und Beauty and the Beast durchaus anders strukturiert. Angefangen mit seiner Einführung, in der dem Zuschauer das Volksmärchen von „Aladin und die Wunderlampe“ als Geschichte in der Geschichte erzählt wird. Irgendwann habe sich diese in Agrabah, “city of mysteries”, ereignet. Speziell zu Beginn bleibt Disney der Vorlage noch verhältnismäßig treu, wenn Aladdin als auserwählter “diamond in the rough” eine verwunschene Höhle betreten muss, um dort eine Öllampe inklusive Dschinn für einen Zauberer zu besorgen. Dieser wird von Jafar, Großwesir des Sultans, verkörpert – uns vorgestellt als “a dark man with a dark purpose”.

Der Kampf um die Öllampe und die Mächte des Dschinn wird fortan eingebettet in eine klassische Romanze. Während “street rat” Aladdin sich nach dem Reichtum und Luxus des Palastlebens sehnt, fühlt sich dort Prinzessin Jasmine wiederum wie in einem Käfig eingesperrt. Weil ihr Vater, der Sultan, sie dem Gesetz nach bald verheiraten muss, sucht die Tochter kurz darauf das Weite. Die Wege der Figuren kreuzen sich und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Mit der Macht des Dschinni und seinen drei Wünschen strebt Aladdin an, mittels Reichtum und in Person von Prinz Ali das Herz von Jasmine und die Akzeptanz des Sultans zu gewinnen. In seiner Summe erzählt Disney somit eine Geschichte von Freiheit.

Aladdin glaubt im Reichtum frei zu sein von seinem Leben in der Gosse, Jasmine wiederum will frei von ihrem Reichtum sein und den Pflichten, die dieser mit sich bringt. Für Dschinni ist das Freiheitsthema derweil ein eher buchstäbliches, ist er doch ein Gefangener der Lampe und der Gier seines jeweiligen Besitzers. In gewissem Sinne sind selbst Figuren wie Jafar, Iago und der Sultan in ihrer Situation Gefangene. Hier findet sich ein Motiv, das auch in anderen Filmen der Disney Renaissance zutage tritt, von Simba oder Scar über das Biest bis hin zu Arielle. Speziell die Antagonisten dieser Filme sind oft Figuren, die meist im wahrsten Sinne des Wortes von den Herrschern (Triton, Mufasa, der Sultan) in den Schatten gestellt werden.

Auch zwischen Jasmine und Arielle finden sich Parallelen, sind beide doch Prinzessinnen, die aus ihrem Palastalltag ausbrechen, um in eine Welt einzutauchen, in der sie nach Hofprotokoll nichts verloren haben. Dies mag womöglich auch daran liegen, dass in beiden Filmen John Musker und Ron Clements Regie geführt haben. Generell überrascht Aladdin durch seine Referenzen ans Mouse House, die seither wohl nur Pixar ähnlich exorbitant betreibt. Hierin unterscheidet sich der Film am deutlichsten von seinen Vorgängern, scheint er doch primär durch die Figur des Dschinni und dessen popkulturelle Anspielungen zu Jack Nicholson oder Arsenio Hall eine Art vierdimensionales Konstrukt zu sein. Jenseits von Zeit und Raum.

Überraschend sind derartige Verweise nicht nur, weil Figuren wie Aladdin mit ihnen nichts anzufangen wissen sollten, sondern dies auch für die eigentliche Zielgruppe des Films gilt. Wie viele Kinder erkennen wohl Ed Sullivan oder Rodney Dangerfield in den Darstellungen von Dschinni? Mit Cameos von Pinocchio oder Krabbe Sebastian und Hommagen wie zu Raiders of the Lost Ark oder The Return of the Jedi tanzt Aladdin sichtlich aus der Reihe des Disney-Pantheons – dem Spaß tut dies jedoch keinen Abbruch. Dennoch vermag der Film nicht vollends in die Sphären von The Little Mermaid oder The Lion King vorzudringen – eben auch, weil ein Großteil des Humors vom Dschinni-Material Robin Williams’ abhängt.

Dass der Komiker nicht jedermanns Sache ist, dürfte unbestritten sein. Ohnehin fällt im Film manches Mal der Humor etwas flach, Sprüche wie des Sultans entlarvende Versicherung “I’m an excellent judge of character” sind fast die Seltenheit. Ebenfalls auffallend ist die nicht immer vollends gelungene Integration von CGI-Elementen in die sonst von Hand gezeichnete Animation. Als Nostalgiker, der mit Aladdin aufgewachsen ist, dürfte man zudem wie in den übrigen Disney-Filmen das nunmehr auf Blu-ray bereinigte Filmkorn vermissen. Und selbst Alan Menkens Lieder wollen nicht ganz so überzeugen wie in den Filmen zuvor und wirken hier zudem ungeschickter platziert, was den Film eher als Musical wirken lässt.

Ein vergnüglicher Spaß ist er jedoch allemal und umso beeindruckender, da eine US-Umsetzung eines orientalischen Volksmärchens wohl in dieser Form in der Post-9/11-Ära kaum mehr vorstellbar ist. Der Erfolg von Aladdin brachte dann nicht nur DTV-Fortsetzungen mit sich, sondern auch eine Serie auf dem Disney Channel. Ähnliches würde auch späteren Disney-Werken wie The Lion King oder Hercules bevorstehen. In Disneys Ehrgeiz multikulturelle Geschichten – Pocahontas und Mulan würden noch auf The Lion King folgen – zu erzählen, ist Aladdin jedenfalls ein überzeugend-unterhaltsamer Ausflug in den orientalischen Raum. Selbst wenn er nicht ganz so gut gealtert ist wie manch andere Disney-Filme.

8/10

1 Kommentar:

  1. Ich mag den Film auch sehr. Allerdings habe ich ihn bestimmt schon 10 Jahre nicht mehr gesehen, weshalb ich nicht sagen kann, wie er heute wirkt. Die Blu-ray steht aber schon im Regal.

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