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30. April 2016

Little Shop of Horrors [Director’s Cut]

Well, that’s an unusual story and a fascinating plant.

Wenn es um Feel-Good-Movies geht, dann ist ein Musical über eine Alien-Invasion, in deren Verlauf – unter anderem – der Held sowie sein Love Interest sterben, wohl eher nicht das, was einem in den Sinn kommt. Und dennoch gehört Frank Oz’ Little Shop of Horrors zu den Filmen, die zumindest bei mir, vielleicht auch wegen meines leicht misantropischen Charakters, stets für gute Laune sorgen. Und einer der Filme, die durch ihren Director’s Cut gegenüber der Kinofassung gewinnen. Dabei handelt es sich im Grunde nur bedingt um einen „Director’s Cut“, angesichts dessen, dass dieser lediglich dem Finale der Broadway-Vorlage von Alan Menken und Howard Ashman treu bleibt, das für die Kinofassung editiert werden musste.

“The audiences were upset that the plant wins”, berichtet Oz zu den damaligen Testvorführungen. Die Reaktionen waren derart negativ, dass Little Shop of Horrors ein Happy End erhielt – offensichtlich sind die Befindlichkeiten von Broadway- und Kinopublikum nicht identisch. Das Happy End bricht dem Film natürlich nicht das Genick, der ursprüngliche Handlungsverlauf wirkt dennoch konsequenter für den generellen Ton der Geschichte. Die ist wenig hoffnungsvoll, nicht nur aufgrund ihrer Verortung in die Innenstadt (downtown). “Downtown, where depression’s just status quo”, singt unser Protagonist Seymour (Rick Moranis) hier zu Beginn des Films, der in diesem nur eine von vielen verlorenen Figuren darstellt.

Als Waisenjunge, der von seinem jetzigen Arbeitgeber, Florist Mr. Mushnik (Vincent Gardenia), aufgenommen wurde, hat es Seymour nicht leicht, aber wie Kollegin Audrey (Ellen Greene) zeigt, kann es einen auch noch schlechter treffen. Sie wird von ihrem Freund, Zahnarzt Orin (Steve Martin), misshandelt. “If he does this to me when he likes me, imagine what he’d do if he ever got mad”, sinniert diese, als sie ein Trio von Straßenteens auf ihre Lage anspricht. “That poor child suffers from low self-image”, realisieren diese sogleich das Problem. Dieses ist es auch, dass eine Romanze zwischen Seymour und Audrey zuerst erschwert. Weniger die Tatsache, dass Seymour nicht gut genug für Audrey ist, als dass diese es andersherum sieht.

Generell ist das Leben in Downtown nicht leicht (“You put in eight hours for the powers that have always been”, singt eine Arbeiterin in “Skid Row”), als Folge floriert auch das Blumengeschäft von Mr. Mushnik nicht. Das soll sich ändern, als Seymour eine neue exotische Pflanze – Audrey II (Stimme: Levi Stubbs) getauft – ins Schaufenster stellt, die er jüngst für $1.95 während einer Sonnenfinsternis erworben hat. “Excuse me, I couldn’t help noticing that strange and interesting plant”, taucht sogleich ein Kunde (Christopher Guest) im Laden auf. Doch der neue Erfolg des Geschäfts kommt nicht ohne Preis daher, wie Seymour schon bald feststellt. Denn Audrey II verlangt es nach menschlichem Blut, um ihrerseits weiter wachsen zu können.

“A lot of folks deserve to die”, macht Audrey II in der Folge Seymour zu ihrem Mittäter. Und Mr. Mushniks Geschäft zum “little shop of horrors”. Dabei hatte ein Chorus eingangs noch gewarnt: “everybody better beware”, doch wie in einer griechischen Tragödie war alles vergebens. Der Niedergang der Menschheit wird von Ashman und Menken dabei herrlich komisch inszeniert, von Seymours „gescheitertem“ Mordversuch an Orin und dann dessen Leichenbeseitigung per Stadtbahn bis hin zu Audrey IIs intrigantem Spiel (in einer Szene ruft sie ihre Namensvetterin an und überprüft das Telefon anschließend auf Restgeld). Kleine Highlights sind auch die Cameos von John Candy als Radiomoderator und Bill Murrays masochistischer Zahnarztpatient.

Star des Films, neben den herausragenden praktischen Effekten von Audrey II, welche die Puppe gemeinsam mit Levi Stubbs’ Synchronisation zu einer authentischen Figur im Ensemble machen, sind aber natürlich die grandiosen Songs von Alan Menken. Diese überzeugen einerseits durch ihre gefälligen und variationsreichen Kompositionen wie im Falle von “Da-Doo”, aber auch durch deren Verbindung mit den Lyrics sowie der Lyrics mit der Handlung und ihren Charakteren. “You’ll be a dentist”, singt Rock-Zahnarzt Orin da auf seinem Motorrad in “Dentist!”, während er seine „Origin Story“ für uns reflektiert. “You have a talent for causing things pain.” Menken untermauert hier, dass ein Musicalfilm wahrlich nur so gut wie seine Songs ist.

Zugleich stellt das Remake von Roger Cormans 1960er Original gegenüber diesem klar eine Verbesserung dar – was allerdings auch nicht sonderlich schwer ist. “The original (…) began almost as a joke”, erinnert sich Corman. Innerhalb von zwei Tagen auf einem bereits existierenden Set gedreht, repräsentiert The Little Shop of Horrors jenes preisgünstige und effiziente Arbeiten, das Cormans Karriere ausmachte. Frank Oz’ Broadway-Adaption kam nun pompöser und mit einem Millionen-Budget ausgestattet daher – und avancierte 1986 zum moderaten Erfolg. Wenn auch nicht ganz so bedeutsam wie ein Vertreter Seymour gegenüber um Audrey II wirbt. “This could be bigger than Hula-Hoops”, hofiert der um die Vertriebsrechte.

Wo hier in der Kinofassung nun der Showdown zwischen Seymour und Audrey II den klassischen Filmverlauf nimmt, gerät die Ursprungsfassung respektive der Director’s Cut sehr viel „depressiver“. Wie schon Audrey ergibt sich auch Seymour quasi seinem Schicksal, während “the mean green mother from outer space” in einer epischen Zerstörungsorgie das Kommando über die Erde an sich reißt. Selten – abgesehen von Roland Emmerichs Filmen – war der Untergang der Welt wohl unterhaltsamer inszeniert. Und das zeichnet Little Shop of Horrors aus: dass er sich so gut anfühlt, obwohl das, was passiert, nicht wirklich gut ist. Zumindest der Zuschauer entkommt auf diese Weise für anderthalb Stunden seinem depressiven Status quo.

8.5/10

14. Dezember 2013

Aladdin

Do you trust me?

Heutzutage wäre ein Film wie Aladdin vermutlich undenkbar und dies nicht nur, weil sich in Disney ein US-Studio eines orientalischen Volkmärchens annahm. Schließlich gelang es dem Zeichentrickfilm 1992 nach sieben Wochen über die Weihnachtszeit doch noch auf Platz 1 in den Kinocharts zu klettern und dabei eine 65-prozentige Steigerung gegenüber seinem Startwochenende hinzulegen. Am Ende sollte Aladdin eine halbe Milliarde Dollar einspielen und zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten avancieren – zumindest bis zur Ankunft von The Lion King zwei Jahre später. Nicht von ungefähr spricht man daher vom damaligen Zeitraum Ende der 80er bis zum Ende der 90er von der Disney Renaissance.

Dabei ist Aladdin im Vergleich zu seinen Vorgängern The Little Mermaid und Beauty and the Beast durchaus anders strukturiert. Angefangen mit seiner Einführung, in der dem Zuschauer das Volksmärchen von „Aladin und die Wunderlampe“ als Geschichte in der Geschichte erzählt wird. Irgendwann habe sich diese in Agrabah, “city of mysteries”, ereignet. Speziell zu Beginn bleibt Disney der Vorlage noch verhältnismäßig treu, wenn Aladdin als auserwählter “diamond in the rough” eine verwunschene Höhle betreten muss, um dort eine Öllampe inklusive Dschinn für einen Zauberer zu besorgen. Dieser wird von Jafar, Großwesir des Sultans, verkörpert – uns vorgestellt als “a dark man with a dark purpose”.

Der Kampf um die Öllampe und die Mächte des Dschinn wird fortan eingebettet in eine klassische Romanze. Während “street rat” Aladdin sich nach dem Reichtum und Luxus des Palastlebens sehnt, fühlt sich dort Prinzessin Jasmine wiederum wie in einem Käfig eingesperrt. Weil ihr Vater, der Sultan, sie dem Gesetz nach bald verheiraten muss, sucht die Tochter kurz darauf das Weite. Die Wege der Figuren kreuzen sich und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Mit der Macht des Dschinni und seinen drei Wünschen strebt Aladdin an, mittels Reichtum und in Person von Prinz Ali das Herz von Jasmine und die Akzeptanz des Sultans zu gewinnen. In seiner Summe erzählt Disney somit eine Geschichte von Freiheit.

Aladdin glaubt im Reichtum frei zu sein von seinem Leben in der Gosse, Jasmine wiederum will frei von ihrem Reichtum sein und den Pflichten, die dieser mit sich bringt. Für Dschinni ist das Freiheitsthema derweil ein eher buchstäbliches, ist er doch ein Gefangener der Lampe und der Gier seines jeweiligen Besitzers. In gewissem Sinne sind selbst Figuren wie Jafar, Iago und der Sultan in ihrer Situation Gefangene. Hier findet sich ein Motiv, das auch in anderen Filmen der Disney Renaissance zutage tritt, von Simba oder Scar über das Biest bis hin zu Arielle. Speziell die Antagonisten dieser Filme sind oft Figuren, die meist im wahrsten Sinne des Wortes von den Herrschern (Triton, Mufasa, der Sultan) in den Schatten gestellt werden.

Auch zwischen Jasmine und Arielle finden sich Parallelen, sind beide doch Prinzessinnen, die aus ihrem Palastalltag ausbrechen, um in eine Welt einzutauchen, in der sie nach Hofprotokoll nichts verloren haben. Dies mag womöglich auch daran liegen, dass in beiden Filmen John Musker und Ron Clements Regie geführt haben. Generell überrascht Aladdin durch seine Referenzen ans Mouse House, die seither wohl nur Pixar ähnlich exorbitant betreibt. Hierin unterscheidet sich der Film am deutlichsten von seinen Vorgängern, scheint er doch primär durch die Figur des Dschinni und dessen popkulturelle Anspielungen zu Jack Nicholson oder Arsenio Hall eine Art vierdimensionales Konstrukt zu sein. Jenseits von Zeit und Raum.

Überraschend sind derartige Verweise nicht nur, weil Figuren wie Aladdin mit ihnen nichts anzufangen wissen sollten, sondern dies auch für die eigentliche Zielgruppe des Films gilt. Wie viele Kinder erkennen wohl Ed Sullivan oder Rodney Dangerfield in den Darstellungen von Dschinni? Mit Cameos von Pinocchio oder Krabbe Sebastian und Hommagen wie zu Raiders of the Lost Ark oder The Return of the Jedi tanzt Aladdin sichtlich aus der Reihe des Disney-Pantheons – dem Spaß tut dies jedoch keinen Abbruch. Dennoch vermag der Film nicht vollends in die Sphären von The Little Mermaid oder The Lion King vorzudringen – eben auch, weil ein Großteil des Humors vom Dschinni-Material Robin Williams’ abhängt.

Dass der Komiker nicht jedermanns Sache ist, dürfte unbestritten sein. Ohnehin fällt im Film manches Mal der Humor etwas flach, Sprüche wie des Sultans entlarvende Versicherung “I’m an excellent judge of character” sind fast die Seltenheit. Ebenfalls auffallend ist die nicht immer vollends gelungene Integration von CGI-Elementen in die sonst von Hand gezeichnete Animation. Als Nostalgiker, der mit Aladdin aufgewachsen ist, dürfte man zudem wie in den übrigen Disney-Filmen das nunmehr auf Blu-ray bereinigte Filmkorn vermissen. Und selbst Alan Menkens Lieder wollen nicht ganz so überzeugen wie in den Filmen zuvor und wirken hier zudem ungeschickter platziert, was den Film eher als Musical wirken lässt.

Ein vergnüglicher Spaß ist er jedoch allemal und umso beeindruckender, da eine US-Umsetzung eines orientalischen Volksmärchens wohl in dieser Form in der Post-9/11-Ära kaum mehr vorstellbar ist. Der Erfolg von Aladdin brachte dann nicht nur DTV-Fortsetzungen mit sich, sondern auch eine Serie auf dem Disney Channel. Ähnliches würde auch späteren Disney-Werken wie The Lion King oder Hercules bevorstehen. In Disneys Ehrgeiz multikulturelle Geschichten – Pocahontas und Mulan würden noch auf The Lion King folgen – zu erzählen, ist Aladdin jedenfalls ein überzeugend-unterhaltsamer Ausflug in den orientalischen Raum. Selbst wenn er nicht ganz so gut gealtert ist wie manch andere Disney-Filme.

8/10

3. November 2010

Beauty and the Beast

Tale as old as time, true as it can be.

“Once upon a time in a far away land…” - so lautet der klassische Einstieg in ein jedes Märchen, wie es auch Disneys Beauty and the Beast von 1991 ist, der bis heute einzige Animationsfilm, der eine Oscarnominierung als Bester Film erhalten hat (die diesjährige Nominierung von Up in der ausgeweiteten Kategorie ist kaum vergleichbar). Ihres Zeichens ist die Geschichte von der Schönen und dem Biest inzwischen über 270 Jahre alt. Eine der frühesten Versionen geht mit La Belle et la Bête 1740 auf Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve zurück, während es die überarbeitete Fassung von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont 16 Jahre später ist, die über die größte Bekanntheit verfügt. Obschon Walt Disney das französische Märchen bereits zu Lebzeiten umsetzen wollte, kam es erst 1991 in der Renaissance des Studios zu einer Adaption, die nach The Lion King und Aladdin, die in den Jahren darauf entstanden, der dritterfolgreichste 2D-Film des Animationsstudios ist.

Was die drei Filme ebenfalls bisher einte, war die Tatsache, dass sie auf DVD vergriffen waren. Kaum Exemplare vorhanden und die, die im Umlauf waren, wurden zu teils horrenden Preisen feilgeboten. Umso bedauerlicher, da die ursprünglichen Kinofassungen wohl nur auf diese Weise noch erhältlich sind, bedenkt man, dass Disney seine alten Werke schon seit Jahren digital restauriert - sehr zum Leidwesen der Filme. In HD-Qualität präsentieren sich nun Belle, das Biest, sowie Gaston und Co. Adieu grobkörniges Bild, aber auch adieu schöne Nostalgie. Die Folge ist, dass Beauty and the Beast wie seine zuvor bereits digital restaurierten Kollegen aussieht, wie der 0815-Einheitsbrei jenes Studios, dass seine DTV-Sequels in betrübender Lieblosigkeit produziert. Als hätte man George Lucas auf Disney-Meisterwerke losgelassen. An der Qualität des Filmes ändert dies zum Glück wenig.

Wie vielen Märchen wohnt auch La Belle et la Bête eine Moral inne, die die beiden Regisseure von Beauty and the Beast, Gary Trousdale und Kirk Wise, dem Publikum gleich zu Beginn liefern. Es wird von einem jungen Prinzen erzählt, der eines Nachts eine hässliche Bettlerin von seinem Schloss weist und ihr auch im Austausch für eine Rose keine Unterkunft schenken will. “She warned him, not to be deceived by appearances“, verrät der Erzähler, “for beauty is found within“. Die alte Bettlerin ist in Wirklichkeit eine Zauberin, die den 11-jährigen Prinzen für sein Verhalten zur Strafe in ein scheußliches Biest verwandelt. Wenn es ihm bis zu seinem 21. Geburtstag gelingt, eine Frau dazu zu bringen, sich in ihn zu verlieben, wird der Bann gebrochen. Im Nachhinein wirkt dies wie eine reichlich drastische Maßnahme gegenüber einem kleinen Jungen, der als Waise von seiner Macht - und vermutlich auch seinem Aussehen - berauscht ist und es wohl einfach nicht besser weiß.

Doch, und hier findet sich das große Manko des Disney-Werkes, für große Auseinandersetzungen mit seiner Geschichte nimmt sich der Film keine Zeit. Zehn Jahre ziehen ins Land, die Handlung wechselt in ein farbenfrohes Dorf. Hier lernen wir Belle kennen, ein aufgewecktes junges Mädchen, das seine Nase lieber in Bücher steckt als dass es sich wie seine Altersgenossinnen im Schmachten an Gaston, den muskelbepackten und gutaussehenden Jäger der Gemeinde, verliert. An einem Brunnen hält sie inne, durchblättert ein Buch und stellt als ironische Selbstreferenz in dessen Geschichte fest: “Here’s where she meets Prince Charming but she won’t discover that until chapter three“. Belle ist die einzige Tochter von Maurice, jenem Kaufmann des ursprünglichen Märchens, der in der Disney-Version nun zu einem Haushaltserfinder wird und einer Mischung aus Doc Brown der Back to the Future-Filme und Randall Peltzer der Gremlins-Serie gleichkommt.

Bei einer seiner Reisen trifft er auf das Schloss des Biests, wird von diesem eingesperrt und erst freigelassen, als Belle ihn suchen kommt und für ihn beim Biest bleibt. Für das Biest und insbesondere seine Schlossbediensteten wie Lumière und Cogsworth offenbart sich hier die Chance, den Fluch zu brechen. Die Tage bis zum 21. Geburtstag des Prinzen rücken näher und die Anwesenheit einer Frau - die praktischerweise auch noch hübsch ist - bietet somit die letzte Möglichkeit, wieder die ursprüngliche menschliche Form zu erhalten. Allerdings kein leichtes Unterfangen, sind die Rollen doch vertauscht. Nun ist der Prinz der hässliche Bittsteller und die gutaussehende Belle “has to see past all that“, wie es Mrs. Potts richtig zusammenfasst. “Above all you must control your temper“, trichtern die Angestellten dem heißblütigen Biest ihr Mantra ein. Nach kurzem Vertrauensgewinn (bei einem Fluchtversuch rettet das Biest Belle das Leben) werden die folgenden Tage und Gefühle vorgespult.

Es ist insbesondere die Größe seines … Bibliothekssaals, die zwischen dem Biest und Belle - bemerkenswert ist übrigens, dass diese ihn stets als „Biest“ adressiert, selbst im Finale noch - eine Bindung herstellt. Auch hier mag man die Auseinandersetzung mit der Situation ein wenig vermissen, könnten die Gefühle der beiden Charaktere doch in Zweifel gezogen werden, bedenk man, dass das Biest quasi unter Zeitdruck jemanden dazu bringen muss, sich in ihn zu verlieben, und Belle wiederum mit dem Stockholm-Syndrom diagnostiziert werden könnte. Auch dass Gaston zum Bösewicht verkommt, ist ein im Grunde ziemlich leichter Ausweg, ist er als gutaussehender aber innerlich fauler Charakter doch dem Biest - oder der Person, die aus dem Prinzen hätte werden können - nicht so unähnlich. Doch Gaston erhält keinen Fluch und keine Zeit, über sein Verhalten nachzudenken. Stattdessen bezahlt er im Gegensatz zum Biest seine charakterlichen Verfehlungen am Ende mit dem Leben.

Letztlich ist die eigentliche Botschaft jedoch, dass sich wahre Schönheit nicht an Äußerlichkeiten festmachen lässt, sondern - wie die Zauberin bereits sagte - von innen kommt. So ist es das Wesen des Biests, das Belle schließlich für sich gewinnt und nicht sein gutes Aussehen (welches am Ende natürlich ein schöner Bonus ist). Gleichzeitig veranschaulicht das Märchen aber auch, dass jene innere Schönheit nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, sondern man sich mit ihr beziehungsweise ihrem eventuell „hässlichen“ Äußeren zuerst einige Tage auseinandersetzen muss. Dass dies ohnehin eine Eigenschaft ist, die eher Frauen als Männern innewohnt (könnte sich ein junger hübscher Intellektueller in ein hässliches weibliches Biest ebenso verlieben?), kommt da noch hinzu. Je intensiver man sich also mit der Geschichte von Beauty and the Beast beschäftigt, desto problematischer wird diese. Grund genug, sich der visuellen und musikalischen Umsetzung zu widmen.

Unabhängig von der digitalen Restaurierung gefällt visuell neben der Ballraumszene speziell Belles Einführung. Da sich der Großteil der Geschichte im Schloss des Biests abspielt, gilt es hier - zum Beispiel am ersten Abend von Belle oder beim Ausflug in den verschneiten Schlosshof - den Zuschauer mit klassischen Disney-Vignetten abzuholen. Abgerundet wird auch dieses Werk der Disney Renaissance dann von der Musik Alan Menkens, dessen Stücke wie “Be Our Guest“ und “Beauty and the Beast“ in den Kanon der unsterblichen Disney-Songs eingegangen sind. So ist Beauty and the Beast insgesamt zuvorderst ein Werk der Nostalgie, welches besser in Erinnerung geblieben ist, als es wohl unter denselben Voraussetzungen heutzutage bleiben würde - was aber wohl auf viele Märchen zutrifft. Als solches endet der Film auch sehr getreu, wenn Chip fragt: “Are they gonna live happily ever after?“. Mrs. Potts „logische“ Antwort: “Of course, my dear, of course“.

6.5/10

5. Oktober 2008

The Little Mermaid

Have I ever been wrong? I mean when it’s important.

Gelegentlich begegnet man Menschen, die einen einzigen Film an die 15 Mal im Kino gesehen haben. Mit solchen Zahlen kann ich selbst nicht mithalten, im Höchstfall schaue ich einen Film zweimal im Kino an. Beispielsweise The Prestige, Sin City, Finding Neverland aber auch Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull. Wenn ich einen Film tatsächlich drei Mal im Kino sehe, dann ist dies nicht nur ein guter Film, sondern auch einer der mir persönlich etwas bedeutet. Bei Revenge of the Sith war dies der Fall. Damit markiert die dritte Episode von George Lucas’ Weltraumsaga Star Wars eigentlich den Spitzenreiter, wäre da nicht noch Disneys The Little Mermaid. Im zarten Alter von sieben Jahren machte ich mich ganze vier Mal in unser regionales Kino auf und tauchte im wahrsten Sinne des Wortes in den Anbeginn von Disneys Renaissance ein.

Nach der „stillen“ Periode der siebziger und achtziger Jahre kehrte Disney als Test in Oliver & Company zu seinen Musicaleinlagen zurück und führte diese nach dem Erfolg von The Little Mermaid wieder vollends ein. Es verwundert daher nicht, dass die Disney Renaissance auch andere Meisterwerke wie Beauty and the Beast, Aladdin oder The Lion King hervorbrachte. Neben den Musicaleinlagen wandte sich Disney auch anderen ehemaligen Werten zu. Mit The Little Mermaid verarbeitete man zum ersten Mal seit Sleeping Beauty wieder ein klassisches Märchen. Jenes Märchen stammte von Hans Christian Andersen, unterscheidet sich jedoch an vielen Stellen vom Disney-Film. Seine kleine Meerjungfrau strebt nicht nach der Liebe eines Prinzen, sondern sie wünscht sich vielmehr die unsterbliche Seele der Menschen, die nach dem Tod gen Himmel wandert.

Letztlich vermisst Andersens Märchen ein typisches Happy End, auch wenn die Hoffnung bei ihm zuletzt stirbt. Verantwortlich für die Liebesgeschichte von Ariel und Eric war das kongeniale Duo Ron Clements und John Musker, die zuvor bei The Great Mouse Detective als Regisseure tätig waren und für Disney auch Aladdin inszenieren sollten. Momentan arbeiten sie an Disneys Rückkehr zur klassischen 2-D-Animation mit The Princess and the Frog, welche sich zum ersten Mal in der Geschichte des Studios einer afroamerikanischen Heldin annimmt. Für jüngere Zuschauer stellen die klassischen Disney-Filme einen Schritt in die Vergangenheit dar. Statt auf Effekte konzentrierte man sich auf die Geschichte, die Charaktere und die Musicalnummern. Das Wasser, in dem Ariel schwimmt, besticht nicht durch Details, den Zeichnern genügte hier eine Welle und dort eine Welle.

Life’s full of tough choices, innit?
Ähnlich verhält es sich mit ihrem Haar, dieser wabernden roten Mähne, die kaum einzelne Strähnen zulässt. Zeichnete Disney früher einen Hügel als Hügel, so warten Pixarfilme wie Ratatouille heutzutage mit hunderten digitaler Sandkörner auf, die letztlich einen Hügel bilden. Monatelang wird an dem Fell einer Ratte gearbeitet, um hunderttausende kleine digitale Härchen zu erzeugen. Früher tat es einfach eine einzige gefärbte Masse. Wer inzwischen nicht mehr mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen – die Frage ist: wer braucht diese ganzen Details? Durch seine Effekte allein wird ein Film nicht besser, zumindest kein animierter Kinderfilm. Filme wie The Little Mermaid werden bedauerlicherweise gar nicht mehr gemacht – bisher. Viel Hoffnung liegt auf Clements & Muskers The Princess and the Frog, einem klassischen Animationsfilm ohne Schnörkel.

Zu Beginn des Filmes werden die vier Parteien nacheinander vorgestellt, angefangen beim 18-jährigen Prinzen und love interest Eric. Von ihm geht es in einem gelungen Schnitt hinab, unter das Meer. Ein Festakt im Königspalast erwartet die Meeresbewohner. Unter der Leitung des Dirigenten, Krabbe Sebastian, präsentiert König Triton, Sohn des Poseidon, seinem Volk seine Töchter. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Jüngsten, Ariel, wegen ihrer bezaubernden Stimme. Doch diese verpasst den Festakt, befindet sich auf einer Abenteuerjagd mit ihrem Freund Flunder. Ihr rebellisches Verhalten lockt die Seehexe Ursula an, die einen perfiden Plan zu spinnen beginnt. Die xenophile Ariel verliebt sich in Eric, sehr zum Leidwesen ihres Vaters, welcher der Tochter strikt untersagt hat zur Oberfläche zu schwimmen und Kontakt mit Menschen zu suchen.

Der Konflikt zwischen Vater und Tochter nimmt letztlich überhand, einen Ausweg für die 16-jährige Ariel scheint lediglich Ursula zu bieten. Im Austausch für ihre Stimme will sie Ariel in einen Menschen verwandeln. Ihre Bedingung: Sollte es Ariel innerhalb von drei Tagen nicht gelingen, das Herz von Eric zu gewinnen, verkommt sie zur Staffage der Seehexe. Die desillusionierte Ariel gibt sich Ursula hin und büßt dies fast sogleich mit ihrem Leben, lediglich Sebastian und Flunder bewahren sie vor dem Ertrinken. An der Oberfläche trifft sie sogleich auf Eric, doch erkennt dieser sie nicht, da sein einziges Identifikationsmittel Ariels Stimme gewesen war. Schließlich wird sich Eric aber in Ariels Persönlichkeit verlieben und nicht in irgendein hervorstechendes Merkmal. Ursula droht ihr Plan aufzufliegen, sie schreitet ein und verändert das Leben von allen.

I don’t know when
I don’t know how
But I know something’s starting right now
Watch and you’ll see
Some day I’ll be
Part of your world.


Vormerklich geht es in The Little Mermaid um unterschiedliche Kulturen, die sich scheinbar nicht vertragen, sich jedoch auch nicht um Kontakt bemühen. Für die Meermenschen und die Unterwasserwelt sind die Menschen der Oberfläche Barbaren, kaltblütige Mörder ohne jedes Herz. Ursache für diese Meinung ist natürlich die Fischerei, welche das Geschehen einleitet. Aufgrund der Gefahren ist es jedem Meermensch von Triton untersagt, die Oberfläche aufzusuchen. Kontakte mit Menschen oder allem menschlichem werden strikt untersagt. Durch den Film hindurch erhält man keinen Einblick für Tritons Beweggründe, Vermutungen lassen sich jedoch erschließen. Typisch für die Disney-Renaissance ist die Thematik der abwesenden Mutter. Sowohl Ariel als auch Belle (Beauty and the Beast) und Jasmin (Aladdin) sind mutterlose Halbwaisen.

Tritons Zorn auf die Menschenwelt ließe sich daher so erklären, dass Ariels Mutter einst durch Kontakt mit Menschen ihr Leben verlor. Wie und was genau passiert ist, bleibt jedoch reine Spekulation, wie auch bei den anderen Renaissance-Damen. In ihrer Geschichte erheben Clements & Musker Ariel nun zum Bindeglied zwischen beiden Kulturen. Ariel ist weit über den Status eines neugierigen Teenagers hinaus, auf sie trifft durchaus die Bezeichnung „xenophil“ zu. Insbesondere ist sie besessen von der Welt der Menschen, die so nah und doch so fern ist. Ihre Fragen befriedigt sie durch etwaige Schatzsuchen, in welchen sie Gabeln oder Pfeifen findet. Die Antworten für diese Gegenstände sucht sie bei der verschrobenen und naiven Seemöwe Scuttle, der fiktive Gebrauchsgründe für die Gegenstände erfindet. Doch auch dies reicht Ariel nicht, sie will mehr.

Der Wendepunkt ist die Begegnung mit Eric, auch wenn es etwas flach wirkt, dass sich Ariel in ihren ersten Menschen verliebt. Auch Eric ist anders als es seine Kultur vorsieht. Das Dasein als Prinz sagt ih wenig zu und auch eine Heirat mit irgendeiner Prinzessin steht ihm nicht im Sinn. Ein Sturm und die folgende Rettungsaktion sorgen schließlich für den direkten Kontakt der beiden Teenager, welche sich spätestens hier vollends verlieben. Einziger Anhaltspunkt ist für Eric dabei Ariels Stimme – ein Merkmal, dass später dem Spannungsaufbau dient. Im Gegensatz zu ihrem Vater, ihren Schwestern und allen anderen Meeresbewohner hat Ariel keine Angst vor der fremden Kultur. Im Gegenteil, sie ist von ihrem sympathischen Charakter überzeugt. Durch ehrliches Interesse und Begeisterung gewinnt sie die Herzen der Menschen und letztlich auch Erics.

Children have got to be free to lead their own lives.
Zu diesem Zeitpunkt ist sie natürlich keine Meerjungfrau, der sich in ihr verbergende Konflikt ist nur für den Zuschauer ersichtlich. Doch spätestens bei Eric und Vanessas Hochzeit wird ihre Identität aufgedeckt – und dennoch wird sie vom Volk später akzeptiert. Vielmehr noch, Eric zögert keine Sekunde seiner Geliebten zu Hilfe zu eilen – unabhängig von ihrer äußerlichen Erscheinung respektive dem thematischen Konflikt beider Kulturen. Ihre Liebe wird zur Brücke zwischen den Völkern, hat im Grunde Analogien zu Romeo und Julia, nur dass die Liebenden hier ein Happy End finden. Beide Parteien erkennen sich zum Schluss des Filmes an, Triton nimmt ein großes Opfer auf sich, um seine Tochter glücklich zu sehen. Wie genau der Kontakt zwischen Menschen und Meeresbewohnern aussehen wird (auch in Bezug auf die Fischerei), wird allerdings nicht geklärt.

Als Vater hat Triton nur das Beste für seine Tochter im Sinn, allen voran ihren Schutz. In seiner Liebe lassen sich Elternteile oftmals zu überdrastischen Maßnahmen hinreißen, wie zum Beispiel Tritons Zerstörung von Ariels Höhle. Diese Aktion bewirkt Ariels ultimative Reaktion. Ein typisch jugendliches Aufbegehren ist die Folge. Der Konsequenzen ist sich Ariel nicht bewusst, ohnehin ist sie durch ihre erste Liebe so verblendet, dass sie die Gefahr nicht wahrnimmt. Am Ende muss sie erfahren, dass sich Seehexen nicht übers Ohr hauen lassen. Speziell nicht solche, die eine Agenda haben. Aus der Handlung entfernt wurde die Information, dass Ursula die Schwester von Triton und somit Ariels Tante ist. Sie wurde von Triton verstoßen, verbannt und sinnt nun auf Rache. Dies erklärt auch ihr „endlich“, als sie sich im Finale Tritons Krone aufsetzt.

Somit ist The Little Mermaid ein einziger großer Familienkonflikt, bewirkt durch Entfremdung und Verstoßung. Hauptsächlich rückt jedoch Ariels unbändiger Glaube an das Gute in den Vordergrund. Sie öffnet sich einer fremden und scheinbar feindlichen Welt und wird nicht verletzt. Für Eltern ist das Leben voller schwieriger Entscheidungen, wie Ursula bemerkt, und auch Sebastian hat Recht, wenn er meint, dass Kinder ihre eigenen Entscheidungen und Lebenswege überlassen werden müssen. Triton lernt am Ende, dass das Beste für Ariel das ist, was sie selbst für das Beste hält. Er lässt los und bewirkt somit mehr Nähe zu seiner Tochter, wie er vorher je für möglich gehalten hätte. Seit den vier Kinobesuchen habe ich The Little Mermaid sicherlich noch zwei Dutzend Mal gesehen – und ich werden den Film auch bestimmt noch mehrere Dutzend Male sehen.

10/10