21. Mai 2016

Uncharted 4: A Thief's End

I am a Man of Fortune, and I must seek my Fortune.

Manchmal heißt es Loslassen, wenn einem das eigene Wohl am Herzen liegt. “Let it go“, appellierte da Henry Jones, Sr. (Sean Connery) am Ende von Indiana Jones and the Last Crusade an seinen Grabräubernden Sohn Indy (Harrison Ford), als dieser inmitten einer einstürzenden Tempelruine nach dem Heiligen Gral greifen wollte. Lass gut sein – so das Motto. Ein solches wäre auch Naughty Dog zu empfehlen gewesen, ehe sie für dieses Jahr mit einem weiteren Sequel zu ihrer erfolgreichen Spielreihe Uncharted um die Ecke kamen. Nach Drake’s Fortune und dem starken Among Thieves geriet die Reihe vor fünf Jahren mit Drake’s Deception aus der Bahn. Was damals verbockt wurde, verschlimmert der Hersteller nun mit A Thief’s End noch.

Loslassen ist auch eines der Themen in diesem vierten Teil der Serie. Nathan Drake (Nolan North) hat seine Tage als schießwütiger Grabräuber hinter sich gelassen und geht jetzt – auch seiner Frau Elena Fisher (Emily Rose) zuliebe – einer geregelten Arbeit nach. Wirklich erfüllen vermag ihn diese jedoch nicht, weshalb es Nate nicht ganz ungelegen kommt, als plötzlich sein verstorben geglaubter älterer Bruder Sam (Troy Baker) vor der Tür steht. Einst jagten beide den Schatz des Piraten Henry Avery, doch der bei der Mission totgeglaubte Sam landete für 15 Jahre im Gefängnis. Ein südamerikanischer Drogenboss half ihm, zu fliehen. Verlangt nun jedoch den Schatzfund Averys als Ausgleich – ansonsten kostet es Sam das Leben.

“Just when I though I was out… they pull me back in”, mag sich Nate da im Stile von Michael Corleone (Al Pacino) aus The Godfather – Part III denken. Elena wird in der Folge mit einem Jobauftrag im Ausland angelogen, Ex-Partner und Ziehvater Sully (Richard McGonagle) kontaktiert. Über Monte Carlo und Schottland zieht das Trio schließlich nach Madagascar, immer auf den Fersen von Nate und Sams ehemaligen Partner Rafe Adler (Warren Kole) und dessen umfangreicher Söldnertruppe um Nadine Ross (Laura Bailey). Es gilt, die von Henry Avery hinterlassenen Rätsel und Hinweise zu lösen, die auf den größten Piratenschatz aller Zeiten hindeuten. Während gleichzeitig Gattin Elena in der Heimat weiterhin angelogen und vertröstet wird.

Über weite Strecken zwingt Uncharted 4: A Thief’s End somit Emily Roses Elena auf die Ersatzbank, als Frauchen, das Zuhause bleiben muss, während die Männer ihrem Abenteuerdrang nachgeben. Naturgemäß findet die Figur im Verlauf des Spiels aber heraus, was gespielt wird, was wieder mal zu einem Konfliktszenario mit Nate führt. Der, so das Urteil, vermag nicht loszulassen von jenem Leben, das ihn und sie bereits mehrfach beinahe das Leben gekostet hat. Nate wiederum bekommt keine rechte Chance, um zu erklären, dass die Suche nach Averys Schatz weniger um des Schatzes Willen geschieht, sondern um seinen Bruder zu retten. Jenen Bruder, von dessen Existenz sowohl Elena als auch der Spieler erst hier erfahren.

Mit der Integration von Sam tut sich Naughty Dog keinen wirklichen Gefallen. Vor allem dann nicht, wenn Rückblenden, in denen Nate und Sam als Jugendliche auf erste Beutezüge gehen, sich mit Rückblenden beißen, die es zuvor in Drake’s Deception zu spielen gab. Dort traf ein 15-jähriger Nate in Kolumbien auf Sully, hier nun sehen wir ihn weitaus jünger eine Karriere mit seinem Bruder beginnen. Von dem wiederum war in vorheriger Rückblende nichts zu sehen oder zu hören. Das Drama in der Drakeschen Bruderbeziehung ist dabei auch keineswegs derart, dass es sich verboten hätte, seiner Ehefrau von ihm zu erzählen, was A Thief’s End im Verlauf als vermeintliche Ausrede für die Figur – und zugleich Hersteller – anführt.

Aber Sam musste natürlich zum Bruder werden, wo ein guter Freund wohl als Motivation nicht ausgereicht hätte. Für den Spieler ergibt sich kein Unterschied, da die brüderliche Beziehung hier bestenfalls auf Hörensagen basiert. Großartig wird es dann, wenn Elena Nates Lügen auf die Schliche kommt und Sam seinem Bruder versichert, die Gattin werde sich wieder beruhigen. Dabei kennt er sie gar nicht. Zuvor warf Elena ihrem Mann den Blick in seinen Augen vor, als er von einer Hinweis-Schnitzeljagd zurückkehrt – allerdings hatte sie ihm den Rücken zugewandt gehabt. Es sind Details wie diese, die verdeutlichen, wie unsauber das Drehbuch von Neil Druckmann und Josh Scherr (immerhin auch die Autoren von Among Thieves) ist.

Lächerlich wird es schließlich gegen Ende des Spiels, wenn die Figuren in Afrika auf einen von Piraten gegründeten Stadtstaat stoßen, der derart pompös und nobel gestaltet daherkommt, als hätte hier Louis XIV. persönlich gehaust. Die Frage, wie Piraten derartige Paläste gebaut haben und das Material hierfür nach Afrika beschafften, wie viele Jahre all das gedauert haben muss – Naughty Dog opfert jegliche Rationalität für einige hübsche Set Pieces. Immerhin, wenn schon von Rationalität gesprochen wird, kommt A Thief’s End im Gegensatz zu früheren Teilen ohne übernatürliche Elemente wie Zombies oder Yeti-Monster aus. Ansonsten wird sich jedoch freizügig bei den drei Vorgängern wie auch Square Enix’ Tomb Raider bedient.

Das Ergebnis ist vom Gameplay her wenig originell, außer dass die Locations variieren. Gespielt hat man das alles jedoch schon anderswo. Und vor allem: besser. Die Sequenz in Monte Carlo mit Sam ist nahezu identisch mit dem Türkei-Raub aus Among Thieves (dort unterstützt von Harry Flynn), eine spätere motorisierte Verfolgungsjagd, in der Nate unterwegs die Fahrzeuge wechseln muss, gab es zuvor schon in Drake’s Deception zu spielen. Auf Madagascar wiederum klaut Naughty Dog visuelle Gestaltungen direkt von Tomb Raider, aus dem das Gameplay nun auch eine Kletteraxt übernommen hat, mittels der sich Nate teils an Felsvorsprüngen festhaken kann. Weitere Neuerungen: ein Seil, mit dem sich unentwegt schwingen lässt.

Besonders ärgerlich ist, dass auch A Thief’s End wie zuvor Drake’s Deception in seinem Schlussakt jegliche Narration beiseite legt, um von Adventure-Game zum banalen Third-Person-Shooter zu mutieren. Unentwegt fliegen Dinge hoch, schleudern Nate in die Luft, während eine nicht abebben wollende Armee mehrerer Hundert Gegner auf einen losballert. Die zuvor offerierte Option, im Stealth-Modus derartige Szenarien zu vermeiden – oder wie in Naughty Dogs The Last of Us gänzlich Konflikten aus dem Weg zu gehen –, bleibt hier aus. Nicht das einzige was begrenzt ist, so abgesteckt wie die Welt von Uncharted 4 ist. Hingehen lässt sich nur, wo man darf. Und Türen öffnen sich erst dann, wenn das Spiel es plötzlich für nötig hält.

Frustrierend gerät auch, wenn Interaktionen manuell weitergeführt werden müssen. Eine Option, die Naughty Dog in The Last of Us einführte, für diejenigen, die die Beziehung zwischen Joel und Ellie vertiefen wollten. Wenn hier jedoch eigens zu einer Spielfigur gerannt werden muss, um einen Dialog weiterzuführen, der notwendig ist, damit ein Hinweis aufblinkt, der das Fortführen der Handlung ermöglicht, ist dies ebenso ärgerlich, wie wenn Nate alle möglichen Dinge selbst durchführen muss, selbst wenn andere Figuren dies genauso gut könnten. Der Frustfaktor bei der Gestaltung des Spiels, vom großen Ganzen wie der Handlung bis zu kleinen Details wie dem Warten eines Dialogendes, um eine Tür öffnen zu können, ist somit groß.

Dabei hat A Thief’s End durchaus auch positive Dinge zu bieten, allen voran natürlich eine überzeugende Grafik mit hervorragenden Bildern. Wie weit die Entwicklung hier vorangeschritten ist, zeigt sich allein bei der Gestaltung und Mimik von Elena, aber auch die Ausflüge in den matschigen Dschungel Madagascars sowie einer Insel- und Meerlandschaft beeindrucken optisch durch ihre Farbgestaltung und Detailreichtum. Gerade die erste Hälfte – des in der Summe ausufernd langen – Madagascar-Segments weiß zu gefallen, auch die Rätsel, die primär in der ersten Hälfte des Spielverlaufs auftauchen (später wird ja nur noch geschossen) sind ganz nett, obschon grundsätzlich relativ simpel. Letztlich ist das alles jedoch zu wenig, um zu überzeugen.

Das Gameplay ist prinzipiell dasselbe der Vorgänger, somit keineswegs schlecht, aber eben schlicht nichts Neues, wie A Thief’s End generell als ein Best of daherkommt. Es enthält wenig bis nichts, was nicht bekannt ist, was den vierten Uncharted-Teil wie Naughty Dogs Pendant zu uninspirierten Filmfortsetzungen à la Star Wars – Episode VII: The Force Awakens oder Jurassic World macht. Filme, die primär funktionieren, weil sie sich auf ein ihnen vorausgehendes Erbe stützen und dieses wie ein Echo wiederholen. Wer jedoch derart uninspiriert zu Werke geht, sollte es besser gleich lassen oder seine Energie in originärere Projekte stecken. In diesem Sinne, Naughty Dog, rate ich euch bezüglich Uncharted getreu Henry Jones, Sr.: Let it go.

6/10

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