30. März 2017

Ghost in the Shell (3D)

Don’t send a rabbit to kill a fox.

Bereits seit 15 Jahren halten sich Gerüchte um eine Realverfilmung von Otomo Katsuhiros Manga- und Anime-Klassiker Akira. Immer mal wieder tauchen neue Produktions- und Casting-Nachrichten auf, nicht unähnlich wie bei der geplanten – jedoch seit zehn Jahren immer wieder verschobenen – Verfilmung von William Gibsons Cyberpunk-Roman Neuromancer. Zu derselben Zeit begannen auch Hollywood-Pläne, Shirow Masamunes Manga Kōkaku Kidōtai, den Oshii Mamoru bereits 1995 als Anime verfilmt hat, umzusetzen. Im Gegensatz zu Akira und Neuromancer kann hier nun Vollzug vermeldet werden, startet Rupert Sanders’ Ghost in the Shell heute in den Kinos: Eine weichgespülte Mimikry der visuellen Ideen von Shirow und Oshii.

Nach einem Angriff von Terroristen auf ein Flüchtlingsboot rettet die Wissenschaftlerin Dr. Ouelet (Juliette Binoche) das Leben von Mira (Scarlett Johansson), indem sie deren Gehirn in einen kybernetischen Körper verpflanzt. Ein Unikat, das Mira jedoch als menschliche Waffe nun zum Eigentum des Unternehmens Hanka und dessen Besitzer Mr. Cutter (Peter Ferdinando) macht. Da Hanka mit der Regierung kooperiert, dient Mira fortan als “Major” in der Anti-Terror-Spezialeinheit von Aramaki (Takeshi Kitano). Gemeinsam mit ihren Partnern Batou (Pilou Asbæk) und Togusa (Chin Han) untersucht Major dabei eine Mordserie an verschiedenen Wissenschaftlern von Hanka, verübt von dem Cyber-Terroristen Kuze (Michael Pitt).

Das Original Kōkaku Kidōtai greift als eines seiner Themen das Leib-Seele-Problem von René Descartes auf. Kann der Geist außerhalb der Materie existieren und wie genau definiert sich Menschlichkeit? Die Handlung inspirierte damals die Wachowski-Schwestern zu ihrem Kultfilm The Matrix und erinnert in ihren Grundzügen an Ideen von Philip K. Dick, denen dieser in Romanen wie Do Androids Dream of Electric Sheep? nachging. Was macht den Mensch zum Mensch und kann eine künstliche Intelligenz als Person betrachtet werden – Fragen, die in der Welt von Kōkaku Kidōtai immer stärker an Bedeutung gewinnen, wenn die Menschen vermehrt kybernetische Erweiterungen an ihren Körpern vornehmen. Oder wie Major Cyborgs sind.

Von diesem Plot-Element verabschiedet sich Ghost in the Shell leider, der Film stellt nicht eine Künstliche Intelligenz der Menschheit gegenüber und erörtert die Frage, was das eine Bewusstsein vom anderen unterscheidet. Stattdessen fokussiert sich Rupert Sanders (Snow White and the Huntsman) auf den biologisch-ethischen Aspekt der fortschreitenden Kybernetisierung, dessen Anfang in Major zu finden ist: Sie repräsentiert die gelungene Symbiose aus Mensch und Maschine. Für Cutter ist sie eine Waffe, die sich vermarkten lässt, für Majors Mutterersatz Dr. Ouelet wiederum ist Major/Mira der nächste Schritt der menschlichen Evolution. Major dagegen hadert noch mit ihrem Zustand, der sie zwischen die Stühle beider Parteien platziert.

Kurz nach ihrer „Geburt“ muss Ouelet sie darauf hinweisen, zu atmen, während Major beklagt, ihren Körper nicht spüren zu können. Vermeintliche Erinnerungsfetzen an ihre Vergangenheit, von Ouelet Glitches genannt, suchen Major später heim, ein injiziertes Serum sorgt derweil dafür, dass ihr menschliches Gehirn nicht ihren Maschinenkörper abstößt. Ghost in the Shell reduziert das Leib-Seele-Problem somit auf Major, geht ihm in ihr allerdings nicht wirklich nach. Die von der Figur geschilderte Einsamkeit in ihrer Umgebung verbleiben bloße Worte, anstatt dass Sanders sie mit Bildern und Szenen unterfüttern würde. Die Frage, ob das, was Major darstellt, ethisch vertretbar ist, schwebt zwar im Raum – mehr aber leider auch nicht.

Ebenso wenig interessiert sich der Film wirklich für seinen Widersacher Kuze und dessen Agenda. Was die Handlung anbelangt, ersetzt er den Puppetmaster aus Kōkaku Kidōtai 1:1, erhält aber im Gegensatz zu diesem keine Persönlichkeit. Zwar baut sich die Figur ein menschliches Netzwerk auf, was sich genau hinter diesem verbirgt und wie es funktioniert hat Ghost in the Shell jedoch keine Zeit aufzuschlüsseln. Die Auflösung zum Hintergrund der Figur und ihre Einordnung in die Geschichte zum Schluss wirken zugleich ziemlich generisch, was zuvorderst an der Entscheidung der Autoren Jamie Moss und William Wheeler liegt, den Rahmenplot ihrer Realverfilmung von der Vorlage abweichen zu lassen, während der Film dieser visuell folgt.

Praktisch alle erinnerungswürdigen Szenen des Originals werden hier kopiert, von Majors Einsatz zu Filmbeginn über die Mülltransport- und Kanal-Kampf-Szene bis hin zu Majors Tauchgang und der finalen Klimax. Denselben Effekt vermögen Sanders’ Kopier-Versuche nicht zu erzielen, das liegt einerseits an dem PG-13-Rating, welches alle Kampfszenen weitestgehend von Gewalt befreit, andererseits an den nur mäßig überzeugenden Spezialeffekten von Weta. So wirkt Majors Tauchgang nicht nur inhaltlich etwas befremdlich, da Mira selbst von ihrem vermeintlichen Tod durch Ertrinken traumatisiert ist, sondern er wirkt durch die CGI-Elemente auch unwahrscheinlich künstlich, anstatt Scarlett Johansson einfach in einem Wassertank zu filmen.

Vielversprechend beginnt zumindest der Film-Score von Clint Mansell, der dann aber immer mehr verschwindet, was womöglich daran liegen mag, dass später Lorne Balfe als Komponist zum Projekt dazustieß. Das Ensemble ist solide, obschon Scarlett Johansson – hier in “Black Widow mode” – etwas fehlbesetzt scheint (zumindest ich selbst hätte eher jemand wie Mary Elizabeth Winstead vorgezogen). Unterm Strich ist Ghost in the Shell dann das, was man von einer Adaption aus Hollywood erwarten konnte. Immerhin kein totaler Reinfall wie solche Reboots à la RoboCop (der diesem Ghost in the Shell thematisch nicht unähnlich ist) oder Total Recall, aber letztlich wenig eindrucksvoll und uninspiriert. Praktisch ein Körper ohne Geist.

5/10

1 Kommentar: