In seinem Roman Factotum schreibt Charles Bukowski an einer Stelle “my ambition is handicapped by laziness”. Ein ähnliches Problem schleppt Bukowskis Dichter-Kollege Moondog (Matthew McConaughey) in Harmony Korines The Beach Bum mit sich herum. “He’s a great man. He’s brilliant”, versichert Moondogs Tochter Heather (Stefania LaVie Owen) ihrem frisch angetrauten Ehemann. Sie steht damit stellvertretend für im Prinzip alle Figuren aus Korines jüngstem Film, die Moondogs Talent zwar anerkennen, sich aber frustriert zeigen von seiner lethargischen Ausschöpfung desselben. Als Moondog im Verlauf des Films nach einem Vorfall einer Haftrichterin vorgeführt wird, entpuppt sich selbst die als ein Fan der Hauptfigur.
“Don’t let us down, Moondog”, ermahnt sie den versoffenen Poeten bezeichnender Weise im Plural. “We’re rooting for you.” Durch den Film hindurch begegnet Moondog eine gewisse subtile Erwaltungshaltung als Resultat seines Talents. Jeder Blick zeugt einerseits von Bewunderung, kommuniziert andererseits aber zugleich ein fast schon elterlich-enttäuschtes „Junge, was ist nur aus dir geworden?“. Moondog ist ein gestriger Held, ein “has been”, wie ihn sein Literaturagent Lewis (Jonah Hill) nennt, nachdem er beklagt: “you used to be a motherfucking ATM for me.” Für Lewis ist der brachliegende kreative Output von Moondog also zuvorderst ein monetärer Verlust, für die anderen Charaktere dagegen viel eher ein kultureller.
Insofern wirft The Beach Bum die Frage nach kreativer Verantwortung auf, begünstigt durch unsere gegenwärtige Neidgesellschaft. Ein Unverständnis gegenüber solchen Menschen, die zwar zu denjenigen zählen, die von Talent geküsst sind, aber (zu) wenig daraus machen. “I just wanna have a good time until this shit is over, man”, gesteht Moondog später. Er ist ein Hedonist wie er im Buche steht – und lebt für Sex, Drogen und den Moment. Dabei nimmt er alles, wie es kommt – und ähnelt mit dieser Haltung zum Laissez-faire vermutlich nicht von ungefähr dem Dude aus The Big Lebowski (mit dem feinen Unterschied, dass Letzterer kein literarisches Genie war). Moondog hat die Ruhe weg – zumindest, bis sie ihm der Film nimmt.
Heathers Hochzeit treibt ihn aus dem Wahl-Exil der Florida Keys zurück in die Zivilisation Miamis. Hier kontrastiert sich Moondogs Normalo-Welt mit dem mondänen Lebensstil seiner Ehefrau Minnie (Isla Fisher). Ihr Familienerbe macht sie zur Multimillionärin – etwas, an dem scheinbar auch Moondog partizipiert (ob er in den Keys von Unterhaltszahlungen lebt oder den Tantiemen seiner Bücher, bleibt unklar). Äußere Umstände führen jedenfalls nun dazu, dass Moondog literarisch liefern muss, will er finanziell weiter über die Runden kommen. “Come back when you’re ready”, drängt ihn Heather dazu, sein Talent zu akzeptieren. Oder wie Jimmy Buffett auf dem Soundtrack passend singt: “We gotta get a leash on that dog.”
Der „dramatische” Verlauf der Geschichte gegen Ende des ersten Akts dient im Prinzip nur dazu, eine Dringlichkeit für die Hauptfigur zu implementieren. Anstatt einfach mit seinem Skiff zurück in die Keys zu fahren, macht Moondog das Spiel mit. Was etwas irritiert, da wir ihn bereits vor seiner Rückkehr nach Miami sowohl schreiben als auch an neuen Gedichten arbeiten sehen. Es ist folglich nicht so, als würde die Figur gar nicht literarisch aktiv sein, sondern eben einfach ihrem eigenen Tempo folgen. Ungeachtet dessen ist die Handlung in The Beach Bum aber ohnehin nur ein Vorwand, um Moondog ab der Filmmitte verschiedene Eskapaden erleben zu lassen, reich bevölkert mit Harmony Korines typisch skurrilen Charakteren.
Zum Beispiel wenn Martin Lawrence sich in einen mehrminütigen Lobgesang auf Delfine verlieren darf als Vietnam-Veteran Captain Wack, der inzwischen Bootstouren zu den Säugern anbietet, Moondog in seiner Entzugsklinik den christaffinen Pyromanen Flicker (Zac Efron) kennenlernt oder sich auf einer Yacht-Party mit Jimmy Buffett und dem Marihuana-dealenden R’n’B-Sänger Lingerie (Snoop Dogg) vergnügt. Die Interaktion mit diesen und anderen Figuren unterstreicht Moondogs Eigenschaft als geselliger Mensch, der mit jedem klarkommt (eben auch der Haftrichterin). The Beach Bum ist insofern vorrangig eine Komödie, in der Korine weitaus weniger über unsere Gesellschaft zu sagen hat, als zuletzt noch in Spring Breakers der Fall.
Das für Korine typische Außenseitertum ist natürlich auch in The Beach Bum noch zugegen, der Kampf gegen das Establishment eben heruntergebrochen auf den Konflikt – eher: die Ungenügsamkeit – von Moondogs Umwelt mit dem Dichter selbst. Vielleicht finden sich hier autobiografische Züge und im Film ein Abziehbild auf Korines sechsjährige Schaffenspause zwischen Spring Breakers und The Beach Bum. Über die Erwartungshaltung, ein nächstes Meisterwerk rauszuhauen, unabhängig vom kreativen Prozess, der dahintersteht. Moondog personifiziert eine gewisse Widersprüchlichkeit, wenn er gekonnt klassische Musik am Piano spielt, während ihm Minnies Bedienstete sein Dosenbier (buchstäblich) auf dem Silbertablett serviert.
Sein hedonistisches Mantra, einfach eine gute Zeit haben zu wollen, macht Moondog zum Gegenentwurf des Otto Normalbürgers – und zugleich zu dessen Ideal. Leben um des Lebens willen, ungebunden an Arbeitszeiten, Mieten und Hypotheken. Die Figuren in The Beach Bum mögen Moondog für sein Talent bewundern, wir als Zuschauer dagegen – auch weil seine Werke kaum rezitiert werden im Film – blicken eher neidisch auf seine Unbekümmertheit in Bezug auf irdische Dinge. In einer Szene begegnet uns dann doch Moondogs erstes Gedicht, über das sich die Figur selbst amüsiert: “One day I will swallow up the world, and when I do, I hope you will all perish violently.” Wer braucht Ehrgeiz, wenn er seine Ziel schon erreicht hat?
“Don’t let us down, Moondog”, ermahnt sie den versoffenen Poeten bezeichnender Weise im Plural. “We’re rooting for you.” Durch den Film hindurch begegnet Moondog eine gewisse subtile Erwaltungshaltung als Resultat seines Talents. Jeder Blick zeugt einerseits von Bewunderung, kommuniziert andererseits aber zugleich ein fast schon elterlich-enttäuschtes „Junge, was ist nur aus dir geworden?“. Moondog ist ein gestriger Held, ein “has been”, wie ihn sein Literaturagent Lewis (Jonah Hill) nennt, nachdem er beklagt: “you used to be a motherfucking ATM for me.” Für Lewis ist der brachliegende kreative Output von Moondog also zuvorderst ein monetärer Verlust, für die anderen Charaktere dagegen viel eher ein kultureller.
Insofern wirft The Beach Bum die Frage nach kreativer Verantwortung auf, begünstigt durch unsere gegenwärtige Neidgesellschaft. Ein Unverständnis gegenüber solchen Menschen, die zwar zu denjenigen zählen, die von Talent geküsst sind, aber (zu) wenig daraus machen. “I just wanna have a good time until this shit is over, man”, gesteht Moondog später. Er ist ein Hedonist wie er im Buche steht – und lebt für Sex, Drogen und den Moment. Dabei nimmt er alles, wie es kommt – und ähnelt mit dieser Haltung zum Laissez-faire vermutlich nicht von ungefähr dem Dude aus The Big Lebowski (mit dem feinen Unterschied, dass Letzterer kein literarisches Genie war). Moondog hat die Ruhe weg – zumindest, bis sie ihm der Film nimmt.
Heathers Hochzeit treibt ihn aus dem Wahl-Exil der Florida Keys zurück in die Zivilisation Miamis. Hier kontrastiert sich Moondogs Normalo-Welt mit dem mondänen Lebensstil seiner Ehefrau Minnie (Isla Fisher). Ihr Familienerbe macht sie zur Multimillionärin – etwas, an dem scheinbar auch Moondog partizipiert (ob er in den Keys von Unterhaltszahlungen lebt oder den Tantiemen seiner Bücher, bleibt unklar). Äußere Umstände führen jedenfalls nun dazu, dass Moondog literarisch liefern muss, will er finanziell weiter über die Runden kommen. “Come back when you’re ready”, drängt ihn Heather dazu, sein Talent zu akzeptieren. Oder wie Jimmy Buffett auf dem Soundtrack passend singt: “We gotta get a leash on that dog.”
Der „dramatische” Verlauf der Geschichte gegen Ende des ersten Akts dient im Prinzip nur dazu, eine Dringlichkeit für die Hauptfigur zu implementieren. Anstatt einfach mit seinem Skiff zurück in die Keys zu fahren, macht Moondog das Spiel mit. Was etwas irritiert, da wir ihn bereits vor seiner Rückkehr nach Miami sowohl schreiben als auch an neuen Gedichten arbeiten sehen. Es ist folglich nicht so, als würde die Figur gar nicht literarisch aktiv sein, sondern eben einfach ihrem eigenen Tempo folgen. Ungeachtet dessen ist die Handlung in The Beach Bum aber ohnehin nur ein Vorwand, um Moondog ab der Filmmitte verschiedene Eskapaden erleben zu lassen, reich bevölkert mit Harmony Korines typisch skurrilen Charakteren.
Zum Beispiel wenn Martin Lawrence sich in einen mehrminütigen Lobgesang auf Delfine verlieren darf als Vietnam-Veteran Captain Wack, der inzwischen Bootstouren zu den Säugern anbietet, Moondog in seiner Entzugsklinik den christaffinen Pyromanen Flicker (Zac Efron) kennenlernt oder sich auf einer Yacht-Party mit Jimmy Buffett und dem Marihuana-dealenden R’n’B-Sänger Lingerie (Snoop Dogg) vergnügt. Die Interaktion mit diesen und anderen Figuren unterstreicht Moondogs Eigenschaft als geselliger Mensch, der mit jedem klarkommt (eben auch der Haftrichterin). The Beach Bum ist insofern vorrangig eine Komödie, in der Korine weitaus weniger über unsere Gesellschaft zu sagen hat, als zuletzt noch in Spring Breakers der Fall.
Das für Korine typische Außenseitertum ist natürlich auch in The Beach Bum noch zugegen, der Kampf gegen das Establishment eben heruntergebrochen auf den Konflikt – eher: die Ungenügsamkeit – von Moondogs Umwelt mit dem Dichter selbst. Vielleicht finden sich hier autobiografische Züge und im Film ein Abziehbild auf Korines sechsjährige Schaffenspause zwischen Spring Breakers und The Beach Bum. Über die Erwartungshaltung, ein nächstes Meisterwerk rauszuhauen, unabhängig vom kreativen Prozess, der dahintersteht. Moondog personifiziert eine gewisse Widersprüchlichkeit, wenn er gekonnt klassische Musik am Piano spielt, während ihm Minnies Bedienstete sein Dosenbier (buchstäblich) auf dem Silbertablett serviert.
Sein hedonistisches Mantra, einfach eine gute Zeit haben zu wollen, macht Moondog zum Gegenentwurf des Otto Normalbürgers – und zugleich zu dessen Ideal. Leben um des Lebens willen, ungebunden an Arbeitszeiten, Mieten und Hypotheken. Die Figuren in The Beach Bum mögen Moondog für sein Talent bewundern, wir als Zuschauer dagegen – auch weil seine Werke kaum rezitiert werden im Film – blicken eher neidisch auf seine Unbekümmertheit in Bezug auf irdische Dinge. In einer Szene begegnet uns dann doch Moondogs erstes Gedicht, über das sich die Figur selbst amüsiert: “One day I will swallow up the world, and when I do, I hope you will all perish violently.” Wer braucht Ehrgeiz, wenn er seine Ziel schon erreicht hat?
8/10